Allgemeiner Bücher-Thread

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Bisher so ungefähr 50 Seiten gelesen. Die Atmosphäre mit den Mech-Anzügen, den Sternentoren und dem unbekannten Feind hat mich direkt schonmal völlig in den Bann gezogen. Freu mich sehr darauf, das nachher weiterzulesen.

Durch die positiven Kommentare hier habe ich mir den Titel letzte Woche auch bestellt und heute beendet. Tolle Geschichte obwohl ich normalerweise garnicht im SciFi-Lager unterwegs bin. Hat mich gefesselt wie lange kein Buch mehr.
Daher: Danke in die Runde für diesen Tipp!
 
gerade "Die Kuhhaut: Einhundert polnische Märchen" zur Hand
Sind ein paar lustige dabei, viele Wiedergänger, einiges liest sich eins zu eins wie deutsche Märchen, vieles ohne erkennbaren Sinn.
 
Ich habe von Moore bisher nur seine eigenwillige Lovecraft Interpretation ,Providence‘ gelesen.

Gerade dieses ,pornographische‘ hat mich dabei aber extrem gestört. Ich halte mich selber nicht für verklemmt, aber ich hatte den Eindruck, dass hier eine prinzipiell sehr klug eingefädelte, komplexe Meta-Erzählung durch die gewollt aufdringliche Sexthematik kaputt gemacht wurden.

Klar, Lovecrafts Erzählungen geben gerade Freudianern reichlich Stoff zum spekulieren. Ich persönlich möchte aber keine homosexuellen Interpretationen von Lovecrafts Stories lesen, geschweige denn die Geschlechtsteile der alten Götter im Panorama gezeichnet haben...

Interessehalber: Gibt es erotische Lovecraftiana (also Autoren, die sich in seinem Universum oder Artverwandtem bewegen, es aber kinky oder auch erotisch-subversiver verarbeiten?)? Ich fände das ja naheliegend und versuche mich selbst in dem Bereich. :D
 
Ich lese gerade parallel zwei Bücher:

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Mishimas "Leben zu verschenken" in deutscher Erstübersetzung. Für Mishima ungewöhnlich humorvoll (bin aber kein Experte), wenn auch voller Männerphantasien (aber damit komme ich klar :D). Mishima nimmt hier Murakamis späteren Stil schon vorweg.

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Biographische Graphic-Novel von Danielle de Picciotto zur Berliner Subkultur von Mitte der Achtziger bis Mitte der Neunziger. Schon spannend zu lesen, wie die US-Amerikanerin schnell in die Berliner Szene um die Neubauten und die Seeds eintaucht und später auch die Techno-Szene mitprägte. Vieles war mir bekannt, anderes nicht: etwa dass der erste Bad Seeds-Gitarrist Roland Wolf Bonner war. Ihre Beziehung zu ihm deutet sie merkwürdigerweise nur an.

Kann beide Bücher empfehlen.
 
Interessehalber: Gibt es erotische Lovecraftiana (also Autoren, die sich in seinem Universum oder Artverwandtem bewegen, es aber kinky oder auch erotisch-subversiver verarbeiten?)? Ich fände das ja naheliegend und versuche mich selbst in dem Bereich. :D

Gibt es bestimmt jede Menge. Ich glaube, der Festa Verlag hat mit dieser Thematik sogar mal eine Anthologie heraus gegeben. Ich persönlich habe nur mal zwei Kurzgeschichten von Jeffrey Thomas gelesen, die in diese Richtung tendierten. In meiner Erinnerung war das aber auch zu holzhammer mäßig.

Ich persönlich mag bei Locecraft und Horror allgemein ja das Subtile. Das Spielen mit Andeutungen. Ein pornographischer Frontalangriff passt da für mich einfach nicht rein. Aber das ist mein persönlicher Geschmack. Andere mögen es halt derber ;)
 
Da sind wir gar nicht so weit voneinander entfernt: Ich ziehe subtile Erotik der Pornographie bzw. subtilen Horror dem Splatter vor (es gibt aber in beiden Bereichen auch Ausnahmen). Horror und Erotik sind sich da sehr ähnlich, vermutlich, weil beides im Unterbewussten angesiedelt ist: Da kickt mich das nicht oder vage ausgesprochene oft mehr, als das explizit geschilderte. Deshalb halte ich Lovecraft trotz seiner lustbefreiten Art auch für durchaus anschlussfähig: Er schilderte fast nie explizit das Grauen, sondern belässt es bei Andeutungen etc. Ich denke daher auch eher an erotische Werke, die mehr an Lovecrafts Traumwelten-Mythos angesiedelt sind, weniger an den Cthulhu-Stoff im engeren Sinne.

Dass viele der Lovecraft-Epigonen ins Explizite abdriften, raubt mir auch oft den Reiz an diesem eigenen Subgenre. Lumley fand ich gut, C.A. Smith sowieso, aber er ist ja auch kein Epigone und spielt in einer eigenen Liga.
 
George R.R.Martin - Armageddon Rock (1983)

Deutsche Ausgabe Heyne Verlag 1989, unter Science Fiction gelistet, u.a.mit einem Raumschiff auf dem Titelbild und schönen Übersetzungs-Ungenauigkeiten (die bei der Neuausgabe überarbeitet wurden)
Es wird zum Beispiel der unglaubliche Spider Man erwähnt, oder aus Krieg der Sterne zitiert: >>"Schalt den Computer ab, eh?" fragte Sandy. "Vertrau darauf, daß die Streitkräfte den Todesstern zerstören?" Bambi sah ihn verblüfft an. "Krieg der Sterne" sagte Sandy. Kennst du Krieg der Sterne nicht?<< Der Übersetzer kannte den Film bei der Übersetzung scheinbar nicht so gut und hat FORCE mit Streitkräfte übersetzt.
Macht aber nix.

