Non-Metal-Jahresrückblick 2019

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https://darkwaterband.bandcamp.com/

später heartbreak bei mir ist die selbstbetitelte ep von dark water (tipp hier aus dem post-punk thread).
begleitet mich ständig und bei allem. wavepop - oder goth/synthpop - also mit starkem 80s feel zum verlieben. sehr zuckrig-melancholisch, düster im romantischen sinne (also genre-gemäß), mit toller stimme und einfach tollen songs. alle 5 sind richtige hits.
kennt ihr diesen pistolen-schuss-schwoof aus der 90er grufti disco? will man jedenfalls dazu machen.
bandfoto ist vielleicht aufschlussreicher als mein geschwurbel (sorry, bin reinverliebt in das teil. und ja: ich sollte nicht über musik schreiben.)
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Kann man nicht oft genug Lobhudeln. <3
 
12. State Faults - Clairvoyant
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Slightly cheating pt. 2: das beste Screamo Album der vergangenen Jahre ist auch was für Fans metallischer Künste, die Band bewegt sich endgültig von Orchid und Saetia weg und schnürt ein Feuerwerk aus wütendem Screamo, furiosem Black Metal und tragendem Post Hardcore. Klingt nicht innovativ, aber das Songwriting ist herausragend.

Da sind zum einen epische Mammutsongs der Marke "Dreamcather Pt. II" oder "Olive Tree" (einer DER Songs des Jahres) und zum anderen aufmüpfige Rager wie "Planetary". Dazwischen packt das Trio dann einen metallischen Midtempo-Stampfer wie den Titeltrack. Wichtiger Hinweis: schaut euch die Band wenn möglich unbedingt live an, lange her dass ich in dem Genre zuletzt so eine Perfomance gesehen habe.

"Planetary"
"Olive Tree"
"Clairvoyant"

https://nosleeprecords.bandcamp.com/album/clairvoyant

11. DIIV - Deceiver
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DIIV waren schon immer die etwas andere Dream Pop/Shoegaze Band. Wesentlich mehr up tempo, mehr Druck, mehr einprägsame Gitarren. Und hier macht "Deceiver" einen riesigen Schritt. Dreieinhalb Jahre nach dem Vorgänger öffnet sich die Band nach einer persönlich turbulenten Zeit für ein düsteres, tief persönliches Album.

Und das merkt man auch musikalisch. Die Gitarren sind härter geworden,, schwenken zum Teil in massive Metal Sphären. Die Songs sind abwechslungsreicher und tangieren Elemente aus Surf Rock und Krautrock. Verbunden mit den zum Teil niederschmetternden Lyrics zeichnet "Deceiver" das Bild einer Band auf dem Vormarsch und dennoch voller Erfahrung.

"Horsehead"
"Skin Game"
"Blankenship"

https://diivct.bandcamp.com/album/deceiver
 
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https://darkwaterband.bandcamp.com/

später heartbreak bei mir ist die selbstbetitelte ep von dark water (tipp hier aus dem post-punk thread).
begleitet mich ständig und bei allem. wavepop - oder goth/synthpop - also mit starkem 80s feel zum verlieben. sehr zuckrig-melancholisch, düster im romantischen sinne (also genre-gemäß), mit toller stimme und einfach tollen songs. alle 5 sind richtige hits.
kennt ihr diesen pistolen-schuss-schwoof aus der 90er grufti disco? will man jedenfalls dazu machen.
bandfoto ist vielleicht aufschlussreicher als mein geschwurbel (sorry, bin reinverliebt in das teil. und ja: ich sollte nicht über musik schreiben.)
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I feel you, aber Jenny hat recht.
Danke, für den tollen Ohrwurm.

schöner Thread BTW
 
Danke, für den tollen Ohrwurm.

schöner Thread BTW
cool, dass dir das teil gefällt!

DIIV waren schon immer die etwas andere Dream Pop/Shoegaze Band. Wesentlich mehr up tempo, mehr Druck, mehr einprägsame Gitarren. Und hier macht "Deceiver" einen riesigen Schritt. Dreieinhalb Jahre nach dem Vorgänger öffnet sich die Band nach einer persönlich turbulenten Zeit für ein düsteres, tief persönliches Album.

Und das merkt man auch musikalisch. Die Gitarren sind härter geworden,, schwenken zum Teil in massive Metal Sphären. Die Songs sind abwechslungsreicher und tangieren Elemente aus Surf Rock und Krautrock. Verbunden mit den zum Teil niederschmetternden Lyrics zeichnet "Deceiver" das Bild einer Band auf dem Vormarsch und dennoch voller Erfahrung.

"Horsehead"
"Skin Game"
"Blankenship"

https://diivc
das ist auch ein ganz toller tipp!
gefällt mir richtig gut.
 
Deutscher Rap, es ist nicht leicht mit uns. Noch immer quälst du mich mit Kollegahs weltverschwörerischen Meltdowns, lässt ihn seine blinden Jünger an der Grenze zur geistigen Armut mit Seminaren für vierstellige Beträge die Grenze zur finanziellen Armut ohne Rücksicht auf Anstand und Gewissen überschreiten. Du gibst uns Capital Bra, Mero, Fero, Sero, wie sie nicht alle heißen. Du gibst uns Gucci, Prada und viele Marken, deren Namen ich erst googeln müsste, um ihn fehlerfrei zu schreiben. Du gibst so viel Schlechtes und hast immer noch nicht Fler genommen. Neuerdings lässt du sogar Tarek K.I.Z. furchtbare Musik machen. Du gibst Sexismus, Antisemitismus, Gewalt und nicht mal eine Fachpresse, deren Eier in der Hose groß genug sind, es sich mit Big Playern des Genres zu verscherzen, die teilweise mehrere dieser Kategorien bedienen.

Deutscher Rap, es ist zuweilen schwer, dich zu lieben, aber du warst dieses Jahr auch so oft so gut zu mir, hast mir noch ganz andere Dinge gegeben.

Sicher, du wusstest zu enttäuschen. Was hat dich nur geritten, als du Yassin auf Ypsilon dermaßen der Wackness hast anheim fallen lassen? Sicher, er war noch nie so misanthropisch wie sein Partner in Crime, aber es kann doch nicht sein, dass es einzig und allein Audios Anwesenheit geschuldet war, dass sich Yassin nicht schon viel früher zu einem Autotune-geschwängerten Gute-Laune-Onkel transformiert hat, oder? Nein, das war nichts. Auch Messios von SSIO war leider nicht die erhoffte Wohltat. Eigentlich macht er nicht so viel anders als bisher, dennoch waren mir hier die Beats und Hooks stellenweise einfach viel zu anstrengend, Hörgenuss konnte sich leider nicht einstellen.

Nein, es waren nicht alles Highlights. Shacke One hat gut daran getan, Shackitistan nicht länger als eine halbe Stunde werden zu lassen, so funktioniert der thematisch denkbar einseitige Pimmelfotze-Rap als gut hörbarer Appetithappen für Zwischendurch. Selbiges konnte man auch Macs'n'Gees, dem Kollaboalbum von DCVDNS & Tamas attestieren. Pluspunkte gibts für Technik und eine sehr sinnvolle Verknüpfung alter Schule und neuer Sounds. Das hätte auch Nord Nord Muzikk nicht geschadet. Hexeh ist einfach viel zu lang, um immer und immer wieder das selbe Thema tot zu reiten. Die halbe Spielzeit hätte es getan, dann wäre vielleicht sogar ein Platz unter den Highlights drin gewesen. Immerhin gab es hier einen neuen Neuruppin-Teil, der sich wirklich hören lassen konnte und nicht nur vom Namen gelebt hat.

Ja, die Länge. Die ist augenscheinlich nicht nur bei Willem Dafoe ein Problem (sofern man Lars von Trier Glauben schenken darf). Daher hat sich über die letzten Jahre die EP klammheimlich zu meinem Lieblingsformat des Genres gewandelt. Und da gab es dieses Jahr so viel Hörenswertes, dass man wirklich niemandem gerecht werden könnte, würde man die alle im selben Absatz verbraten.

