Meine Frau und ich sind seit gestern aus Bergen zurück und hatten eine (größtenteils) wundervolle Zeit. Es war, ohne Übertreibung, genauso wie wir es uns erträumt hatten: Eine traumhafte Landschaft und Stadt mit reicher Black-Metal-Historie, ein tolles und super organisiertes Festival mit intensiven Auftritten, entspannte Menschen & Festivalbesucher.
An unserem ersten Tag (Mittwoch) machten wir zuerst einen Abstecher nach Bryggen, dem Weltkulturerbe-Hanseviertel. Dort statteten wir auch direkt Gaahls Galerie Fjallar einen Besuch ab, in der es eine Ausstellung des Fotografen Peter Beste gab, der für einige der ikonischsten Black-Metal-Fotos der 90er verantwortlich ist. Es war beeindruckend, diese Werke mal in standesgemäßer Größe zu sehen, und die Gallerie selbst verströmte die nostalgische Atmosphäre eines 18.-Jahrhundert-Wohnzimmers. Ein bisschen Merchandise musste natürlich mit, abkassiert wurde von Gaahl höchstpersönlich. Eine ziemlich skurrile Situation.
Im kurzen Plausch offenbarte er sich als sehr höflicher, zurückhaltender aber dennoch interessierter Gesprächspartner. Sein Lebensgefährte war ebenfalls vor Ort und im Vergleich zu Gaahl ein echter Sonnenschein. Anschließend bot sich ein Trip mit der Standseilbahn Floibane auf den Berg Floyen an. Das ging erstaunlich fix: alle fünf Minuten fährt eine Bahn, die auch innerhalb der selben Zeit auf dem Gipfel ist, wo man ein wirklich atemberaubendes Panorama über Bergen und Umland genießen kann.
Gegen 17 Uhr starteten wir in den ersten Festivaltag. Einlass und Bändchentausch lief so zügig, wie ich es selten bei einem Festival erlebt habe. Das Gelände für die ersten zwei Tage befand sich in der USF Vervtet, einer ehemaligen Fischfabrik direkt an der Küste. Dort hatte man in diesem Jahr erstmals eine zweite Halle in Betrieb genommen, was zu kürzeren Pausen zwischen den Bands führte, da sich die Hallen quasi abwechselten. Zwischen beiden Hallen befand sich ein überdachtes Freigelände mit jeder Menge Biertischen und -bänken, zwei Food-Ständen (Riesen-Ofenkartoffeln und Chili Con/Sin Carne bzw. Pulled Beef Burger), Getränkestand und DJ-Pult. Im Innenbereich der ursprünglichen Location gab es außerdem noch einen Marktsaal mit einigen spannenden Ständen (Terratur Possessions und Dark Descent Records z.B.). Im teilweise überdachten Bereich vor der Halle konnte man entspannt mit Blick aufs Wasser ein Bierchen schlürfen. Traumhaft.
Weil wir viel zu sehr mit den tollen Dingen drumherum beschäftigt waren, schauten wir uns von den Bands lediglich Midnight, Possessed und Bölzer an, die allesamt drei Hammer-Auftritte hinlegten. Okoi von Bölzer sahen wir die folgenden Tage ständig auf dem Festival rumspringen, meistens mit einem Aperol Sprizz in der Hand und beim Fachsimpeln mit Alan Averill von Primordial. Noch vor Deicide machten wir uns auf den Weg zur Hellion Bar, einer Metalkneipe nicht weit vom Festivalgelände entfernt. Während im Obergeschoss normaler Metal lief, gab es im Untergeschoss einen reinen Black-Metal-Keller mit entsprechender Musik, vielen Fotos/Picture Vinyls/Medienberichten aus der norwegischen Black Metal-Geschichte an der Wand und Merchandise-Verkauf im Nachbarraum. Der Typ hinter der Bar war ein deutscher Auswanderer, der seit 13 Jahren in Bergen lebt - super sympathischer Kerl. Nach ein paar Bier hieß es ab ins Hotel und Bett.
Der zweite Tag begann mit dem als Black Metaller obligatorischen Trip zur Fantoft Kirche, die man vom Stadtzentrum mit einer zwanzigminütigen Straßenbahnfahrt und viertelstündigem Fußmarsch schnell erreicht. Das war schon ein schräges Gefühl, diese geschichtsträchtige Kirche mal in echt zu sehen. Erwartungsgemäß waren wir nicht die einzigen Metaller vor Ort. Zurück in der Stadt und auf dem Weg zur USF Vervtet machten wir dann noch den ebenfalls obligatorischen Halt in der Straße „Kjellersmauet“ um das berühmte Foto von Peter Beste nachzustellen, das Einar Selvik mit Warpaint in eben dieser Straße zeigt. Ein Bergener fragte uns, warum so viele Metaller in dieser unscheinbaren Gasse an exakt der gleichen Stelle ein Foto machen – die Erklärung fand er dann total cool.
