SPARKS in den 70gern ganz gross....

Nach dem Genuss des absolut fan-tas-tischen Konzerts vor ein paar Wochen in Berlin, kann ich nicht mehr länger an mich halten und werde diesen Thread fortan in unregelmäßigen Abständen mit random Albenreviews zuspammen. Aber kein Grund zur Panik: Stand jetzt reden wir lediglich von 27 Studioalben. Sollte dies bei dem oder anderen Sparks-Novizen auch nur einen Hauch von Neugier an dieser super-interessanten und super-unterhaltsamen Band wecken, so sei zum Einstieg in die Materie mit Nachdruck die großartige Band-Doku The Sparks Brothers von Edgar Wright aus 2021 empfohlen. Here we go:

Nº 1 in Heaven (1979)


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Womöglich der drastischste Wendepunkt in der Bandgeschichte: Offenbar genervt und gelangweilt vom klassischen Rockband-Gefüge strecken die Mael-Brüder ihre Fühler in Richtung des Disco-Pioniers Giorgio Moroder aus, der dank einer Verkettung glücklicher Zufälle tatsächlich anbeißt und das Album produziert. So ist der Sound naturgemäß stark geprägt von Moroder-typischen Synthesizern und Sequenzern, wobei ein von Menschenhand eingespieltes Schlagzeug das ganze mit einer eigenen Note ergänzt. In einer Plattenkritik wurde der Klang seinerzeit als "icy sharp and fresh" bezeichnet, was ich - auch in Verbindung mit dem unterkühlten Artwork - als sehr passend finde.

Das mit knapp 34 Minuten recht kurze Album startet in Form von "Tryouts For The Human Race" direkt mit einem Kracher. Aus der Perspektive von Spermien wird der dramatische Kampf um das eigene Leben sowie das Überleben der menschlichen Rasse geschildert: "Tryouts for the human race, from Burlington to Bonn. Ah, we are a quarter billion strong. Tryouts for the human race, from twilight time 'til dawn. We just want to be someone. […] Let us out of here! Let us out of here! Let us out of here!"

Das überdrehte "Academy Award Performance" gibt mir persönlich von den hier vertretenen sechs Songs am wenigsten. Allerdings verleitet mich dieser Track zu einer vielleicht ganz interessanten Spekulation: In der Doku gibt sich Roddy Bottum (Keyboarder von Faith No More) als Sparks-Fan zu erkennen. Und ich würde behaupten, dass seine leicht schrägen, oftmals Jahrmarkt-mäßigen Melodien, zu einem nicht geringen Teil von Sparks inspiriert sind. Vielleicht ist es nur Einbildung, aber ich meine z.B. Parallelen zwischen diesem Song und den Keyboard-Harmonien auf FNMs "Land Of Sunshine" ausmachen zu können.

"La Dolce Vita" ist eine erstklassige Italo-Disco-Nummer, die sich Ron's Lieblingsthema - dysfunktionalen, tragisch-komischen Beziehungen - widmet. Hier im speziellen seinem Lieblingslieblingsthema, nämlich der Frage, wie es hässlichen Kerlen gelingt, solch hübsche Damen abzukriegen (Zitat aus einem anderen Song: "It ain't done with smoke and mirrors."). Keine Ahnung, warum das damals kein riesiger Sommerhit war. "Looking real bored is what you pay me for. Looking real bored's as hard as scrubbing floors. I'm overpaid but still I'll ask for more. Baby, after all you've got to help the poor."

Passend zum Titel ist "Beat The Clock" das kürzeste Stück auf den Album und nicht zuletzt auch dank der bekloppten Lyrics ein Garant für gute Laune. "Entered school when I was two. PhD'd that afternoon. Never entered any sports. Didn't look too good in shorts. Got divorced when I was four. You gotta beat the clock, you gotta beat the clock. [...] No time for relationship. Skip the foreplay, let 'er rip."