Man muss froh sein um jede Frau, die das Genre bereichert und nach und nach den Muff tief hängender Baggys und gefickter Mütter vertreibt. So eine war dieses Jahr Presslufthanna. Leider war mir das thematisch an vielen Stellen zu dünn, das soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass ein starker Flow und tolles, oldschooliges Beatpicking, das sich zu einem Zeitpunkt dem Zeitgeist anbiedert, auf Eingangsbereich Hand in Hand gehen und dabei sehr viel Spaß machen.

Weiter oben in meinem persönlichen Ranking hätte ich eigentlich den neuen Solo-Output von Grim104 erhofft und eigentlich auch erwartet. Dabei ist Das Grauen, das Grauen keineswegs schlecht geraten. Ganz im Gegenteil, dieser Horror, der nicht mehr von Vampiren und anderen Sagengestalten ausgeht, sondern von der beklemmenden Realität zwischen Wohnungsnot und Discoschlägern, ist wirklich meisterhaft konzipiert, konnte mich nur leider insgesamt einfach nicht so sehr abholen, wie ich mir das von so einem intelligenten Werk wünschen würde.

Prezident wollte dieses Jahr zum Glück niemandem die Extrameile auf den Sack gehen, und das hat dem Zahnfleischbluter Prezi Blues auch denkbar gut getan. Was soll man viele Worte verlieren? Man weiß, was man bekommt, und das ist verdammt gut so. Vom Album im Februar erwarte ich mir einen wichtigen Bestandteil des nächsten Jahresrückblicks.

Bisher war NMZS (Mann, du fehlst) eigentlich der einzige von den Antilopen, der für mich für relevanten Solo-Output stand, aber dieses Jahr konnte Koljah mit Aber der Abgrund nachziehen. Hat ihm merklich gut getan, aus dem thematischen Kosmos der Antilopen Gang ausbrechen zu können, so schön hätte er sich da mMn niemals auskotzen können.

Ey Juse Ju, leg mal nochmal einen nach. Musste man nicht mal sagen, hat er einfach so gemacht. Und für mich kommt Untertreib nicht deine Rolle sogar noch stärker daher als das Album von 2018. Textlich gehen momentan nicht so viele Wege an Juse vorbei, auch technisch kann sich das in meinen Ohren von Release zu Release mehr hören lassen. Unterschätzter MVP der Szene.

Hab ich vorhin auf Zeitgeist und seltsame Modeerscheinungen geschimpft? Wahnsinnig konsequent von mir, dass ausgerechnet Platte von Apache 207 meine Deutschrap-EP des Jahres ist. Aber ich kann mich auch einfach nicht dagegen wehren. Diese Hits, Freunde, diese Hits! Rappen kann er, singen kann er, er sucht sich die richtigen Beats aus und schafft den Drahtseilakt zwischen Gimmick und künstlerischem Anspruch wie nur wenige andere, die der Mainstream an die Chartspitze spült. Mein Haarneid ist real.

Aber Onkel Lifelover, gab es denn überhaupt noch Alben in diesem Jahr? Sicher, mein Kind, diese hier nämlich:

Hätte nie gedacht, dass Max Herre in so einem Ranking mal auftauchen könnte, aber die ganze Wahrheit ist, er kann es dieses Jahr nicht nur, er muss. Lustig, dass er erst damit aufhören musste, davon zu sprechen, erwachsene Musik zu machen, um genau diese ganz unpeinlich und auf den Punkt abzuliefern. Musikalisch wird hier zwar leider mit Trettmann ein gewisser Zeitgeist eingefangen, als Entschädigung dafür aber im Titeltrack von Athen ungeniert bei Pink Floyd angeklopft. Max, wir können doch noch Freunde sein.

Kraftklub tauchen bei mir in so einer Auflistung normalerweise auch nicht auf. Aber zumindest einer der Jungs hat sich seinen Platz hier redlich verdient. Sicher, Kummer ist raptechnisch limitiert, und vermutlich ist dies ein Euphemismus, aber dafür stimmt auf Kiox alles andere umso mehr. Geile Beats von Blvth, Themen, die man so eigentlich nicht zum ersten mal hört, trotzdem spannend aufgearbeitet, so dass sie sich zu keiner Zeit ausgelutscht anfühlen. Bitte künftig weniger Brummer und mehr Kummer.

Wie macht man ein modernes, zeitgemäßes Deutschrap-Album, ohne sich irgendwelchen Trends oder dem zuweilen arg substanzlosen Genre-Zeitgeist anzubiedern? So wie Tua. Von der Drum & Bass Extase in Bruder II zum musikalisch reduzierten Abschied vom Vater (bedrückendster Track 2019, change my mind) über Autotune-Einsatz, der in Deutschland in der Qualität und Finesse seinesgleichen sucht, liefert Tua ein vielschichtiges Album, das sich trotzdem wie aus einem Guss anfühlt. Moderner Klassiker.

Was kann da noch drüber stehen? Über einem modernen Klassiker? Eiskalte Befangenheit. Wobei die in diesem Fall nicht eiskalt ist, sondern plüschig, rosarot und nach kalter Asche und Toffifee riecht. Degenhardt ist nun Vandalismus. Lieben gelernt habe ich ihn dafür, dass er sich auf jedem Album den Brustkorb aufgeflext und dunkelpink und hellschwarz Hassliebe und Liebeshass aus sich raus geholt hat, Super Mario und Steve Buscemi gleichermaßen Platz geboten hat und dabei so ehrlich war, so real, dass ich mehr Tränen zu seiner Musik vergossen habe, als sich überhaupt zählen lassen könnten. Und jetzt? Wird auf Freunde lügen nicht Battlerap geflext. Der Brustkorb bleibt zu, ist nur noch vereinzelt zu erahnen, und trotzdem funktioniert das alles so gut. Tränen gab es noch keine, aber dafür zahlreiche andere Gefühle, nicht weniger groß.

Vielleicht gibts noch nen Post zu all den Sachen, die Non-Metal, aber kein Deutschrap und trotzdem wichtig für mich waren, vielleicht auch nicht. Der hier war mir einfach wichtig.
 
10. The Murder Capital - When I Have Fears
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Nun das angeteaserte beste Post-Punk Debüt des Jahres, wieder aus Irland. Nur dieses Mal (wie Bandname, Albumtitel und Cover bereits erahnen lassen) wesentlich düsterer und trauriger. Sänger James McCovern erinnert wohlig abwechselnd an Nick Cave und an Justin Sullivan (New Model Army) und bringt dazu einen irischen Charme.

Zum anderen hört man hier auch viel Idles raus, aber wesentlich reduzierter und mehr auf Atmosphäre getrimmt. Da wechseln sich Brecher wie "More Is Less" mit düsteren Hymen wie "Don't Cling To Life" ab, die wohlig an The Twilight Sad erinnern. "Green & Blue" ist einfach wundervoll traurig und der Opener "For Everything" ist ganz klar einer meiner liebsten Songs des Jahres.

"Green & Blue"
"Don't Cling To Life"
"For Everything"

9. Black Midi - Schlagenheim
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2019 war vor allem auch ein Jahr der Newcomer und des frischen Windes. Und nichts beschreibt Black Midi besser. Man könnte es sich einfach machen und die Band als Math Rock beschreiben, damit würde man den Briten allerdings unrecht tun. Wie wäre es mit einer Mischung aus King Crimson, Girl Band, Preoccupations und Fantomas, das Ganze mit einem fast schon surreal gutem Drummer und manchmal mehr Druck als erträglich? Ihr merkt schon.

Was soll man also schreiben? Eventuell ist "Schlagenheim" eine Gegenthese zu der aktuellen Indie Pop Kultur. Das Album beginnt mit dem Riff Monster "953" (try to follow the drum pattern), schwingt zu Post Hardcore beeinflussten wirren Ragern wie "Years Ago" oder dem massiv explodierenden "bmbmbm". Dieser Band gehört die Zukunft.