Das Buch von Martin passt tatsächlich in keine Schublade richtig rein, es ist ein Rock `N`Roll Krimi mit phantastischem Einschlag.
Sandy Blair ist Autor und steckt in einer Schreibblokade, als sein ehemaliger Arbeitgeber, der Herausgeber vom Musik-Magazin Hedgehog ihm einen Auftrag anbietet.
Ein Promoter ist ermordet worden und Sandy soll in dem Fall ermitteln und eine Story schreiben. Der Promoter hatte die erfolgreiche Rockband Nazgul unter Vertrag,
deren charismatischer Sänger bei einem Festival 1971 auf der Bühne erschossen wurde, was das Ende der Band zur Folge hatte. Sandy hatte seinerzeit Kontakte zur Band und scheint daher der rechte Man für den Job zu sein. Er nimmt den Auftrag an, sucht die verbliebenen alten Bandmitglieder auf, wühlt in der Vergangenheit und gerät in eine fantastische Geschichte. Jemand will die Nazgul wieder auf die Bühne bringen.
Der über 500 Seiten starke Roman erzählt über die Hälfte von der Recherche Sandys zu den Vorgängen, wie er die alten, verbliebenen Nazguls und alte Freunde aus den 60ern trifft.
Ab etwa der Mitte fließen langsam phantastische Elemente mit ein, ohne jedoch zu stark überhand zu nehmen.



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George R.R.Martin - Armageddon Rock (1983)

Deutsche Ausgabe Heyne Verlag 1989, unter Science Fiction gelistet, u.a.mit einem Raumschiff auf dem Titelbild und schönen Übersetzungs-Ungenauigkeiten (die bei der Neuausgabe überarbeitet wurden)
Es wird zum Beispiel der unglaubliche Spider Man erwähnt, oder aus Krieg der Sterne zitiert: >>"Schalt den Computer ab, eh?" fragte Sandy. "Vertrau darauf, daß die Streitkräfte den Todesstern zerstören?" Bambi sah ihn verblüfft an. "Krieg der Sterne" sagte Sandy. Kennst du Krieg der Sterne nicht?<< Der Übersetzer kannte den Film bei der Übersetzung scheinbar nicht so gut und hat FORCE mit Streitkräfte übersetzt.
Macht aber nix.

Das Buch von Martin passt tatsächlich in keine Schublade richtig rein, es ist ein Rock `N`Roll Krimi mit phantastischem Einschlag.
Sandy Blair ist Autor und steckt in einer Schreibblokade, als sein ehemaliger Arbeitgeber, der Herausgeber vom Musik-Magazin Hedgehog ihm einen Auftrag anbietet.
Ein Promoter ist ermordet worden und Sandy soll in dem Fall ermitteln und eine Story schreiben. Der Promoter hatte die erfolgreiche Rockband Nazgul unter Vertrag,
deren charismatischer Sänger bei einem Festival 1971 auf der Bühne erschossen wurde, was das Ende der Band zur Folge hatte. Sandy hatte seinerzeit Kontakte zur Band und scheint daher der rechte Man für den Job zu sein. Er nimmt den Auftrag an, sucht die verbliebenen alten Bandmitglieder auf, wühlt in der Vergangenheit und gerät in eine fantastische Geschichte. Jemand will die Nazgul wieder auf die Bühne bringen.
Der über 500 Seiten starke Roman erzählt über die Hälfte von der Recherche Sandys zu den Vorgängen, wie er die alten, verbliebenen Nazguls und alte Freunde aus den 60ern trifft.
Ab etwa der Mitte fließen langsam phantastische Elemente mit ein, ohne jedoch zu stark überhand zu nehmen.



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Hab den Mal vor Jahren gelesen und fand ihn recht gut. Manchmal vielleicht ein bisschen zu konstruiert, aber alles in allem ein gelungener Roman. Vor allem für Metal und Rock Fans :top:
 
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So bin durch, aber ziemlich zwiegespalten. Nachdem ich von Popoff schon Rush - Album by Album gelesen habe, dass ich recht gut fand, war ich hier sehr gespannt.

Leider war es bei weitem nicht so gut wie erwartet... Am besten war es immer dann, wenn die einzelnen Musiker in O-Tönen aus Interviews zu Wort kamen. Dabei konnte man viel erhellendes lesen. Vor allem über die schwierige Beziehung der Mitglieder untereinander. Sehr gut fand ich, dass dabei nicht auf Skandalgeschichten herum geritten wird, sondern immer die verschiedenen Sichtweisen geschildert werden.

So kann man z.B. manche Handlungsweisen von Blackmore gut nachvollziehen. Auch wenn er sich tatsächlich oft wie eine Diva gebärdete. Auf der anderen Seite ist auch Ian Gillan kein Chorknabe und legt manches mal Arschloch Verhaltensweisen an den Tag, was er im Buch sogar selbst zugibt.

Lord war immer der intellektuelle Musiker in seiner eigenen Welt. Glover und Paice die eher zurückhaltenden, wobei vor allem Glover sehr unter den bandinternen Spannungen litt, weil er immer vermitteln wollte.