Die sphärischen Vocoder-Chöre von "My Other Voice" sind anschließend der perfekte Übergang zu einem der herausragendsten Songs der Band - "The Number One Song in Heaven" (*auf die Knie geh*). Dass ausgerechnet ein (zumindest nach meiner Interpretation) teuflisch-böser Song über die verschiedenen Möglichkeiten des Ablebens ("In cars it becomes a hit. And in your homes it becomes advertisement. And in the streets it becomes children singing.") es zu so etwas wie der Bandhymne schlechthin geschafft hat, ist fast noch absurder als der wahnwitzige Tempowechsel zu Beginn des Songs. "Lyrically weak, but the music's the thing." Pure Liebe!
 
Nach dem Genuss des absolut fan-tas-tischen Konzerts vor ein paar Wochen in Berlin

So sehr ich mich freue, dass Du endlich was über die Alben schreibst, würden mich ein paar Worte zum Konzert brennend interessieren. Hab absolut keine Vorstellung davon, wie sich das Publikum bei einem Sparks-Konzert 2023 zusammensetzt oder wie viele Leute da kommen...? Und die Frage, die man irgendwie immer häufiger stellt: Wie fit sind denn die Musiker noch so?

Außerdem noch kurz für's Protokoll: Mir ist eingefallen, dass ich in den 90ern gar nicht nur "When Do I Get To Sing My Way" von denen wahrgenommen habe, sondern noch einen anderen Song. Und der Grund dafür sind ausgerechnet Tsui Hark und Jean-Claude van Damme, haha:
 
Ich war auch auf dem Sparks Konzert in Berlin, da die Band doch noch auf meine "bucket list" gerutscht war während der Pandemie und ich war dann doch sehr angetan davon.
Dass es nicht total extatisch im Publikum wird war mir klar, zum einen war ich mit meinen 30 Jahren wohl eher bei den jüngeren, ich meine aber ein paar Familien gesehen zu haben die dann noch jüngere Kinder dabei hatten. Zudem war das ganze Tempodrom bestuhlt.
Ich fand die Setlist ganz schön gemischt, der Fokus lag natürlich auf dem neusten Album und bekommt von mir ganz gut Respekt bei dem Backkatalog sich schon noch so zu präsentieren. Ich musste mir nach dem Konzert echt nochmal anschauen wie alt denn die beiden Herren mittlerweile sind, denn das fand ich alles deutlich besser als erwartet. Man kann sich meine ich fast nur wünschen in dem Alter sofit zu sein wie Russell Mael der noch gut bei Stimme ist und teilweise ja richtig über die Bühne gesprungen ist.
Ob ich wieder nach Berlin reisen würde ei dahingestellt, aber kämen sie etwas mehr in meine Nähe dann würde ich mir die wohl erneut anschauen.
 
Ich war auch auf dem Sparks Konzert in Berlin, da die Band doch noch auf meine "bucket list" gerutscht war während der Pandemie und ich war dann doch sehr angetan davon.
Dass es nicht total extatisch im Publikum wird war mir klar, zum einen war ich mit meinen 30 Jahren wohl eher bei den jüngeren, ich meine aber ein paar Familien gesehen zu haben die dann noch jüngere Kinder dabei hatten. Zudem war das ganze Tempodrom bestuhlt.
Ich fand die Setlist ganz schön gemischt, der Fokus lag natürlich auf dem neusten Album und bekommt von mir ganz gut Respekt bei dem Backkatalog sich schon noch so zu präsentieren. Ich musste mir nach dem Konzert echt nochmal anschauen wie alt denn die beiden Herren mittlerweile sind, denn das fand ich alles deutlich besser als erwartet. Man kann sich meine ich fast nur wünschen in dem Alter sofit zu sein wie Russell Mael der noch gut bei Stimme ist und teilweise ja richtig über die Bühne gesprungen ist.
Ob ich wieder nach Berlin reisen würde ei dahingestellt, aber kämen sie etwas mehr in meine Nähe dann würde ich mir die wohl erneut anschauen.

