John Zorn (Tzadik Rec./Naked City/Painkiller/Masada/etc.)

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Guest
Der Typ ist ein Genie und darf sich bald den Thron mit Robert Fripp teilen: John Zorn. Ich stehe ja noch ganz am Anfang meiner Reise durch sein Universum. Naked City und Painkiller waren ja schon 20 Jahre lang ein Begriff, aber über die Earache-related Platten kam ich irgendwie nicht hinaus, wobei beide Bands so viel mehr zu bieten hatten. Erst letztes Jahr im Zuge des "Execution Ground" Reissues auf Vinyl habe ich mich an das Spät- und Live-Werk von Painkiller gemacht und bin schwer angetan. Darauf hin habe ich mir den Rest von Naked City besorgt, inkl. einiger Live-Scheiben. Groß. Und ab da ging die Reise los. Electric Masada und Simulacrum sind die neusten Stationen für mich. Hauen mich beide aus den Latschen. Im Folgenden werde ich mich von Projekt zu Projekt, ggfls. von Platte zu Platte hangeln, da selbst in einzelnen Discographien stilistisches Chaos herrtscht, und ein paar Worte dazu verlieren.

Bis dahin ein neues Lieblingsstück, das zentrale Werk auf der dritten Scheibe des von John Zorn als Komponist (nicht als aktiv beteiligter Musiker) entworfenen ELP-auf-Prog-Metal-Projekts Simulacrum:

 
Ich bin bei dem Nicht-Earache Werk auch nicht firm. Painkiller sind aber natürlich gross. Eher so ein Projekt für den Ruhestand bei mir.
 
Ewig vor mir hergeschobener Typ. Eigentlich habe ich den seit meinem Interesse für Mathcore auf dem Zettel (also etwa seit 2004 oder so), trotzdem kenne ich nur "Naked City" von 1990 so richtig. Tja.
 
Richtig krass und u.U. Boxen zerfetzend ist die „Kristallnacht“ von 1993. Damals tourte Zorn mit dem Album ausschließlich durch jüdische Einrichtungen. Ich hatte eine Karte für ein Konzert in Mainz und bekam dann eine Lungenentzündung - habe mich selten mehr über ein verpasstes Konzert geärgert (ok, Led Zeppelin 1980 vor meiner Haustür in FFM war noch ein bisschen schlimmer).
Heute ist Zorn weit melodischer, aber veröffentlichungstechnisch habe ich den Überblick verloren. Toll, wenn man Noir Krimis mag (und das tue ich), ist „Spillane“ mit John Lurie als genialem Sprecher (1987).
 
Kristallnacht ist tatsächlich über jeden Zweifel erhaben und das Herzwerk des Mannes. Es gibt kein wichtigeres John-Zorn-Album.

Ich hab ihn damals in Moers gesehen, war der Grund mir ne Karte für ein Jazz-Festival zu kaufen. Sehr geniale Show. Erschlossen hab ich ihn mir seinerzeit über die FNM-Patton-Bungle-Dunn-Connection. Entsprechend bin ich vom Moonchild Trio eine Zeit ziemlich angetan gewesen. Ich hab mich an wenigen Sachen des Projektes (insb. Ipsissimus) satt gehört aber andere wie The Crucible oder das Debüt sind immer noch düstere Monstren. Spannend da das ganze im John-Zorn-Kosmos bleibt, hier aber anders als Naked City oder Painkiller weniger auf Rock oder Grind sondern auf Metal, insb. doomige Atmosphäre setzt. Maleficia von Crucible packt mich z.B. immer noch.

Das Konzept basiert auf recht typischen Zorn-Ideen. Hier sollen Ritual (Komposition) und Magie (Improvisation) miteinander verschmolzen werden. Die Stimme soll keinen Text vortragen: Ein wenig Cobra (Impro-Konzept), etwas Band (Komposition), viel Zorn (Zusammenführung).