Im Laufe der Geschichte kamen dann noch andere Gesichter wie Hughes, Coverdale, Turner usw. zur Band. Diese waren oft nicht minder extreme Charaktere, was zu weiteren Zerwürfnissen führte. Allerdings auch zu spannenden musikalischen Ergebnissen.

Soweit so gut, jetzt zu den Nachteilen:
Popoff handelt die Geschichte wieder chronologisch Album für Album ab (Bei Erscheinungsdatum war Rapture of the Deep das Letzte). Kann man machen, allerdings werden dafür die Interviews oft völlig aus dem Kontext gerissen und die Aussagen wild durcheinander gewürfelt. Das führt nicht gerade zu einem einheitlichen Lesefluss. Aber noch schlimmer: Es nimmt jede Spannung raus, weshalb man manche Absätze einfach nur überfliegen möchte.

Ganz ganz übel wird es aber erst, wenn Popoff seinen eigenen Senf zur Musik gibt. Im Verlauf des Buches nimmt er sich da Gott sei Dank immer mehr zurück. Trotzdem liefert er echt haarsträubendes. Beispiel? Smoke on the Water bezeichnet er als einfallslos, billig und ohne jegliche musikalische Substanz. Gut, ist seine Meinung. Ein paar Kapitel weiter wird der Titeltrack des Burn Albums als Hardrock Meilenstein abgefeiert, mit einem ,brillant aufspielendem Ritchie Blackmore.‘

Zur Info: Das Hauptriff von Burn ist nichts anderes als die Akkordfolge von Smoke on the Water, erweitert um Zwischentöne.

Damit entlarvt Popoff völlig fehlenden musikalischen Sachverstand. Und damit ist seine musikalische ,Kritik‘ in etwa so wertvoll und bereichernd wie ein Bravo Bericht...

Aber gut, im Laufe des Buches werden diese Ergüsse wie gesagt weniger.

Und insgesamt überwiegen die positiven Aspekte. Als Purple Fan sollte man mal reinlesen. Aber ich werde das Gefühl nicht los, dass es noch bessere Bücher zum Thema gibt...
 
"Druckfrisch" mit Dennis Scheck ist immer für einen Überraschungsfund gut. - Florian Werner: Die Raststätte. Eine Liebeserklärung


https://www.ardmediathek.de/video/d...M3MTlhLWRkYWItNGZiZC04MTQ2LTUxMWQ2MzVmYTc1ZQ/

Der Autor hat einen nicht unangenehmen Stil, lässt aber bisweilen sein eigenes (zugegeben umfangreiches) Wissen durchscheinen. Eine Eigenheit, die ich bei (kultur-)geschichtlichen (Sach-)Büchern überhaupt nicht schätze. Ansonsten (ca. Hälfte gelesen) ein originelles Thema, abseits ausgelatschter Pfade. Erschienen bei Hanser Berlin, ist das e-Book weitestgehend sorgfältig lektoriert. Alles in allem: kein Wunderwerk, aber für Leser, die sich für ungewöhnliche Themen begeistern, durchaus empfohlen.
 
Zuletzt bearbeitet:
So, auf das Opus von @Iron Ulf werde ich noch mal genauer eingehen, aber dazu muss ich es erst mal durchlesen. ;) Ansonsten gibt's hier wie üblich den Überblick über das Geschehen der letzten 2-3 Monate:

Donna Tartt - Der Distelfink

Inhalt: Theodore Decker verliert im Alter von 11 Jahren seine Mutter bei einem Bombenanschlag in einem New Yorker Museum, lässt bei dieser Gelegenheit aber das titelgebende Gemälde mitgehen. Danach zur Pflege in der gutbürgerlichen Familie seines Kumpels Andy untergebracht, knüpft er - über den Umstand, dass er beim Anschlag dem schwer verletzten Welty bis zuletzt die Hand gehalten hatte - freundschaftliche Kontakte zum Antiquitätenhändler Hobie. Doch dann tauchen Theos verschollener Vater und dessen Freundin Xandra auf und nehmen ihn in die halbseidene Welt von Las Vegas mit... und wiederum wird Theo zum Einzelgänger. Bis er hier in die Gesellschaft des ukrainischstämmigen Weltenbummlers Boris gerät, mit dem er sich die Tage und Nächte mit Drogen und Exzessen um die Ohren schlägt... bis auch hier das Schicksal zuschlägt und Theos Vater im besoffenen Zustand tödlich verunglückt. Zum Vollwaisen geworden, kehrt Theo nach New York zurück. Jahre später hat er dann Hobies Laden auf Vordermann gebracht, bis auf einmal die Vergangenheit zurückschlägt... oder so.

Kommentar: Wirklich leicht zu fassen ist dieser äußerst umfangreiche Roman nicht, was vielleicht schon der reichlich umständlichen Erzählung der ausschweifenden Handlung anzumerken ist. Tatsächlich ist der Roman die ersten 700-800 Seiten über praktisch ein einziger Random Events Plot, erst danach ergibt sich in den Handlungen der beschriebenen Personen eine gewisse Konsequenz, aber davor gibt's - durch das Gemälde im Titel sowie den Umgang mit Antiquitäten - höchstens einen motivischen roten Faden. Rückblickend war die Lektüre an sich auch nicht wirklich lohnenswert. Das ganze Lesen hindurch gab's zwar eine gewisse Erwartungshaltung, dass die große Sensation (man bedenke, wie ausgezeichnet das Buch so wurde...) sich doch noch einstellen möge, aber hinten raus war's wirklich nichts besonders. Vor allem - Spoiler, oder auch nicht - das gewöhnliche Krimi-Thriller-Ende in Amsterdam war geradezu ein Reinfall. Na ja, muss ich nicht haben (hatte ich aber, und es hat mich fünf Wochenenden gekostet...).

