RUSH - polarisierende Götter

Da gerade wieder im Rush-Fieber [...]
Eher im Rush-Delirium. Ich gebe mir ja wirklich Mühe, abweichende Geschmacksurteile anzuerkennen, und vermute, Du wirst noch keine 35 sein, richtig? Wenn dem so sein sollte, kann ich es schon verstehen, daß so jemand sich mit der 80er-Soundästhetik durchaus schwer tun kann. Ich war selbst noch zwischen klein und anfängerhaft jugendlich damals, aber irgendwas hat sich mir davon so eingebrannt, daß ich heute diesen in Chorus und Delay ersaufenden Neonfarben-Klang mit der knallharten Militär-Snare irgendwie richtig feiern kann.

Aber HYF und "Presto" fallen bei Dir ja auch gegenüber der "Power Windows" ab. Insofern muß man schon eher das Hit-Syndrom diagnostizieren, oder? Obwohl das gerade auch bei einigen Songs der HYF greifen sollte, "Time stands still" natürlich und den beiden konzeptuellen Zwillingen "Second nature" (meinem Favoriten) und "Mission".

Ich fand es in den vergangenen Tagen für mich interessant, gerade diese drei Alben mal gegeneinanderzuhalten. Mit der HYF habe ich mich lange fürchterlich schwer getan, sie schien mir viel zu simpel und oberflächlich. Ich glaube, das kann man sogar hier im Thread noch finden, daß das Album bei mir auf dem allerletzten Platz war. Dem ist nicht mehr so und da frage ich mich natürlich, warum? :acute:

Die Songs halte ich immer noch für vergleichsweise einfach und auf Effekt gestrickt, aber i.wann ist mir aufgegangen, daß mir einfach die Ruhe gefällt, die die Band auf diesem Album ausstrahlt. Bei den Anfangstakten von "Second nature" und "Mission" hören wir einfach nur zwei sich wiederholende Akkorde, die erstmal stehenbleiben und jede Menge Raum um sich lassen. Das ist so auf "Power Windows" nicht zu finden und wird auch auf HYF dann im jeweiligen Mittelteil ein bißchen (sehr) anders, aber es ist erstmal ein Statement, finde ich. Und auch etwas temporeichere Stücke wie "Force ten" und "Prime mover" kommen offener und weniger mit Gimmicks und Effekten zugestellt daher als ihre Geschwister auf "Power Windows" wie "Big money" oder "Grand designs".

Für mich der ganz große Pluspunkt von HYF, daß das Album seine Songs so betont atmen läßt. Dennoch halte ich vom Songmaterial her "Power Windows" für die etwas bessere Platte von beiden. Noch besser ist dann nur noch "Presto", hier gelingt der Band gleichsam die Verschmelzung der Ansätze der beiden Vorgängeralben plus das gewisse Etwas. Ich kann es schlecht bis gar nicht beschreiben, aber das Songwriting schlägt auf "Presto" solche Kapriolen, daß zumindest ich immer wieder überwältigt bin, auf diesem Album die geradezu perfekte Synthese aus Prog, Rock, Pop und der geliebten Rush-Idiosynkrasie zu hören.

"The pass" beginnt auch lediglich mit zwei Akkorden, doch die sind nunmehr gegenüber HYF deutlich enttrivialisiert, sie sind rhythmisch ausgearbeitet und - was immer mit das wichtigste ist für mich - die nachfolgenden Songparts werden aus ihnen entwickelt, es werden nicht einfach fremde Passagen drübergestülpt.

Bei der "Presto" wüßte ich gar nicht, wo ich anfangen und aufhören sollte mit Lob, Preis und Dank, deswegen laß ich´s. Es gibt mit "Scars" eigentlich bloß einen Track, der abfällt, wie schon bei "Tai Shan" aus der Abteilung "Paul-Simon-like-Fake-World-Music". Der Rest ist für die Ewigkeit gemacht. Und dabei hat auch die "Presto" noch eine lupenreine Spät-80er-Klangästhetik, wie ich finde. Verstärkte Gitarrenpräsenz hin oder her. Die 80er gingen bei Rush mehr oder weniger bis "Roll The Bones".

Und alles das macht mir dann die drei Alben "Power Windows", "Hold Your Fire" und "Presto" noch einmal liebenswerter, weil sie mich an den Sound meiner Kindheit erinnern, den ich damals wenig hinterfragte, kurz darauf zu hassen begann und heute in begründeten Ausnahmefällen heiß und innig liebe.