Die Moonchild-Trio-Diskografie:
  • 2006: Moonchild (Songs without Words)
Ziemlich starker Einstand, haute mich seinertage enorm aus den Socken. Bescherte dem John-Zorn-Bild einen neuen Farbtupfer. Wo Painkiller und Naked City Grindcore und Rock im John-Zorn-Kosmos verwursteten war das mehr Metal, ja ein wenig düster-doomig.

  • 2006: Astronome
Das eigentliche Initialwerk, welches dazu führte dass die Gruppe gegründet wurde war diese Foreman-Oper. Ein ziemliches Chaoswerk mit einem relativ zentralen und recht frei agierenden Mike Patton im letzten Drittel. Wer will hört hier Anleihen aus Spät-80er Doom-Alben im Zorn-Stil.

  • 2007: Six Litanies for Heliogabalus
Noch eine Scheibe die Patton ins Zentrum stellte. Die anderen bilden mir persönlich hier zuviel Gerüst und zu wenig kreativen Wahn. Da fand ich Astronome eine Spur besser.

  • 2008: The Crucible
Hier kommt insb. Dunn in einigen Stücken zur besonderen Geltung. Ein schweres und schauriges Stück Musik. Mit dem Debüt und Astronome eines der mMn besten Moonchild-Alben.

  • 2010: Ipsissimus
Ich schrieb es ja, ich hab die Platte ein wenig satt. Sie wirkt auf mich zu konstruiert. Es ist gewiss der Weg hinüber in das was folgte, aber auf dem Scheideweg zu etwas mehr Ordnung blieb mMn das Gleichgewicht der Dinge auf der Strecke und die Musik verläuft sich in einer Selbstzweck- und Pärsentationsfalle.

  • 2012: Templars-in Sacred Blood und 2016 The last Judgement
Sind als Duo und Abschluss der Moonchild-Reise zu sehen, beide verdammt stark. Weniger chaotisch als man es gewohnt war fast Prog-Rock-Lastig, aber immer noch Wahnhaft. persönlich finde ich Templars besser, aber da scheiden sich die Geister.

Als Einstieg würde ich zum puristischen Debüt greifen, der Rest ist eher subjektiv.
 
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Richtig krass und u.U. Boxen zerfetzend ist die „Kristallnacht“ von 1993.

Findest Du? Bis auf die Collage Never Again und z.T. die letzten beiden Stücke, ist das Album doch eher ruhig angelegt (was es im Kontext natürlich nicht weniger krass ausdrucksstark macht). Komme ich noch dazu... auch sein Verhältnis zur jüdischen Musik i.A.
 
Ich hatte mal ein Album, auf dem das Batman-Theme vorkam (Naked City?). Muss aber zugeben, dass mich die Musik leicht überfordert hat. Finde die Musik prinzipiell interessant, habe jedoch noch keinen Zugang für mich gefunden, wie ich mir das anhören kann ohne nach kurzer Zeit genervt zu sein. Meine Hörgewohnheit ist, nomen est omen, ein fieses Gewohnheitstier... :D
 
Ich hatte mal ein Album, auf dem das Batman-Theme vorkam (Naked City?). Muss aber zugeben, dass mich die Musik leicht überfordert hat. Finde die Musik prinzipiell interessant, habe jedoch noch keinen Zugang für mich gefunden, wie ich mir das anhören kann ohne nach kurzer Zeit genervt zu sein. Meine Hörgewohnheit ist, nomen est omen, ein fieses Gewohnheitstier... :D
Das war definitiv
Naked City: Naked City
schöne Platte
 
Live gesehen habe ich ihn bisher leider nur 2x. Auch einmal auf einem Jazz-Festival (21.dt.Jazzfestival Frankfurt, 1988), da spielte er in einem Quintett mit dem ebenfalls von mir geschätzten Tim Berne. War schön, verglichen mit den mir bekannten Zorn-Werken aber recht harmlos. Und einmal Naked City in Mannheim (1990). Alle sitzen entspannt auf ihren Stühlen, Zorn macht Ansagen wie „The next Song is called „The perfume of a critic‘s burning flesh‘“ , danach 2,5 Sekunden lang kontrolliertes Chaos, dann nächste lakonische Ansage usw. War auch sehr witzig, der Abend. Seitdem leider nichts mehr mitbekommen in meiner Nähe.
 