"953"
"bmbmbm"
"Ducter"

https://bmblackmidi.bandcamp.com/album/schlagenheim
 
Deutscher Rap, es ist nicht leicht mit uns. Noch immer quälst du mich mit Kollegahs weltverschwörerischen Meltdowns, lässt ihn seine blinden Jünger an der Grenze zur geistigen Armut mit Seminaren für vierstellige Beträge die Grenze zur finanziellen Armut ohne Rücksicht auf Anstand und Gewissen überschreiten. Du gibst uns Capital Bra, Mero, Fero, Sero, wie sie nicht alle heißen. Du gibst uns Gucci, Prada und viele Marken, deren Namen ich erst googeln müsste, um ihn fehlerfrei zu schreiben. Du gibst so viel Schlechtes und hast immer noch nicht Fler genommen. Neuerdings lässt du sogar Tarek K.I.Z. furchtbare Musik machen. Du gibst Sexismus, Antisemitismus, Gewalt und nicht mal eine Fachpresse, deren Eier in der Hose groß genug sind, es sich mit Big Playern des Genres zu verscherzen, die teilweise mehrere dieser Kategorien bedienen.

Deutscher Rap, es ist zuweilen schwer, dich zu lieben, aber du warst dieses Jahr auch so oft so gut zu mir, hast mir noch ganz andere Dinge gegeben.

Sicher, du wusstest zu enttäuschen. Was hat dich nur geritten, als du Yassin auf Ypsilon dermaßen der Wackness hast anheim fallen lassen? Sicher, er war noch nie so misanthropisch wie sein Partner in Crime, aber es kann doch nicht sein, dass es einzig und allein Audios Anwesenheit geschuldet war, dass sich Yassin nicht schon viel früher zu einem Autotune-geschwängerten Gute-Laune-Onkel transformiert hat, oder? Nein, das war nichts. Auch Messios von SSIO war leider nicht die erhoffte Wohltat. Eigentlich macht er nicht so viel anders als bisher, dennoch waren mir hier die Beats und Hooks stellenweise einfach viel zu anstrengend, Hörgenuss konnte sich leider nicht einstellen.

Nein, es waren nicht alles Highlights. Shacke One hat gut daran getan, Shackitistan nicht länger als eine halbe Stunde werden zu lassen, so funktioniert der thematisch denkbar einseitige Pimmelfotze-Rap als gut hörbarer Appetithappen für Zwischendurch. Selbiges konnte man auch Macs'n'Gees, dem Kollaboalbum von DCVDNS & Tamas attestieren. Pluspunkte gibts für Technik und eine sehr sinnvolle Verknüpfung alter Schule und neuer Sounds. Das hätte auch Nord Nord Muzikk nicht geschadet. Hexeh ist einfach viel zu lang, um immer und immer wieder das selbe Thema tot zu reiten. Die halbe Spielzeit hätte es getan, dann wäre vielleicht sogar ein Platz unter den Highlights drin gewesen. Immerhin gab es hier einen neuen Neuruppin-Teil, der sich wirklich hören lassen konnte und nicht nur vom Namen gelebt hat.

Ja, die Länge. Die ist augenscheinlich nicht nur bei Willem Dafoe ein Problem (sofern man Lars von Trier Glauben schenken darf). Daher hat sich über die letzten Jahre die EP klammheimlich zu meinem Lieblingsformat des Genres gewandelt. Und da gab es dieses Jahr so viel Hörenswertes, dass man wirklich niemandem gerecht werden könnte, würde man die alle im selben Absatz verbraten.

Man muss froh sein um jede Frau, die das Genre bereichert und nach und nach den Muff tief hängender Baggys und gefickter Mütter vertreibt. So eine war dieses Jahr Presslufthanna. Leider war mir das thematisch an vielen Stellen zu dünn, das soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass ein starker Flow und tolles, oldschooliges Beatpicking, das sich zu einem Zeitpunkt dem Zeitgeist anbiedert, auf Eingangsbereich Hand in Hand gehen und dabei sehr viel Spaß machen.

Weiter oben in meinem persönlichen Ranking hätte ich eigentlich den neuen Solo-Output von Grim104 erhofft und eigentlich auch erwartet. Dabei ist Das Grauen, das Grauen keineswegs schlecht geraten. Ganz im Gegenteil, dieser Horror, der nicht mehr von Vampiren und anderen Sagengestalten ausgeht, sondern von der beklemmenden Realität zwischen Wohnungsnot und Discoschlägern, ist wirklich meisterhaft konzipiert, konnte mich nur leider insgesamt einfach nicht so sehr abholen, wie ich mir das von so einem intelligenten Werk wünschen würde.

Prezident wollte dieses Jahr zum Glück niemandem die Extrameile auf den Sack gehen, und das hat dem Zahnfleischbluter Prezi Blues auch denkbar gut getan. Was soll man viele Worte verlieren? Man weiß, was man bekommt, und das ist verdammt gut so. Vom Album im Februar erwarte ich mir einen wichtigen Bestandteil des nächsten Jahresrückblicks.

Bisher war NMZS (Mann, du fehlst) eigentlich der einzige von den Antilopen, der für mich für relevanten Solo-Output stand, aber dieses Jahr konnte Koljah mit Aber der Abgrund nachziehen. Hat ihm merklich gut getan, aus dem thematischen Kosmos der Antilopen Gang ausbrechen zu können, so schön hätte er sich da mMn niemals auskotzen können.

Ey Juse Ju, leg mal nochmal einen nach. Musste man nicht mal sagen, hat er einfach so gemacht. Und für mich kommt Untertreib nicht deine Rolle sogar noch stärker daher als das Album von 2018. Textlich gehen momentan nicht so viele Wege an Juse vorbei, auch technisch kann sich das in meinen Ohren von Release zu Release mehr hören lassen. Unterschätzter MVP der Szene.

Hab ich vorhin auf Zeitgeist und seltsame Modeerscheinungen geschimpft? Wahnsinnig konsequent von mir, dass ausgerechnet Platte von Apache 207 meine Deutschrap-EP des Jahres ist. Aber ich kann mich auch einfach nicht dagegen wehren. Diese Hits, Freunde, diese Hits! Rappen kann er, singen kann er, er sucht sich die richtigen Beats aus und schafft den Drahtseilakt zwischen Gimmick und künstlerischem Anspruch wie nur wenige andere, die der Mainstream an die Chartspitze spült. Mein Haarneid ist real.

Aber Onkel Lifelover, gab es denn überhaupt noch Alben in diesem Jahr? Sicher, mein Kind, diese hier nämlich:

Hätte nie gedacht, dass Max Herre in so einem Ranking mal auftauchen könnte, aber die ganze Wahrheit ist, er kann es dieses Jahr nicht nur, er muss. Lustig, dass er erst damit aufhören musste, davon zu sprechen, erwachsene Musik zu machen, um genau diese ganz unpeinlich und auf den Punkt abzuliefern. Musikalisch wird hier zwar leider mit Trettmann ein gewisser Zeitgeist eingefangen, als Entschädigung dafür aber im Titeltrack von Athen ungeniert bei Pink Floyd angeklopft. Max, wir können doch noch Freunde sein.

Kraftklub tauchen bei mir in so einer Auflistung normalerweise auch nicht auf. Aber zumindest einer der Jungs hat sich seinen Platz hier redlich verdient. Sicher, Kummer ist raptechnisch limitiert, und vermutlich ist dies ein Euphemismus, aber dafür stimmt auf Kiox alles andere umso mehr. Geile Beats von Blvth, Themen, die man so eigentlich nicht zum ersten mal hört, trotzdem spannend aufgearbeitet, so dass sie sich zu keiner Zeit ausgelutscht anfühlen. Bitte künftig weniger Brummer und mehr Kummer.

Wie macht man ein modernes, zeitgemäßes Deutschrap-Album, ohne sich irgendwelchen Trends oder dem zuweilen arg substanzlosen Genre-Zeitgeist anzubiedern? So wie Tua. Von der Drum & Bass Extase in Bruder II zum musikalisch reduzierten Abschied vom Vater (bedrückendster Track 2019, change my mind) über Autotune-Einsatz, der in Deutschland in der Qualität und Finesse seinesgleichen sucht, liefert Tua ein vielschichtiges Album, das sich trotzdem wie aus einem Guss anfühlt. Moderner Klassiker.

