[Top of the Progs - 50 Meisterwerke] - progges Liste

6. Pain of Salvation: Remedy Lane

NTgtOTg1OS5qcGVn.jpeg


„Remedy Lane“ ist ein Meisterwerk und eins der besten Prog-Metal-Alben aller Zeiten. „Remedy Lane“ gelingt, was nur die ganz Großen dieses Genres schaffen, und spielt sich in dieser Hinsicht in einer Liga mit Gottheiten wie Fates Warning und Psychotic Waltz ab: Das Album bietet vollendeten Ganzkörperprog. „Remedy Lane“ spricht den Geist an, ist vertrackt, verspielt, vielschichtig. Jeder Hördurchlauf offenbart neue Details, Arrangements und Spieltechnik sind superinteressant, der Stimmumfang und die Myriaden an Stimmfacetten von Daniel Gildenlöw atemberaubend.
Gleichzeitig steckt „Remedy Lane“ voller Seele. Düsternis und Melancholie liegen wie ein Schleier über dem Albumgerüst und bilden einen emotionalen roten Faden, egal ob im forschen oder balladesken Bereich. Das schafft einem einen sofortigen Zugang, Technik und Prog hin oder her.
Und die Texte! Die Texte!! Wie oft habe ich mich durch diese losen und chronologisch ungeordneten Kapitel gewühlt, die Beziehungsgeschichte ihres Protagonisten aufgesogen, der – so sagt Gildenlöw selbst es ja – identisch mit ihrem Autor ist. Und es ist eine Geschichte, die von der Schönheit („This Heart Of Mine“) in den Abgrund führt, an dessen tiefster Stelle die Erfahrung steht, seine Partnerin an der Decke aufgeknüpft zu finden („Rope Ends“). Oder geht es noch tiefer? „A Trace Of Blood“ ist eins der ganz, ganz, ganz wenigen Musikstücke dieser Welt, die mir Tränen in die Augen treiben, schon als ich selbst noch nicht Vater war, seitdem erst recht. Das alles findet in einer unmittelbaren, nur sporadisch mit Metaphorik angereicherten Sprache statt, die gar nichts von proggiger Denkerlyrik hat. Es fehlen jedewede Referenzen auf größere, allgemeine Zusammenhänge, auf Gesellschaft, Menschheit oder sonstwas (dafür gibt es dann andere POS-Alben), es ist einfach nur von vorn bis hinten ein hochnotpersönlicher Seelenstriptease, und gerade darum so bewegend.
Alles in allem: Besser wurde es bei POS – trotz vieler weiterer hochkarätiger Alben – nicht. Und besser geht es in dem Bereich auch nicht.

32. Pain of Salvation: 12:5

Ny5qcGVn.jpeg


Live-Alben haben in meiner Prog-Phase eine große Rolle gespielt, für diese Liste habe ich sie aber ausgespart – bis auf dieses, weil es eine Zwitterstellung hat. Es ist kein stofflich neues Album, denn das Material zu dieser CD bot ja der Backkatalog der Band. Doch als Unplugged-Album ist es auch kein konventionelles Live-Album, zumal nicht nur die Instrumentation, sondern alles an den Songs einer Neubetrachtung unterzogen wurde – Harmonik, Aufbau, Atmosphäre. Was auch anders als bei Standard-Live-Alben ist, ist die überschaubare Publikumsgröße, durch die man sich beinahe bei einer Familienveranstaltung fühlt. Und es ist, verdammichnochmal, ein oft entspanntes, lockeres Album, was für eine Band, bei der es sonst meist um Tragödien geht, nochmal auf eine werkimmanente Weise progressiv ist. Wenn mir das ganze Drama und Bedeutungsschwangere bei POS zuviel wird, kann ich doch bei PSO bleiben, denn dann gibt es dieses Album. Perfekt.
 
42. Vanden Plas: Far Off Grace

Ni01ODg0LmpwZWc.jpeg


Das Album erschien 1999 nahezu zeitgleich mit der „Scenes …“ von Dream Theater und habe ich auch im selben Atemzug auf meiner Prog-Pirsch kennengelernt. Insofern waren Vanden Plas mit auslösend für mein Interesse am „klassischen“ Prog Metal. Im Unterschied zu Dream Theater habe ich sie auch mehrmals live gesehen, darunter 2002 auf dem BYH!!! Ich schrieb um 2000 rum als adoleszenter Spross für ein kleines unbedeutendes Fanzine, das nichtmal ein reines Metal-Mag war, und Horst (RIP) hat uns tatsächlich jahrelang als ernstzunehmende Presse akzeptiert, was ein toller Zug war. Allerdings habe ich nicht gerafft, was eine Presseakkreditierung bedeutet, und mir dennoch meine ersten zwei Festivaljahre ein eigenes Ticket geholt. Da ich damals noch keinen PC besaß, schrieb ich meinen Festivalbericht per Hand und ein Freund tippte ihn ab.
So habe ich Vanden Plas 2002 im Alter von 18 Jahren wahrgenommen: „Eine Band wie Vanden Plas hat es zwischen traditionellen Acts wie Saxon, Jag Panzer oder Gamma Ray auf einem traditionellen Metalfestival sicher schwer, sich als nicht traditionelle Kost darbietende Live-Band neue Freunde zu holen, dementsprechend extrovertiert versuchten die Schwaben (Schwaben? Seit wann liegt Kaiserslautern im „Ländle“? – Anm. Redaktion) sich entgegen diverser dubioser Prog-Klischees zu geben. Mit erstklassigem Liedgut von drei superben Scheiben im Rücken (u.a. „Rainmaker“, „Ionic rain“ und „Cold wind“; das „Colour Temple“-Debüt blieb unangetastet) zog die Band dann auch wirklich erstaunlich viel Publikum vor die große Bühne, die sich auch von den oftmals nicht zu hörenden Keyboardschwaden Günther Wernos und der angeschlagenen Stimme von Andy Kuntz nicht vom Klatschen abhalten ließen. Trotzdem halte ich das Material des Quintetts für eindeutig Club-kompatibler.“
Und 2024? An „Far Off Grace“ mag ich heute wie damals die Mischung aus tollen Hooks und Riff-betonter Heaviness. Mein Highlight ist „Into the Sun“.
 
Zurück
Oben Unten