Allgemeiner Bücher-Thread

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Sachbuch. Interessante Ideen wie die Zukunft einer raumfahrenden Menschheit aussehen könnte. Habe ich gerne und zügig durchgelesen.
 
Ich gestehe heute vor Euer aller Augen meine Schandtat: Dieses Buch habe ich... geklaut... aus eine Bibliothek... in einem Krankenhaus.

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Vor bald schon wieder zwei Jahrzehnten ging dort meine Ausbildung zu Ende. Am allerletzten Tag nahm ich mir eine kurze Auszeit von dem ritualisierten Brimbamborium der Examensvergabe und stieß beim Herumstöbern in einem vergessenen Winkel der Bibliothek der Pflegeschule auf dieses Prachtstück. Formal noch ein Angehöriger der Institution lieh ich es kurzerhand aus – und vergaß es bald wieder.
Ob das Werk seither vermisst wird? Ob Generationen von „Lehrlingen“(1) deswegen Qualitätseinbußen bei ihrer Ausbildung hinnehmen müssen? Ob sich inzwischen Mahngebührenbescheide in vierstelligem Bereich angehäuft haben, die auf mich niederregnen werden, wenn ich den Band eines Tages reumütig zurückbringen sollte?

Immerhin, jetzt wo ich das Buch wiedergefunden habe, muss ich erkennen: Es ist eine Wucht – ein kulturgeschichtlicher Meilenstein, der mein ganzes schlechte Gewissen locker wert ist. Denn wenn der „Fachausschuss für Umgangsformen“(2) seine ewig jungen Empfehlungen für richtiges Benehmen gibt, dann ist das für sich genommen schon lustig. Wenn dann aber eine Version von 1970 in der Überarbeitung von 1982 vorliegt, dann wartet eine Erweiterung des kulturellen Horizonts ungeahnten Ausmaßes.

Erst jetzt weiß ich z.B., welche Anrede ich in einem Brief an einen Geheimrat („Sehr geehrter Herr Geheimrat“), einen Fürsten aus nichtregierendem Haus („An seine Durchlaucht Prinz [Vorname] von“) oder einen Dekan („[Euere] Spectabilität“)(3) verwenden muss. Anreden wie „Werte Firma“ sind dagegen out, wie ich erfahre. Auch die üblen Fallstricke, die beim Versenden von Tonband-Briefen, zu beachten sind, waren mir bislang gar nicht bewusst.(4)

Großartig sind auch die anthropologischen Erläuterungen zum Besuch von Nachtbars durch Frauen (!) ohne männliche Begleitung (!!): „Es ist einmal zum Ausdruck gebracht worden, es sei eine ungeheure Diskriminierung der Frau, einer Dame den Zutritt zu einer Nachtbar zu verwehren. Es geht doch aber wohl nicht darum, die Dame von einer bestimmten Gaststätte auszuschließen, sondern sie vor Situationen zu bewahren, die ihr selbst äußerst peinlich werden könnten. Der Herr in ihrer Begleitung bewahrt sie davor, in den Augen anderer Besucher männlichen und weiblichen Geschlechts für eine Alleingängerin [Gottbewahre! - GS] gehalten und als solche angesprochen zu werden. Er beschützt sie. Und männlichen Schutz wünschen sich die meisten Damen heute wie eh und je.“

Doch auch Männer sollten sich beim abendlichen Ausflug mehr Gedanken machen: „Da knattern, brummen und summen die Pseudokavalliere heran, halten mit qietschenden Bremsen vor Haustüren oder Gartenpforten, drücken lautstark auf Hupe oder Signalhorn und erwarten, gelassen um sich blickend und in ihr Polster zurückgelehnt, den eiligen Trippelschritt der zur Ausfahrt geschmückten „Motorbraut“ – übrigens ein großartiges Wort für jenen weiblichen Typ, welcher weniger nach dem Mann am Steuer als vielmehr danach fragt, womit gefahren wird. [...] Zum Wesen einer Dame gehört seit eh und je, daß sie sich nicht auffällig benimmt. Entsprechend sollte der Herr darauf Rücksicht nehmen, daß vielleicht auch jene kleine hübsche, die er mit dem Motorrad abholt, gar nicht mehr auffallen möchte, als ihr durch ihr gewinnendes Äußeres ohnehin an Aufmerksamkeit schon zufliegt.“

Wer Skrupel hat, seine örtliche Biblithek zu bestehlen, kriegt dieses Kleinod ohne viel Suchen antiquarisch hinterhergeschmissen.