Ich sah sie 2022 in Hamburg im Mojo Club und man konnte stehen. Die beiden sind in diesem Alter immer noch top fit. Ich glaube, die können das noch einige Jahre durchziehen. Das Publikum war so zwischen 30 bis 60+. Die Setlist war noch etwas durchmischter als auf der jetzigen Tour. Zwei Frauen in der ersten Reihe hatten Stoffpuppen von den beiden angefertigt. Natürlich führte Ron Meal auch seinen "Rondance" auf.
Hier ist noch ein Bericht dazu:
https://frontstage-magazine.de/2022...her-abend-im-mojo-club-livereview-25-04-2022/
 
So sehr ich mich freue, dass Du endlich was über die Alben schreibst, würden mich ein paar Worte zum Konzert brennend interessieren. Hab absolut keine Vorstellung davon, wie sich das Publikum bei einem Sparks-Konzert 2023 zusammensetzt oder wie viele Leute da kommen...? Und die Frage, die man irgendwie immer häufiger stellt: Wie fit sind denn die Musiker noch so?

@Edgehead1910 hat das bereits sehr zutreffend geschildert. Die Setlist war alles andere als auf Nummer sicher getrimmt. Sehr viel vom aktuellen Album (darunter auch das echt anstrengende "We Go Dancing"), aber auch einigermaßen obskures Zeug wie "Beaver O'Lindy" vom zweiten Album, das von Ron gesprochene "Shopping Mall Of Love" (yeah!) oder die aus meiner Sicht gar nicht mal so guten Stücke "Balls" und "The Toughest Girl in Town". Insgesamt waren es dann 20 Songs in knapp zwei Stunden (Setlist).

Was Russell mit seinen 74 Jahren da auf der Bühne sowohl gesanglich als auch an mitreißendem Stageacting abzieht, ist schlichtweg unglaublich. Ron als drei Jahre älterer Bruder hat es da hinter seinem Keyboard natürlich leichter, wobei er seine ikonische Tanzeinlage bei "The Number One Song in Heaven" immer noch recht geschmeidig auf's Parkett bringt. Aber auch den Rest der Band, die in dieser Zusammensetzung im Kern jetzt auch schon einige Zeit zusammen ist, darf man ruhig einmal lobend erwähnen.

Das Publikum lässt sich in der Tat am besten mit der typischen Altersangabe auf Gesellschaftsspielen zusammenfassen, also geeignet für 8 bis 99 Jahre. Das erklärt vielleicht auch die komplette Bestuhlung des Tempodroms - was aber schon einigermaßen genervt hat, da vorsichtige Versuche des Aufstehens anfangs sowohl von den Leuten hinter einem als auch von den Ordnern rigoros unterbunden wurden. Zum Glück konnte dieser Bann ab "Music That You Can Dance To" endgültig gebrochen werden, was die Stimmung in der Halle dann auch endlich auf das verdiente ausgelassene Niveau hob.

Ich war restlos glücklich und freue mich mit der Band, dass sie auf der Zielgerade ihrer Karriere noch einmal einen solchen Popularitätsschub bekommen hat. Die herzliche Dankbarkeit der beiden war gerade zum Ende hin richtiggehend greifbar. Sogar Ron hat teilweise komplett die Selbstbeherrschung verloren, so dass mehr als einmal ein Lächeln über seine Lippen huschte. Schön!
 
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Außerdem noch kurz für's Protokoll: Mir ist eingefallen, dass ich in den 90ern gar nicht nur "When Do I Get To Sing My Way" von denen wahrgenommen habe, sondern noch einen anderen Song. Und der Grund dafür sind ausgerechnet Tsui Hark und Jean-Claude van Damme, haha:

Ah, cool! Aber den Song namens "Tsui Hark" (von Gratuitous Sax & Senseless Violins, also dem Album, auf dem auch "My Way" drauf ist) kennt du demzufolge nicht? Dieser Song, der aus Interview-Samples von Tsui Hark besteht, wird glaube ich gemeinhin sehr gerne als Antwort auf die Frage nach dem schlechtesten Sparks-Song aller Zeit genannt. :D