Was kann da noch drüber stehen? Über einem modernen Klassiker? Eiskalte Befangenheit. Wobei die in diesem Fall nicht eiskalt ist, sondern plüschig, rosarot und nach kalter Asche und Toffifee riecht. Degenhardt ist nun Vandalismus. Lieben gelernt habe ich ihn dafür, dass er sich auf jedem Album den Brustkorb aufgeflext und dunkelpink und hellschwarz Hassliebe und Liebeshass aus sich raus geholt hat, Super Mario und Steve Buscemi gleichermaßen Platz geboten hat und dabei so ehrlich war, so real, dass ich mehr Tränen zu seiner Musik vergossen habe, als sich überhaupt zählen lassen könnten. Und jetzt? Wird auf Freunde lügen nicht Battlerap geflext. Der Brustkorb bleibt zu, ist nur noch vereinzelt zu erahnen, und trotzdem funktioniert das alles so gut. Tränen gab es noch keine, aber dafür zahlreiche andere Gefühle, nicht weniger groß.

Vielleicht gibts noch nen Post zu all den Sachen, die Non-Metal, aber kein Deutschrap und trotzdem wichtig für mich waren, vielleicht auch nicht. Der hier war mir einfach wichtig.

Du hast echt noch 'n krasses Durchhaltevermögen. Ich hab längst kapituliert vor dem ganzen Müll und höre nur noch Sachen, die ich schon kenne. Außer natürlich, jemand empfiehlt beharrlich, wie du letztes Jahr mit Lemur. Ich hab davon fast nix gehört. Nach dem superbeschissenen Antilopensong habe ich mir Koljah gespart. Juse Ju habe ich noch nicht gehört, obwohl mir der Vorgänger ganz gut reinging (mehr aber auch nicht, vielleicht deshalb).
 
Deutscher Rap, es ist nicht leicht mit uns. Noch immer quälst du mich mit Kollegahs weltverschwörerischen Meltdowns, lässt ihn seine blinden Jünger an der Grenze zur geistigen Armut mit Seminaren für vierstellige Beträge die Grenze zur finanziellen Armut ohne Rücksicht auf Anstand und Gewissen überschreiten. Du gibst uns Capital Bra, Mero, Fero, Sero, wie sie nicht alle heißen. Du gibst uns Gucci, Prada und viele Marken, deren Namen ich erst googeln müsste, um ihn fehlerfrei zu schreiben. Du gibst so viel Schlechtes und hast immer noch nicht Fler genommen. Neuerdings lässt du sogar Tarek K.I.Z. furchtbare Musik machen. Du gibst Sexismus, Antisemitismus, Gewalt und nicht mal eine Fachpresse, deren Eier in der Hose groß genug sind, es sich mit Big Playern des Genres zu verscherzen, die teilweise mehrere dieser Kategorien bedienen.

Deutscher Rap, es ist zuweilen schwer, dich zu lieben, aber du warst dieses Jahr auch so oft so gut zu mir, hast mir noch ganz andere Dinge gegeben.

Sicher, du wusstest zu enttäuschen. Was hat dich nur geritten, als du Yassin auf Ypsilon dermaßen der Wackness hast anheim fallen lassen? Sicher, er war noch nie so misanthropisch wie sein Partner in Crime, aber es kann doch nicht sein, dass es einzig und allein Audios Anwesenheit geschuldet war, dass sich Yassin nicht schon viel früher zu einem Autotune-geschwängerten Gute-Laune-Onkel transformiert hat, oder? Nein, das war nichts. Auch Messios von SSIO war leider nicht die erhoffte Wohltat. Eigentlich macht er nicht so viel anders als bisher, dennoch waren mir hier die Beats und Hooks stellenweise einfach viel zu anstrengend, Hörgenuss konnte sich leider nicht einstellen.

Nein, es waren nicht alles Highlights. Shacke One hat gut daran getan, Shackitistan nicht länger als eine halbe Stunde werden zu lassen, so funktioniert der thematisch denkbar einseitige Pimmelfotze-Rap als gut hörbarer Appetithappen für Zwischendurch. Selbiges konnte man auch Macs'n'Gees, dem Kollaboalbum von DCVDNS & Tamas attestieren. Pluspunkte gibts für Technik und eine sehr sinnvolle Verknüpfung alter Schule und neuer Sounds. Das hätte auch Nord Nord Muzikk nicht geschadet. Hexeh ist einfach viel zu lang, um immer und immer wieder das selbe Thema tot zu reiten. Die halbe Spielzeit hätte es getan, dann wäre vielleicht sogar ein Platz unter den Highlights drin gewesen. Immerhin gab es hier einen neuen Neuruppin-Teil, der sich wirklich hören lassen konnte und nicht nur vom Namen gelebt hat.

Ja, die Länge. Die ist augenscheinlich nicht nur bei Willem Dafoe ein Problem (sofern man Lars von Trier Glauben schenken darf). Daher hat sich über die letzten Jahre die EP klammheimlich zu meinem Lieblingsformat des Genres gewandelt. Und da gab es dieses Jahr so viel Hörenswertes, dass man wirklich niemandem gerecht werden könnte, würde man die alle im selben Absatz verbraten.

Man muss froh sein um jede Frau, die das Genre bereichert und nach und nach den Muff tief hängender Baggys und gefickter Mütter vertreibt. So eine war dieses Jahr Presslufthanna. Leider war mir das thematisch an vielen Stellen zu dünn, das soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass ein starker Flow und tolles, oldschooliges Beatpicking, das sich zu einem Zeitpunkt dem Zeitgeist anbiedert, auf Eingangsbereich Hand in Hand gehen und dabei sehr viel Spaß machen.

Weiter oben in meinem persönlichen Ranking hätte ich eigentlich den neuen Solo-Output von Grim104 erhofft und eigentlich auch erwartet. Dabei ist Das Grauen, das Grauen keineswegs schlecht geraten. Ganz im Gegenteil, dieser Horror, der nicht mehr von Vampiren und anderen Sagengestalten ausgeht, sondern von der beklemmenden Realität zwischen Wohnungsnot und Discoschlägern, ist wirklich meisterhaft konzipiert, konnte mich nur leider insgesamt einfach nicht so sehr abholen, wie ich mir das von so einem intelligenten Werk wünschen würde.

Prezident wollte dieses Jahr zum Glück niemandem die Extrameile auf den Sack gehen, und das hat dem Zahnfleischbluter Prezi Blues auch denkbar gut getan. Was soll man viele Worte verlieren? Man weiß, was man bekommt, und das ist verdammt gut so. Vom Album im Februar erwarte ich mir einen wichtigen Bestandteil des nächsten Jahresrückblicks.

Bisher war NMZS (Mann, du fehlst) eigentlich der einzige von den Antilopen, der für mich für relevanten Solo-Output stand, aber dieses Jahr konnte Koljah mit Aber der Abgrund nachziehen. Hat ihm merklich gut getan, aus dem thematischen Kosmos der Antilopen Gang ausbrechen zu können, so schön hätte er sich da mMn niemals auskotzen können.

Ey Juse Ju, leg mal nochmal einen nach. Musste man nicht mal sagen, hat er einfach so gemacht. Und für mich kommt Untertreib nicht deine Rolle sogar noch stärker daher als das Album von 2018. Textlich gehen momentan nicht so viele Wege an Juse vorbei, auch technisch kann sich das in meinen Ohren von Release zu Release mehr hören lassen. Unterschätzter MVP der Szene.

Hab ich vorhin auf Zeitgeist und seltsame Modeerscheinungen geschimpft? Wahnsinnig konsequent von mir, dass ausgerechnet Platte von Apache 207 meine Deutschrap-EP des Jahres ist. Aber ich kann mich auch einfach nicht dagegen wehren. Diese Hits, Freunde, diese Hits! Rappen kann er, singen kann er, er sucht sich die richtigen Beats aus und schafft den Drahtseilakt zwischen Gimmick und künstlerischem Anspruch wie nur wenige andere, die der Mainstream an die Chartspitze spült. Mein Haarneid ist real.

Aber Onkel Lifelover, gab es denn überhaupt noch Alben in diesem Jahr? Sicher, mein Kind, diese hier nämlich:

Hätte nie gedacht, dass Max Herre in so einem Ranking mal auftauchen könnte, aber die ganze Wahrheit ist, er kann es dieses Jahr nicht nur, er muss. Lustig, dass er erst damit aufhören musste, davon zu sprechen, erwachsene Musik zu machen, um genau diese ganz unpeinlich und auf den Punkt abzuliefern. Musikalisch wird hier zwar leider mit Trettmann ein gewisser Zeitgeist eingefangen, als Entschädigung dafür aber im Titeltrack von Athen ungeniert bei Pink Floyd angeklopft. Max, wir können doch noch Freunde sein.

