Für mich lässt sich das Schaffen von Laibach grob in folgende Abschnitte selektieren (die Anfangstage bis zum Suizid von Ursänger Tomaž Hostnik lasse ich mal außen vor, da ich hier nur Bootlegs mit schlechter Qualität kenne):
"Laibach" bis "Nova Akropola":
Noch klassisch im Post-Industrial verwurzelter, opulenter Sound. Mit meine Lieblingsphase, auch und wegen der hier noch spürbaren Ambivalenz: Auf welcher Seite des Schützengrabens stehen die eigentlich? Ich mag auch die Electroclash-Neuinterpretationen von Klassikern wie "Drzava" oder "Brat moj", die man auf den Tourneen der letzten Jahre oder dem Live-Werk "Monumental Retro-Avant-Garde" zu hören bekommt. Letztgenanntes kenne ich aber nur von YouTube und eine erschwingliche Volksauflage wäre sehr zuvorkommend.
"Opus Dei" bis "Sympathy for the Devil":
Die klassische "Cover-Phase", die Laibach groß gemacht hat. Neben den Covern gibt es auch weiterhin Eigenkompositionen. Ich habe Laibach erst im Nachgang, aus den 90ern heraus, entdeckt und für mich war das Spiel mit totalitärer Symbolik schon hier klar ironisch-postmodern gebrochen. Eigentlich lassen sich die Platten aus der Zeit kaum miteinander vergleichen und heute liebe ich vor allem die eher ruhige "Let it be" am liebsten, obwohl ich sie "damals" (also in den 90ern) fast gehasst habe.
"Kapital" bis "NATO":
Nicht schlecht, aber aus heutiger Perspektive eine der schwächeren Phasen der Gruppe, der Elektro dieser Phase ist irgendwie schlecht gealtert. Nach dem Fall des eisernen Vorhangs fehlte anscheinend das Feindbild und aus dem Bürgerkrieg in der alten Heimat Jugoslawien holte die Band auf Konserve erstaunlich wenig heraus. Dafür begeisterten die Konzerte und Laibach hat immer noch einen sehr guten Ruf in den ehemaligen Bruderländern.
"Jesus Christ Superstars":
Nehme ich mal als das metallichste Album der Band gesondert auf. Ich liebe die Platte noch heute. Parallel dazu kamen Rammstein groß auf (ja, deren Debüt wurde bereits 1995 veröffentlicht, brauchte aber Jahre, um durchzustarten). Das Abarbeiten am Glauben erschien mir nach der Kapitalismuskritik der frühen 90er ein Ausweg aus der kreativen Sackgasse.
"WAT":
Das Comeback: Nach sieben Jahren faktischer Funkstille kam WAT wie aus dem Nichts. 9/11 brachte den Slowenen einen neuen kreativen Schub und WAT böllert für Laibach-Verhältnisse ungewohnt aggressiv. Titel wie "Tanz mit Laibach" zünden noch heute, aber ich war froh, dass Laibach musikalisch weiter schritten, denn live zog die Platte viel Event-Publikum.
"Anthems" über "Gesamtkunstwerk" bis "Introduction", einschließlich "Volk" und "Kunst der Fuge":
Viele Best-Of-Zusammenstellungen, dazu Bach-Interpretationen und die Nationalhymnen-Sammlung "Volk": Laibach schienen in einer Findungsphase zu stecken. Dazu drehte sich das Personalkarussel. Als einziges "richtiges" Album fand ich den Ansatz von "Volk" nicht schlecht und mochte auch die Annäherung an Soul und R'n'B. Dennoch lege ich die Platte heute eher selten auf, sie wirkt unausgegoren und nicht zu Ende gedacht.
"Iron Sky":
Auch wenn ich mich unbeliebt mache: Der Film war eine Enttäuschung und Laibach als musikalische Untermalung dieser Klamotte eine Fehlbesetzung. So kann man auch am Lebenswerk sägen.
"Spectral" bis heute:
Nur noch Langzeit-Sänger Milan Fras ist live noch mit an Bord. Ansonsten und im Studio haben jüngere Musiker das Steuer übernommen. Viele alte Fans finden den neuen Electro-Clash-Sound schlicht Scheiße, ich finde ihn superb. Auch der personelle Komplettausstausch passt zu einem Kollektiv wie Laibach. Dass jetzt neue Musiker, darunter Sängerin Mina Spiler, stumpf die alten Pseudonyme Eber, Saliger, Dachauer and Keller weiter nutzen ist genau meine Art von Humor.