So Herr
@Daskeks , dann wollen wir mal. Der 90er Jahre Black Metal ist für mich immer noch etwas ganz Besonderes, vor allem wenn er aus Norwegen stammt. Für mich war das damals eine Zeit der Erneuerung und der Spannung mit einem Hauch des Verbotenen. Aus heutiger Sicht klingt das natürlich lächerlich, aber darauf kommt es hier nicht an. Wenn ich zurück denke, ist die Magie sofort wieder da. Und nur das zählt.
Daher gibt es heute ausschließlich norwegische Kost:
Los geht es mit dem Debüt von
Dodheimsgard - Kronet til konge von 1995
Damals noch komplett im Black Metal verwurzelt, ist das Debut eine ziemlich rohe Angelegenheit. Aber mit fesselnden Melodien, die entdeckt werden wollen. Den Bass übernahm übrigens ein gewisser Gylve Nagell
Beim Gesang muss ich immer an einen Trollvater denken, der seine unartigen Kinder ohne Essen ins Bett schickt: "Lass das sein, Schluss jetzt, ab mit Euch. Und morgen wird verdammt noch mal wieder anständig gemordet!". Auf jeden Fall hat die Scheibe noch nichts mit den späteren Avangardwerken der Band unter dem Namen DHG zu tun. Man war noch nicht erwachsen und genoss es jung und böse zu sein.
Weiter geht es mit
Troll - Drep de kristne von 1996
Deutlich keyboardlastiger, aber immer noch klassisch norwegische Schiene. Mit einem herrlich schönen Kreischgesang und harschen Melodien. Kult ist natürlich auch das Originalcover mit den Trollen, die einem christlichen Dorf zu Leibe rücken. Dass ein gewisser Nagash (Dimmu Borgir, später Covenant) die Band gegründet hat, soll hier nicht abschrecken. Wir schreiben immerhin noch das Jahr 1996 und die Welt war noch in Ordnung.
Auf zu neuen Ufern mit
Ved Buens End - Written in Waters von 1995
Ich hätte jetzt natürlich mit Gorgoroth, Satyricon oder Ulver weiter machen können, darauf hatte ich allerdings keine Lust und sie kamen mir nicht als Erstes in den Sinn. Gut das Debut von Ulver schon, aber das hast Du ja. Ved Buens End, das Ende des Regenbogens bzw. der Bifröst nach Asgard ist eher ein Projekt als eine echte Band. Aber wer konnte das damals schon genau sagen, als Mitte der 90er die coolsten Bands nur so wie Pilze aus dem Boden schossen? Auch hier begegnet uns wieder ein gewisser Vicotnik, der später mit Virus seinen Ideen freien Lauf lies. Nach einem interessanten Demo, das mehrfach wieder veröffentlicht wurde, sorgte diese mutige Scheibe für offene Münder. Ziemlich durchgeknallt, aber auf höchstem Niveau tobte man sich abseits des streng geregelten Black Metal mal so richtig aus. War das noch Black Metal oder schon Avantgarde oder einfach nur coole Musik? Wen interessierts wenn das Ergebnis so faszinierend klingt. Nach dieser Blaupause für das Sprengen von Ketten war auch schon wieder Schicht im Schacht. Macht aber nichts, denn wir haben immer noch diese faszinierende Scheibe. Alternativ empfiehlt sich auch das Debut der All-Star-Jungs von
Arcturus - Aspers hiems symfonia. Vielleicht nicht ganz so durchgeknallt, aber immer noch wegweisend.
Wo wir gerade beim Thema All-Star-Projekte sind: Da darf das Debut von
Borknagar - Borknagar von 1996 natürlich nicht fehlen
Was soll herauskommen, wenn sich Musiker von Molested, Enslaved, Gorgoth, Arcturus, Immortal und Ulver zusammen tun? Man zittert als Fan angespannt schon bei der ersten Erwähnung dieser neuen Band, die ausdrücklich kein Projekt war. Können sich die genannten Individuen einem großen gemeinsamen Ziel unterordnen oder werden sie es gründlich vergeigen? Sie können es, zwar nur einmal, dafür aber richtig. Was eine Scheibe, was für eine Erfüllung der kühnsten Black Metal Träume. Vom genialen Cover, über die passgenauen Zwischenstücke, bis zur präzisen Wucht der Songs. Hier stimmt einfach alles. Beim Einsetzen des Wikingerchors im ersten Song (4:47) kriege ich immer noch Gänsehaut. Ja, das ist schon alles sehr professionell geordnet. Hier sind halt echte Profis am Werk. Aber die lassen ihrer wilden Energie immer noch freie Bahn ohne künstlich oder gewollt zu klingen. Ein Meilenstein, der bis heute nichts von seiner Faszination verloren hat. Falls noch nicht vorhanden: Unbedingt zulegen. Besser waren Borknagar aus meiner bescheidenen Warte heraus nie wieder.
So und zum Schluss noch einer meiner Lieblinge aus der Dritten Reihe:
Tartaros - The Grand Psychotic Castle von 1997
Mit einer Spiellänge von nur knapp 25 Minuten eher eine EP als eine LP, aber wen kümmerts. Schon die irren Schreie im Intro rechtfertigen den Kauf. Der damalige Live-Keyborder von Emperor, Charmand Grimloch hat hier seinen Ideen und vor allem seinem Keyboard freien Lauf gelassen. Aber nicht nur denen. Das Ganze ist trotz des hohen Keyboard-Einsatzes eine waschechte Black-Metal-Scheibe, allerdings eher im Sinne von Emperor als Darkthrone. Wer die In the nightside eclipse abgöttisch liebt, wird auch an dieser kleinen Scheibe seine wahre Freude haben. Danach gab es mit The red jewel (1999) noch ein vollständiges Album, das zwar auch gut, aber nicht ganz so dicht und fesselnd ist. Dann siedelte der Norweger nach Amerika um, um fürderhin Soundtracks für zweit- und drittklassige Filme zu komponieren. Wie tief kann man sinken...
2019 wurden beide Scheiben als schönes Doppelvinyl noch mal rereleased. Absolut empfehlenswert.
So, das wars. Natürlich überhaupt nicht vollständig und schon gar nicht repräsentativ, sondern nur auf meinem Mist gewachsen. Die Dodheimsgard und die Troll kriegst Du beide als LP bzw. CD oder Tape bei High Roller Records, die Ved buens End als LP oder CD bei Season of mist. Mit der ersten Borgknagar und der Tartaros sieht es leider etwas schlechter aus. Die wurden bis auf die Doppel-LP aktuell nicht wieder neu aufgelegt. Vielleicht mal bei ebay oder discogs reinschauen. Sorry.