Kraftklub tauchen bei mir in so einer Auflistung normalerweise auch nicht auf. Aber zumindest einer der Jungs hat sich seinen Platz hier redlich verdient. Sicher, Kummer ist raptechnisch limitiert, und vermutlich ist dies ein Euphemismus, aber dafür stimmt auf Kiox alles andere umso mehr. Geile Beats von Blvth, Themen, die man so eigentlich nicht zum ersten mal hört, trotzdem spannend aufgearbeitet, so dass sie sich zu keiner Zeit ausgelutscht anfühlen. Bitte künftig weniger Brummer und mehr Kummer.

Wie macht man ein modernes, zeitgemäßes Deutschrap-Album, ohne sich irgendwelchen Trends oder dem zuweilen arg substanzlosen Genre-Zeitgeist anzubiedern? So wie Tua. Von der Drum & Bass Extase in Bruder II zum musikalisch reduzierten Abschied vom Vater (bedrückendster Track 2019, change my mind) über Autotune-Einsatz, der in Deutschland in der Qualität und Finesse seinesgleichen sucht, liefert Tua ein vielschichtiges Album, das sich trotzdem wie aus einem Guss anfühlt. Moderner Klassiker.

Was kann da noch drüber stehen? Über einem modernen Klassiker? Eiskalte Befangenheit. Wobei die in diesem Fall nicht eiskalt ist, sondern plüschig, rosarot und nach kalter Asche und Toffifee riecht. Degenhardt ist nun Vandalismus. Lieben gelernt habe ich ihn dafür, dass er sich auf jedem Album den Brustkorb aufgeflext und dunkelpink und hellschwarz Hassliebe und Liebeshass aus sich raus geholt hat, Super Mario und Steve Buscemi gleichermaßen Platz geboten hat und dabei so ehrlich war, so real, dass ich mehr Tränen zu seiner Musik vergossen habe, als sich überhaupt zählen lassen könnten. Und jetzt? Wird auf Freunde lügen nicht Battlerap geflext. Der Brustkorb bleibt zu, ist nur noch vereinzelt zu erahnen, und trotzdem funktioniert das alles so gut. Tränen gab es noch keine, aber dafür zahlreiche andere Gefühle, nicht weniger groß.

Vielleicht gibts noch nen Post zu all den Sachen, die Non-Metal, aber kein Deutschrap und trotzdem wichtig für mich waren, vielleicht auch nicht. Der hier war mir einfach wichtig.
Schöne Deutschrap-Übersicht 2019! "Freunde lügen nicht" ist für mich hier das absolute Highlight! :verehr:

Aber was ist mit "Andorra" von Fatoni? Das ist bei mir auf Platz 2. Vielleicht nicht ganz objektiv, weil auch das Konzert dazu (in Zürich) so gut war. Ebenfalls erwähnen sollte man noch "Herzbube" von Morlockk Dilemma: Zwar sicher nicht das beste Album in seiner Diskographie, aber immer noch weit über dem Deutschrap-Durchschnitt ( ich sag nur Hits wie "Der Himmel kann nicht warten" oder "Wo die Schatten fallen").
 
8. clipping. - There Existed An Addiction To Blood
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Ich mache es mir mal einfach:

Ey, unfassbar: Zu Clipping steht hier ja noch überhaupt nichts. @Axe To Fall hatte ja im Hip Hop-Thread auch schon alles gesagt eigentlich. Trotz diverser hochklassiger Rap-Releases wohl das Meisterwerk in dem Sektor und gleichzeitig das Diskographie-Highlight. Früher war das für mich eher Musik, bei der man nach Bangern suchte, obwohl ja schon immer eine Form von (auch inhaltlichem) Konzept dahinter stand. So richtig interessant wurde das für mich erst mit "Splendor And Misery", da gefiel mir dann allerdings - mit einigen Ausnahmen - die Musik nicht so gut. Verwandt hier zum Techno: Afrofuturismus. Da denk ich ja gleich an Meineckes "Hellblau". Und an Deltron 3030. ♥ "There Existed An Addiction To Blood" hingegen übertrifft sogar die kompositiorische Stärke von "CLPPNG". Man hat das Gefühl einen hochklassigen Horrorfilm zu schauen, bei dem man dem Grauen durch Tanzen beikommen will. Unfassbar produziert, im Gegensatz zu den Noise-Eskapaden der vergangenen Platten thronen diesmal eindeutig Diggs' markante Vocals über allem und die Beats halten sich - von einigen Ausbrüchen abgesehen - zurück. Ich wusste nicht, dass der Typ Profischauspieler ist. Krass. Long story short: Eigentlich gibt's hier nur Hits, trotzdem sollte die Platte wohl am Stück gehört werden.

:*

"Blood Of The Fang"
"La Mala Ordina"
"He Dead"

https://clppng.bandcamp.com/album/there-existed-an-addiction-to-blood

7. Danny Brown - uknowhatimsayin¿
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Wird Zeit hier mit einigen dreisten Lügen in diesem Thread aufzuräumen. Danny Brown ist drei Jahre nach dem misanthropischen Meisterwerk "Atrocity Exhibition" zurück und ändert wie immer in seiner Karriere wieder die Ausrichtung. Danny wirkt mental gesünder und stabiler, scheint allgemein an einem besseren Ort zu sein. Das hört man dem Album an (welches dennoch verdammt dunkel ist).

Und die Instrumentals sind wieder mal mit das beste was man im Genre finden kann. Da kommen zum einen Beats vom legendären Q-Tip ("Dirty Laundry", "Best Life") welche einen leichten 90er Charme versprühen, ein (wie immer) ÜBERRAGENDES Instrumental von JPEGMAFIA ("3 Tearz"), eine hektische Genrefusion von Flying Lotus("Negro Spiritual") und Durchstarter Slauson Malone auf dem Top-Track des Albums ("Shine", inklusive eurem neuen liebsten RnB Sänger Blood Orange). Dabei bleibt das Album zutiefst dunkel (auch dunkler als zB "Old"), Danny lässt wie immer tief blicken, Danny liefert wie immer eins der besten Alben des Jahres.

"Best Life"
"Savage Nomad"
"Shine"
 
Ein Jahr ohne Dark-Jazz ist bei mir auch irgendwie nicht vorstellbar. Die beste mit bekannte Veröffentlichung aus der Richtung aus dem letzten Jahr kommt von einem alten Bekannten, dessen Arbeit schon auch ein paar Talfahrten hinter sich hat.

E.E. Engström & The Twin Street Tree Trunk Love Ensemble
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Dive Bar Death: The Necrophilic Act of Remixing

Das vorletztjährige Small Town Curse geht noch als in Ordnung durch und ein richtiges Highlight war 2018 nicht wirklich aus der Schiene gekommen. Aber mit Dive Bar Death: The Necrophilic Act of Remixing fährt E.E. Engström & The Twin Street Tree Trunk Love Ensemble wieder Qualität auf die durchaus an eine Großtat wie Loving Fog Fiends anzuknüpfen vermag. Und während ich das so in die Tastatur meines Dienst-PC hacke sehe ich vor dem geistigen Auge einige Gesichter aus dem Selfie-Faden vor mir die die Mundwinkel verziehen und fragend eine Augenbraue heben, leise am Kaffee nippend die Stirn kraus ziehen und sich denken WAS FÜR EINEN SCHEISS LABERT DER TYP SCHON WIEDER? DAS KENNT DOCH KEINE SAU.
Stimmt.