"Counterparts" hätte ich bei Dir noch besser bewertet erwartet, daß jemand "Clockwork Angels" zu hören und auch noch zu genießen vermag, nötigt mir nach wie vor Respekt ab. Ich bekomme das nämlich beides irgendie nicht hin. Wenn man im "Dynamic Range Therometer" schaut, dann findet man bei CA vernichtende Werte (außer bei einem Song, ich vermute, "The garden"). Wenn man sich die "Presto" dagagen anschaut, insbesondere die Werte der Original-CD, atmet das Gehirn auf (denn dort finden Hörerlebnisse statt, nicht in den Ohren).

http://dr.loudness-war.info/album/list?artist=rush&album=presto
http://dr.loudness-war.info/album/view/171758

Daniel Böhm von ROCKS hat "Clockwork Angels" als nachgerade audiophile Wohltat beschrieben in der jüngsten Ausgabe. Da weiß ich dann nicht mehr, in welchem Film ich bin, aber vermutlich heißt er: "Wir schmieren den halbtauben Blues-Opis Honig ums Maul, damit sie unser Heft weiterhin kaufen".

Jedenfalls werden wir bei Rush in diesem Thread wohl keine zwei Listen finden, die sich wirklich ähneln, außer evtl. bei Cimmy und mir, das könnte vielleeeiiicht was geben. Wenn er einen guten Tag hat. :)
 
Eher im Rush-Delirium. Ich gebe mir ja wirklich Mühe, abweichende Geschmacksurteile anzuerkennen, und vermute, Du wirst noch keine 35 sein, richtig? Wenn dem so sein sollte, kann ich es schon verstehen, daß so jemand sich mit der 80er-Soundästhetik durchaus schwer tun kann. Ich war selbst noch zwischen klein und anfängerhaft jugendlich damals, aber irgendwas hat sich mir davon so eingebrannt, daß ich heute diesen in Chorus und Delay ersaufenden Neonfarben-Klang mit der knallharten Militär-Snare irgendwie richtig feiern kann.

Aber HYF und "Presto" fallen bei Dir ja auch gegenüber der "Power Windows" ab. Insofern muß man schon eher das Hit-Syndrom diagnostizieren, oder? Obwohl das gerade auch bei einigen Songs der HYF greifen sollte, "Time stands still" natürlich und den beiden konzeptuellen Zwillingen "Second nature" (meinem Favoriten) und "Mission".

Ich fand es in den vergangenen Tagen für mich interessant, gerade diese drei Alben mal gegeneinanderzuhalten. Mit der HYF habe ich mich lange fürchterlich schwer getan, sie schien mir viel zu simpel und oberflächlich. Ich glaube, das kann man sogar hier im Thread noch finden, daß das Album bei mir auf dem allerletzten Platz war. Dem ist nicht mehr so und da frage ich mich natürlich, warum? :acute:

Die Songs halte ich immer noch für vergleichsweise einfach und auf Effekt gestrickt, aber i.wann ist mir aufgegangen, daß mir einfach die Ruhe gefällt, die die Band auf diesem Album ausstrahlt. Bei den Anfangstakten von "Second nature" und "Mission" hören wir einfach nur zwei sich wiederholende Akkorde, die erstmal stehenbleiben und jede Menge Raum um sich lassen. Das ist so auf "Power Windows" nicht zu finden und wird auch auf HYF dann im jeweiligen Mittelteil ein bißchen (sehr) anders, aber es ist erstmal ein Statement, finde ich. Und auch etwas temporeichere Stücke wie "Force ten" und "Prime mover" kommen offener und weniger mit Gimmicks und Effekten zugestellt daher als ihre Geschwister auf "Power Windows" wie "Big money" oder "Grand designs".

Für mich der ganz große Pluspunkt von HYF, daß das Album seine Songs so betont atmen läßt. Dennoch halte ich vom Songmaterial her "Power Windows" für die etwas bessere Platte von beiden. Noch besser ist dann nur noch "Presto", hier gelingt der Band gleichsam die Verschmelzung der Ansätze der beiden Vorgängeralben plus das gewisse Etwas. Ich kann es schlecht bis gar nicht beschreiben, aber das Songwriting schlägt auf "Presto" solche Kapriolen, daß zumindest ich immer wieder überwältigt bin, auf diesem Album die geradezu perfekte Synthese aus Prog, Rock, Pop und der geliebten Rush-Idiosynkrasie zu hören.

