Laibach Kunst Maschine

Tom Pariah

Till Deaf Do Us Part
Sie haben noch keinen eigenen Thread: Laibach. Dabei dürfte das Projekt unter Metallern viele Anhänger haben.

"Sound of Music", das neue Werk erschien am 23. November. Hat schon jemand reingehört?

So langsam hoffe ich ja, dass Laibach ihr Nordkorea-Gastspiel genügend ausgeschlachtet haben. Das neue Video "The lonely Goatherd" gefällt mir aber wieder sehr gut:

 
Das Video gefällt mir auch recht gut! Danke für den Link. Im Prinzip verfolge ich Laibach nicht mehr so engmaschig wie vor zwölf, dreizehn Jahren, aber sie werden auf ewig eine der wichtigsten Bands in meinem Leben bleiben, in meiner Neubauten- und Laibach-Phase damals hat sich viel getan bei mir, meinem musikalischen Horizont und meinem Selbstverständnis.
Sie gehören auf jeden Fall zu den Bands, die ich am häufigsten gesehen hab' in meinem Leben (erstmals 2001) und unterm Strich haben die es einfach drauf, die eigenen Sachen sind sehr geil (vor allem die "WAT" war noch mal ein richtiger, späterer Höhepunkt - ich bin dem Typen, der das damals als "langweiliges Techno-Album" bezeichnet hat, fast ins Gesicht gehüpft), die Ästhetik und der Sound ihrer Cover, für die sie ja vor allem bekannt sind, ist Wahnsinn. Die experimentelleren und ganz frühen Sachen waren für mich selbst zu Beginn meiner Laibach-Zeit halbwegs hart zu hören, aber auch da entwickelt man ein starkes Interesse und eine Sympathie, die das irgendwann zu hörbaren Songs werden lässt.
Und ja, auch die Videos sind recht zuverlässige Granaten. Und auch gern schön deep in dieser oder jener Hinsicht.
Ein ganz großartiges Ding im Großen und Ganzen. Ich liebe Laibach! Sagt ja auch schon mein Avatar.

Allerdings hab' ich mich noch an diesen Thread hier erinnert:
https://forum.deaf-forever.de/index.php?threads/laibach.1529/
 
Für mich lässt sich das Schaffen von Laibach grob in folgende Abschnitte selektieren (die Anfangstage bis zum Suizid von Ursänger Tomaž Hostnik lasse ich mal außen vor, da ich hier nur Bootlegs mit schlechter Qualität kenne):

"Laibach" bis "Nova Akropola":
Noch klassisch im Post-Industrial verwurzelter, opulenter Sound. Mit meine Lieblingsphase, auch und wegen der hier noch spürbaren Ambivalenz: Auf welcher Seite des Schützengrabens stehen die eigentlich? Ich mag auch die Electroclash-Neuinterpretationen von Klassikern wie "Drzava" oder "Brat moj", die man auf den Tourneen der letzten Jahre oder dem Live-Werk "Monumental Retro-Avant-Garde" zu hören bekommt. Letztgenanntes kenne ich aber nur von YouTube und eine erschwingliche Volksauflage wäre sehr zuvorkommend.

"Opus Dei" bis "Sympathy for the Devil":
Die klassische "Cover-Phase", die Laibach groß gemacht hat. Neben den Covern gibt es auch weiterhin Eigenkompositionen. Ich habe Laibach erst im Nachgang, aus den 90ern heraus, entdeckt und für mich war das Spiel mit totalitärer Symbolik schon hier klar ironisch-postmodern gebrochen. Eigentlich lassen sich die Platten aus der Zeit kaum miteinander vergleichen und heute liebe ich vor allem die eher ruhige "Let it be" am liebsten, obwohl ich sie "damals" (also in den 90ern) fast gehasst habe.