Deshalb kurz alles wichtige erläutert:
  • E.E. Engström & The Twin Street Tree Trunk Love Ensemble ist ein Soloprojekt aus Göteborg.
  • EEE... gibt es seit "mindestens" 2012 und veröffentlicht überwiegend als Download.
  • Das bisher beste Album war wie es meist ist das Debüt Loving Fog Fiends eben aus dem Jahr 2012.
  • Das letzte Album vor diesem erschien 2018, nannte sich Small Town Curse und war mittelmäßig, vor allem etwas zu positiv in seiner Stimmung
  • Die Musik die EEE... macht nennt sich Dark Jazz, Horror Jazz, Doom Jazz oder so.
  • Im Dark Jazz gibt es mittlerweile eine schier unüberschaubare Fülle an Kleinst-Interpreten deren Qualität eher schlecht ist.
  • Dark Jazz ist das was Gruppen wie Bohren und der Club of Gore, The Mount Fuji Doomjazz Corporation und Dale Cooper Quartet & the Dictaphones machen oder was man sich gerne als Twin-Peaks-Hintergrundmusik vorstellt.
  • Twin Peaks ist eine Fernsehserie von David Lynch ... ne jetzt reicht es aber, also, wer Twin Peaks nicht kennt hat verkackt:

Öhm, Bitte was? Ach so ... DARK JAZZ erklärendes Zwischenspiel
Dark Jazz ist eigentlich eine irreführende Bezeichnung. Das ist kein Jazz, es ist eine Art düsterer Lounge- und Ambient-Musik die auf einem realen oder synthetischen Jazz-Instrumentarium daherkommt und meinem empfinden nach sowas wie die Idee einer postmodernen Popmusik die die losen Enden von Industrial (Dark Ambient), Metal/Hardcore (Soziokulturelle Querverweise), Filmmusik (cineastische Bezüge und Arrangements) und Jazz (Instrumente) zusammen und treibt die Musik dann in eine Richtung in der Begriffe wie Nu oder Post fehl gehen. Nu als 90er-Präfix der eine modernisierte und kulturindustriell verwertbarere Wieder- oder Neu-Besetzung von Genrebegriffen beschreibt ist hier schon falsch weil es einfach keine besonders kommerziell verwertbare Musik ist. Post hingegen ist als Präfix mit ewig-langer Historie meist eine Betitelung für eine Weiterentwicklung aus den jeweiligen Genregrenzen heraus und beschreibt damit normalerweise einen Sammelbegriff der Zersplitterung und Zerfaserung nach einem großen Knall. Die Tour der Sex Pistols durch GB oder die von The Damned durch die USA waren solche Knalleffekte die ganz eigene Wellen Post-Punk nach sich zogen, etc. Auch das geht in eine falsche Richtung. Dark Jazz ist relativ eingeschränkt in seiner Spielform, er ist durchaus verspielt aber gradlinig, er ist kein Hort der Verstörungen und auch kein Ausdruck einer empfundenen adoleszenten Verstörung. Vielmehr ist es etwas gleitendes, atmosphärisches, ruhiges und fließendes dabei eine Musik die, wenn sie wie hier gut gemacht ist, ironisch mit Surrealismus und einer zur Imagination der Visualisierung einlädt. Als geistige Väter und wichtiger Orientierungspunkt für den völlig Ahnungslosen muss zwingend das Gespann Lynch/Badalamenti mit den Scores zu mindestens Twin Peaks und Blue Velvet genannt sein.

Wenn es allerdings schlecht gemacht ist, ist es einfach nur langweiliges Gedudel. Zu den besten Interpreten zählen neben den bereits erwähnten Vertretern (Bohren & der Club of Gore, Mount Fuji Doomjazz Corporation und Dale Cooper Quartet & the Dictaphones) noch Heroin and Your Veins, allerdings gabs von dem schon lange nichts mehr, und ab und zu spielen auch die Drone- und Stoner-Ikonen Earth in dem Feld mit. Interessant wären auch noch Detour Doom Project, Somwhere of Jazz Street, Macelleria Mobile Di Mezzanotte ... Vielleicht sollte ich einen Faden zu der Musik aufmachen ... und ihn dann vermutlich weitestgehend allein bespielen. Nooooooo ...

E.E. Engström & The Twin Street Tree Trunk Love Ensemble
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Über E.E. Engström & The Twin Street Tree Trunk Love Ensemble gibt es eigentlich nicht viel zu sagen. Die Band besteht aus einer Person deren vollen Namen ich gerade nicht weiß (Nachtrag: Erik Edsbagge Engström), dessen Foto aber auf Bandcamp und deshalb auch hier jetzt prangt. Das Projekt hat mittlerweile sechs Veröffentlichungen. Mein persönliches Highlight seiner Diskografie war und ist das erwähnte Debüt Loving Fog Fiends und das aktuelle Album Dive Bar Death: The Necrophilic Act of Remixing. Die meisten Veröffentlichungen des Projektes sind für lau bei Bandcamp abzurufen, das aktuelle Album kostet momentan noch 4$ und ist sie meinem empfinden nach absolut wert. Jetzt aber mal, genug Geschwafel drumherum, wie ist die Platte denn nu?

Dive Bar Death: The Necrophilic Act of Remixing
Jaha das düster-surreale Dive Bar Death: The Necrophilic Act of Remixing strampelt sich aus dem loungelastigen Gedudel des letzten Albums zügig frei und nutzt eine Reihe diverser Klang-Samples die zum Artwork des Albums zu passen scheinen. Der tonale Waldspaziergang mit Schaufel und einem geschulterten Sack mit unbestimmbaren Inhalt droned mit Geräuschen von Spatenstichen und Kiesfußstapfern, mit vor- und rückwartslaufenden Loops und verdammt viel Westernfilmlastigen Jazzgitarren, einem mit Besen und Gemach gespielten Schlagzeug und Bass sowie unbestimmbaren Klängen aus dem Repertoire des elektronischen DusterJazzBaukastens.

Bedrohlich kriecht die Musik vor und zurück durch ein Gemälde das in meinem Kopf aus Nacht, Staub, kahlen Bäumen und Schatten besteht. Nur der fahle Lichtkegel einer flackernden Taschenlampe springt zwischen den in schwarzweiß aufragenden dürren Baumstämmen hin und her. Würde ich das Album Visualisieren würde ich Bilder der nächtlichen Flucht aus Blair Witch Projekt in radikaler Slowmotion unter die Musik schieben.
Anspieltipps?

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Das ist ein Album zum Albumhören, obwohl... ja ne doch, Lament und Funeral Procession stechen schon etwas hervor. Allerdings nimmt man damit meinem Gefühl nach den surrealen und atmosphärischen Effekt aus der Kiste. Auf das Album sollte man sich einlassen, es im richtigen Augenblick hören, in Ruhe, bestenfalls in Dunkelheit und mit Genuss an dem Gefühl des düsteren und bedrohlichen im Nacken. Vielleicht nachdem man sich vorher unter drängender Schlaflosigkeit Eraserhead angesehen hat.
 
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6. Counterparts - Nothing Left To Love
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Slightly cheating pt. 3 (schwören, ist letztes mal). Dieses Mal mit einer der konstantesten Bands des Planeten. Counterparts behaupten sich seit Jahren mit einer Mischung aus Melodic Hardcore und Metalcore (Hälfte des Forums skippt die Platzierung jetzt) in den jährlichen Bestenlisten. Und "Nothing Left To Love" gehört zu den absoluten Karrieremeilensteinen der Band.

Dabei bleibt Sännger Brendan Murphy der Kern des Geschehens. Einerseits mit seinen markanten, verzweifelten Screams (dieses Mal inklusiver neuer sehr vereinzelter Cleans), andererseits mit seinen tieftraurigen Texten, die ein Bild eines mental vernarbten Menschen zeichnen und stets tief in die Psyche blicken lassen. Hier lässt Murphy die Konkurrenz seit Jahren weit hinter sich.

"Paradise And Plague"
"Ocean of Another"
"Nothing Left To Love"

https://purenoise.bandcamp.com/album/nothing-left-to-love

5. Slowthai - Nothing Great About Britain
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Cover und Titel sagen bereits vieles über das Debüt (auch hier das letzte, schwöre) von Slowthai aus. Politisch geladen, wütend, frustriert, ein Bild des Brexits. Der 24-jährige Rapper aus Northampton bringt damit eines der aufregendsten Alben aus dem vereinigten Königreich seit Jahren, auch weil es etwas nahezu völlig frisches ist und liefert damit quasi die Antithese zum Albumtitel.