Frank Goosen - Kein Wunder

Inhalt: Kommt einem das etwa bekannt vor? Ende der 80er lebt ein gewisser Frank Dahlbusch, genannt "Fränge", in West-Berlin... aber davon handelt die Geschichte eigentlich gar nicht, denn im Fokus stehen eher Fränges Kumpels Förster und Brocki, die noch im heimischen Bochum verblieben sind, immer wieder mal auf Besuch in der "Frontstadt des Kalten Krieges" vorbeischauen und daneben auch ihre ganz eigenen Problemchen zu lösen hoffen. Denn auch die Geschichte dreht sich weiter, und in den Konflikt, dass jener Fränge ausgerechnet versucht, zwei separate Freundinnen in Ost- und Westhälfte der Stadt zu unterhalten, werden die beiden ja sowieso spätestens dann voll reingezogen, als die Mauer schließlich fällt und Fränge wie vom Erdboden verschluckt scheint.

Kommentar: Tja, die offenkundigen Parallelen zu Sven Regeners "Herr Lehmann" wurden ja schon benannt, und selbst die Regener-typischen Grübeleien und den Hang zur Schilderung skurrilster Ereignisse streut Frank Goosen immer wieder ein, wahrscheinlich sogar mit voller Absicht. Viel gehaltvoller als Lehmanns munteres In-den-Tag-Leben ist das, was Förster, Brocki und Fränge hier durchmachen, letztlich auch nicht, aber trotz des schon reichlich abgebgriffenen Sujets hat Goosen Regener eine Sache sogar voraus: Der Blick hier ist viel weitschweifiger und nicht bloß auf die kleine Perspektive des Protagonisten beschränkt, und so ist es dann nur konsequent, dass bei Goosen die Mauer tatsächlich fallen darf und Trabis in Bochum auftauchen, während bei Regener der 9. November 1989 bekanntlich im Urbankrankenhaus endete. Erkauft wird das allerdings auch mit einem zumindest passagenweise eher hölzernen Dialogstil - so, wie Goosen hier vor allem Fränge und Brocki sprechen lässt, dürfte damals doch wirklich niemand geredet haben.

José Calvo Poyato - Der Verfluchte

Inhalt: Gegen Ende des 17. Jahrhunderts steht Spanien vor einer Krise: Der kränkliche und als verflucht geltende König Karl II. hat keine Nachkommen, dafür ziehen längst andere Kräfte im Hintergrund die Fäden, und das einstmals stolze Land droht aus dynastischen Gründen in die Abhängigkeit von Frankreich zu geraten. Im Geheimen spinnt Rocaberti, Vorsitzender des Kronrats, eine Intrige: Mit Hilfe eines Alchimisten aus Prag soll der König von seinem Fluch befreit werden. Der Adlige Cantillana wird also auf die Reise geschickt, doch die bloße Distanz stellt noch nicht mal das einzige Problem dar...

Kommentar: Hier gibt's im Wesentlichen von meiner Seite zu sagen, dass dieser Genreroman (ja, historisch eben...) mir hauptsächlich deshalb in die Hände gefallen ist, weil es zum auf Porträts immer wie die Präinkarnation von Klaus Kinski wirkenden Karl II. gar keine populärwissenschaftliche Literatur gibt und die Fachliteratur auch nicht aufzutreiben war - also musste es eben diese Halbfiktion richten. Immerhin merkt man dem Autor hierbei seine Vorbildung an einigen recht genauen Beschreibungen der zeitlichen Zusammenhänge und Gegebenheiten auch an, wohingegen die eigentliche Handlung natürlich weniger spannend durchgetaktet war (zumal das größtenteils historische Personengeflecht erst mal eingeführt werden musste, was bereits den Auftakt schon recht langatmig geraten ließ).

Interessanter zum aktuellen Zeitpunkt ist aber ohnehin eher der Charakter des Buchs als Zeitporträt. Denn wie sich aus diesen Schilderungen ergibt, zeigen sich da doch einige befremdliche Parallelen zwischen der damaligen Herrschaftsschicht und einigen heutigen Populisten: Die Leute hier glauben ja wirklich die ganzen Sachen - also an Flüche, Verhexungen, Besessenheiten von Dämonen - und lassen ihr Handeln fast ausschließlich von diesen als real erachteten Überzeugungen bestimmen. Eine Vernunft in diesem Sinne gibt (bzw. gab) es nicht. Und nicht viel anders sieht es wohl bei all den Verschwörungs-Junkies da draußen aus. Bezeichnend also, dass Poyato dem Protagonisten kurz vor dessen abschließendem Abgang (wie, was und wo verrate ich natürlich nicht...) noch die Worte in den Mund legt, diesem Land sei einfach nicht zu helfen.