"The pass" beginnt auch lediglich mit zwei Akkorden, doch die sind nunmehr gegenüber HYF deutlich enttrivialisiert, sie sind rhythmisch ausgearbeitet und - was immer mit das wichtigste ist für mich - die nachfolgenden Songparts werden aus ihnen entwickelt, es werden nicht einfach fremde Passagen drübergestülpt.

Bei der "Presto" wüßte ich gar nicht, wo ich anfangen und aufhören sollte mit Lob, Preis und Dank, deswegen laß ich´s. Es gibt mit "Scars" eigentlich bloß einen Track, der abfällt, wie schon bei "Tai Shan" aus der Abteilung "Paul-Simon-like-Fake-World-Music". Der Rest ist für die Ewigkeit gemacht. Und dabei hat auch die "Presto" noch eine lupenreine Spät-80er-Klangästhetik, wie ich finde. Verstärkte Gitarrenpräsenz hin oder her. Die 80er gingen bei Rush mehr oder weniger bis "Roll The Bones".

Und alles das macht mir dann die drei Alben "Power Windows", "Hold Your Fire" und "Presto" noch einmal liebenswerter, weil sie mich an den Sound meiner Kindheit erinnern, den ich damals wenig hinterfragte, kurz darauf zu hassen begann und heute in begründeten Ausnahmefällen heiß und innig liebe.

"Counterparts" hätte ich bei Dir noch besser bewertet erwartet, daß jemand "Clockwork Angels" zu hören und auch noch zu genießen vermag, nötigt mir nach wie vor Respekt ab. Ich bekomme das nämlich beides irgendie nicht hin. Wenn man im "Dynamic Range Therometer" schaut, dann findet man bei CA vernichtende Werte (außer bei einem Song, ich vermute, "The garden"). Wenn man sich die "Presto" dagagen anschaut, insbesondere die Werte der Original-CD, atmet das Gehirn auf (denn dort finden Hörerlebnisse statt, nicht in den Ohren).

http://dr.loudness-war.info/album/list?artist=rush&album=presto
http://dr.loudness-war.info/album/view/171758

Daniel Böhm von ROCKS hat "Clockwork Angels" als nachgerade audiophile Wohltat beschrieben in der jüngsten Ausgabe. Da weiß ich dann nicht mehr, in welchem Film ich bin, aber vermutlich heißt er: "Wir schmieren den halbtauben Blues-Opis Honig ums Maul, damit sie unser Heft weiterhin kaufen".