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(1) Dazu das Urteil in ebendiesem Buch: „Auf die häßliche Neuschöpfung „Auszubildender“ verzichten wir zugunsten des verständlichen alten Begriffs.“

(2) Aufgemerkt, wenn Ihr Euch fragt, was das für eine geheimnisumwitterte Einrichtung sei: 1956 rief der Allgemeine Deutsche Tanzlehrerverband (Na klar, wer auch sonst?) auf Vorschlag des Bielefelder Tanzlehrers T. Schneider diesen Fachausschuss ins Leben. Schneider erhielt dafür 1969 das Bundesverdienstkreuz (!). Der ADTV hatte es aber auch nicht leicht – Noch 1968 kam es im Rahmen einer Podiumsdiskussion (Moderation: Robert Lembke!) zu einer skandalträchtigen Szene: „Nehmen Sie Stellung zu Pille. Warum schweigt sich die Tanzschule dazu aus?“ bellte es dort aus dem Plenum. „Meine Damen und Herren, das können Sie der Tanzschule nicht anlasten!“, lautete die wenig souveräne Antwort des Präsidenten. Wie gut, dass der Fachausschuss für Umgangsformen mittlerweile die Tanzlehrer an dieser Front entlastet.

(3) Ich glaube, in Münster redet man immer noch so. @Teutonic Witcher wird das genauer wissen.

(4) „Tonbandfreunde pflegen gern mehrere kleine Bänder zu einem großen zusammenzukleben. Sie sollten dabei vermeiden, Tonbandbriefe zwischen Bänder zu kleben, die zum Vorspielen bestimmt sind, weil es sich sonst unter Umständen nicht vermeiden lässt, daß bei solcher Handhabe tönende Briefe zu Ohren gelangen, für die sie nicht bestimmt sind.“
Tonbandbriefe sind m.W. eines der Medien, die noch nicht im Rahmen der Nostalgiewelle wiederentdeckt wurden. Vielleicht fühlt sich ja jemand aufgerufen.
 
(3) Ich glaube, in Münster redet man immer noch so. @Teutonic Witcher wird das genauer wissen.

Aber selbstverfreilich! Doch zur Obacht vor diesem Fallstrick sei gemahnet:

Die überkommene lateinische Form „Spectabilis“ ist gegenüber dem Dekan nur denjenigen gestattet, die selbst schon Dekan gewesen – bei strenger Lesart: an derselben Fakultät. Auch hier gilt: „Spektabilität” ohne Namen.

:D
 
Gut?
Am Vorgänger "Fay" hat mich gestört, dass
soviele Banalitäten beschrieben wurden.
"XY geht in die Küche und brüht sich Kaffee auf. Anschließend setzt er sich auf die Veranda und trinkt den Kaffee schluckweise. Die Sonne geht unter. Er schneidet sich die Fußnägel."
Und das absatz- und seitenweise. Atmosphäre gut und schön, aber stellenweise passierte mir einfach zuwenig Konkretes.
 
Ichg nehme mir gerade den Wälzer hier vor:

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Bin noch am Anfang, aber die geschichtliche Aufarbeitung von der Stunde Null an liest sich schon mal sehr interessant.
 
Gut?
Am Vorgänger "Fay" hat mich gestört, dass
soviele Banalitäten beschrieben wurden.
"XY geht in die Küche und brüht sich Kaffee auf. Anschließend setzt er sich auf die Veranda und trinkt den Kaffee schluckweise. Die Sonne geht unter. Er schneidet sich die Fußnägel."
Und das absatz- und seitenweise. Atmosphäre gut und schön, aber stellenweise passierte mir einfach zuwenig Konkretes.
Mir hat das Buch sehr gut gefallen, aber es stimmt achon, dass viele Alltäglichkeiten beschrieben werden. Ob es so viel ist wie in Fay, weiß ich nicht, da ich das noch nicht kenne. Mich hat es auf jeden Fall nicht gestört und ist mir eigentlich erst so richtig bewusst geworden, als ich Deinen Post gelesen habe.
 