Anke Stelling - Schäfchen im Trockenen

Inhalt: Im noblen Berlin-Prenzlauer Berg leben sich Schriftstellerin Resi und ihre vor Jahren gemeinsam aus Ulm übergesiedelte Schwabenclique auseinander, was schließlich in der Kündigung von Freundschaften und Mietvertrag gipfelt. Doch woran liegt das? Sind alle bloß erbost über einige kritische Artikel und Romane von Resi über das vermeintlich gute Leben in gemeinschaftlichen Wohnprojekten, die diese Kollegen nur allzu gerne auf sich beziehen? Schafft der Unterschied zwischen festangestellten oder selbstständigen Gutverdienern sowie der freischaffenden und somit prekären Künstlerin ein unüberbrückbares Gefälle? Oder ist selbst das immer noch die Kluft zwischen der Aufsteigerin aus der unteren Mittelklasse und den alteingesessenen Fabrikanten-, Arzt- und Anwaltskindern, die selbst der über Jahrzehnte gemeinsam erlebte Bildungsgang nie und nimmer kitten konnte? Davon erzählt Resi in einem essayistischen Stil und immer wieder an ihre älteste Tochter Bea gerichtet - schließlich sollen ja alle auch etwas lernen und tunlichst nicht die gleichen Fehler wie die Eltern machen.

Kommentar: Offenbar trägt das ganze hier ziemlich autobiografische bzw. autofiktionale Züge und ist ansonsten natürlich wohl eher eine Art Manifest denn ein Roman. Stelling reißt dabei reicht viele Gedanken zu sozialen und soziologischen Fragen an: Wie (un)gleich ist unsere Gesellschaft wirklich? Welche Mittel setzen bestimmte Milieus zur Abgrenzung ein? Wie weit reicht Gruppenzwang, wie weit geht Selbstoptimierung? Wie sehr sollte man sein Leben planen? Welchen Wert haben Ideale in einem zusehends vom Materiellen geprägten Umfeld? Stelling versucht, diese Fragen für sich zu beantworten, und kommt zu einem mit Blick auf die moralische Verfasstheit dieser Gesellschaft eigentlich ziemlich brisanten Ergebnis. Negativ fällt aber auf, dass die Protagonistin und Erzählerin dann allerdings doch selbstgefällig genug ist, den Umstand, dass sie diese Spiele lange genug selber mitgespielt hat, keinesfalls selbstkritisch zu hinterfragen. Irgendwie sind es am Ende eben doch die Anderen (oder wahlweise auch irgendwelche Vorprägungen von Nazizeit bis Neoliberalismus), die hier für alles verantwortlich gemacht werden, und das ist dann natürlich viel zu kurz gedacht und nimmt der Botschaft bzw. dem Anliegen der Autorin dann doch eine ganze Menge Wind aus den Segeln - schlechterdings wirkt es hier letztlich eher so, als sei die Motivation hinter diesem ganzen Schrieb bloß der Antrieb zur Psychohygiene gewesen.

Schließlich lässt sich dann gegen die Argumente der Protagonistin aber vor allem einwenden, dass ihre materielle Differenz zu ihrem Umfeld letzten Endes vielleicht gar kein Produkt von bereits von vornherein existierenden Klassenunterschieden ist, sondern eher das Resultat der Berufswahl und des in Resis Metier ausbleibenden Erfolgs - diese Einlassung mag sich jetzt zwar wie das übliche neoliberale "Hättest du mal was anständiges gelernt" lesen, aber Tatsache ist auch, dass die Entscheidung, es eben als Schriftstellerin zu versuchen, ganz alleine bei Resi lag, nachdem der Weg bis zu dieser Entscheidung - also Schulzeit, Übersiedeln nach Berlin, Studium etc. - sehr wohl von einer gewissen Egalität geprägt war. Hätte Resi ihre Selbstverwirklichung wie einige ihrer Weggefährten als Ärztin, Architektin oder Grafikdesignerin gesucht, wären Ergebnisse und Geisteshaltungen wohl ganz andere gewesen. Insofern ist es recht fraglich, ob die ständig angesprochenen Unterschiede tatsächlich nicht eher auf den Wunsch zurückgehen, das Leben der Bohème zu führen.

Christian Kracht - Eurotrash

Inhalt: Christian Kracht, Autor des Erfolgsromans "Faserland", holt seine achtzigjährige Mutter ab, die längst alkohol- und tablettenabhängig ist, mehrfache Aufenthalte in der Nervenklinik hinter sich hat und überdies mit einem künstlichen Darmausgang ausgestattet ist, und zieht mit ihr mit einem Haufen Bargeld in einer Plastiktüte durch die Schweiz. Und erinnert sich an die Vergangenheit mit dieser Frau, der hoch gestellten weiteren Verwandtschaft, allerlei Luxus, mehr oder weniger einschneidende Erlebnisse.

Kommentar: Der Feuilleton überschlägt sich über dieses Buch ja gerade ziemlich, aber erst mal ist festzustellen: Nein, mehr passiert hier eigentlich wirklich nicht, wenngleich auf der (gar nicht mal so langen und letztlich nur zwei Tage dauernden Reise einige wirklich bizarre Dinge passieren). Obwohl es umgekehrt natürlich schon ziemlich hochtrabend wirkt, was Kracht alles über die Vergangenheit zutage fördert: Beziehungen zu Altnazis, Künstlern, Politikern und Axel Springer, regelmäßige Aufenthalte an den nobelsten Orten - und die (üblicherweise in den Rezensionen auch angesprochene) Herausforderung besteht nun eben darin, Kracht das alles glauben oder aber diese "Fakten" irgendwie nachprüfen zu wollen. Darunter läuft die Geschichte allerdings doch recht unrund dahin, sodass hier vorerst kein sonderlich großer Eindruck zurückbleibt.

