Habe mir diesen besagten Text noch mal durchgeschaut um ggf. noch was Konstruktives zu finden, was auch greifbar wäre. So ist Herr Walter der Ansicht, dass "Nazi sells" ein Stilmittel von Rammstein ist. JA, kann man sogar so stehen lassen, wenn man das so sehen möchte. Ich würde es allerdings eher so interpretieren, dass es eine Form der Kritik im durchaus provokativen Gewand darstellt. Neu ist das aber auch nicht, im Grunde genommen verfolgen Rammstein heuer einen ähnlichen Ansatz wie seinerzeit bei "Amerika", dort wurde es seinerzeit ebenso gehandhabt. Würde mich übrigens mal interessieren, wie eine textliche Nachbereitung dieses Stückes unter Berücksichtigung von Herrn Trump wohl aussehen könnte ;-).
Die Textzeile "Deutschland ich will Dich nie verlassen, man kann Dich lieben, will Dich hassen" - wie Walter weiterhin anführt - in einen Vergleich zur rechten Parole "Wer Deutschland nicht liebt, soll Deutschland verlassen" zu setzen ist hanebüchen. Das Wortspiel mag tatsächlich gewollt sein, ganz sicher aber nicht um eine die Rechte damit anzusprechen. OK, gemeinhin gilt der rechte Bodensatz als strohdoof, aber so dämlich? Der - ähem - gebildeten rechten Szene ist die generell eher linke Grundgesinnung Rammsteins sicher nicht verborgen geblieben - und hier mache ich dann auch das Manko am Musikjournalisten Walter fest, der sich m.E. nach hier das Leben klar zu einfach macht um wenigstens eine gewisse Angriffsfläche auf die Band zu schaffen: sind nicht Rechts, wollen aber Rechte ansprechen - würde auf die AFD passen (so sie denn wirklich keine rechten Tendenzen hätte, was Meinereiner sehr stark in Zweifel zieht....), im Falle von Rammstein stellt sich indes aber die Frage, warum eine weltweit erfolgreiche Band daran ein Interesse haben sollte.
Die Darstellung der besagten "Herren am Galgen" lässt sich auch als Mahnung interpretieren: in Zeiten, in denen Pöbeleien und auch Gewalt gegen Juden in Deutschland nachweislich wieder zunehmen ist es sicherlich fraglich, ob eine Darstellung dessen, wozu genau das am Ende in der letzten Eskalationsphase führen kann eher ein erhobener Zeigefinger. "Entertainment" ist das Video für mich indes eher weniger, denn - wie schon weiter voran geschrieben - mir hat das Ganze eine echte Gänsehaut verpasst und ein durchaus mulmiges Gefühl.
Sind wir nicht alle Täter - sind wir nicht alle Opfer? Das ist die abschließende Fragwürdigkeit, die Herr Walter erkennt. Dazu bliebe festzuhalten: wer seinerzeit nicht im KZ als Aufseher so "mitgewirkt" hat wie er sollte - der ist tatsächlich am Ende nicht selten genauso am Galgen geendet, Sympathisieren oder gar Mitleid mit den "Untermenschen" war im Zweifel auch für den "Arier" nicht mal eine Kugel wert.
Mag auch sein, dass ich mit letztgenanntem Punkt am Ende falsch liege, eine Form der Auslegung kann es aber durchaus sein. Somit käme auch eine weitere Erklärung in die Textzeile "Deutschland ich will Dich nie verlassen, man kann Dich lieben, will Dich hassen" - im Grunde rein lyrisch einfach ein Meisterwerk, tut mir leid....
Seltsam: allein die Tatsache, dass ich mir da gerade selbst so viele Gedanken drüber mache und dieses Video schlicht und ergreifend bei mir einen pur mahnenden und schockierenden Eindruck hinterlassen hat straft für mich sogar den "puren" Provokationsgedanken Lügen - es rüttelt sogar auf. Mag sein, dass es auf Andere anders wirkt oder "Entertainment" darstellt - ich kann hier an keiner Stelle erkennen, dass da was verharmlost wird. Eher im Gegenteil - ist ein wenig wie die Passion Christi seinerzeit: klar hat der Jesus gelitten damals - aber wie derbe das hätte aussehen können, das wollte dann am Ende wohl doch niemand akzeptieren....