Overnight Sensation (1996)
„Listen to your heart, and then you'll be alright“ („Listen To Your Heart“)
Die Fakten zum Album: Nach ihrem Wechsel von CBH/Steamhammer ist dies das erste Album für CMC Records. Alle 11 Songs, die es in Summe auf knapp über 41 Minuten bringen, werden binnen vier Wochen geschrieben und danach in weiteren vier Wochen im Ocean Studio in Burbank (Kalifornien) und Trackhouse Recording Studio in St.Louis (Missouri) unter der erneuten Regie von Howard Benson (unterstützt von Duane Barron) aufgenommen, wobei Mikkey zum Eintrommeln seiner Schlagzeugparts lediglich genau einen Tag benötigt… Das Album chartet nach seiner Veröffentlichung am 15.Okober 1996 in Deutschland auf Platz 71, in Schweden auf Platz 60 und in Finnland sogar auf Rang 39. Als Single erscheint I Don’t Believe A Word. Auf der B-Seite befindet sich die Album-Version, auf der A-Seite eine komplett verzichtbare, um knapp 2 Minuten gekürzte, Single-Version. Das Cover zeigt zum ersten Mal seit Ace Of Spades wieder die Bandmitglieder und nicht Warpig/Snaggletooth. Aufgrund dessen, was wir auf dem Cover sehen, geht das Werk auch als „das Album ohne Bart“ in die MotörHistory ein, obwohl Lemmy bis ca. 2002, und damit drei weitere Studioalben, (weitgehend) bartlos bleibt, wie diverse Promo
Pics von damals beweisen. Der Albumtitel zeugt darüber hinaus ein weiteres Mal von Lemmy’s unvergleichlichem Humor. In White Line Fever gibt er kurz und trocken zu Protokoll, es sei „ein Titel, der
eigentlich gar nicht zu der Platte passt.“
Wo steht das Album in der MotörWelt: Das ist es also, das erste Album des letzten und langlebigsten Motörhead-Lineups. Nach den Aufnahmen zu Sacrifice kommt es zur Trennung mit Würzel, bzw. zu dessen Ausstieg/Entlassung (Lemmy’s Version dazu ist in White Line Fever ausführlich nachlesbar). Würzel wähnt sich schon längere Zeit finanziell und auch hinsichtlich der PR-Arbeit
benachteiligt/betrogen. Dem entgegnet Lemmy jedoch u.a. in der Rock Hard-Sonderausgabe 01/2011: „Würzel war mein bester Freund. Ich hätte ihn niemals betrogen – zumal ich sein Geld doch gar nicht nötig
hatte! Ich verdiente damals gut an den Ozzy-Texten und außerdem mehr als am gesamten Backkatalog als jeder andere bei Motörhead. Da nehme ich doch Würzel nicht seine Royalities weg!“ Anekdote hierzu
aus White Line Fever: „Jemand erzählte mir, dass er nach seinem Ausstieg zu einem unserer Gigs nach Brixton kam. Anscheinend stand er während der ganzen Show da und weinte, während er uns auf der
Bühne sah. […] Das zu hören, war schrecklich traurig.“ Glücklicherweise kommt es zwischen beiden in späteren Jahren noch zur Versöhnung und gelegentlichen Live-Gastauftritten, auch wenn Würzel nie wieder
als Mitglied zu Motörhead zurückkehren wird. Das MotörEnde von Würzel ist, abgesehen von den Todesfällen der Mitglieder selbst, sicher der tragischste Teil der MotörHistory. Nachdem Lemmy & Co. 1995 zum Zeitpunkt der Trennung von Würzel bereits 20 Jahre und 13 Studioalben auf dem Buckel haben, beschert uns diese dritte Dreierbesetzung unter dem Banner Motörhead weitere 20 Jahre, 10 Studioalben
und über 1.400 Konzerte. Wohlbemerkt: Lemmy befindet sich 1996 bereits in seinem einundfünfzigsten Lebensjahr, dennoch steht die Band voll im Saft. Welche momentan aktive Band jenseits der 50 Lenze
seiner Mitglieder bzw. 25-30 Bandjahre kann ein solches Arbeitspensum inkl. –qualität in Studio und auf der Bühne vorweisen? Ursprünglich will Lemmy Würzel ersetzen, doch Phil besteht darauf es alleine zu
versuchen - was auf der Sacrifice-Tour funktioniert und sich im Studio/Songwriting bei Overnight Sensation auch uneingeschränkt fortsetzt. Phil blüht ab Overnight Sensation regelrecht auf, als Songwriter wie
auch mit seiner Bühnenpräsenz. Die Songs auf Overnight Sensation klingen irgendwie fertiger / ausgearbeiteter als das Material auf Sacrifice, das eine große Portion Spontaneität versprüht. Allerdings...
einerseits knallen zwei Gitarren live irgendwie doch mehr als eine… andererseits sind Motörhead als Trio „mehr Motörhead“ als in der Quartett-Version, oder nicht? Was meint Ihr?