"Nothing Great About Britain" vereint dabei verschiedenste Stile. Da verbindet sich drückender UK Drill ("Inglorious") mit alter The Streets Wut ("Dead Leaves") und Beats, die eher an Post Punk als an Hip Hop erinnern ("Doorman", danke an Mura Musa für diesen Beat). Eine autobiographische Hymne auf seine Mutter ("Northampton's Child") darf da nicht fehlen. Vor allem aber ist Slowthai eins: ein Charakter. Als Beispiel nachfolgend ein Bild von den diesjährigen Mercury Awards:

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"Doorman"
"Dead Leaves"
"Northampton's Child"

https://slowthai.bandcamp.com/album/nothing-great-about-britain
 
Meh schon wieder völlig vergessen hier mitzulesen und inzwischen habt ihr glaube ich auch alle Alben genannt die ich dieses Jahr toll fand.
State Faults, The Murder Capital, Gold, Chain Cult und Otoboke Beaver haben tolle Sachen rausgehauen, deshalb vielleicht nur noch ein paar Ergänzungen:

Cloud Rat haben für mich dieses Jahr ihren Zenit erreicht und die Vorfreude aufs anstehende Leipzig Konzert ist jetzt schon ungeheuerlich.
Nicht eine einzige Band die sich Grindcore schimpft konnte mich dieses Jahr so abholen, aber der Begriff ist für Cloud Rat auch eher ein Korsett.
Auf Pollinator gibts zwar voll auf die Zwölf aber ständig gibts andere Einflüsse zu entdecken, ob nun Hardcore, Post-Punk oder Doom, irgendwie können (und dürfen) die halt alles.
Und n Song wie Webspinner schreibste halt auch nicht alle Tage, ein Vorschlaghammer von einem Album.

https://cloudrat.bandcamp.com/album/pollinator

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Dann hat mich auch die neue Petrol Girls ganz schön aus den Latschen gehauen, auf Cut & Stitch gibts wieder reichlich angepissten Hardcore und Ohrwürmer ohne Ende (No Love For A Nation!).
Und wenn Ren Aldridge dann in "Skye" über ihren verstorbenen Hund singt ist das eben die Punk-Ballade des Jahres, man reiche mir die Taschentücher.

https://petrolgirls.bandcamp.com/album/cut-stitch

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Zum Schluss noch ein kleiner Rap-Tipp, der gute Lausen hat seine erste EP fertig und ich finde sie ist sehr schön geworden.
Auf 1360 gibts auf jeden Fall genug verbitterte Texte und schicke Beats dass das hier ein paar Leuten gefallen könnte:

https://lillaulau.bandcamp.com/album/1360-ep

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Zuletzt bearbeitet:
Außerdem darf die grandiose neue Lingua Nada hier nicht fehlen, was hier verrührt wird ist extrem und zwar extrem gut.
Math Rock? Power Pop? Post Rock? Hardcore? Keine Ahnung aber es funktioniert prächtig, ein Ohrwurm jagt den nächsten.
Kaum bist du am Sonntag wieder halbwegs klar in der Birne fragt dich Djinn ob du nicht vielleicht mal die letzte Flasche Sekt aufmachen willst.
Ich gehorche blind.

https://kapitaenplatte.bandcamp.com/album/lingua-nada-djinn

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Damit ich hier jemals zum Ende komme:

4. Pup - Morbid Stuff
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Kommen wir zum besten Gitarren-Album des Jahres und dem besten Pop Punk Album seit gefühlt 20 Jahren. Die Kanadier von Pup waren schon immer das heiße, neue Genre-Eisen schlechthin, aber "Morbid Stuff" ist endlich die lang erwartete Krönung des Potentials. Musikalisch scheint hier die Sonne, die Hooks und Melodien knallen ohne Unterlass. Darunter verbirgt sich ein morbid-düsterer Kern, Texte über scheitern und allein sein. Das Ganze ist aber so auf den Punkt komponiert dass die Konkurrenz komplett alt aussieht und nicht ansatzweise mit der Hitdichte von Pup mithalten kann.

"Kids"
"Scorpion Hill"
"Full Blown Metldown"
https://puptheband.bandcamp.com/album/morbid-stuff

3. Freddie Gibbs & Madlib - Bandana
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Lange fünf Jahre mussten wir auf Teil zwei der eventuell besten Rapper-Produzenten-Kollabo ever warten. Und auf "Pinata", einem der besten Hip Hop Alben der vergangenen Dekade, folgt mit "Bandana" eines der besten Hip Hop Alben der Dekade. Madlibs wahnsinnige Beats (irgendwo zwischen Old School und abstrakt) treffen auf einen Freddie Gibbs, der nochmal deutlich besser und variantenreicher geworden ist. Gemeinsam erzählen sie düstere Gangstergeschichten, voll von zerstörter Hoffnung und harten Entscheidungen.

"Crime Pays"
"Palmolive"
"Cataracts"

2. Tyler The Creator - IGOR
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Die Geschichte von Tyler ist für mich eine der beeindruckendsten Wandlungen der letzten Dekade. Vom unreflektierten Odd Future Rüpel hin zu einem der spannendsten Künstler unserer Zeit. "IGOR", eine Charakterstudie von eben jenem fiktiven Alter Ego, ist dabei nur noch bedingt als Rap Album zu klassifizieren. Hier geben sich Neo-Soul, Indietronica und Alternative Rnb die Klinke in die Hand. Heraus kommt ein gleichzeitig forderndes und ungemein eingängiges Album über die Verarbeitung einer endenden Beziehung. Das beste Breakup-Album des Jahres.

"EARFQUAKE"
"NEW MAGIC WAND"
"A BOY IS A GUN"
 
3. Freddie Gibbs & Madlib - Bandana
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Lange fünf Jahre mussten wir auf Teil zwei der eventuell besten Rapper-Produzenten-Kollabo ever warten. Und auf "Pinata", einem der besten Hip Hop Alben der vergangenen Dekade, folgt mit "Bandana" eines der besten Hip Hop Alben der Dekade. Madlibs wahnsinnige Beats (irgendwo zwischen Old School und abstrakt) treffen auf einen Freddie Gibbs, der nochmal deutlich besser und variantenreicher geworden ist. Gemeinsam erzählen sie düstere Gangstergeschichten, voll von zerstörter Hoffnung und harten Entscheidungen.

"Crime Pays"
"Palmolive"
"Cataracts"

2. Tyler The Creator - IGOR
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Die Geschichte von Tyler ist für mich eine der beeindruckendsten Wandlungen der letzten Dekade. Vom unreflektierten Odd Future Rüpel hin zu einem der spannendsten Künstler unserer Zeit. "IGOR", eine Charakterstudie von eben jenem fiktiven Alter Ego, ist dabei nur noch bedingt als Rap Album zu klassifizieren. Hier geben sich Neo-Soul, Indietronica und Alternative Rnb die Klinke in die Hand. Heraus kommt ein gleichzeitig forderndes und ungemein eingängiges Album über die Verarbeitung einer endenden Beziehung. Das beste Breakup-Album des Jahres.

"EARFQUAKE"
"NEW MAGIC WAND"
"A BOY IS A GUN"
Hab die beiden LPs vor ner Woche zu nem ganz angenehmen Preis bei HHV mitgenommen, läuft gerade (fast) nix anderes mehr. Außer Billy Woods, nochmal danke dafür.
 