Musikalisch ließen wir uns danach von The Ruins Of Beverast die Ohren durchpusten, die wie gewohnt richtig derb ablieferten. Auf Platte taugen die mir nicht so, aber live macht das Laune. Später dann Gorgoroth, die für mich die einzige Enttäuschung bleiben sollten. Trotz Feuer und eines grimmig-agilen Hoest am Mikro blieb der Rest der Band blass und auch in Sachen Stimmung wollte der Funke bei mir nicht überspringen. Das Konzert in Leipzig gegen Ende des Jahres werde ich mir wohl klemmen. Marduk waren dann wiederum die positive Überraschung, die ich noch nie so gut erlebt habe wie an diesem Abend. Zum Abschluss gab es einen schönen Gegenpol mit Perturbator, denn hier bangte nur das Duo auf der Bühne – alle anderen tanzten. Danach ging es erschöpft ohne Kneipenabsacker ins Bett, wir sind auch nicht mehr die Jüngsten.
Weil das auf Festivals einfach dazu gehört, läuteten wir den dritten Tag mit dem 12-Uhr-Bier ein. Perfekter Ort dafür war für uns als Craft-Bier-Nerds und mich als Vinylsammler die Apollon Platebar, eine Mischung aus Craft-Bier-Bar (mit 46 verschiedenen Bieren vom Fass) und Plattenladen. Ein wirklich cooler Schuppen, in dem während unseres Aufenthalts das neue Dimmu Borgir Bier der norwegischen Brauerei Cervesiam von den Brauern vorgestellt wurde. Wären wir länger geblieben, hätten wir auch noch mit der Band selbst anstoßen können, aber wir wollten lieber Stormkeep sehen und sind ins Kulturhuset rübergelaufen, wo die Nachmittags- und Nachmitternachtskonzerte stattfanden. Ein schöner kleiner Club, in dem sich Stormkeep (die zwei Tage später im gleichen Flieger saßen wie wir) austobten und zurecht komplett abgefeiert wurden. Anschließend fanden wir uns nebenan in der Kraken Bar wieder, einer herrlichen leicht abgeranzten Rock/Metalkneipe mit gutem Bierangebot.
Danach enterten wir die beeindruckenden Grieghallen, die Freitag und Samstag als Hauptlocation dienten und normalerweise als Konzertsaal für das Philharmonische Orchester fungieren (zum ebenfalls dort beheimateten geschichtsträchtigen Studio muss ich sicher keine Worte verlieren). Mächtiger Anblick, sowohl von außen, als auch von innen. Eternal Champion als Opener lieferten gut ab, auch wenn noch nicht allzu viel los war. Das änderte sich mit Primordial, die an diesem Abend ihr Hammeralbum „To The Nameless Dead“ in voller Länge spielten. Grandioser Auftritt, aber man ist von den Jungs auch nichts anderes gewöhnt.
Direkt nach dem letzten Song nahm der restliche Urlaub für mich leider eine sehr unrühmliche Wendung, in Form eines Magen-Darm-Infekts, der sich mit voller Wucht in die Grieghallen-Kloschüssel ergoss.
Also nichts mit Kreator, sondern möglichst schnell zurück ins Hotel. Dort nahm das Drama seinen Lauf. Den letzten Festivaltag verbrachte ich mit Fieber und Netflix im Hotelbett, ständig die Sorge im Hinterkopf, ob ich am nächsten Tag überhaupt fit genug für die Abreise sein würde. Meine Frau konnte Taake, Enslaved und Dimmu Borgir natürlich auch nicht so recht genießen, machte aber zum Glück das Beste draus. Für mich war es musikalisch zwar verschmerzbar, das Ende unserer Hochzeitsreise hatte ich mir dennoch etwas anders vorgestellt. Glücklicherweise ging es mir am nächsten Tag (also gestern) zumindest wieder halbwegs gut, so dass wir die Rückreise antreten und ohne unappetitliche Zwischenfälle über die Bühne bringen konnten.
Nichts desto trotz waren es fantastische Tage. Und eigentlich wollen wir da nächstes Jahr unbedingt wieder hin. Das bedarf aber natürlich einiger Rechenspiele, denn ein günstiger Urlaub war das beileibe nicht. Aber das Ende können und wollen wir so nicht stehen lassen.
Bemerkenswertes zum Schluss:
- In der regenreichsten Stadt Europas kam während unseres Aufenthalts kein einziger Tropfen vom Himmel, wir hatten durchgehend 18-20 Grad. Traumwetter.
- Bergen ist wie erwartet sehr teuer. Das billigste Bier auf dem Festival knapp nen Zehner (war eklig, dann lieber das gute für 12-13), abgepackte Sandwiches im Supermarkt sieben Euro, Festivalshirt bzw. Bandshirts grob 36. Aber das wussten wir vorher und hatten gespart. Bei Vinyl konnte man hingegen durchaus Glück haben und deutsche Preise erwischen.
- Das Leitungswasser ist das beste Wasser, das ich je getrunken habe. Und in jeder Location und Bar stehen Wasserkaraffen rum, an denen man sich bedienen kann.
- Wir haben auf dem Festival echt viele Deutsche getroffen, aber sogar Leute aus den USA.
- Wenn man recht zentral unterkommt, lassen sich alle Locations und coolen Bars locker zu Fuß erreichen.
- Der Sound war durch die Bank absolut top, das habe ich auf einem Festival noch nie erlebt. Generell war die Orga unfassbar gut.
Bergen & Beyond The Gates: Wir kommen wieder!