Neue Musik, moderne Musik, Avantgarde & Co

Die weiter oben erwähnte Orgel Solo Platte "Organ Works Vol. 2" von Klaus Lang ist sehr stark. Sehr minimalistisch und statisch gehalten, zum Teil aber auch massive Cluster-Blöcke, überraschende Dynamik-Wechsel - Empfehlung!

Auch interessant hier ein Interview mit ihm:
https://www.dorftv.at/video/5644
Ein Plädoyer für das Schlichte, Klare und Einfache.
 
Ich würde gern noch für ein paar moderne Klassiker die Werbetrommel rühren, die bei Euch Spezialisten zwar wahrscheinlich eher unter Mainstream laufen; bei Leuten wie mir, die nur hin und wieder vorsichtig die Nase (resp. Ohren) in andere Sphären als "generic metal" stecken, aber durchaus dazu führen kann, andere musikalische Pfade als die bekannten, ausgetretenen einzuschlagen.

Als da vor allem wäre:

IGOR STRAWINSKY ~ "Der Feuervogel"



Ich hab' das Werk vor ca. 30 Jahren zusammen mit meiner (deutlich dem Bildungsbürgertum zugeneigten) Tante in Stuttgart als Ballettaufführung gesehen und war ausserordentlich beeindruckt - das mag zwar hauptsächlich an der akrobatischen Tanzdarbietung gelegen haben, aber wie dem auch sei: :verehr:!

(an das rein symphonische Stück hab' ich mich allerdings bislang nicht recht rangetraut; muss wohl mal die " richtige" Stimmung dafür abpassen ;)).
 
Weiterhin drehen sich hin und wieder auf meinem Plattenteller:

- Modest Mussorgsky

- Aram Khatschaturian

- Maurice Ravel

- Carl Orff
(wobei ich besonders von seiner Bandbreite angetan bin; vom eher massenkompatiblen "Carmina Burana" bis zum für mich recht anstrengenden und wenig zugänglichen "Prometheus").
 
Strawinsky
herzen-smilies-0053.gif
 
Da wir Gorecki und Pärt schon hatten, hier noch mehr "Kitsch":

Howard Skempton - Lento (1990)

Die Kitsch-Diskussion ist ja tatsächlich nicht neu (zumindest was Pärt betrifft) und grade unter Musikwissenschaftlern ist der Pärt auch umstritten was das angeht. Der von HantSchwartz schon mehrfach zitierte (und von mir auch hoch geschätzte) Prof. Frank Hentschel sagte mir mal, er finde seine Musik schlicht langweilig. Ich persönlich finde sie aber einfach nur schön (was auch für Goreckis Sinfonie und das Skempton-Stück gilt). Ist wohl Geschmackssache und auch sehr Stimmungsabhängig (bei mir jedenfalls).
Neben dem oben geposteten Cantus von Pärt ist mein Favorit übrigens das Lamentate.
 
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Was wir, wenn ich's richtig sehe, noch gar nicht hatten ist musique concrete... Einer meiner liebsten Vertreter dieser Strömung ist Luc Ferrari. Generell mag ich ja bei elektonischer und elektroakustischer Musik vor allem die ganz frühen Sachen aus den 50ern und 60ern. Die haben so einen charakteristische Low-Fi Klang den ich irgendwie ziemlich geil finde. Aber bei Ferarri sind auch die späten Sachen sehr interessant.

Luc Ferrari - Hétérozygote (1963/64)

Sehr geil übrigens das Handwerker(?)-Gespräch ab min 11.
 
Oha, ganz schön schwere Kost hier teilweise...... ;)
..... da muss ich doch glatt noch mal eine Lanze brechen für einen der zwischen E- und U-Musik (bzw. zwischen Genie und "Wahnsinn") oszillierenden Charaktere zeitgenössischer musikalischer Darbietungen:

BRIAN ENO ~ " Music For Airports"



(im stillen Kämmerlein gehört würden mir die Endlos-Loops wahrscheinlich mit der Zeit gehörig auf den Senkel gehen, aber im Kontext eines verspäteten Fluges - wie in diesem Live-Ausschnitt - kann ich mir das Ganze gut vorstellen...... passt in's Ambiente und dämpft die Verärgerung ;).
 
Bei der Neuen Musik ist ja auch immer die Frage, wenn sie nicht mehr so ganz neu ist, wie sie denn so altert. Funktioniert sie mehr im Kontext der Zeit und ist sie zeitlos "schön" (in welchem Sinne auch immer). So ein Klassiker der Neuen Musik, den ich immer wieder faszinierend finde, ist John Cages "Sonatas and Interludes" für präpariertes Klavier von 1946-48, gleichermassen zeitlos schön, von der Klanglichkeit aber fast schon archaisch und vom Ansatz für die damalige Zeit höchst erfinderisch und radikal.
Man muss sich das mal vorstellen, der zweite Weltkrieg war gerade vorbei und John Cage steckt Schrauben und Radiergummi zwischen die Saiten eines Klavierflügels. Cage machte damals häufiger mit Musik für das moderne Tanz-Ensemble seines Lebensgefährten Merce Cummingham. Er suchte nach einer perkussiven Klangwelt und man konnte kein großes Perkussionensemble mit auf die Reisen nehmen. So fing er an das Klavier zu präparieren. Die Klänge die dabei entstehen erinnern z.T. stark an die balinesische Gamelan-Musik. Der Stück-Zyklus "Sonatas and Interludes" ist ein konzertantes Klavier-Solo-Stück aus dieser Zeit. Neben der Partitur liefert Cage auch eine genaue Präparationsanleitung mit und gibt genaue Angaben zu Schrauben- und Radiergummigrößen und deren exakter Position im Flügel. Heute gehört das präparieres des Klavier zum Standard in der zeitgenössischen Klavier-Literatur und für experimentelle Pianisten.
Interpret dieser hier ausgewählten Einspielung (unten, 1. von 4 Teilen) übrigens der Endländer John Tilbury, der sich nicht nur als Interpret insbesondere für Morton Feldman und John Cage einen Namen gemacht hat, sondern auch als Improvisator (u.a. mit der legendären Band "AMM"), Komponist eigener Werke und übrigens auch als Autor einer sehr umfangreichen Cornelius Cardew Monographie.
 
