Jazz

Jazzorgel, ich weiss ja nicht. Hab von Herrn Smith zwar auch so einiges bei mir zu Hause rumstehen (Back At The Chicken Shack, Midnight Special, evtl. sogar auch den @Dunkles Futteral genannten Sermon. Ebenso Larry Youngs "Unity". Aber ich werde meistens mit so einem prominent ausgestellten Hammondsound jedenfalls im Jazz nicht richtig warm.

Wahrscheinlich mein Fehler - ich assoziiere mit dem Sound immer Alleinunterhalter auf Butterfahrten, 70er Schweinerock, Sondtracks zu alten Trashfilmen oder (ächz) Doors und so Zeug. Wobei - wenn Helge Schneider hammondorgelt, gefällt mir das meistens.


Mal ganz was anderes:

Meine Jazzplatte des Jahres (ich weiss, hab ich letztens schon zu Onyx Collective geschrieben, egal, stimmt beides) kommt evtl von den tollen Sons Of Kemet - Your Queen Is A Reptile.

Saxofon (der momentan wohl ziemlich angesagte Shabaka Hutchins), Tuba, zwei Schlagzeuge und ab geht die Luzie. Ein Ohrenschmaus für Freunde tiefer Töne und tollen Getrommels.

Im Booklettext wird erst einmal schön das weisse britische Matriarchat (Queen Elizabeth und wohl auch Theresa May) nach allen Regel der Kunst zerpflückt, um dann in den 9 Stücken der Platte, die jeweils den Titel "My Queen Is (Name)" tragen, einer schwarzen weiblichen Ikone zu huldigen. Keine Angst, das Konzept erstickt hier nicht die Musik. Die steht auch wunderbar für sich und fetzt.

Beispiel:


Ach ja, und noch was: nicht davon abschrecken lassen, dass auf zwei der 9 Stücke gerappt wird. Stört erstaunlicherweise nicht und passt sich in den Gesamtsound der Platte gut ein.

O.K. , beim Thema Jazzorgel kommen wir beide wahrscheinlich auf keine grünen Zweig:), aber ich kann mich gut erinnern, dass ich den Hammondsound früher auch nicht ausstehen konnte, und jetzt auch noch nicht alles, aber doch immer mehr und in letzter Zeit auffallend häufig. Tatsächlich war es unter anderem der famose Helge Schneider, der mich zum Umdenken gebracht hat, der ist halt einfach auch ein sehr guter Musiker, was viele nicht wissen.

Zu Deinem zweiten Punkt: Die Sons of Kemet - Your Queen is a Reptile hab ich auch und finde sie sehr gut, habe gar nicht so viel erwartet und sogar befürchtet, dass das in die Kamasi-Hipster-Richtung gehen könnte - aber weit gefehlt, mir gefällt das Album auch sehr gut, obwohl ich grundsätzlich keine Listen mit Jazz-Alben des Jahres mache, das würde mich zu sehr stressen. Bei Rap im Jazzkontext reagiere ich normalerweise auch eher distanziert, aber ja, hier fügt es sich tatsächlich gut ein, da gehe ich mit Dir d'accord!:top:
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Sons of Kemet hab ich im Sommer bei einem Festival in Frankreich live erlebt. Das war live eine ziemlich schweißtreibende Angelegenheit und absolut überzeugend.
Ich hab kurioserweise vor ein paar Jahren mal mit Shabaka ein kleines Klarinetten-Duett im Rahmen eines Berliner Festivals gespielt. Ein sehr sympatischer Bursche auch.
 
Sehr schön. Die Makaya McCraven hatte ich mir auf eine Plattenkritik hin vor ein paar Wochen ungehört gekauft, und während gerade die Los Angeles Side die Wohnung beschallt, entdecke ich hier im Forum die entsprechende Empfehlung zum Label.

Bin gespannt, was es da noch zu entdecken gibt. Ich befürchte, das kann teuer werden...
 
Am Montag, den 10. Dezember 2018 gastieren die Schweizer OM (Urs Leimgruber, Christy Doran, Bobby Burri, Fredy Studer) im afo architekturforum 0berösterreich, Herbert-Bayer-Platz 1, 4020 Linz, Österreich.
Beginn: 20:00 Uhr, Veranstalter ist, wie so oft bei solchen und ähnlichen Konzerten in Linz, die Künstler- und Künstlerinnenvereinigung MAERZ.