"Kapital" bis "NATO":
Nicht schlecht, aber aus heutiger Perspektive eine der schwächeren Phasen der Gruppe, der Elektro dieser Phase ist irgendwie schlecht gealtert. Nach dem Fall des eisernen Vorhangs fehlte anscheinend das Feindbild und aus dem Bürgerkrieg in der alten Heimat Jugoslawien holte die Band auf Konserve erstaunlich wenig heraus. Dafür begeisterten die Konzerte und Laibach hat immer noch einen sehr guten Ruf in den ehemaligen Bruderländern.

"Jesus Christ Superstars":
Nehme ich mal als das metallichste Album der Band gesondert auf. Ich liebe die Platte noch heute. Parallel dazu kamen Rammstein groß auf (ja, deren Debüt wurde bereits 1995 veröffentlicht, brauchte aber Jahre, um durchzustarten). Das Abarbeiten am Glauben erschien mir nach der Kapitalismuskritik der frühen 90er ein Ausweg aus der kreativen Sackgasse.

"WAT":
Das Comeback: Nach sieben Jahren faktischer Funkstille kam WAT wie aus dem Nichts. 9/11 brachte den Slowenen einen neuen kreativen Schub und WAT böllert für Laibach-Verhältnisse ungewohnt aggressiv. Titel wie "Tanz mit Laibach" zünden noch heute, aber ich war froh, dass Laibach musikalisch weiter schritten, denn live zog die Platte viel Event-Publikum.

"Anthems" über "Gesamtkunstwerk" bis "Introduction", einschließlich "Volk" und "Kunst der Fuge":
Viele Best-Of-Zusammenstellungen, dazu Bach-Interpretationen und die Nationalhymnen-Sammlung "Volk": Laibach schienen in einer Findungsphase zu stecken. Dazu drehte sich das Personalkarussel. Als einziges "richtiges" Album fand ich den Ansatz von "Volk" nicht schlecht und mochte auch die Annäherung an Soul und R'n'B. Dennoch lege ich die Platte heute eher selten auf, sie wirkt unausgegoren und nicht zu Ende gedacht.

"Iron Sky":
Auch wenn ich mich unbeliebt mache: Der Film war eine Enttäuschung und Laibach als musikalische Untermalung dieser Klamotte eine Fehlbesetzung. So kann man auch am Lebenswerk sägen. :thumbsdown:

"Spectral" bis heute:
Nur noch Langzeit-Sänger Milan Fras ist live noch mit an Bord. Ansonsten und im Studio haben jüngere Musiker das Steuer übernommen. Viele alte Fans finden den neuen Electro-Clash-Sound schlicht Scheiße, ich finde ihn superb. Auch der personelle Komplettausstausch passt zu einem Kollektiv wie Laibach. Dass jetzt neue Musiker, darunter Sängerin Mina Spiler, stumpf die alten Pseudonyme Eber, Saliger, Dachauer and Keller weiter nutzen ist genau meine Art von Humor.
 
Zuletzt bearbeitet:
Gestern war ich zur dritten und letzten Aufführung von „Wir sind das Volk” im Berliner Theater HAU 1. Selten, dass man im Theater Ohrstöpsel brauchte, es war krachig, wuchtig und verstörend. Die Texte Heiner Müllers hatten mich schon bei „Germania” in ihrer sprachlichen Brutalität an Laibach erinnnert, daher passte es bruchlos.

Das musikalische Ensemble bestand aus Schlagzeug, Pauke, Laptop, Flügel und Streichquartett, dem Laibach-Sänger und einem chanson-artigen Gastsänger. Irgendwann wird es das wohl auf CD geben.

Dieser Artikel in der taz ist recht treffend:
https://taz.de/Laibach-Musical-im-HAU-Berlin/!5659410/
 
Ich sammle seit den 80ern Laibach Alben und es ist faszinierend, wie die "Band" es schafft, immer noch zu überraschen. Wobei ich gestehen muss, dass mich die Phase von 1983-1988 musikalisch immer noch am meisten begeistert. Dvorana Malci Belic 1984 (das Gedenkkonzert für den verstorbenen ex-Sänger Tomas Hostnik) ist in seiner Brutalität und Angepisstheit schwer zu toppen.
Die "Rekapitulacija" Box sollte nochmal neu aufgelegt werden.
 