Jedenfalls werden wir bei Rush in diesem Thread wohl keine zwei Listen finden, die sich wirklich ähneln, außer evtl. bei Cimmy und mir, das könnte vielleeeiiicht was geben. Wenn er einen guten Tag hat. :)
Herrlich detailierte Ausführungen, danke dafür!
Ich muss mich vielleicht irgendwann doch noch mal mit "Presto" beschäftigen. Bei "Power Windows" und "Hold Your Fire" habe ich es aufgegeben (bei ersterer vor allem wegen der Soundästhetik, bei letzterer tatsächlich auch oder mehr noch wegen der Songs/des Stils). Mir reicht bei den Alben, was ich davon auf der eh viel besser hörbaren "Show Of Hands" habe - die "Power Windows"-Stücke kann ich mir ohnehin nur in den Live-Versionen geben (Drumsound).
Mit deiner Einschätzung zum 80er Sound bis "Roll The Bones" gehe ich mit! Das sind irgendwie alles typische 80er-Pop-Produktionen, auch wenn z.B. "Power Windows" ganz anders klingt als eben "Roll The Bones".
Zwar bin auch ich in den 80ern aufgewachsen und mochte damals - so Mitte der 80er - (neben Rock und Hard Rock) auch noch Sachen wie Ultravox, Alphaville etc. (von ersteren mag ich immer noch einige Songs), aber eigentlich finde ich diese künstliche Klangästhetik, die bei einem großen Teil der 80er-Pop-Musik normal war (Synthies dominieren, E-Drums oder Drumcomputer statt richtigem Schlagzeug), absolut fürchterlich und dagegen kann und will ich auch einfach nichts tun. Irgendwas in mir sträubt sich dagegen, es ist fast wie eine Immunreaktion oder so...:D
Die spielerische Klasse und auch den kompositorischen Einfallsreichtum kann ich gerade "Power Windows" nicht absprechen - aber es hört sich für mich nun mal absolut schrecklich an, als würde man mir Spülmittel zum Trinken geben.
"Roll The Bones" ist mir auch viel zu weichgespült (wenn auch deutlich angenehmer) produziert (das finde ich dann auch tatsächlich noch schlimmer, als die fehlende Dynamik bei den letzten drei Alben der Band, auch wenn ich den Kritikpunkt sehr gut nachvollziehen kann und es auch toll finde, dass man da bei "Vapor Trails" immerhin im Nachhinein eine Alternative geboten bekommen hat). In ganz seltenen Momenten höre ich mir das schon wirklich gerne an, aber das ist neben alten MARILLION wohl mit das "poppigste", was ab und zu mal auf meiner Anlage läuft (gut, ich hab noch die ersten beiden Alben von TORI AMOS - aber so Singer/Songwriter-Zeug ist für mich wieder was anderes und auch da bevorzuge ich deutlich die Live-Versionen von "Live At Montreaux" oder sogar das spätere Album "Night Of Hunters").
"Grace Under Pressure" gefällt mir von RUSHs "Pop-Phase" mit Abstand am besten, bzw. als einzige vollständig - oder muss ich "Signals" auch schon zu der Phase dazuzählen? Da gab's ja eigentlich auch schon keinerlei Hardrock-Elemente mehr und die Produktion und die wachsende Dominanz der Synthies ging bereits in eine ähnliche Richtung. Daher konnte ich auch nicht nachvollziehen, wieso Götz im vorletzten (?) Heft davon sprach, dass "Signals" im Grunde die stilistische Fortsetzung von "Moving Pictures" war. Das habe ich nie so wahrgenommen, eher war "Signals" in meinen Augen ein Übergangsalbum zur (oder bereits Beginn der) nächsten Phase. Lediglich in "Vital Signs" hatte sich der Stil (oder ein Teil davon) des Nachfolgealbums ja bereits angedeutet.
Für mich erstreckten sich die verschiedenen Stile/Phasen von RUSH allerdings eh immer nur über maximal zwei bis drei Alben (Ausnahme: seit "Test For Echoes" kann man schon von einer stilistisch ziemlich homogenen Phase sprechen, vielleicht mit "Counterparts" als einleitendem Übergangsalbum). Und die Entwicklung/Veränderung von einem zum nächsten Album war eigentlich auch nie besonders krass, der Wandel erfolgte meist langsam über mehrere Alben.
 
Zuletzt bearbeitet:
Objektiv ist wohl 2112 das bessere Album, aber mir gefält Caress of Steel tatsächlich auch besser.
Objektiv, keine Ahnung...
Das Stück "2112" ist natürlich phänomenal, ich finde "Caress..." aber insgesamt deutlich konsistenter, da beim Nachfolger die B-Seite in meinen Augen schwächer ist als fast alles auf dem Vorgängeralbum (lediglich "I Think I'm Going Bald" fällt auf dem etwas ab). Und "Fountain Of Lamneth" würde ich auch nur unwesentlich hinter "2112" einordnen, "Necromancer" ist ebenfalls absolut super!
 
Zuletzt bearbeitet:
Objektiv, keine Ahnung...
Das Stück "2112" ist natürlich phänomenal, ich finde "Caress..." aber insgesamt deutlich konsistenter, da beim Nachfolger die B-Seite in meinen Augen schwächer ist als fast alles auf dem Vorgängeralbum (lediglich "I Think I'm Going Bald" fällt etwas ab). Und "Fountain Of Lamneth" würde ich auch nur unwesentlich hinter "2112" einordnen.
Finde die B-Seite der 2112 jetzt echt nicht schlecht, da fällt nur Tears mmn. etwas ab.
Vor allem Lessons mag ich sehr.
 
Finde die B-Seite der 2112 jetzt echt nicht schlecht, da fällt nur Tears mmn. etwas ab.
Vor allem Lessons mag ich dagegen sehr.
Ich hab auch nicht geschrieben, dass ich sie schlecht finde, sie fällt eben nur gegen die A-Seite deutlich ab. Das ist guter, aber nicht außergewöhnlicher 70er-Hardrock, aber in dem Stil gibt es meiner Meinung nach auf den beiden Vorgängern halt noch bessere Stücke.
 