Besetzung: Urs Leimgruber (Saxophone)
Christy Doran (Gitarre)
Bobby Burri (Bass)
Fredy Studer (Schlagzeug)

Die Luzerner Gruppe OM wurde bereits 1972 vorerst unter dem Namen Superflex von den vier Musikern gegründet, bald danach war aber der Name OM gefunden, namensgebend war das 1968 veröffentlichte Album OM von John Coltrane.
Während die Schweizer OM zwischen 1972 und bis zu ihrer Auflösung 1982 rockbetonten Electric Jazz spielten und in dieser Zeit vier Alben aufnahmen und europaweit zahlreiche Konzerte und Festivalauftritte absolvierten, spielen sie nun seit ihrer Wiederzusammenführung im Jahr 2006 immer wieder eine Handvoll Konzerte, da vor allem in ihrer Heimat Schweiz auf bekannten einschlägigen Festivals (u.a. Willisau, Schaffhausen…). Musikalisch ist in den über vierzig Jahren sehr viel geschehen, daher lassen sich die heutigen OM nur mehr bedingt mit der Gruppe der 70er und 80er Jahre vergleichen, während OM früher mit kompositorischem Material arbeitete, ist heute reine Improvisation angesagt:


https://jazzgroup-om.ch/

Hier noch die Daten der Dezembertour:

Sun. Dec. 2, 2018: Stummfilm Marathon Zürich
Thurs. Dec. 6, 2018: Luzern/CH, Jazzkantine, 20:30
Fri. Dec. 7, 2018: Schorndorf/D, Manufaktur, 20:30
Sat. Dec. 8, 2018: Ulm/D, Einsteinhaus, 21:00
Mon, Dec. 10, 2018: Linz/A, afo architekturforum oö, 20:00
Tue. Dec. 11, 2018: Vienna/A, Porgy & Bess, 20:30
Wed. Dec. 12, 2018: Graz/A, Stockwerk, 20:30
Fri. Dec. 14, 2018: St. Johann/A, Musik Kultur, 20:00
Sat. Dec. 15, 2018: Dornbirn/A, Spielboden, 20:00
Tue. Dec. 18, 2018: Zuerich/CH, Misterioso Jazz Club, 20:30
Thurs. Dec. 20, 2018: Luzern/CH, Jazzkantine, 20:30
 
Liest sich interessant! Den Berlintermin merke ich mir vor.
Aylent night, holy night...

Und warst du dort?

Bei uns in Weikersheim wars Spitze.
Rigobert Dittmann (Bad Alchemy) war auch da und hat diesen Bericht geschrieben:
O Weikersheim, obgleich du nur klein bist in der Reihe der Gaustädte Europas…
Am 8.12.2018 ist das Tauberstädtchen nämlich eingefädelt zwischen Berlin und Krakow, bevor Mars Williams mit seiner Music of Albert Ayler & Songs of Christmas weiter zieht nach Paris, Lissabon, Wien und Amsterdam, wo ihn jeweils neue Mitspieler erwarten. Der Saxophonist, der in den 80ern mit The Psychedelic Furs gerockt hat, fand über Hal Russells NRG Ensemble zu The Vandermark 5, Peter Brötzmanns Chicago Tentet und Boneshaker, mit Witches & Devils kam er auf Ayler, mit Xmarsx zu einem fast schon weihnachtlichen Kampfnamen und mit Switchback zum Drummer Klaus Kugel. Der Neu-Mecklenburger ist mitsamt dem ukrainischen Bassisten Mark Tokar nach ihrem eskalatorischen w 71-Gastspiel mit Ken Vandermark im Oktober ein weiterer Magnet in den heute tatsächlich wieder mal gestopft vollen Kult-Club, neben Knox Chandler rechts im Eck an der Gitarre, die er ebenfalls bei The Psychedelic Furs gespielt hat. Und obendrein bläst da Jaimie Branch die Backen auf, vor zehn Jahren noch ein ranker Twen beim New Fracture Quartet, spätestens seit ihrem “Fly or Die”-Quartett mit Chad Taylor der neue Trompeten-Darling. Statt sich von No Offence-Star Joanna Scanlan Modetipps geben zu lassen, gefällt sie sich im Adidas-XL-Tracksuit und mit einem Spatzenbulk unter ihrer keck verdrehten Baseballkappe.