Setlist.fm führt Overnight Sensation übrigens mit 301 gespielten Songs auf Platz 18 der Motörhead-Alben dessen Songs live gespielt wurden (
https://www.setlist.fm/stats/albums/motorhead-33d68059.html).
Zum Vergleich: Overkill steht mit fast 4.000 gespielten Songs unangefochten auf Platz 1. Mit March Ör Die gibt es nur ein Album, das vor 1996 erschien und im Ranking hinter Overnight Sensation steht. Also
zeigt der 18. Platz für das 14. Album, dass es im Live-Spektrum der Band etwas unterrepräsentiert war. Auf der Overnight Sensation-Tour werden Civil War, Broken und der Titel-Song häufig bis immer gespielt.
Später tauchten alle 3 Songs gelegentlich im Set auf. Interessanterweise schreibt Götz Kühnemund in seiner History im Motörhead-Sonderheft des Rock Hard (01/2011) „Das erste Album in Trio-Besetzung[…]
ist - leider - eine kleine Enttäuschung. […] Die besten Songs sind das relativ Motörhead-untypische I Don’t Believe A Word, Broken und Civil War; der Rest ist eher unspektakulär. […] 1996 heißt das Motto leider
in jeder Hinsicht: Der Bart ist ab.“ Wie sehr ich mir doch wünsche, dass er sich im DFF gelegentlich zu Wort melden würde. Besonders in diesem Thread, und wie er das Album mit knapp 22 Jahren Abstand
bewertet. Lemmy entgegnet dem übrigens bereits im Rock Hard Interview 1996 prophetisch: „Overnight Sensation ist ohnehin wieder ‘ne richtig gelungene Platte, die sich längst nicht so schnell abnutzt wie
einige der Vorgänger.“
Meine Beziehung zum Album (und der Band): Mein Erstkontakt mit der Band war um 1992, ein Interview im Metal Hammer, dann noch ein Videointerview im Headbangers Ball, ich glaube
zum Foundations Forum in Los Angeles. Jedenfalls „begegnete“ mir Lemmy damals in seiner „kurze Jeans Hosen Phase“. Und ich dachte nur: was ist denn das für ein abgesiffter, versoffener, peinlicher Opa?
Mitte/Ende Vierzig war für mich damals als 14/15-jähriger kurz vor Scheintod. Mit meinen Grungegöttern hatte ich ja haufenweise Mucker in ihren Zwanzigern. Und die Mucke dieser alten Männer erst… einfach
nur billig und assi. Wo ist denn der Mega-Bass, den Dr. Alban, Snap und Sad But True haben? Ja, wo ist er denn? Nein… das ist Mucke von hässlichen alten Männern für hässliche Jungs. Und ich wollte ja hübsch
sein. Ok, den Song Ace Of Spades fand ich schon ganz „fetzisch“. Habe mir dann auch irgendwann 1993/1994 die Kompilation „Ace Of Spades“ von 1993 bei Müller für gefühlte 12,99 DM zugelegt, von der ich mir
jedoch außer dem Titelsong KEINEN EINZIGEN VERDAMMTEN SONG merken konnte. Klang alles gleich für mich! Leute, da sind u.a Damage Case, Overkill und Killed By Death drauf... Was sind Teenies
eigentlich für dumme Trottel???
Also hatten Lemmy & Co. ab da bei mir erstmal für knapp 10 Jahre Sendepause und ich ging anderweitig auf musikalische Erkundungsreise. Ich habe im Rock Hard sogar ihre Interviews, Rezis und Liveberichte
übersprungen, weil ich so dermaßen borniert war und nur las, was mir auch musikalisch gefiel… was sich später allerdings als gar nicht so übel herausstellte, da ich die Hefte alle aufhebe und ganz viele
Interviews und Berichte mit/über Motörhead auf einen Schlag neu entdecken konnte. Weiter im Text: es rauschten in den 90ern nacheinander Kiss, Guns N Roses, Metallica, Grunge, Slayer, Sodom, Sepultura,
Mötley Crüe, AC/DC, Tiamat, Type O Negtive, Trip Hop, Death Metal, Black Metal und Pink Floyd in den Prä-Damage Case-Kopfbahnhof ein. Und immer wieder, wenn mir Motörhead medial begegneten, dachte
ich mir, dieser Lemmy müsste doch mittlerweile schon tot sein… so alt, wie alt ist der eigentlich? 50, 60, oder so? Wer, der so viel säuft, wird denn so alt??? Mein geliebter Gene Simmons brauchte doch schon
mit Ende 40 nen Teleprompter bei der Kiss-Reunion-Tour 1996. Und der hat nie gesoffen oder gekokst… nur Kekse gefressen und gevögelt wie ein Karnickel.
Ende Teil 1...