Zuletzt bearbeitet:
Rush 8
Fly By Night 9
Caress Of Steel 8,5
2112 9
A Farewell To Kings 9,5-10
Hemispheres 9,5-10
Permanent Waves 9-9,5
Moving Pictures 10
Signals 10
Grace Under Pressure 10
Power Windows 10
Hold Your Fire 9
Presto 8,5-9
Roll The Bones 9
Counterparts 8,5
Test For Echo 8,5
Vapor Trails 9-9,5
Snakes And Arrows 8,5
Clockwork Angels 9
 
Rush 8
Fly By Night 9
Caress Of Steel 8,5
2112 9
A Farewell To Kings 9,5-10
Hemispheres 9,5-10
Permanent Waves 9-9,5
Moving Pictures 10
Signals 10
Grace Under Pressure 10
Power Windows 10
Hold Your Fire 9
Presto 8,5-9
Roll The Bones 9
Counterparts 8,5
Test For Echo 8,5
Vapor Trails 9-9,5
Snakes And Arrows 8,5
Clockwork Angels 9

Den 10er-Regen von Moving Pictures bis Power Windows kann ich vollends unterstützen.
 
Ich kann die gesamte Liste untersützen. Klar, hier und da mal +/- 0.5 Punkte, aber das ist schon sehr nahe an meiner Liste. Also ist sie sehr nahe an richtig. :)
 
Herrlich detailierte Ausführungen, danke dafür!
Ich muss mich vielleicht irgendwann doch noch mal mit "Presto" beschäftigen. Bei "Power Windows" und "Hold Your Fire" habe ich es aufgegeben (bei ersterer vor allem wegen der Soundästhetik, bei letzterer tatsächlich auch oder mehr noch wegen der Songs/des Stils). Mir reicht bei den Alben, was ich davon auf der eh viel besser hörbaren "Show Of Hands" habe - die "Power Windows"-Stücke kann ich mir ohnehin nur in den Live-Versionen geben (Drumsound).
Mit deiner Einschätzung zum 80er Sound bis "Roll The Bones" gehe ich mit! Das sind irgendwie alles typische 80er-Pop-Produktionen, auch wenn z.B. "Power Windows" ganz anders klingt als eben "Roll The Bones".
Zwar bin auch ich in den 80ern aufgewachsen und mochte damals - so Mitte der 80er - (neben Rock und Hard Rock) auch noch Sachen wie Ultravox, Alphaville etc. (von ersteren mag ich immer noch einige Songs), aber eigentlich finde ich diese künstliche Klangästhetik, die bei einem großen Teil der 80er-Pop-Musik normal war (Synthies dominieren, E-Drums oder Drumcomputer statt richtigem Schlagzeug), absolut fürchterlich und dagegen kann und will ich auch einfach nichts tun. Irgendwas in mir sträubt sich dagegen, es ist fast wie eine Immunreaktion oder so...:D
Die spielerische Klasse und auch den kompositorischen Einfallsreichtum kann ich gerade "Power Windows" nicht absprechen - aber es hört sich für mich nun mal absolut schrecklich an, als würde man mir Spülmittel zum Trinken geben.
"Roll The Bones" ist mir auch viel zu weichgespült (wenn auch deutlich angenehmer) produziert (das finde ich dann auch tatsächlich noch schlimmer, als die fehlende Dynamik bei den letzten drei Alben der Band, auch wenn ich den Kritikpunkt sehr gut nachvollziehen kann und es auch toll finde, dass man da bei "Vapor Trails" immerhin im Nachhinein eine Alternative geboten bekommen hat). In ganz seltenen Momenten höre ich mir das schon wirklich gerne an, aber das ist neben alten MARILLION wohl mit das "poppigste", was ab und zu mal auf meiner Anlage läuft (gut, ich hab noch die ersten beiden Alben von TORI AMOS - aber so Singer/Songwriter-Zeug ist für mich wieder was anderes und auch da bevorzuge ich deutlich die Live-Versionen von "Live At Montreaux" oder sogar das spätere Album "Night Of Hunters").
"Grace Under Pressure" gefällt mir von RUSHs "Pop-Phase" mit Abstand am besten, bzw. als einzige vollständig - oder muss ich "Signals" auch schon zu der Phase dazuzählen? Da gab's ja eigentlich auch schon keinerlei Hardrock-Elemente mehr und die Produktion und die wachsende Dominanz der Synthies ging bereits in eine ähnliche Richtung. Daher konnte ich auch nicht nachvollziehen, wieso Götz im vorletzten (?) Heft davon sprach, dass "Signals" im Grunde die stilistische Fortsetzung von "Moving Pictures" war. Das habe ich nie so wahrgenommen, eher war "Signals" in meinen Augen ein Übergangsalbum zur (oder bereits Beginn der) nächsten Phase. Lediglich in "Vital Signs" hatte sich der Stil (oder ein Teil davon) des Nachfolgealbums ja bereits angedeutet.
Für mich erstreckten sich die verschiedenen Stile/Phasen von RUSH allerdings eh immer nur über maximal zwei bis drei Alben (Ausnahme: seit "Test For Echoes" kann man schon von einer stilistisch ziemlich homogenen Phase sprechen, vielleicht mit "Counterparts" als einleitendem Übergangsalbum). Und die Entwicklung/Veränderung von einem zum nächsten Album war eigentlich auch nie besonders krass, der Wandel erfolgte meist langsam über mehrere Alben.
Lieber Acry, wie immer ein sehr konstruktiver Dissens zwischen uns beiden. :D Laß mich rückwärts auf einige Themen antworten (nein, das ist nicht satanistisch).

