TRIOSCAPES - Digital Dream Sequence (2014) (Projekt des BTBAM Bassisten)

Bongripper

Till Deaf Do Us Part
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VÖ: 19.08.2014 / Metal Blade Records

Ein Schlagzeuger, ein Bassist und ein Tenor-Saxophonist produzieren genau das, was man aus dem Umfeld von BETWEEN THE BURIED AND ME erwarten kann. Eine abgefahrene musikalische Wunderwelt zwischen Prog und Jazz eröffnet dem geneigten Hörer seine Pforte. Just wow.

Stream/Hörprobe:
http://www.metalblade.com/us/releases/trioscapes-digital-dream-sequence/

Das Album ist komplett auch schon auf Spotify verfügbar:
Trioscapes – Digital Dream Sequence

Review:
Im Leben eines Rezensenten wird man immer wieder mal mit Ungewöhnlichem, mit neuen Ereignissen, mit Abseitigem, mit genialer Musik, mit schrottiger Musik, und – wie in diesem Fall – mit Musik konfrontiert, die so gar nicht ins Portfolio eines Lables wie Metal Blade passen will. Heute ist es wieder soweit: Digital Dream Sequence ist der aktuelle Output einer Band namens Trioscapes, deren Besetzung aus einem Bassisten, einem Schlagzeuger, und einem Tenor-Saxophonisten (!) besteht und ihre Mucke im Mittelpunkt zwischen Progressive Rock/Metal, Jazz und Fusion ansiedelt.

Es stellen sich eine ganz elementare Frage: Wieso hat Metal Blade eine derart abgefahrene Band im Programm, die scheinbar gar keine Berührungspunkte zur Welt des durchschnittlichen Metalheads aufweist? Diese Frage bedarf einer etwas um die Ecke denkender Herangehensweise: Der Bassist der Band – Dan Briggs – bedient u.a. den 4- respektive 5-Saiter für die Prog Metal-Band Between the Buried and Me, und die gehören wiederum ebenfalls zu Metal Blade. Verbindung hergestellt. Aber reicht das aus oder ist das mehr? Fragen über Fragen, und deshalb nehme ich euch mit auf eine abgefahrene Reise, die...

...mit dem Titeltrack „Digital Dream Sequence", einem 7,5-Minüter, beginnt. Und was soll ich sagen? Die grobe Kategorisierung trifft schon einigermaßen zu, reicht aber im Grunde nicht aus, um zu beschreiben, was innerhalb weniger Augenblicke passiert. Nicht nur, dass die Themata und Tempi ständigen Wechseln unterworfen sind, nein, vielmehr spielen die Instrumente in manchen Momenten scheinbar neben-, aber dabei doch gleichzeitig miteinander. Gerade der Bass-Einsatz macht immer wieder deutlich, vorher Dan Biggs kommt, weshalb eine Zuordnung unter Metal Blade nicht völlig abwegig ist. Ganz ehrlich? Zeit zum Verschnaufen und Eindrücke wirken lassen gibt es kaum. Eine Konstante des Tracks sind allerdings die groovenden Bass-Intermezzi mit dem sich wiederholenden Riff, die den Hörer ankern und eine Orientierung gewähren. Der Hörer ist dennoch mit den all dem Abgefahrenen dazwischen dermaßen beschäftigt, dass er kaum merkt, wie die Zeit verfliegt... Und gegen Ende zieht das Saxophon einem Nebelhorn gleich den Hörer in die Ferne...

Das vergleichsweise kurze „Stab Wounds" ist beste Jazz-Schule mit kraftvoll-knarzendem Bass-Fundament, dass bisweilen sogar Flötentöne zu bieten hat. Das Saxofon-Spiel im Track ist virtuos, und ich bin davon überzeugt, dass ich meinem Vater dieses Album problemlos zum Hören geben kann. Das Bass-Solo weiß ebenfalls zu begeistern, und die verzerrten Basstöne sorgen für eine gewisse Grundhärte.

Das annähernd neun Minuten lange „From The Earth To The Moon" beginnt mit einem eindringlich-repetitivem Thema, geht dann in einen hypnotischen, mit Triolen durchsetzen Part über, dem noch spacig-abgefahrene Soundeffekte beigemengt sind, variiert diesen Part dann, indem es die Instrumente umarrangiert, nur, um sich erneut im Anfangsthema zu ergehen. Mit Flötentönen wird anschließend ein völlig anderes Thema eröffnet, welches nun auch etwas härter zur Sache geht. Diese Härte wird in eine weitere Variation des Anfangsthemas umgemünzt, nur um kurz darauf in einen Part zu münden, der so beinahe von Mike Oldfield sein könnte – und dann übernimmt die Flöte das Thema und trägt es bis zum Ende.