Eine "Fortsetzung" des eingangs genannten Kracht'schen Debüt- und Erfolgsromans mag ich in "Eurotrash" übrigens auch nicht sehen. Es wird im Laufe der Handlung einfach zu deutlich, dass es sich beim Protagonisten von "Eurotrash" nicht um jenen von "Faserland" handelt, sondern eben um eine zwar fiktionalisierte Version von Kracht selber (der hier dann noch einige ebenfalls nur schwer zu glaubende Zeilen zur Entstehung von just jenem Werk fallen lässt). Insofern wäre meine Interpretation von "Eurotrash" wohl letztlich auch eher die, dass es sich hierbei um einen direkteren Versuch von Kracht am seit den Erfolgen von Karl-Ove Knausgård und Elena Ferrante geradezu grassierenden Trend "Autofiktion" handelt - den Kracht dann aber konsequenterweise (und vermutlich aufgrund der Eingebung, dass das eine plakative Schilderung des eigenen Lebens vielleicht doch etwas zu narzisstisch für eine Handlung wäre) wiederum eben durch den Schwerpunkt auf der Figur seiner Mutter umlenkt.
 
...und da der Schrieb mal wieder zu lang wurde, hier dann die zweite Hälfte:

Arnd Zeigler - Traumfußball

Inhalt: Arnd Zeigler referiert über wohlbekannte Themen im Fußball: Zu Recht oder fälschlicherweise verklärte Tradition, Regelwirrwarr, Kommerzialisierung, Fehltritte und -schlüsse im Austausch von Fans, Vereinen und Medien, gewürzt zwischendrin mit den üblichen kauzigen Anekdoten und Devotionalien aus 60 Jahren Bundesliga- und Fußballgeschichte (besonders skurril: Die Story um den 1992 mal beim Bremer SV im Gespräch befindlichen angeblichen Wundertrainer Manfred Tank). Nicht alles davon dürfte regelmäßigen Zuschauern von "Zeiglers wunderbare Welt des Fußballs" neu sein, hier aber hat Zeigler dankenswerterweise mal den Raum, die einzelnen Aspekte ausgiebig erörtern zu können.

Kommentar: Einen Teil meiner Wertung kann man sicherlich schon obiger Beschreibung entnehmen - einige Sachen sind tatsächlich schon direkt bekannt. Die Argumente gegen verschiedene mögliche Einsätze des Videoassistenten hat Zeigler tatsächlich schon mal in sehr ähnlicher Form in seiner Sendung vorgetragen. Aber trotzdem: In so geballter Form entwickelt das eben eine ganz andere Wirkung als in der wöchentlichen halben Stunde in Zeiglers Wohn-Büro. Besonders relevant dürften vor allem die Argumente zu Fan- und Medienverhalten sein, die Zeigler - nicht ohne Selbstkritik - immer wieder angeht (besonders nett: Der Punkt, dass die Horden von Fußballinteressierten durch jahrzehntelangen "FIFA"- und Fußballmanager-Konsum selber mittlerweile dem Irrtum aufsäßen, Fußballspieler ließen sich durch objektive Parameter miteinander in Bezug auf Leistungen und Fähigkeiten miteinander vergleichen). Das sind Sachen, die eigentlich mit jeder Transfer- oder Trainerdiskussion immer wieder schmerzhaft auffallen, und alleine das macht "Traumfußball" schon zu einer definitiv nicht unwesentlichen Lektüre.

Ah ja, und da das ja auch nicht das einzige "Fußballbuch" ist, das ich in jüngerer Zeit gelesen habe: Im Vergleich zu Frank Goosens "Weil Samstag ist" hat Zeigler auf jeden Fall den systematischeren und journalistischeren, kurz: sachlicheren Ansatz, in dem auch eine gewisse Agenda erkennbar ist. Hingegen beschränkt sich Goosen eigentlich nur auf das Verbreiten persönlicher Anekdoten mit ein bisschen Ruhrpott-Lokalkolorit. Da es sich bei letzterem dem Vernehmen nach ebenfalls um Zweitverwertung (von Kolumnen- und Blogbeiträgen) handelt, hat Zeigler hier somit auf jeden Fall die Nase vorn.

Juli Zeh - Über Menschen

Inhalt: Im Frühjahr 2020 flieht die Werbetexterin Dora geradezu aus Berlin - ihre Dauerbeziehung, der Journalist Robert, hat nach einem Intermezzo als Klima-Alarmisten und Greta-Thunberg-Verehrer jüngst in der Corona-Pandemie eine neue, noch vehementere Berufung gefunden. Ziel ihres Exodus ist ausgerechnet das kleine brandenburgische Dorf Bracken und das just dort gekaufte Haus - und sämtliche Nachbarn entpuppen sich auf den ersten Blick als Problemfälle: Die harmlosesten davon reißen nur stereotype Witze oder wählen AfD, doch Nachbar Gottfried alias Gote ist ein ausgewachsener Nazi-Skin mit Vorstrafe, Alkoholproblem, rüden Manieren und gescheiterter Ehe. Führte der Weg aus Berlin also bloß in den Sumpf? Tja, das ist nicht so einfach - denn neben den schlimmsten Befürchtungen findet Dora auch noch Hilfsbereitschaft und Empathie in ihrem Umfeld...