Halleluja, sie können ja noch, wenn sie wollen. 2017 spielten Laibach in Madrid ihr legendäres Zagreb Konzert von 1983 noch einmal und das erscheint im Mai auf Tonträger. So muss Laibach klingen.
Das 1983er Konzert war das, bei dem sie Tito Reden und Pornos auf Leinwänden zeigten, bis die Polizei einschritt. Danach hagelte es Auftrittsverbote und Laibach konnten einige Jahre nur geheim auftreten (das Dvorana MB Konzert 1984...)
 
Schönes Album, weckt Erinnerungen an den Theaterbesuch kurz vor dem Lockdown, vor einer Ewigkeit. Die Texte von Heiner Müller sind so was von kraftvoll und prägnant, passt wirklich gut zusammen.
 
Laibach treten am 31. März in Kiew auf, die Zeit der Ironie und Zweideutigkeit ist endgültig vorbei:
LAIBACH'S MESSAGE TO THE UKRAINIAN PUBLIC AHEAD OF THE CONCERT IN KYIV

Dear Ukrainians, people of undefeated Kyiv and music lovers!

We are not coming to Ukraine to be the first, second or third group to perform in your capital during the war, as some media reported, but as a clear expression of support for your country in this war.

We must stress here that some of our statements, which may not have been in line with your thinking, were never intended to offend you in any way or to diminish the importance of your just struggle. Since the first days of the Russian aggression against Ukraine, we have taken an unequivocal position and reiterated that there is no place for war in a modern society. Geopolitical issues cannot be resolved by armed attack and political incitement. We also immediately cancelled all planned appearances in Russia and in all interviews condemned Russia's aggression in this war.

Not to be mistaken - we love Russian literature, music and art. We love Dostoyevsky, Bulgakov, Tchaikovsky, Scriabin, Mayakovsky, Tatlin, Rodchenko and El Lissitzky - to name but a few - and we always will. But in this senseless war between Russia and Ukraine, we are wholeheartedly on the side of Ukraine and its people, who - as in the old biblical story of David and Goliath - are fighting with dignity against a stronger enemy. We mourn with you for the innocent victims. We rejoice with you in your victories.

With this concert in Kyiv, we are therefore following the call of the heart, not the call of reason. We sincerely wish Ukraine peace and victory in this war, and it will be a great honour for us to perform in these difficult times in the brave and defiant capital of your magnificent country.

To all those who doubt our views, let us therefore once again make it very clear that Russia is the main aggressor in this clash of destructive political and geostrategic interests. Russia's army illegally entered foreign territory with weapons and started this terrible war. Ukraine therefore has every right to defend itself and must defend itself by all means. We support you unconditionally in this, that is why we are coming to Kiev and on this occasion we call on the world powers to sit down at the green table as soon as possible and end this unbearable slaughter and all other wars and military conflicts around the world.

We are donating all the proceeds from ticket sales to charity, with no strings attached.

Glory to Ukraine!

Laibach

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(Text was composed and translated with the help of AI)
 
Mit Recht. Also die Absage.

Weiß nicht, die Gründe scheinen mir eher fadenscheinig: Wegen spalterischer Tendenzen vom lokalen Veranstalter abgesagt? Ich vermute eher, dass es daran liegt, dass Laibach - auch wenn sie den Aggressor benennen und vollumfänglich solidarisch mit der Ukraine sich erklären - ein Narrativ bemühen, das womöglich dem hiesigen patriotischen zuwiderläuft und die Ukraine zu einem Opfer Russlands und der USA macht. Da stellt sich dann anschließend die Frage, ob ein demokratisches Land, das um seine Überleben als Nation ringt, solche abweichenden Erzählungen tolerieren soll und darf. Schwierig.
 
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