Bitte sehr: https://www.youtube.com/watch?v=xi8C51cJVhQ
 
Ah, cool! Aber den Song namens "Tsui Hark" (von Gratuitous Sax & Senseless Violins, also dem Album, auf dem auch "My Way" drauf ist) kennt du demzufolge nicht? Dieser Song, der aus Interview-Samples von Tsui Hark besteht, wird glaube ich gemeinhin sehr gerne als Antwort auf die Frage nach dem schlechtesten Sparks-Song aller Zeit genannt. :D

Bitte sehr:

Haha, nee, nie davon gehört (oder eventuell vor vielen Jahren wieder vergessen) - bin jedenfalls baff und amüsiert, danke! Dass es diesen Song schon ein paar Jahre vor dem besagten Van-Damme-Film gab, macht's ja noch kurioser...!

(Tolle Listenwahn-Idee: Nach Regisseuren benannte Songs. Mit dem hier, "Tinto Brass" von Porcupine Tree und "Martin Scorsese" von King Missile käme ich spontan erst auf drei...)
 
(Tolle Listenwahn-Idee: Nach Regisseuren benannte Songs. Mit dem hier, "Tinto Brass" von Porcupine Tree und "Martin Scorsese" von King Missile käme ich spontan erst auf drei...)

Bezogen auf den Sparks-Kosmos könnte man mit Abstrichen noch den Song "When You're A French Director" nennen, der mit Leos Carax aufgenommen wurde, welcher später wiederum bei Annette Regie führen sollte. Und natürlich das gesamte Radio-Hörspiel The Seduction Of Ingmar Bergman, welches von Bergmans kurzer Zeit in Hollywood handelt - hieran habe ich mich aber noch nicht herangetraut, da ich mir gar nicht vorstellen mag, was das denn nun schon wieder ist.
 
Angst In My Pants (1982)

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Das mega-repräsentative Sparks-Album gibt es vermutlich nicht. Zum Einstieg und sofortigem Verlieben in die Band dürfte Angst In My Pants aber vielleicht mit am besten geeignet sein. Super-eingängiger New Wave-Pop (produziert von Reinhold Mack, der etwa zur gleichen Zeit auch mit Queen gearbeitet hat), mitreißend auf den Punkt gespielt und mit einem irre hohen Spaß-Level versehen. Und das liegt - neben dem wundervollen Cover - zu einem guten Teil natürlich auch an den herrlich unanständigen Texten, die hier zuhauf zu finden sind. So viele Momente des "das haben die jetzt nicht wirklich gesungen, oder?" dürfte wohl kaum ein anderes Sparks-Album enthalten.

Der Titeltrack (mit verzagter Furcht und Panik in der Stimme gesungen) spricht ja schon einmal für sich und die erste Strophe muss hier einfach komplett zitiert werden: "You can dress nautical, learn to tie knots. Take lots of Dramamine out on your yacht. But when you're all alone and nothing bites, you'll wish you stayed at home with someone nice. But when you think you made it disappear, it comes again, 'Hello, I'm here' and I've got angst in my pants."

"Sextown U.S.A." ist ebenfalls selbsterklärend: "If you try to come here and you try to abstain, they'll send you to the prison for the criminally insane."

In "Nicotina" geht es um das Self-Empowerment einer Zigarette, deren neu gewonnene Freiheit nur einen kurzen Moment andauert, um dann den Weg alles Irdischen zu gehen: "They're born to lose. They're born to fill. The lungs of Jack. The lungs of Jill."

"Mickey Mouse" passt eigentlich überhaupt nicht auf dieses Album und auch nicht zu Sparks im Allgemeinen. Musikalisch ist der Song auch echt nichts Besonderes und eher mit einem gewissen Nerv-Potenzial ausgestattet. Aber diese völlig unironische "Kopf hoch, du schaffst das"-Message spricht mich irgendwie total an. Sollte ich mich in diesem Lebens jemals noch für irgendetwas motivieren müssen (smiley) - das wäre mein Song der Wahl: "Did you raise both your hands and clap 'em? Did you say, 'sure, I'll always try'? Cause you look hesitant, wary, or am I wrong? You can go off and be a loner. Maybe you can't believe a mouse."