Wenn du das Zorn-Fass aufmachst, kann das nicht gut ausgehen. Der Typ veröffentlicht gefühlt jeden Tag ein neues Album :D

Aber mal im Ernst: Painkiller, Naked City... alles Pflichtprogramm. Die Books of Angels-Reihe ist eigentlich auch Pflicht, aber nimm vorher eine Hypothek aufs Haus auf.

Mein persönlicher Favorit ist allerdings Electric Masada - At The Mountains of Madness. Ein Doppelalbum mit starker Besetzung (Marc Ribot, Jamie Saft, Trevor Dunn, etc.) und unfassbar fesselnder Atmosphäre und Song von hart (wirklich!) bis zart.

Das Moonchild Trio wurde ja hier schon erwähnt. Auch sehr empfehlenswert, u.a. auch wegen Mike Patton.

Zorn ist ein Fass ohne Boden. Du bist völlig im Eimer, wenn du das alles hören, geschweige denn kaufen möchtest, aber wenn du schon dabei bist... das Label von Zorn, Tzadik, hat noch ein paar andere Perlen/Bands auf Lager. Ich nenne mal als kleine Auswahl: Fred Frith, Toby Driver, Kayo Dot, Marc Ribot, Stabat Akish, Time of Orchids... solltest du überall reinhören! :verehr:
 
Mein persönlicher Favorit ist allerdings Electric Masada - At The Mountains of Madness. Ein Doppelalbum mit starker Besetzung (Marc Ribot, Jamie Saft, Trevor Dunn, etc.) und unfassbar fesselnder Atmosphäre und Song von hart (wirklich!) bis zart.

Feiere ich massiv ab. Auch die Live-CD von seinen Geburtstagsfeierlichkeiten. Hab ja schon einige Projekte und viele VÖs von ihm durch, im Moment stehen eben Moonchild und vor allem Simulacrum an (49 Acts... ist meine neuste das von).

Kayo Dot mag ich nicht. Hab ich vor Jahren gut gemocht, hat sich aber extrem abgenutzt (im Gegensatz zu anderen Werken von Driver). Ansonsten hab ich auf dem Label schon einige tolle Sachen entdeckt. Danke.
 
Zorn ist ein interessanter Künstler. Kenne ihn durch seine Interpretationen italienischer Filmsoundtracks und natürlich durch die Zusammenarbeit mit M. Patton. Die einzige zornige CD, die ich besitze, ist "The Big Gundown".
Ein sehr tolles Stück, was ich durch YT-Durchklicken entdeckt habe, ist:
Soll aber, wenn die Kommentare stimmen, nicht repräsentativ für das Album sein.:D
 
Habe mal einen ganzen Tag am Pool gesessen und ausschließlich "The Testament Of Solomon" gehört, immer wieder, dazu glaube ich Frank Schulz oder Irvine Welsh gelesen und viel frisch gezapftes Bier getrunken, immer wieder. Kein Wort gesprochen, außer bei der ersten Bierbestellung, dann immer nur noch den Zeigefinger gehoben. Bester Tag.