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Als Teenager sah ich mir irgendwann einen dieser Teenagerfilme im Fernsehen an. Ich hab natürlich mehr als einen gesehen, aber der hier ist wichtig für den Post. Pump Up The Volume - Hart auf Sendung - Ein junger brilliant aufspielender Christian Slater mimt einen verklemmten High School Schüler in einer US-Provinz-Trabantenstadt. Seine Eltern zogen dorthin und er musste eben mit, sein Leben, seine Freunde, seine persönliche Geschichte abreißen und umsiedeln. Die neue Schule ist voll fremder Gesichter die einander näher stehen als dem Unbekannten ruhigen Neuling. Er eckt nicht an, ist kein Bullying-Opfer, er ist nur allein, frustriert, wütend, sinnsuchend, zweifelnd.
Seine Eltern schenkten ihm -es waren die späten 80er/frühen 90er- damit er Kontakt mit seinen alten Freunden halten kann ein Kurzwellenfunkgerät, dass er kurzerhand zum Piraten-Radio ummodelt auf dem er seinen Frust mit zynischen Witz und bitterer Genauigkeit herauslässt. Er klagt an und verbalisiert das Gefühl einer fremdbestimmten Generation. Der Film war gut und ehrlich, ich mochte ihn damals und mag ihn heute noch. Der Openingsong der Sendung war Everybody Knows von Leonard Cohen. Es war der Augenblick in dem Cohen in mein musikalisches Interesse einschlug. Absurderweise zieht Slater im Film den Song aus der verkehrten Albumhülle. I'm your man, das Album mit dem Song gelang dennoch bald in meinen Bestand und dreht immer noch seine Runden im Hause Fraoch, obwohl diese 80er-Synth-Spielerei auf dem Album dusselig ist. Seither liebe ich Cohen, alles von ihm. Es gibt tagesformabhängige Lieblinge aber generell und dauerhaft kann ich kein bestes Album benennen. Aber wie es ist mit Biografiebegleitern habe ich eine Fülle emotionaler Verbindungen zu seiner Diskografie. Am prägnantesten sind meine subjektiven Verbindungen wohl zum Comebackalbum 10 New Songs, zu meinem Cohen-Kontaktalbum I'm your Man, sowie zu den frühen Songs of Love and Hate und Songs of Leonard Cohen. Das hat natürlich hauptsächlich mit Beziehungsmist und Verlust zu tun und soll Mal keine weitere Rolle spielen. Cohen war und ist immer gut wenn es weh tut.

Seine letztes Album You want it darker erschien kurz vor seinem Ableben und wurde von und mit ihm gemeinsam fertiggestellt. Sein Sohn Adam produzierte das Album und begleitete ihn über die gesamte Aufnahme. Es war ein Abschied den Cohen in dem Wissen darum aufnahm. Er thematisierte das nahende Sterben, begrüßte es und machte Witze darüber. Bekannt ist unter anderem der Gang auf die Bühne mit den Worten "Entschuldigen Sie, dass ich noch nicht sterbe." Was Cohen da auf You want it Darker sagte und sang war immer noch bissig und zynisch. Es haderte mit der Idee eines Schöpfers, klagte Gott und Menschen gleichermaßen an und thematisierte zugleich das nahende eigene Ende. Er konnte/wollte nur noch in seinem Haus im Sitzen aufnehmen. Und dann solche Worte:

If you are the dealer, I'm out of the game
If you are the healer, it means I'm broken and lame
If thine is the glory then mine must be the shame
You want it darker
We kill the flame​

Während und nachdem er You want it Darker aufnahm arbeitete Cohen weiter. Er schrieb Texte, sprach und sang sie mit seiner raudröhnenden nach Trauer, Erkenntnis und Sehnsucht klingenden Stimme ein. Zu den meisten Stücken exestierte noch keine Musik. Cohen konnte seine Gitarre kaum noch spielen. Das Pressen, Anschlagen und Zupfen der Saiten brachten seine Finger nur noch selten Zustande. Aber Texten und Singen gelang ihm noch in unnachahmlicher Form. Er starb am 7. November 2016 im Alter von 82 Jahren zwei Wochen nachdem das Album das Licht der Welt erblickt hatte.

Adam Cohen trauerte mit den verbliebenen Aufnahmen im Schrank. Als es ihm dann gelang die Bänder zu hören begann er die Arbeit an Cohens letztem Album, reiste, traf Wegbegleiter seines Vaters, schrieb mit ihnen Gemeinsam und allein die Musik und schloss Thanks for the Dance ab. Entsprechend kurz ist es geworden 9 Stücke mit insgesamt 30 Minuten. Adam Cohen ging bedacht an die Musik, wie auf dem Vorgänger bleiben Stimme und Text zentral. Reduziert möchte ich die Musik nennen, weiß aber dass das manchmal die falsche Vokabel ist, zurückhaltend oder dezent trifft es vielleicht eher. Selbst die seit Jahren für ein Cohen-Album obligatorische Choreinlage wirkt dezent, zurückhaltend, ehrfürchtig. Und so bleibt das Album bis zur schlicht goldgeprägten Digipack-Hülle. Musikalisch tat Adam dabei alles um der Stimme und Wortgewalt seines Vaters Raum zu geben. Und die erscheint wie eh: mystisch, spirituell, zynisch, nachdenklich und erotisch zugleich. Ein perfektes Cohen-Erlebnis mit einem Cohen-Hitsong als Eröffnung. What Happend to the Heart ist ein erotischer Rückblick mit Verweisen auf die Welt der Gegenwart, ein Stück wie es Nick Cave seit Jahrzehnten zu schreiben versucht, mit Piano, einer bedacht gemächlich spielenden Flamencogitarre und Spuren von Orchesterklängen. So dezent bleibt die Musik ohne sich dabei anzubiedern. Dazu gibt Cohen von Vanitaslyrik bis zu bitteren Erkenntnissen (German Puppets burned the Jews, jewish Puppets did Not choose) Einblicke in sein das Sterben erwartende Innenleben:
I’m almost at home
No one to follow and nothing to teach.​
--The Goal​
und letzte Worte eines ewig Grübelnden:
Listen to the Humingbird
Don't listen to me​
--Listen to the Humingbird​
Insgesamt scheint mir Adam Cohen hier den Gedanken seines Vaters ein Denkmal gesetzt zu haben. Ein perfektes und zeitloses Spätwerk das dem Andenken des großen Zynikers, Dichters, Kabbalisten, Mystikers und Songtexters Leonard Cohen absolut angemessen erscheint.

Danke Adam, und Danke Leonard.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
7jNK


SURFBORT - You Don't Exist

jaok, ist nur eine EP, die letzte ganze Platte "Friendship Music" ist aber schon von 2018, also bitte! Saftiger Garagenpunk aus New York City, Schrammel, Schrammel, Stampf, Schwitz, I WANNA GET HIGH. Das Leben ist zu kurz, Surfbort ahnen das irgendwie. Beste Band.
Das Foto habe ich übrigens selbst gemacht, direkt (also wirklich direkt, zwei Minuten vorher noch auf der Bühne gewesen) nach dem Auftritt habe ich scheinbar die Sängerin an die Hand genommen, auf den Hinterhof geführt und abgedrückt. Vielleicht auch andersrum, ich weiß das alles nicht mehr so.

https://surfbort.bandcamp.com/album/you-dont-exist
White people (von "Friendship Music")
 
Ich muss hier nochmal Werbung für das beste Ambient Album '19 machen:


ANTELOGOS - Transcendental Luciferian Devotion

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Bandcamp: https://antelogos.bandcamp.com/album/transcendental-luciferian-devotion

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Angetan vom Cover, welches @Fraoch im Now-Playing Thread postete, setzte ich das Teil sofort auf meine Wishlist. Zugegebenermaßen wirkt der Titel auch schon irgendwie etwas abschreckend, denn man könnte ja 0815-Heil Satan-BM erwarten, aber da ich wusste wer das Teil gepostet hat, war mir von vorneherein klar, dass das nicht son überflüssiges Gewäsch sein wird.

Mir war die Ambient/Dark Ambient Ecke vorher gänzlich unbekannt, denn ich hatte vorher keine Berührungspunkte damit. War aber schon oft bspw. von Gaming Soundtracks sehr angetan (Gothic Soundtrack > alles), somit fiel es mir auch nicht wirklich schwer, mich in die Scheibe reinzufühlen.

Was besonders geil an diesem Teil ist, dass auch wirklich ununterbrochen etwas passiert. Grade beim Dark Ambient ist es, finde ich, besonders schwierig, den Spannungsbogen über die gesamte Spielzeit hinweg aufrecht zu halten. Antelogos schaffen das aber auf obigen Album perfekt. Was man sich halt in den Kopf setzen muss: Der Name der Scheibe ist Programm. Also wird hier teilweise, überaus rituell und überzogen "Feel the power of satan in your veeeeeeiiiins..." gequasselt. Aber die ganze Atmosphäre drum herum und alles was dieses Album ausstrahlt, hypnotisiert dich förmlich und überträgt die ganze Wirkung auf den Hörer.

Das Gesamtwerk, dieser Detailreichtum, die Geschichte, die dieses Album erzählt und da es mein erster Berührungspunkt mit Dark Ambient war, es somit der Schlüssel zu einem geilen Genre für mich war, macht es für mich zu einem absoluten und unverkennbaren Meisterwerk.
 
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