Eigentlich skandalös, dass Ron so lange gebraucht hat, um einen Lied über den „Moustache“ zu schreiben: "A lady gets a lotta things. She gets a 20 carat ring. She gets the alimony too. She gets to look good in the nude. But there's one place where they've been whipped: Between the nose and upper lip." …und natürlich: "But when I trimmed it real small, my Jewish friends would never call." Äh ja.

"The Decline and Fall of Me" sticht dank totaler Gaga-Lyrics selbst auf diesem Album noch einmal hervor: "If I had a hammer, I would drop it and break it. Look at the pieces. Now I've got a hobby, I collect frozen pizzas. Check out my pizzas." […] "Where's my mouth, man, this eating is rough on the shirts. Gee, I'm sorry about the thermometer, nurse."

Und sonst? Das statische "I Predict" als Singleauskopplung zu wählen, war jetzt vielleicht nicht die naheliegendste Idee. Und bei "Sherlock Holmes" dürfte eine Band wie Franz Ferdinand (denen wir hier später bestimmt noch einmal begegnen werden) ganz genau hingehört haben.

Insgesamt sind’s 11 Songs von denen ich als Anspieltipps "Angst In My Pants", "Moustache" und "Eaten By The Monster Of Love" nennen würde. Perverse Pop at its best!
 
Propaganda (1974)

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Der Nachfolger vom Erfolgsalbum Kimono My House gefällt mir aus der "klassischen" Sparks-Phase am besten, da sie hier für meinen Geschmack die perfekte Balance aus überdrehtem Power-Pop, verspieltem Glam und Queen’scher Pomposität gefunden haben.

[Hot Take: Richtigerweise müsste man natürlich sagen, dass Queen wie Sparks klingen - und nicht andersrum. Schließlich durften Queen 1972 einmal für Sparks als Vorband spielen. Point proven, I rest my case.]

Sparks-Schnelltest: Wer beim überwältigenden Einstieg in Form des Zuckerschocks "At Home, At Work, At Play" nicht sofort unkontrolliert durch seine Wohnung hüpft, hört das Album offenbar nicht in seiner Wohnung, sondern woanders. Oder kann das mit dieser komischen Band auch gleich wieder sein lassen. So.

Bei "Reinforcements" bin ich mir nicht hundertprozentig sicher, ob hier jemand mit seiner Beziehung hadert oder einfach nur nach etwas Viagra-ähnlichem verlangt: "When a potentate ain't so potent in his state he summons help fast. Unilaterally I withdraw. What was peace is now a grand coup d'etat." […] "Reinforcements, reinforcements - I could use a strong rear guard. Reinforcements, reinforcements - First the left flank, then the right. I'd sooner work the PX tonight." Hmm.

Nach der einzigen kurzen Kröte "B.C." kommt mit "Thanks But No Thanks" einer der textlich wohl seltsamsten Sparks-Songs ever (wir müssen hierbei immer im Hinterkopf behalten, dass das gewöhnliche Weirdness-Level im Bandkontext etwa bei 8,5 von 10 auf der genormten Seltsamkeitsskala liegt). Inhaltlich geht’s um das elterliche Mantra "Vorsicht vor fremden Leuten" und wie sich der junge Protagonist bei all den Fremden für das Ausschlagen ihrer Angebote an Nettigkeiten entschuldigt: "The merry band of ‚How are you's‘ in tweedy suits and pointy shoes. They offer me a ride in style and something sweet to make me smile. I hate to hurt their feelings so but I'm supposed to tell them no. My parents say the world is cruel. I think that they prefer it cruel. Thanks but no thanks, anyway. I know that you're all OK. But my orders come from high above me. About a foot or two above me." Interessant übrigens, dass es in puncto Texte in der Regel dann am schrägsten wird, wenn Russell auch mal mittexten darf. Passend dazu dieses Review auf rateyourmusic: "Couple of fucking weirdos. 4/5"

Die A-Seite endet dank "Don’t Leave Me Alone With Her" zum Glück mit leichterer Kost, nämlich der Angst vor dem Ertragen irgendwelcher S&M-Praktiken, wenn die Party-Crowd das Anwesen erst einmal verlassen hat.