Es geht ganz wonnig los mit der Chanukka-Melodie ‘Ma'oz Tzur’, bis sich mit Ayler-Spirit abrupt die Wahrheit in Marsch setzt! In accelerierendem Schweinsgalopp und mit fröhlichstem Gequieke wird man auf die Tannen gejagt. Ihr wollt die Englein singen, die Jingles bellen hören? Bitteschön! Der Krawall treibt mit fetzig geknoxter Gitarre grünste Nadeln und stellt die verkehrte Welt auf den Kopf. Rip it up, and start again, das große Postpunk-Motto, erklingt hier wiedergetauft mit den freudenfeurigen Gospels von Albert Ayler. Sogar 'O Tannenbaum’ wird da wieder zum rührenden Spiritual, bevor Williams als ledergegerbter Zwockel, aber Ausbund an Temperament, mit spitzem Altissimo die Schweinchen auf die Trüffelpralinen hetzt und Branch dazu Kerzen anzündet. Wie sie messerscharf einsetzt, lauthals schmettert, wagemutig die Motive variiert und Williams konterpunktiert, wie sie nebenbei mit Electronics hantiert, ein Rasselchen und sogar die Hüften swingt, überhaupt ihre ganze Mimik und Körpersprache, das ist schon ziemlich speziell. Aber auch Chandler, ein weißhaariger Zausel Jahrgang 54, hat es echt drauf, wie er da mit Lametta flittert, mit Wunderkerzen pritzelt und im zweiten Set nochmal was Extrakakophones triggert. Kugel geigt an Metallkanten und klirrt mit Klingklang und will doch (wie er hinterher betont) keinesfalls als zartbesaitet gelten. Tokar brilliert mit schrägen Bogenstrichen, einem Flirt mit Feedback und einem Tremolo mit dem Bogengriff. Aylers Love Cries und Prayers sind ebenso wahre Xmas-Musik wie '12 Days of Christmas’ und 'O Come Emmanuel’, Frohe Botschaft und Schlaraffenland fallen im ohrwurmigen 'Island Harvest’ in eins. Gehet hin und lehret alle Völker: Music is the Healing Force of the Universal Indians! Pa rum pum pum pum. Branch spielt den Little Trumpet Boy, Williams spielt Santa Claus, krimskramst auf dem Gabentisch nach dem Rentier und lässt zwischen jedem Vers die Band donnern und blitzen. Er und seine Mitgospler gehen die Sache an wie ich es sonst nur von The Thing her kannte, mit gießkannenrauer Verve, Ayler'schem Vibrato, hymnischem Himmelfahrtsdrive oder wieder Affenzahn. Und ist es nicht ein gefundenes Fressen, wenn 'Little Drummer Boy’ und 'Bells’ zu EINEM Marsch werden, wenn da gekirrt wird, dass es einem am Skalp ziept? Das Ganze funktioniert aber vor allem deshalb so gut, weil Williams den abgedroschenen Stoff so radikal dehnt und staucht und dafür seinen 'Boys’ ihr ganzes improvisatorisches Geschick abverlangt. Nicht nur, um Xmas zu veraylern, sondern um die Übergänge fließend zu gestalten mit vielen auch leisen und feinen Passagen, für die er zu Flöten greift, zu Spielührchen und Quietschtierchen. Selbst ungeniert zarte Lyrismen lässt er sich auf der Zunge zergehen.
Und so endet der Abend auch nach einer prächtigen Zugabe mit einem Diminuendo, bei der alle den Atem anhalten, bis die letzte Tannennadel gefallen ist.
Mensch, was willst du mehr (außer mehr davon)?

(Rigobert Dittmann/bad alchemy)
 
Also ich war nicht beim Konzert (weil ich nicht in Berlin war am 7.12.), aber ich habe gerade die neue CD (Vol. 2) gekommen und erfreue mich dran.
Rigo schreibt doch immer wieder wunderbare höchst lesenswerte Geschichten.
 
Es gibt ja ne Megabox vom Art Ensemble Chicago. Krasse Sache. Hat die schon jemand angecheckt?
Du meinst sicher die vor kurzem erschienene ECM Edition mit den 21 CDs inklusive Buch:
https://www.ecmrecords.com/catalogue/1536576225

Also ich tendiere momentan eher dazu, mir in naher Zukunft die wichtigsten Veröffentlichungen des Art Ensemble of Chicago und verwandter Bands selbst heraus zu picken, im übrigen hat mir ein Jazzkenner auch dazu geraten. Und ganz ehrlich: Ich will mich zwar schon länger mit denen beschäftigen, aber eine solche Schwerpunktsetzung mit gleich 21 CDs in meiner zwar stetig wachsenden Sammlung ist mir momentan zu krass, ich habe da doch noch zu viele andere weiße Flecken auf meiner Jazzkarte.

Ich werde mir wohl demnächst die "Nice Guys" von 1978 besorgen, die ist mir schon öfters als Einstieg empfohlen worden.