Hier ein legendärer Fernsehauftritt von John Cage in einer amerikanischen Unterhaltungs-Rate-Show aus dem Jahre 1960:
Es zeigt auch, dass er sehr unverkrampft drauf war und keine Probleme damit hatte, wenn Leute über seine Musik lachten. So sagt er auf die Frage des Moderators danach trocken: "I consider laughter preferable to tears."
 
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Übrigens sorgte Cage auch in Italien im Jahre 1959 in einer Quiz-Show für Furore, wo er als Pilz-Experte auftrat und mit seinem umfangreichen Wissen wohl tatsächlich einen sehr hohen Geldbetrag gewann und ebenfalls zur Belustigung des Moderators und des Publikums zwischendurch seine Musik zum Besten gab. Leider gibt es davon keine Aufzeichnungen (zumindest auf ich keine im Netz gefunden).
 
Hier ein legendärer Fernsehauftritt von John Cage in einer amerikanischen Unterhaltungs-Rate-Show aus dem Jahre 1960:
Es zeigt auch, dass er sehr unverkrampft drauf war und keine Probleme damit hatte, wenn Leute über seine Musik lachten. So sagt er auch die Frage des Moderators danach: "I consider laughter preferable to tears."

Ich liebe es so sehr. Hab ich zum ersten Mal im Studium gesehen. Unparalleled:jubel::verehr:
 
Über sein Musikverständnis:
... auch so schön wie er sagt "Whereas I love sounds, just as they are." und dann in die Sprech-Pause ein vom Zufall wohlgesetztes Hupen von einem Auto draußen.
 
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Cage ist und bleibt einfach mit die coolste Socke aus der damaligen Ära. Besonders weil er kapiert hat, dass Musik ohne emotionale Verbindung, ohne Körperlichkeit und ohne Humor einfach leer und willkürlich ist - so wie bspw. der totale Serialismus eben. Kein Wunder, dass die Kopflastigen ihn in Darmstadt voll verdrängter Angstgedanken ausgrenzen mussten:D
 
Das ist interessant, denn ich verstehe Cage tatsächlich völlig anders. Für mich geht es bei Cage tatsächlich um Klänge ohne emotionale Verbindung und ohne Körperlichkeit (siehe dazu auch den Clip zwei drüber, wo er über den Verkehr spricht), die Klänge sozusagen einfach passieren lassen. Unbestimmtheit und Zufall waren bei ihm ja auch entscheidende Kompositionsmittel (noch nicht bei 'Sonatas and Interludes'). Er scheint mir tatsächlich als ein Komponist, der quasi überhaupt keinen Gestaltungswillen an den Tag legt. Eine Geisteshaltung, die ja auch in Einklang mit seinem Hang zum Zen-Buddhismus steht.
In dem Sinne finde ich ihn (für mich persönlich) auch als über-Musik-Denker spannender, denn als Komponist. Mehr als viele seiner Stücke schätze ich an ihm, dass er quasi für die Musik, nach einer historisch-linearen Entwicklung zu immer mehr Komplexität, einen neuen Nullpunkt setzt, von dem wieder neu aufgebaut werden kann, die es ermöglicht den traditionellen Ballast abzuwerfen, sag ich mal jetzt etwas vereinfacht. In dem Sinne ist Cage dann auch für mich der größte Revolutionär der Musik im 20. Jahrhundert und dabei auch noch ein ganz friedliebender.

Hey, haben wir hier jetzt am Ende tatsächlich eine inhaltlichgeprägt kontroverse Diskussion?! [* Blut leck *]

Interessant finde ich in dem Zusammenhang auch die Entwicklung von Morton Feldman, der ja auch in den späten 50ern und 60ern mit Cage an einem Strang gezogen hat und ebenso mit "Unbestimmheit" in seinen Kompositionen arbeitete. In den 70ern allerdings formuliert er seine Stücke wieder detailiert aus. Er nimmt quasi die klanglichen Erfahrungen, die er in seiner "offenen" Phase gesammelt hat, entwickelt daraus dann aber wieder eine sehr persönliche und bestimmte Musik, wie Zufall und Offenheit sie nicht schreiben könnten.
 
Und sonst, all ihr BesucherInnen dieses Threads, habt Ihr heute schon über Euer Cage-Verständnis nachgedacht? It's time to weight in on the Cage controvercy!
 
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