Die großartig aufgebaute Ballade "Never Turn Your Back On Mother Earth" wird landläufig als Proto-Umweltschutz-Hymne (miss)verstanden. Wobei es hier viel mehr um Schutz vor der Umwelt geht, da Mutter Natur nunmal ein hinterhältiges Biest ist und nur darauf wartet, in einem unbeobachteten Moment zuzuschlagen: "When she's on her best behaviour, don't be tempted by her favours. Never turn your back on Mother Earth."

Das quirlige "Something For The Girl With Everything" erzählt von jemandem, der seine Partnerin mit allen erdenklichen materiellen Annehmlichkeiten überschüttet, damit sie nicht sein dunkles Geheimnis ["She knew you way back when you weren't yourself."] ausplaudert: "Here's a really pretty car. I hope it takes you far. I hope it takes you fast and far. Wow, the engine's really loud. Nobody's gonna hear a thing you say."

"Achoo": Den Ausbruch einer Pandemie mit Liebeskummer resultierend aus dem Verlust der Partnerin an ihren behandelnden Pest-Doktor zu verknüpfen, haben zumindest die mir bekannten Bands während der Corona-Hochphase verpasst. Aber zum Glück gibt’s ja diesen Song.

"Who Don’t Like Kids" nervt dann etwas mit Kindergeschrei und Endlosschleife am Songende. Mit "Bon Voyage" wird aber alles wieder gut: Erzählt wird die wirklich rührende Geschichte von den Tieren, die keinen Platz mehr an Bord der Arche Noah bekommen haben und jetzt Abschied von ihren alten Bekannten nehmen müssen: "God, could there be some way that I could wear a hood or by the way I stood sneak aboard with you. Imitate, imitate, imitate, imitate. They still know its you. Bon voyage, peace be with all of you." Schnüff.

Hier noch die Fortsetzung des Frontcovers:

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Lil' Beethoven (2002)

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Nach den Neueinspielungen alter Sparks-Songs auf Plagiarism (1997) und dem wenig inspiriert wirkenden Balls (2000) waren die Maels wohl zum ersten Mal in ihrer Karriere in einer kreativen Sackgasse angelangt. Aber zum Glück gibt's ja den Bayerischen Rundfunk. Dieser bastelte 2001 an einer Art Tribute-CD für den legendären Fußballkommentator Günther Koch und kontaktierte im Zuge dessen auch Sparks, die Schnipsel aus Koch's Übertragungen zum Song-Experiment "Wunderbar" zusammenfügten und daran offensichtlich viel Freude hatten.

Dies führte zu einem drastischen Stilwechsel, der so radikal war, dass die beiden Brüder diese Platte zunächst nicht als Sparks, sondern unter dem Projektnamen Lil' Beethoven veröffentlichen wollten. Also, worum geht's? Kammer Pop statt Synth Pop, eine vielschichtige Instrumentierung im Stile eines klassischen Orchesters, prominentes Piano, opulente Gesangs-Arrangements, Wiederholungen ohne Ende und kaum noch irgendwelche Beats. Denn diese hat schließlich...

..."The Rhythm Thief" gemopst: "I am the rhythm thief. Say goodbye to the beat. I am the rhythm thief. Auf Wiedersehen to the beat. Oh no, where did the groove go? Lights out, Ibiza. You'll never get it back. The rhythm thief has got it and you'll never get it back." Eigentlich sollte jedes DJ-Set der Welt hiermit enden.

Erstaunlicherweise funktioniert hier selbst ein Uraltwitz wie "How Do I Get To Carnegie Hall?" ("Practice, man, practice!") prächtig.