 
Zorn war für meine musikalische Sozialisation von allergrößter Bedeutung. Anfang der 90er hat er mir die Türen zum Jazz und zur experimentellen Musik aufgestossen. (Bin übrigens damals auch über Mr. Bungle an das erste Naked City-Album geraten.) Masada habe ich damals innig geliebt - vorrangig das originale Quartett - und auch live erleben können. 3-4 Duzent Zorn-Alben hatten sich wohl bei mir angesammelt. Leider muss ich sagen, dass Zorn heute für mich kaum noch eine große Rolle spielt. Natürlich sind Naked City und Painkiller großartig, aber für mich steht die Musik doch irgendwie auch in seiner Entstehungszeit. Für mich hat das zwar seine historischen Bedeutung, aber heute noch auflegen, tue ich die Alben heute eher ganz selten.
Dieses "radical jewish culture"-Ding finde ich auch ein bißchen maniriert und aufgesetzt, wobei ich das Masada-Quartett einfach unglaublich stark fand, auch wenn's musikalische eher am wenigsten originell war (Ornette Coleman-Quartett meets Klezmer-Harmonik).
Als Komponist ist Zorn ohne Frage ein glaublich vielseitiger Tausendsassa von ebenfalls unglaublicher Produktivität. Für mich wirkt aber auch Vieles oberflächlich und mehr Masse statt Klasse. (Tatsächlich immer mal wieder läuft bei mir das Stück "Redbird" von 1995. Das ist aber auch wenig originell, sondern lupenreines Morton Feldman-Worshipping.)
Wirklich schade finde ich, dass man ihn heute kaum noch als (improvisierenden) Saxophonisten hört. Da liegt für meine persönlichen Musikvorlieben seine nachhaltige Stärke. Sein frühes Saxophon(plus Duck calls, Klarinetten, Präparationen, etc.)-Solo-Werk "The Classic Guide to Strategy" finde ich nachwievor zeitlos schön und großartig und möchte das Album damit dringlich empfehlen.

Überhaupt war Mitte der 90er für mich die New Yorker Downtown Avantgarde Jazz-Szene das Nonplus Ultra. Heute ist da wenig für mich geblieben, was mich heute noch begeistert. Die rühmliche Ausnahme ist Tim Berne, den ich immernoch mehr oder weniger regelmäßig auflege und dessen Konzerte ich nach Möglichkeit immer mitnehme.
 
Ich bin einfach nur noch - und mal wieder - geflasht von diesem Live-Album:


Electric Masada - At The Mountains Of Madness. Für mich neben Painkiller der absolute Höhepunkt Zorn'schen Schaffens. Quasi ein Best Of seiner rockorientierten Musik. Natürlich klingen die alten King Crimson durch (vgl. bspw. den krachigen Teil bei "21st Century Schizoid Man" oder andere Improvs aus dieser Zeit). Aber auch so wahnsinnig intensiv. Zwei Drummer, ein Percussionist dazu, Noisespielereien; alles dabei. Ach, hört selbst.

Ein paar Reviews: http://www.progarchives.com/artist.asp?id=5158
 
JAN 2020 Release
John Zorn
BEYOND GOOD AND EVIL—SIMULACRUM LIVE
TZA CD 8369

John Medeski, Matt Hollenberg, Kenny Grohowski.

The Illusionist * Ghost Sonata * Ravens * Alterities * Danse Macabre * Plague * Dark Pageant * Angelic Voices * The Divine Comedy

From 2015–2017, in the midst of an historic creative high, Zorn wrote and recorded no less than six CDs of music for Simulacrum, his most powerful and intense 21st century ensemble; the music then became a project for live performance. This concert from July 2019 finds the band at their blazing best, performing compositions from four different Simulacrum releases. No one blends metal and jazz quite like Zorn (he’s been doing it since the late 1980s) and these mind-bendingly intense performances will leave you breathless. Beautifully recorded at Firehouse 12 in New Haven and lovingly mixed at Bill Laswell’s Orange Sound by James Dellatacoma this is a hyper powered stop-on-a-dime live performance by three virtuosic musical maniacs.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Wenn du das Zorn-Fass aufmachst, kann das nicht gut ausgehen. Der Typ veröffentlicht gefühlt jeden Tag ein neues Album :D
Uffa, ja.

Habe nur die Torture Garden von Naked City. Dachte gerade, wo ich den Thread sehe, man könnte mal in mehr Sachen reinhören. Aber die Diskographie bei Wikipedia schreckt mich jetzt völlig ab.
 
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