Kommentar: Natürlich reiht Zeh ihren neuesten Roman direkt hinter "Unterleuten" ein, aber neben dem Titel, dem allgemeinen Setting (samt einiger Ortsnamen und Gepflogenheiten) sowie dem Anspruch, hiermit diese klassische Art von kommentierendem Gegenwartsroman zu pflegen, gibt es doch einige gewichtige Unterschiede zum Quasi-Vorgänger. Diente "Unterleuten" eher noch als ein Vehikel, um einige grundlegende Entwicklungen seit der Deutschen Einheit in einen recht kompakten Plot zu packen - um den Preis dessen, dass praktisch sämltiche Figuren eher bloß Stellvertreter ihrer gesellschaftlich-historischen Rollen waren -, so geht es hier tatsächlich um die Menschen selber, nicht etwa um so einen weiten Topos wie "Entwicklung des ländlichen Raums in Ostdeutschland nach der Wende" (auch wenn nebenher noch recht deutlich klar gemacht wird, dass es in dieser Region auch und gerade aus Sicht der Politik um viel mehr gehen sollte als nur um Internet über Glasfaserkabel). Frappierenderweise steht dabei auch die Pandemie eigentlich gar nicht mal so als konkretes Ereignis im Raum, sondern wird eher als Korrelat für eine verbreitete gesellschaftlich-moralische Stimmung von mehr soziologischer denn sozialer Isolation und verbreiteten Existenzängsten bei zugleich fehlender Kompromissbereitschaft, mangelnder Solidarität und alles überragendem Anspruchsdenken ausgeleuchtet.

Insofern ist "Über Menschen" insgesamt wohl am ehesten als Absage an einige derzeit vorherrschende Denkmuster zu lesen, vornehmlich an Schwarz-Weiß- und Schubladendenken, an Filterblasen und an gänzlich exkludierende Kategorisierungen von Menschen (!) anhand von irgendwelchen Überzeugungen und überhaupt an die ganze Vorstellung, dass die bloße menschliche Existenz an sich vornehmlich (wenn nicht gar alleine) durch soziale und gesellschaftliche Bindungen definiert sei. Und das sind schon mal eine ganze Menge Denkanstöße, die "Über Menschen" auf seine Weise lesenswerter machen als "Unterleuten". Vielleicht trägt dazu auch der gewohnt ausschweifende, in Teilen diesmal aber angenehm lakonische Erzählstil bei - vor allem aber natürlich die Konzentration auf nur wenige zentrale Figuren (Dora und ihr Umfeld) anstelle eines ganzen im Wechseltakt beleuchteten Geflechts.

Einzuwenden wäre jedoch, dass Zeh es sich (und dem Leser) mit einem gewissen Verständnis für Rechtsradikale (nicht Rechtsradikalismus!) vielleicht doch etwas einfach macht, wenn dabei Antisemitismus gänzlich ausgeklammert bleibt. Viele andere Sachen aus diesem Gesinnungskontext werden ja erwähnt, aber dass ausgerechnet dieser zentrale Punkt rechter Ideologie hier fehlt, wirkt doch etwas befremdlich und lässt mal wieder die Frage nach Fahrlässigkeit oder Absicht offen.
 
Stanislaw Lem - Fiasko

Kennt ihr diese Bücher, die man eigentlich total spannend und interessant findet, bei denen ihr aber auf Teufel komm raus nicht voran kommt? Ein solches ist Fiasko. Ich schlage mich damit bestimmt schon ein Jahr rum und gefühlt lese ich dauernd, nur komme ich nie zum Ende. Ein Fiasko eben.
Inhalt: Die Menschheit ist hochtechnisiert und hat die interstellare Raumfahrt entwickelt. Auch hat man eine Zivilisation ausgemacht, die laut Daten auf einem ähnlichen Entwicklungsstand wie die Menschheit ist. Ergo Kontaktversuch. Bei dem geht aber alles schief, was so schief gehen kann. Ein Supercomputer namens GOD, der der Mannschaft Informationen vorenthält, einen Geistlichen an Board, der alle Wissenschaftler mit Religion nervt und, und, und. Und wie es aussieht, endet es (insofern es denn mal endet) im Fiasko.
Gerade die Überlegungen Lems zum Thema Raumfahrt, Erstkontakt, wie man trotz zeitlich intensiver Reisen das richtige Zeitfenster für einen Kontakt findet etc. finde ich sehr interessant. Aber ich mag Lem auch einfach gern, was wohl auch der Grund fürs Nichtweglegen des Buches ist.
 