Den Beginn der dritten/späten Phase mit "Counterparts" beginnen zu lassen (der Ausdruck "einleitendes Übergangsalbum" trifft es m.E. genau) und von einem recht homogenen Abschnitt zu sprechen, deckt sich mit dem, was ich ungefähr dazu zu sagen hätte. Mein Höhepunkt dieser letzten Phase von ca. 1993-2012 wäre dann eindeutig "Snakes & Arrows".

Götzens ihm seine Rush-Story in der PW-Ausgabe ist i.wie ein Fall für sich. Den verdienten Mann würde ich jetzt nicht unbedingt als Rush-Experten im eigentlichen Verständnis ansprechen wollen, seine sonstigen Vorlieben liegen doch zu weit ab vom Fluß, der da heißt Prog und fließt im Lande, wo Milch und Honig besungen werden.

Was "Signals" angeht: Deine Einordnung finde ich plausibel, "Signals" war eher ein Bindeglied zwischen dem letzten Album der genuinen Hochprog-Phase (MP) und der folgenden 80er-Songstrukturenkompression. Man könnte viell. den Rush-Prog der 70er bis einschließl. "Moving Pictures" linearen Prog nennen und den der 80er dann vertikalen, weil sich das, was zuvor eher nacheinander ausgearbeitet und auf größerem Raum dargeboten wurde, nun eher schichtet.

Die ROCKS-Zeitschrift nennt "Signals" grobkörnig schlicht den Beginn der "Synthie-Phase", was wohl noch weiter vom Wesen dieses außergewöhnlichen Werks wegführt. Aber die ROCKS schreibt insgesamt viel Blödsinn zu Rush.Die können eher so drei-Akkord-Bands wie Whitesnake oder diesen AC/DC-Klon Airbourne.

Daß Du zu der heiligen Dreifaltigkeit der 80er-Soundästhetik keinen rechten Zugang findest, wundert mich zwar nicht sehr, finde ich aber schade. Bleibe da doch bitte dran. Zu "Power Windows" kann ich nur sagen: Ich besitze seit Neuestem die Original-LP. Ja, jetzt kommt er wieder mit seinen Original-LPs angeschissen. Aber höret meine Worte:

Mike Portnoy hat in Popoffs großartigem Rush-Interview-Buch zu "Power Windows" gesagt, er halte die Produktion für sehr gelungen, die Scheibe klänge klasse. Ich sofort mehrere Fragezeichen überm Kopf, denn ich hatte zuvor denselben Eindruck wie Du, Acry, ich fand den Sound beider CDs (der frühen und der remasterten) gräulich. Und hatte bis vor wenigen Tagen geglaubt, das Album klänge nunmal so. Hab erst nicht glauben könnne, was ich da auf der LP zu hören bekam. Eine extrem tighte, knackige und sogar bassstarke Produktion tönte aus den Rillen. Nix mit seifigem Synthiematsch mehr. Mike Portnoy kennt seine Pappenheimer, der hat die LP gut im Ohr gehabt, als er den gerade erwähnten Ausspruch tat. Das ist eine überragende Produktion, ist das. Jawollja. Deshalb gehet hin und kauft die LP, meine Brüder. Und Ihr sollt den Himmel schauen.

Bei HYF bin ich wieder bei Dir, das IST eine Frage des Stils. Ich will mal so sagen: "Hold Your Fire" ist ein bißchen die schlichte Schwester zwischen dem Top-Model "Power Windows" und der natürlichen Schönheit "Presto", aber in so einer gebenedeiten Familie wie dieser ist kein Kind umsonst zur Welt gekommen, wenn Du verstehst, was ich meine. Auch HYF hat das eine oder andere Schäferstündchen verdient.
 