Herr Sonneborn geht nach Brüssel

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Endlich verstehen, wie in Europa Politik gemacht wird.
Das Abenteuer beginnt im Frühjahr 2014. Unerwartet wird der ehemalige Titanic-Chefredakteur Martin Sonneborn ins EU-Parlament gewählt – als einziger Abgeordneter seiner Partei (Die Partei). Und da er schon mal da ist, beschließt er rauszufinden: Wie funktioniert Europa?
Am Anfang ist es wie eine Klassenfahrt für Erwachsene. Europäer mit 24 verschiedenen Muttersprachen treffen aufeinander. Sie kennen sich nicht, sollen aber gemeinsam Politik machen. Und es werden wilde Jahre: Es geht um die Vergrößerung der EU, den Brexit, Datenschutzrichtlinien, die Katalonienkrise und die Beziehungen zu den USA und zu Russland. Politik wird von Menschen gemacht. Von den Fraktionslosen wie dem polnischen Monarchisten, der das Frauenwahlrecht wieder abschaffen will, und Alessandra Mussolini, der Enkelin des Duce, die über Berlusconis legendäre Po-Liste ins Parlament gekommen ist, genauso wie von den Mitgliedern der großen Parteien. Martin Sonneborn begegnet Martin Chulz (bzw. Schulz), Elmar Brocken (Brok), Beatrix von Strolch, Udo Voigt (NPD) und seiner Frau, Manfred Streber (Manfred Weber, CSU, Vorsitzender der Europäischen Volkspartei) und Herbert Reul (neuerdings Innenminister in NRW und ein bisschen dumm), Bernd Lucke, Nigel Farage und Angela Merkel.
Martin Sonneborns Buch ist ein humorvoller Blick hinter die Kulissen des EU-Parlaments. Sein Urteil ist unbestechlich (meistens), und wer das Buch liest, wird sehr viel lachen – und endlich verstehen, wie in Europa Politik gemacht wird.»Sonneborn is a nice guy and funny man. As Chief-Editor at TITANIC I found him really wonderful.« Martin Chulz, SPD

@Spatenpauli Hast nicht zuviel versprochen. Die Elmar Brocken Passagen sind der Hammer! Wat ne Type. :D
 
Gestern "Anarch" von Dan Abnett in der Post gehabt. Bin ich als Warhammer Fan echt gespannt drauf, allerdings hab ich nach dem schwachen Vorgänger auch ein bisschen Muffensausen
 
Herr Sonneborn geht nach Brüssel

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Endlich verstehen, wie in Europa Politik gemacht wird.
Das Abenteuer beginnt im Frühjahr 2014. Unerwartet wird der ehemalige Titanic-Chefredakteur Martin Sonneborn ins EU-Parlament gewählt – als einziger Abgeordneter seiner Partei (Die Partei). Und da er schon mal da ist, beschließt er rauszufinden: Wie funktioniert Europa?
Am Anfang ist es wie eine Klassenfahrt für Erwachsene. Europäer mit 24 verschiedenen Muttersprachen treffen aufeinander. Sie kennen sich nicht, sollen aber gemeinsam Politik machen. Und es werden wilde Jahre: Es geht um die Vergrößerung der EU, den Brexit, Datenschutzrichtlinien, die Katalonienkrise und die Beziehungen zu den USA und zu Russland. Politik wird von Menschen gemacht. Von den Fraktionslosen wie dem polnischen Monarchisten, der das Frauenwahlrecht wieder abschaffen will, und Alessandra Mussolini, der Enkelin des Duce, die über Berlusconis legendäre Po-Liste ins Parlament gekommen ist, genauso wie von den Mitgliedern der großen Parteien. Martin Sonneborn begegnet Martin Chulz (bzw. Schulz), Elmar Brocken (Brok), Beatrix von Strolch, Udo Voigt (NPD) und seiner Frau, Manfred Streber (Manfred Weber, CSU, Vorsitzender der Europäischen Volkspartei) und Herbert Reul (neuerdings Innenminister in NRW und ein bisschen dumm), Bernd Lucke, Nigel Farage und Angela Merkel.
Martin Sonneborns Buch ist ein humorvoller Blick hinter die Kulissen des EU-Parlaments. Sein Urteil ist unbestechlich (meistens), und wer das Buch liest, wird sehr viel lachen – und endlich verstehen, wie in Europa Politik gemacht wird.»Sonneborn is a nice guy and funny man. As Chief-Editor at TITANIC I found him really wonderful.« Martin Chulz, SPD

@Spatenpauli Hast nicht zuviel versprochen. Die Elmar Brocken Passagen sind der Hammer! Wat ne Type. :D
Meine Stimme hat der Typ wieder bekommen. Mit Nico Semsrott sind sie jetzt sogar zu zweit. :)
 
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