"I Married Myself" ist ein wunderbar romantischer Song über die Liebe zu einst: "I married myself. I'm very happy together. Long, long walks on the beach. Lovely times. This time it's gonna last forever."

Und wenn sich eine Band erst einmal dazu durchgerungen hat, einen dramaturgisch mitreißenden Song zu machen, der im Prinzip nur aus der Textzeile "My Baby's Taking Me Home" besteht, erscheint auf einmal alles möglich.

Zum Beispiel auch ein Song über eine nervige Warteschleifenansage à la "Your Call's Very Important to Us. Please Hold.", der hier Sparks-typisch in das Grübeln über den aktuellen Beziehungsstatus abdriftet: "I'm getting mixed signals. At first she said: 'Your call is very important to us.' And then she said: 'Please hold, please hold.' Green, green light. Red light."

"Ugly Guys With Beautiful Girls" geht eine der ältesten Fragen der Menschheit auf den Grund: "How is it possible that a guy and a girl so dissimilar in physical appearance there being such a disparity in how attractive each is are nonetheless in what would appear to be a relationship? [...] It ain't done with smoke and mirrors. [...] My shortcomings were of an economic nature. He was rich, I was not. You see, I underestimated the appeal to her of things. Imported things on wheels. Large things with manicured lawns and olympic swimming pools. Things to wear around her neck that would glisten in the night light. Things!" Ausnahmsweise gibt's hier eine klassische Rock-Instrumentierung mit Gitarrenparts von Dean Menta (of Faith No More-fame).

Das abschließende "Suburban Homeboy" ist dann vielleicht etwas cringey geraten, was weniger am Polka-Rhythmus als am arg klischeeüberzogenen Versuch, das Anbiedern von weißen Vorstädtern an einen schwaren urbanen Lifestyle zu karikieren liegt. Der Textfetzen "She's from the projects in St. Tropez" ist aber schon ziemlich brilliant.

Dieses minimalistische Konzert in Stockholm aus 2004 mit kompletter Album-Performance sei bei weiterem Interesse empfohlen: https://www.youtube.com/watch?v=Agr4tEP6mz4
 
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Auf Grund der tollen und mitreißenden Reviews habe ich mir EINIGES angehört und wollte das Gutfinden, musikalisch ist das aber für mich unerträglich, schade :hmmja:
 
Auf Grund der tollen und mitreißenden Reviews habe ich mir EINIGES angehört und wollte das Gutfinden, musikalisch ist das aber für mich unerträglich, schade :hmmja:

Das kann ich absolut nachvollziehen. Rein musikalisch ist das sicherlich eher speziell und ich wundere mich ehrlich gesagt auch manchmal, warum das bei mir ausgerechnet so einen Nerv getroffen hat. Aber sieh es positiv: Die meisten Leute hier (also ich auf jeden Fall) sind wahrscheinlich erleichtert, wenn sie zur Überzeugung gelangen, dass eine Band mit einer 27 Alben umfassenden Diskographie geflissentlich ignoriert werden kann...! ;)
 
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Music That You Can Dance To (1986)

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Nachdem die Anfänge der 1980er Sparks und ihrem zu der Zeit fabrizierten kruden Wave-Pop noch einigermaßen wohlwollend gegenüberstanden, ging es kommerziell gesehen in der Folge immer weiter bergab. Die Plattenfirma (MCA Records) machte sich berechtigte Sorgen und unterbreitete der Band den originellen Vorschlag, es doch einmal mit Musik zu probieren, zu der man tanzen kann. Offenbar wenig begeistert über diese versuchte Einmischung in ihre künstlerische Belange, nahmen die Maels die Plattenfirma beim Wort und begaben sich an die Produktion eines der unterhaltsamsten piss-takes der Popgeschichte.

