Da ich mir fast sicher bin, dass die „Time for metal“ Leute aus Wiesbaden professioneller berichten, kann ich es kurzhalten.
Knapp 300 Leute besuchten am Tag der angeblichen Einheit das Kesselhaus zu Wiesbaden. Ein in jeglicher Hinsicht bunt gemischtes Publikum von jungen, Rucksack tragenden „grünen“ Studentinnen, wahrscheinlich direkt aus der Uni-Bibliothek in Mainz, bis zum älteren Motörhead-Rocker mit leichter Schlagseite war alles vertreten. Der Frauenanteil lag locker bei 40 Prozent.
Als Opener fungierten die Norweger „Slomosa“, die in den entsprechenden „Stoner-Informations-Kanälen“ als der seit langem heißeste Newcomer der Wüstenrockgemeinde bezeichnet werden. Nach ihrem hochgelobten s/t betitelten Debüt, welches neben den typisch repetitiven Riffs durch seine fluffige Tanzbarkeit überzeugte, sowie ausgedehnten Touren mit z.B. der All Star Band „Stöner“, Auftritten auf den „Desert Festern“ und zahlreichen anderen Szene-Festivals, wie dem „Stoned from the Underground“ hat sich die Band eine auch in Wiesbaden wahrnehmbare Fan-Gemeinde erspielt. Außerdem gastierte sie erst vor einigen Monaten bei der Jubiläumsveranstaltung ihrer im Rhein-Main-Gebiet beheimateten Booking-Agentur „Sound of Liberation“ am exakt selben Ort.
Slomosa lieferten einen ausgezeichneten, fast schon zu perfekten Auftritt ab, der nicht nur mir zu brav war. Gerade das dargebotene neue Songmaterial sowie die Interpretation der Stücke des Debut-Albums wirkten filigraner aber zugleich deutlich getragener als auf dem Album. Das mag auch damit zu tun haben, dass von der Formation zu Zeiten der Aufnahme nur noch Sänger und Gitarrist Benjamin Berdous übrig geblieben ist. Der Rest der Band besteht aktuell aus Musikern, denen eine hoch qualitative Darbietung wichtiger ist, als das dominierende Party-Feeling des Debuts.
Besonders bei Bassistin Marie Moe wurde dies deutlich, die sich zwar auf der Bühne die Birne abbangt, ihr Instrument jedoch eher “akademisch” bedient. Kein Wunder, Moe war nicht nur eine Dekade bei der norwegischen Indie-Band Razika am Start bzw. am Bass, sondern ist auch Absolventin der Musikhochschule in Bergen. Die inzwischen zu “Szene-Hits” mutierten “Kevin” und “Horses” zündeten natürlich auch in Wiesbaden. Als jedoch bei letzterem auch noch ein Kind eines Bekannten der Band auf die Bühne geholt wurde, war das zwar “cute”, aber mir dann doch zu viel biederes “skandinavisches Volksheim”. Sicherlich trug auch der frühe Montag Abend zur zumindest anfangs reservierten Stimmung im Saal bei. Man darf gespannt sein, wie das zweite Album mit der jetzigen Formation ausfällt.
Ganz anders die klaren Sieger des Abends, die aus Kalifornien stammenden Sasquatch, die bereits zum vierten Mal im "kleinen Schlachter" auftraten. Rotzig, böse und vor allem beinhart mit einer unglaublichen Energie kochten die Amis das Kesselhaus “hoch”. Passend garniert wurde das Ganze mit ziemlich deftigem White-Thrash-Humor zwischen den Stücken. Die Art und Weise dreckigen Rock mit spielerischer Leichtigkeit zu verknüpfen, schafft wohl kaum eine europäische Band, was auch später den deutlichsten Unterschied zu den Briten von Orange Goblin markierte. Diese Kombination ließ insbesondere die Damenwelt im Dutzend in den ersten Reihen komplett ausflippen, was einige Verwunderung bzw. rätselnden Diskussionsbedarf bei den Herren in der folgenden Pause auslöste. Sicherlich hätte mich der Auftritt noch mehr in den Bann gezogen, wenn ich nicht zwei einschränkende Voraussetzungen an diesem Abend mitgebracht hätte. Zum einen darf ich aus Gründen gerade nur sehr wenig Alkohol trinken und zwei bis drei Getränke bewirken gerade bei diesem repetitiven Genre viel. Vor allem aber hatte ich noch die Saitenquäler erster Güte von zwei Tagen KIT im Ohr, die die Darbietung der Amerikaner dann doch relativierte. Ohne Zweifel zogen Sasquatch nicht nur die meisten BesucherI(!)nnen an, sondern ernteten auch die beste Stimmung.
Allerdings besteht bei den Amerikanern Bedarf, die Preisbildungsprozesse im Kapitalismus zu verinnerlichen. Es ist äußerst fanfreundlich, sowohl die aktuelle CD sowie z.B. die ansonsten nur sehr schwer zu bekommende “III” für jeweils 10 Euro zu verkaufen. Ich bin jedoch gerne bereit 15 Euro für eine CD zu bezahlen, um etwas zum Verdienst der Kapelle beizutragen. Zweifelsohne passt das aber ins Gesamtbild der Band: Was juckt uns die Kohle, scheißegal, Hauptsache wie irre drauf losgerockt und ordentlich Bier gesoffen.
Der einzige Kritikpunkt an Sasquatch, die etwas stumpfe Darbietung steigerte sich dann bei Orange Goblin zum dominierenden Element. Auch die Briten legten wie wild drauf los und brachten vor allem die Hundertschaft vor der Bühne, die offensichtlich hauptsächlich wegen ihnen erschienen war, komplett zum Ausrasten. Mit nüchterner Distanz betrachtet, hat mich die konstante Nachfrage am Merch-Stand immer mehr in den Bann gezogen. Die für alle drei Kombos zuständige (alleinige) Mercherin hat während des gesamten Gigs nicht eine Minute durchschnaufen können. Alle Bands verkauften vor allem Dutzende von Shirts.
Ich blieb zwar bis zum Schluss, weil Orange Goblin natürlich ordentlich Druck machten und unterhaltsam waren, aber so richtig faszinieren konnten mich die Riffbollzerei und die eher gegröhlten Vocals nicht. Es sei aber klargestellt, dass ich damit bei den bis zum Schluss Verbliebenen ca. 200 Zahlenden eine Minderheitenmeinung einnehme. Dafür war das Gejohle und das heftige Treiben vor der Bühne zu groß. Sympathisch die Ankündigung des Sängers gegen Ende, dass man keine Zugabe spielen und sich nicht wie Rockstars feiern ließe. So muss das sein!