Zuletzt bearbeitet:
Stanislaw Lem - Fiasko

Kennt ihr diese Bücher, die man eigentlich total spannend und interessant findet, bei denen ihr aber auf Teufel komm raus nicht voran kommt? Ein solches ist Fiasko. Ich schlage mich damit bestimmt schon ein Jahr rum und gefühlt lese ich dauernd nur komme ich nie zum Ende. Ein Fiasko eben.
Inhalt: Die Menschheit ist hochtechnisiert und hat die interstellare Raumfahrt entwickelt. Auch hat man eine Zivilisation ausgemacht, die laut Daten auf einem ähnlichen Entwicklungsstand wie die Menschheit ist. Ergo Kontaktversuch. Bei dem geht aber alles schief, was so schief gehen kann. Ein Supercomputer namens GOD, der der Mannschaft Informationen vorenthält, einen Geistlichen an Board, der alle Wissenschaftler mit Religion nervt und, und, und. Und wie es aussieht, endet es (insofern es denn mal endet) im Fiasko.
Gerade die Überlegungen Lems zum Thema Raumfahrt, Erstkontakt, wie man trotz zeitlich intensiver Reisen das richtige Zeitfenster für einen Kontakt findet etc. finde ich sehr interessant. Aber ich mag Lem auch einfach gern, was wohl auch der Grund fürs Nichtweglegen des Buches ist.
Hach, den hatte ich mal ungefähr zu meiner Zivi-Zeit (genau genommen kurz danach, als ich noch ein paar Monate lang in meiner vormaligen Dienststelle weitergejobbt hatte) durchgelesen, und den ersten Satz kann ich sehr gut nachvollziehen - das Lesen hat sich bei mir ebenfalls ziemlich lange hingezogen. Die Motive waren aber ziemlich interessant - die fortgeschrittene und ziemlich vergeistigte Zivilisation, die sich da auf den Weg macht, war eindrucksvoll und abschreckend zugleich (und durch die Tatsache, dass der Protagonist ja eigentlich gar nicht aus dieser Zeit stammte, steht der Leser in dieser Hinsicht dieser Übermacht auch nicht ganz alleine gegenüber). Und für den Plot ist das insofern aussagekräftig, dass aus diesem ganzen "Fortschritt" auch eine Art Hybris erwächst, die dann die zentralen Missverständnisse innerhalb der Handlung verursacht. Was dann umgekehrt ja wiederum durch diese schrägen Einschübe aus Geschichten vergangener Expeditionen nach Afrika und Südamerika gespiegelt wird. Schon ein denkwürdiges Buch...
 
Stanislaw Lem - Fiasko

Kennt ihr diese Bücher, die man eigentlich total spannend und interessant findet, bei denen ihr aber auf Teufel komm raus nicht voran kommt? Ein solches ist Fiasko. Ich schlage mich damit bestimmt schon ein Jahr rum und gefühlt lese ich dauernd, nur komme ich nie zum Ende. Ein Fiasko eben.
Inhalt: Die Menschheit ist hochtechnisiert und hat die interstellare Raumfahrt entwickelt. Auch hat man eine Zivilisation ausgemacht, die laut Daten auf einem ähnlichen Entwicklungsstand wie die Menschheit ist. Ergo Kontaktversuch. Bei dem geht aber alles schief, was so schief gehen kann. Ein Supercomputer namens GOD, der der Mannschaft Informationen vorenthält, einen Geistlichen an Board, der alle Wissenschaftler mit Religion nervt und, und, und. Und wie es aussieht, endet es (insofern es denn mal endet) im Fiasko.
Gerade die Überlegungen Lems zum Thema Raumfahrt, Erstkontakt, wie man trotz zeitlich intensiver Reisen das richtige Zeitfenster für einen Kontakt findet etc. finde ich sehr interessant. Aber ich mag Lem auch einfach gern, was wohl auch der Grund fürs Nichtweglegen des Buches ist.
Das ist nicht gerade mein Lieblingsbuch von Lem, aber definitiv ein gut weitergesponnenes Szenario des Kalten Kriegs, die Figuren sind etwas stereotyp .
 
In den letzten Tagen wurde erstmals seit Beginn der Pandemie in mir das Gefühl stärker, nicht mehr zu können. Zu vieles war offenbar schon zu lange auf mich eingestürzt, bis ich, der ich mir eigentlich großmächtig was auf meine Resilienz einbilde, der ich gerade in Krisen, unter Druck und mit anständig Stress erst so richtig auf Touren komme, alles an Kraft aus mir bluten fühlte. Und mir wurde bewusst, wie sehr mir die Menschen fehlen, die Begegnungen, die Situationen, die man teilt, von deren Magie man jeweils etwas mitnimmt und sie durch das gemeinsame Erleben nährt und etwas Eigenes daraus macht. Ich will nicht sagen, dass ich mich kurz vorm Aufgeben fühlte, aber der Schmerz war so enorm, wie die Einsamkeit aushöhlend. Ich stürzte mich in Arbeit, ins Schreiben, ins Denken, in die Musik. Ins Schreiben und Denken über die Musik. Und hielt an meiner Liebe fest, denn was ist das Leben und Schaffen ohne Liebe? Razor halfen. Årabrot halfen. Fuckin' Autopsy halfen. Die Kunst half, denn sie hilft immer und wie die Liebe, so ist sie alles für mich, denn andernfalls ist alles nichts.

Und ich begann zum wiederholten Mal in diesem Buch von Ajahn Brahm zu lesen, das @RidingOnTheWind mir einst schenkte und mich damit bereits vor vielen Monaten rettete, sozusagen vorausschauend. Und mir wurde deutlicher denn je bewusst, der Weg zum Glück ist immer ein individueller. Der gemeinsame Weg zum Glück ist dies ebenso. Denn wo Liebe ist, da muss auch immer Freiheit sein. Und wo zwei ganz bei sich sind, da sind sie in der Liebe beisammen und sind eigen und doch mehr, als sie allein je sein könnten. Und all dies bedingt auch Abgründe und Dunkelheit, denn auch darin liegt Schönheit und Lust und Streben.

Dieses Buch ist voller Lachen und Tränen,Weisheit und Frechheit, Tosen und Ruhen. Es ist ein Kompass und ein frei wirbelndes Floß auf wilder See. Es ist, ganz persönlich gesprochen, auch Ausdruck eines unerschütterlichen Bundes. Ein Geschenk. Das Leben gewinnt. Immer.

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