Aber vielleicht können andere Substantielleres zu Deiner Anfrage beitragen, ich hoffe da stark auf @kylie, wenn ich mich recht erinnere, ist der nicht so der Fan des (neueren)ECM-Sounds allgemein. Außerdem glaube ich, dass er sich generell beim Art Ensemble of Chicago besser auskennt, als ich das (momentan) tue.;)
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Art Ensemble of Chicago-Alben auf ECM gehören für mich zu den schwächsten der Band, abgesehen davon, dass der Sound da in den 80ern auch echt schlimm war. Da empfehle ich doch eher die Doppel-CD mit den 3 Alben von 1969 "Jackson in Your House", "Message to Our Folks" und "Reese And the Smooth Ones". Aber das ist natürlich auch alles Geschmackssache.
 
Danke euch für die Einschätzungen!

Ich hab nur eine CD von denen bislang und die ist in so ner ECM-Jazz-Rundschaubox enthalten. Die ist gut.
 
Einer der besten(und leider letzten) Parker/Gillespie Aufnahmen ist das Album Bird & Diz.
Mit einem fantastischen Buddy Rich hinter der Schießbude. :)
 
In der ARD-Mediathek kann man gerade die interessante Doku über das Blue Note-Label sehen:
https://www.ardmediathek.de/ard/pla...WQ3ODAwMw/it-must-schwing-die-blue-note-story
Verfügbar bis 16.12.


... und danach am 16.12. schnell umschalten auf Arte und was zu des Schwermetallers liebstem Musikinstrument angucken, ich zitiere:

Fernsehen gucken zum Thema auf Arte, 16.12., 23:00 Uhr:

The Devil's Horn - Die dunkle Seite des Saxophons


Von der Werkstatt des exzentrischen Erfinders Adolphe Sax bis zur legendären Ära des Jazz und Bebop: Der vielfach preisgekrönte kanadische Filmemacher Larry Weinstein erzählt die Geschichte des Saxophons, das wegen seiner Verführungskraft von Nazis und Kommunisten verboten und vom Papst mit einem Bann belegt wurde.

Dieses Instrument kann schmeichelnd säuseln, ebenso kraftvoll röhren und wurde damit für die einen zum Inbegriff der Musik des 20. Jahrhunderts und für andere wegen seiner Verführungskraft zu einem gefährlichen Ding, das es zu bekämpfen galt: Für sie ist das Saxophon "The Devil's Horn". Mitte des 19. Jahrhunderts – entwickelt von Adolphe Sax, diesem ebenso genialen wie besessenen Instrumentenbauer mit einer unglaublichen Biografie voll von Rückschlägen und Todesgefahren – trat das Saxophon innerhalb weniger Jahre seinen weltweiten Siegeszug sowohl in der klassischen Musik als auch in Unterhaltungs- und Militärkapellen an. Was vielen Komponisten und Arrangeuren so verlockend schien, war für andere aber ein Grund, das Saxophon zu verbannen: Das "wollüstige" Instrument war bei Nazis und Kommunisten verboten, im zaristischen Russland ebenso wie im imperialistischen Japan und wurde schließlich sogar vom Papst verurteilt. In den 50er Jahren kam das Saxophon selbst in der Traumfabrik Hollywood wegen seiner "offensichtlichen Sexualität" auf die schwarze Liste. Larry Weinstein erzählt die Geschichte des "Devil's Horn" von der Werkstatt des Adolphe Sax über die legendären Jazz- und Bebop-Zeiten bis zu den "geheiligten" Konzertbühnen der klassischen Musikwelt als modernes Märchen im Mix von Doku- und Spielelementen. Mit faszinierendem Archivmaterial und bildstark inszenierten Erzählblöcken knüpft er an die Erfolge seiner vielfach preisgekrönten Filme wie "Ravel's Brain" (2001), "Beethoven's Hair" (2005) oder "The War Symphonies: Shostakovich Against Stalin" (1997) an.


https://www.arte.tv/de/videos/047119-000-A/the-devil-s-horn/

"Teufelshorn", "gefährliches Ding", päpstlicher Bann, diverse Verbote von Nazis bis Kommunisten, "offensichtliche Sexualität", schwarze Liste:
dagegen kann die Luschenmusik Heavy Metal einpacken.
 
Find ich momentan ganz super, weil nomen est omen. Wilder und befreiter Jazz mit Vollgas und Brötzmann:
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Live at at Audio Rebel, Rio, Brazil - 17.7.2016

Peter Brötzmann – Reeds
Marino Pliakas – E-Bass
Michael Wertmüller – Drums

https://trostrecords.bandcamp.com/album/rio
 
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