6. Pain of Salvation: Remedy Lane
„Remedy Lane“ ist ein Meisterwerk und eins der besten Prog-Metal-Alben aller Zeiten. „Remedy Lane“ gelingt, was nur die ganz Großen dieses Genres schaffen, und spielt sich in dieser Hinsicht in einer Liga mit Gottheiten wie Fates Warning und Psychotic Waltz ab: Das Album bietet vollendeten Ganzkörperprog. „Remedy Lane“ spricht den Geist an, ist vertrackt, verspielt, vielschichtig. Jeder Hördurchlauf offenbart neue Details, Arrangements und Spieltechnik sind superinteressant, der Stimmumfang und die Myriaden an Stimmfacetten von Daniel Gildenlöw atemberaubend.
Gleichzeitig steckt „Remedy Lane“ voller Seele. Düsternis und Melancholie liegen wie ein Schleier über dem Albumgerüst und bilden einen emotionalen roten Faden, egal ob im forschen oder balladesken Bereich. Das schafft einem einen sofortigen Zugang, Technik und Prog hin oder her.
Und die Texte! Die Texte!! Wie oft habe ich mich durch diese losen und chronologisch ungeordneten Kapitel gewühlt, die Beziehungsgeschichte ihres Protagonisten aufgesogen, der – so sagt Gildenlöw selbst es ja – identisch mit ihrem Autor ist. Und es ist eine Geschichte, die von der Schönheit („This Heart Of Mine“) in den Abgrund führt, an dessen tiefster Stelle die Erfahrung steht, seine Partnerin an der Decke aufgeknüpft zu finden („Rope Ends“). Oder geht es noch tiefer? „A Trace Of Blood“ ist eins der ganz, ganz, ganz wenigen Musikstücke dieser Welt, die mir Tränen in die Augen treiben, schon als ich selbst noch nicht Vater war, seitdem erst recht. Das alles findet in einer unmittelbaren, nur sporadisch mit Metaphorik angereicherten Sprache statt, die gar nichts von proggiger Denkerlyrik hat. Es fehlen jedewede Referenzen auf größere, allgemeine Zusammenhänge, auf Gesellschaft, Menschheit oder sonstwas (dafür gibt es dann andere POS-Alben), es ist einfach nur von vorn bis hinten ein hochnotpersönlicher Seelenstriptease, und gerade darum so bewegend.
Alles in allem: Besser wurde es bei POS – trotz vieler weiterer hochkarätiger Alben – nicht. Und besser geht es in dem Bereich auch nicht.
32. Pain of Salvation: 12:5
Live-Alben haben in meiner Prog-Phase eine große Rolle gespielt, für diese Liste habe ich sie aber ausgespart – bis auf dieses, weil es eine Zwitterstellung hat. Es ist kein stofflich neues Album, denn das Material zu dieser CD bot ja der Backkatalog der Band. Doch als Unplugged-Album ist es auch kein konventionelles Live-Album, zumal nicht nur die Instrumentation, sondern alles an den Songs einer Neubetrachtung unterzogen wurde – Harmonik, Aufbau, Atmosphäre. Was auch anders als bei Standard-Live-Alben ist, ist die überschaubare Publikumsgröße, durch die man sich beinahe bei einer Familienveranstaltung fühlt. Und es ist, verdammichnochmal, ein oft entspanntes, lockeres Album, was für eine Band, bei der es sonst meist um Tragödien geht, nochmal auf eine werkimmanente Weise progressiv ist. Wenn mir das ganze Drama und Bedeutungsschwangere bei POS zuviel wird, kann ich doch bei PSO bleiben, denn dann gibt es dieses Album. Perfekt.