Und so klingt MTYCDT wie die grässlichsten Scheußlichkeiten, die das Jahr 1986 hervorgebracht hat und die auch im verklärten Rückspiegel der Nostalgie einfach nicht an Substanz gewinnen wollen. Der Sequenzer tackert unerbärmlich durch den 4/4-Takt, der Fairlight-Synhie scheint nur diese fiesen orchestra hits zu beherrschen und alles ist viel zu laut und zu knallig und zu Maria Magdalena. Aber man ahnt es: Das macht einfach irre Spaß.

Der eröffnende Titelsong hält sich bis heute im Live-Repertoire und das völlig zu Recht. Die grollende Verachtung über den bedeutungslosen Brei der damaligen Radio-Hits mithilfe eines veritablen Dancefloor-Knallers rüberzubringen, ist schon oberstes Regal: "Music that you can dance to / That and that alone is enough for me / Stark naked modern music / Hotter than your momma will ever be." bzw. "Music that you can dance to / Get yourself in tune for the real McCoy / No heavy message baby / Just the perfect blending of sex and noise". Dazu noch garstiges Saxofon-Gedudel und fertig ist die Laube.

"Rosebud" nimmt das Tempo raus und gefällt mit seiner dunkel-dramatischen Stimmung. Die offensichtliche Hommage an Citizen Kane schlägt sich textlich gleichwohl nur im gesprochenen Schlusspart nieder: "In a movie, a life can be summed up in a word. It's a useful dramatic device. In the real world with real flesh and real blood one word is never, ever enough."

Mit "Fingertips" (im Original von Stevie Wonder) gibt’s einen der wenigen Coversongs, die Sparks jemals aufgenommen haben. Als Vorlage dient hier die Live-Version eines zwölfjährigen Stevie Wonders, welche viel Publikumsinteraktion enthält und einfach eins zu eins übernommen wurde, was zwar den Bollo-Text erklärt, aber nicht, warum mir das so gut gefällt: "C'mon, c'mon, yeah, yeah, hey (yeah!) Clap your hands, c'mon! Stamp your feet, c'mon! Jump up and down, c'mon! Do anything that you wanna do, yeah yeah!"

"Armies Of The Night" hatte es ein Jahr zuvor immerhin auf den Soundtrack von Fright Night geschafft, ist super und lässt mich tatsächlich an "The Sleepwalkers" von Van der Graaf Generator denken. "It's your patriotic duty to look as good as you can. It's your patriotic duty to dance with me."

"The Scene" ist mit seinem geslappten Bass und den regelrecht brutalen Schlagzeug-Samples dann wohl das Stück, welches auch den "Hi-NRG"-Tag für dieses Album rechtfertigt. Im weiteren Verlauf der gut sechs Minuten franst der Song dann irgendwo in Richtung Acid House / Madchester-Sound aus und bietet damit wohl die meiste Abwechslung. "Step up, step up, and all aboard the scene. The floors are shaking. The blood is pumping. The skin is baking." Aber auch: "There'll be a world without extended mixes." Aha!

"Shopping Mall Of Love" (war dieses Jahr sogar in der Live-Setlist!) ist einer der wenigen Songs, bei denen Ron ein paar seiner Lyrics auch selbst eingesprochen hat: "She makes me laugh, she makes me laugh, she makes me laugh. She makes me laugh, she makes me laugh, she makes me laugh." Creepy stuff. "Yeah."

"Modesty Plays" ist die Neueinspielung einer B-Seite aus 1982 und enthält noch das seinerzeitige Giorgio Moroder-Feeling. Nett.

Das abschließende "Let’s Get Funky" zeigt Sparks dann nochmal von ihrer abartigsten und schäbigsten Seite. Der ideale Rausschmeißer-Song für unliebsame Gäste. Was für ein kaputtes Sleaze-Fest! "She looked hungry and knew I was. So she ate lunch with me. Then she held out a greasy hand. Rubbed the grease on my knee. Oh yeah, oh yeah, oh yeah!"

Achja: MCA haben den in Albenform gegossenen Mittelfinger sehr wohl erkannt und die Band kurz nach Release gedroppt - Ritterschlag!
 
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