Zuletzt bearbeitet:
Lieber Acry, wie immer ein sehr konstruktiver Dissens zwischen uns beiden. :D Laß mich rückwärts auf einige Themen antworten (nein, das ist nicht satanistisch).

Den Beginn der dritten/späten Phase mit "Counterparts" beginnen zu lassen (der Ausdruck "einleitendes Übergangsalbum" trifft es m.E. genau) und von einem recht homogenen Abschnitt zu sprechen, deckt sich mit dem, was ich ungefähr dazu zu sagen hätte. Mein Höhepunkt dieser letzten Phase von ca. 1993-2012 wäre dann eindeutig "Snakes & Arrows".

Götzens ihm seine Rush-Story in der PW-Ausgabe ist i.wie ein Fall für sich. Den verdienten Mann würde ich jetzt nicht unbedingt als Rush-Experten im eigentlichen Verständnis ansprechen wollen, seine sonstigen Vorlieben liegen doch zu weit ab vom Fluß, der da heißt Prog und fließt im Lande, wo Milch und Honig besungen werden.

Was "Signals" angeht: Deine Einordnung finde ich plausibel, "Signals" war eher ein Bindeglied zwischen dem letzten Album der genuinen Hochprog-Phase (MP) und der folgenden 80er-Songstrukturenkompression. Man könnte viell. den Rush-Prog der 70er bis einschließl. "Moving Pictures" linearen Prog nennen und den der 80er dann vertikalen, weil sich das, was zuvor eher nacheinander ausgearbeitet und auf größerem Raum dargeboten wurde, nun eher schichtet.
Herrlich, was dir immer für Begriffe und Analogien in Bezug auf Musik einfallen! Ich finde es nicht selten gleichermaßen erheiternd und plausibel, wie du versuchst, Musik ohne musiktheoretische Fachtermini zu beschreiben.:D
Bis hierhin liegen wir doch ziemlich auf einer Wellenlänge, außer dass "Snakes And Arrwos" bei mir nicht ganz so hoch im Kurs steht - vielleicht liegt das auch an der Länge des Albums und daran, dass ich es von den letzten vielleicht am wenigsten oft gehört habe - muss ich mal ändern!

Die ROCKS-Zeitschrift nennt "Signals" grobkörnig schlicht den Beginn der "Synthie-Phase", was wohl noch weiter vom Wesen dieses außergewöhnlichen Werks wegführt. Aber die ROCKS schreibt insgesamt viel Blödsinn zu Rush.Die können eher so drei-Akkord-Bands wie Whitesnake oder diesen AC/DC-Klon Airbourne.
Wenn man RUSHs Diskografie in nur 3 oder 4 Phasen einteilt, kann ich die Zuordnung der "Signals" im ROCKs durchaus nachvollziehen. Aber mir wäre das zu grob - für mich bilden ja schon "Permanent Waves" und "Moving Pictures" eine neue Phase (mindestens die dritte in der Bandgeschichte - vielleicht sogar die vierte, denn manchmal sehe ich die erste Bandphase schon mit dem ersten Album und dem Einstieg Neil Pearts als abgeschlossen an), die sich stilistisch doch in einigen Punkten bereits deutlich von den drei Vorgängeralben abhebt, während die beiden Alben fast wie aus einem Guss klingen.
Aber das bemerkenswerte an dieser Band ist ja auch, dass es nie einen wirklichen Stilbruch von einem Album zum nächsten gab - nur wenn man sich ein Album anhört und dann von dortaus vielleicht vier Scheiben in die Zukunft springt, muss man eigentlich immer schon von einem komplett anderen Stil sprechen. Aber die Entwicklung war halt immer nachvollziehbar und vollzog sich nie sprunghaft.
Daß Du zu der heiligen Dreifaltigkeit der 80er-Soundästhetik keinen rechten Zugang findest, wundert mich zwar nicht sehr, finde ich aber schade. Bleibe da doch bitte dran. Zu "Power Windows" kann ich nur sagen: Ich besitze seit Neuestem die Original-LP. Ja, jetzt kommt er wieder mit seinen Original-LPs angeschissen. Aber höret meine Worte:

Mike Portnoy hat in Popoffs großartigem Rush-Interview-Buch zu "Power Windows" gesagt, er halte die Produktion für sehr gelungen, die Scheibe klänge klasse. Ich sofort mehrere Fragezeichen überm Kopf, denn ich hatte zuvor denselben Eindruck wie Du, Acry, ich fand den Sound beider CDs (der frühen und der remasterten) gräulich. Und hatte bis vor wenigen Tagen geglaubt, das Album klänge nunmal so. Hab erst nicht glauben könnne, was ich da auf der LP zu hören bekam. Eine extrem tighte, knackige und sogar bassstarke Produktion tönte aus den Rillen. Nix mit seifigem Synthiematsch mehr. Mike Portnoy kennt seine Pappenheimer, der hat die LP gut im Ohr gehabt, als er den gerade erwähnten Ausspruch tat. Das ist eine überragende Produktion, ist das. Jawollja. Deshalb gehet hin und kauft die LP, meine Brüder. Und Ihr sollt den Himmel schauen.

Bei HYF bin ich wieder bei Dir, das IST eine Frage des Stils. Ich will mal so sagen: "Hold Your Fire" ist ein bißchen die schlichte Schwester zwischen dem Top-Model "Power Windows" und der natürlichen Schönheit "Presto", aber in so einer gebenedeiten Familie wie dieser ist kein Kind umsonst zur Welt gekommen, wenn Du verstehst, was ich meine. Auch HYF hat das eine oder andere Schäferstündchen verdient.
Zu "Power Windows": ich hatte tatsächlich mal die Original-LP (zu nem sehr guten Kurs gemeinsam mit "Moving Pictures", "Signals" und "Grace Under Pressure" erstanden, alles sehr gut erhalten).
Daher weiß ich noch nicht einmal, wie die CD-Versionen davon klingen und kenne nur den Originalsound! Ich habe ja auch gar nichts objektiv an der Produktion zu bemängeln (Transparenz, Dynamik etc.), es ist hauptsächlich der synthetische Drumsound und an zweiter Stelle, dass die Synthies hier noch vordergründiger sind als zuvor (einige der Synthie-Sounds hasse ich außerdem ebenfalls). Die Soundästhetik ist für mich einfach die absolute Antithese zu einer Rock-Produktion (oder allgemein einem Sound, den ich genießen kann). Daher tue ich mich auch schwer, das Album stilistisch überhaupt irgendwo im Rockbereich (einschließlich Progrock) zu sehen, obwohl es das von den (meisten) Stilmitteln her durchaus noch ist. Da hilft auch Portnoys Lob nichts, es ist mein persönlicher Geschmack, der mir dabei im Wege steht (nebenbei: "Images And Words" wird für mich durch die Produktion in der Gesamtbewertung inzwischen auch ganz schön nach unten gezogen, das habe ich vor gut einem Vierteljahrhundert allerdings noch anders gesehen). Mein Geschmack hat sich im Laufe der letzten 30 Jahre (seit ich begonnen habe, regelmäßig Tonträger zu kaufen) zwar durchaus recht stark gewandelt, aber dass ich diesen Sound noch mal lieben lerne, halte ich für ausgeschlossen, da es bei mir tendenziell sogar eher in die andere Richtung geht (seit ich viel 70er und Spät-60er Zeug höre, wächst meine Abneigung gegen E-Drums, Drumcomputer, Trigger und Co. eher noch stetig, wobei ich im Progressive Metal und vor allem im progressiven/technischen Death Metal noch am ehesten mit eher sterilem Soundbild klarkomme, bzw. es da bis zu einem gewissen Grad noch ganz gut tolerieren kann).
 
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Wundervolle Diskussion! Da bekommt man gleich Lust, die entsprechenden Alben einzulegen.
Ich weiß noch, das ich beim Rückwärtsentdecken Anfang der 90er, zuerst auch meine Probleme mit dem Phase 82-89 hatte. Ich kannte halt die 70er Scheiben und die (für mich) phantastische "Roll The Bones", mit welcher meine Rushophorie quasi manifestiert wurde. 'Bravado' allein reicht mir, um dieses Album auf Ewig abzufeiern. Aber zurück zum Kernthema: Neben der wundervollen "Power Windows" war es zunächst die wohll poppigste Scheibe der Phase - "Hold Your Fire" -, die ich besonders gern mochte und immer noch mag. Ich bin ja auch der, der 'Tai Shan' wunderschön findet. Die anderen Scheiben habe etwas gedauert und zählen auch noch immer nicht zu meinen absoulten Bandfavoriten. Aber ich werde mir das wohl demnächst mal wieder intensiver anhören. Vielen Dank für die Anregung.
 
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