In weiterem Verlauf schickt sich das beinahe 7-minütige „Hysteria" an, den Beweis anzutreten, dass Heavy keine verzerrten Gitarren, sondern nur einen verzerrten Bass braucht. Ich muss sagen, das Experiment glückt durchaus, da das Saxofon songdienlich zum Einsatz kommt und dadurch den Eindruck nie zerstört. Die Bridge wabert vor sich hin und erzeugt eine unheilvolle Atmosphäre, und der Saxofonist darf in „Hysterie" verfallen, schlägt dabei dezent sogar Swing-Töne an, die durch Unterstützung des verzerrten Basses einiges an Power gewinnen. Spannend ist immer wieder auch zu hören, wie der Schlagzeuger immer wieder die Drum-Patters wechselt, so unterschiedlichste Stimmungen erzeugt und dem Gemisch noch einen ganz eigenen Punch hinzufügt.

Als letztes steht der viertelstündige Koloss „The Jungle" an, der tatsächlich mit typischen Prog-Elementen beginnt, bald aber in eine Jazz/Fusion-Abfahrt hinübergleitet und dort erst mal – so scheint es – eine Weile verharrt. Das darin befindliche Solospiel des Bassisten begeistert, und das Schlagzeugspiel ist in diesem Part das ungelogen beste, was ich seit langer Zeit gehört habe. Mit einem harschen Break wird die Variation des Jazz/Fusion-Themas eingeleitet, welches sich nun auch dem Prog ein wenig öffnet. Anschließend wird es ob ständiger Tempiwechsel und großer Variationswut kurz unübersichtlich, allerdings findet sich die Orientierung schnell wieder, und mit einem fuzzig-verzerrtem Bass-Solo, was exakt wie ein Gitarrensolo runtergezockt wird, findet eine weitere Anpassung des Themas statt, und das Tempo im Allgemeinen zieht etwas an. Das Intermezzo folgt, und folgerichtig beginnt nun ein derbe abgefahrener Teil, der sich nur schwer in Worte fassen lässt. Das Spiel mit dem langsam-leisen Tönen und dem hart abrockenden Konterparts macht Spaß. Der sich anschließende Beinahe-Free Jazz ist im Kontext leider etwas anstrengend, macht dramaturgisch aber Sinn, und dient als Einleitung zu einer weiteren Bridge, die aus kaum mehr besteht als Sirenentönen. Der Bass setzt wieder ein, diesmal mit einem eher simplen Riff, dass mehr als Stimmungsgeber denn als sonst was gedacht ist, und schnell Platz macht für einen schweren, fast „doomigen" Part (sofern das stilistisch denkbar ist). Schon biegt der Hörer auf die Zielgerade ein, und melancholische Saxofontöne begleiten uns in einen letzten, eindringlichen Part.

Es fällt mir – in diesem Moment, in dem ich hier sitze und diese Zeilen schreibe – unglaublich schwer, überhaupt das Gehörte sinnvoll zu verarbeiten und zu einem Urteil zu kommen. Zu krass die Perfektion des Dargebotenen, zu genial das Ineinandergreifen von scheinbar unvereinbaren Stilmitteln, zu packend und gleichzeitig emotional erschöpfend die Atmosphäre, die durch die Noten transportiert wird. 42 Minuten, zelebriert in gerade einmal fünf Songs, und definitiv einer meiner unvergesslichsten Momente als Schreiber für XXL-Rock. Eigentlich wäre ich objektiv betrachtet dazu verpflichtet, die Wertung auszusetzen, da eigentlich eine sinnvolle Wertung im Rahmen eines Magazins, dass sich in erster Linie mit Metal beschäftigt, nicht möglich scheint. Und es sollte klar gesagt sein: wem bereits die aktuellsten Ergüsse von Metallica und Iron Maiden zu kompliziert sind und wer bei Dream Theater Hautausschlag bekommt, sollte sich auf keinen Fall dieser Musik nähern – und mit Metal hat es nur im allerentferntesten Sinn zu tun.
by xxl-rock.com
 
Zuletzt bearbeitet:
So sehr ich BTBAM liebe, aber bei der Besetzung Schlagzeug, Bass, Saxophon fehlt mir bisher völlig die Motivation, in Trioscapes mal reinzuhören...
 
Das ist ja gerade, was die Scheibe zu etwas Besonderem macht. Der Wahnsinn der Hauptband ist da, nur musikalisch völlig anders umgesetzt. Ich finde diese Projektbands am spannendsten, wenn sie sich deutlich von den Hauptbands abheben.
 
Im Prinzip hast du sicher Recht. Bin da einfach etwas voreingenommen, was die Instrumentierung angeht. Sollte Paul Waggoner mal ein instrumentales Soloalbum veröffentlichen, kaufe ich das ungehört! :D
 
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