Im Augenblick steht für mich eigentlich nur eine Band ernstzunehmend in der Tradition der besten Wax-Trax!-Jahre und das ist bestimmt nicht Surgical Meth Machine:
Die ultimative Supergroup der US-Extreme-Doom-Avant-Musik. Mit Mitgliedern von EyeHateGod (Mike IX), Neurosis (Scott Kelly), Minsk (Sanford Parker) und Yakuza (Bruce Lamont) liefert besonders das zweite Album Know How to Carry a Whip einen geschickten Brückenschlag zwischen aktuellem Sound und alten Ministry-Veröffentlichungen. Während das Debütalbum Last City Zero noch wie ein vielschichtiges und facettenreiches Sammelsurium unterschiedlicher Ideen wirkte, die mehr wie eine von Parker erstellte Collage der drei verbleibenden Egos wirkte, erscheint Know How to Carry a Whip in sich geschlossener. Man glaubt gerade hier einen Unterschied zwischen den Alben zu vernehmen. Was allerdings nicht bedeutet, dass KHtCaW Ideenärmer wäre, es wirkt nur geschlossener. Das Konzept scheint hier weniger aus dem bereits existentem Repertoire der Musiker zusammengefügt und mehr gemeinsam entstanden. Zu dem einen auf Last City Zero bereits vorhandenem Eckpfeiler des Konzeptes, Williams Dark-Negative-Poetry-Texte trat nur Sanford Parkers Wax-Trax!-Verehrung hinzu. Die Produktion, die schon von Beginn der Band in diese Richtung deutete, scheint nun mit eine tragende Rolle in der Musik zu spielen. Hier war das Debüt schlicht Fragmentierter im Klang.
Know How to Carry a Whip bleibt dennoch ein doomig-elektronisches Rock-Metal-Album, dass von Williams nihilistischen Texten lebt. Wobei Williams den Löwenteil des Textvortrags übernimmt und dabei auf sein kehlig-unverständliches EHG-Keifen verzichtet, stattdessen brüllt und spricht er, wie auch schon auf den vorherigen Veröffentlichungen von Corrections House.
Die Musik ist vornehmlich ein wütend-verzweifeltes Stück aus schlicht-eingängig programmiertem Rhythmus, vielen Distortionen und Filtereffekten und einer schweren Gitarre. Dabei erwischen Williams, Kelly, Parker und Lamont fast anhaltend die nötige Griffigkeit um Songtechnisch schon beinah von Hits sprechen zu können. Insbesondere die erste Hälfte des Album Mit Crossing My One God Finger, Superglued Tooth, White Man's Gonna Lose und Hopeless Moronic hätten als düstere Industrial-Rock-/Industrial-Metal-Songs ein gewisses Hitpotential inne gehabt, welches in den 1990ern die Band vielleicht zu immenser Größe hätte aufsteigen lassen, vielleicht. Ohne die 90er, ohne den Industrial-Rock-Hype, ist es natürliche dennoch eine Neurot-Kombo, die wie vieles von Neurot ein wenig Hipster-Liebe erfährt, aber eben auch als Neurot-Kombo von vielen anderen Interessierten in die böse Hipster-Nerd-Ecke abgeschoben und in Folge dessen mit Missachtung gestraft wird. Wobei, wer hört heute schon noch solche Musik? Wer hörte sie überhaupt mal? Dem klassische NWoBHM- oder Thrash-Fan waren die düsteren Ministry-Platten vielleicht damals schon zu wenig Metal und zu sehr Post-Industrial, Skin Chamber wurden meist als Antimusik gehandelt und auch Godflesh oder Pitch Shifter waren kaum Massenkompatibel. Wieso sollte es also heute mit Gruppen die sich in diese Tradition stellen irgendwie anders sein? Und wenn man sich die Ausgangslage der vertretenen Musiker ansieht: EyeHateGod, Neurosis, Yakuza, Minsk?
Auch das waren immer schon Spartenbands die, wenn auch nicht zwingend die Linksintellektuelle-Hipster-, so doch mindestens, dem Ethos des Hardcore entsprungene, Minderheiten-Musik spielen und spielten. Nicht unbedingt Links, aber immer Antielitär und Antiautoritär, wodurch die Interpretation nach Links immer schnell zur Hand ist. Und mal weg von der assoziierten Ideologie, musikalisch auch ursprünglich aus dem (Post-)Industrial und Hardcore genährte Musik, die um das individuelle Streben nach einer mentalen Öffnung kreist. Insbesondere EyeHateGod und Neurosis boten hier zwei Seiten einer Medaille, die beide durchaus in eine inhaltliche Tradition von Throbbing Gristle gestellt werden konnten.
Es war im Wesen eine verstörende Krach-Metal-Musik deren Inhalt, in all der präsentierten Wut, vornehmlich einer frustriert-perspektivlos-jugendlichen White-Trash-Opferrolle entsprang. Es war die von Genesis P-Orridge geforderte ziellose Suche, die letztendlich doch einen selbst formen sollte. Das unbestimmte Forschen wurde sowohl bei Neurosis als auch bei EyeHateGod in den Klang der Musik und in die katharsischen Angriff von der Bühne übertragen. Während Williams den körperlichen Weg eines G.G. Allin, über Prügeleien mit dem eigenen Publikum wählte, hämmerten Neurosis mit hypnotisch-verstörenden Lichtinstallationen auf ihr Publikum ein. Beide Bands haben sich mittlerweile Meilen von diesem aggressiven Weg der Konfrontation entfernt und dennoch ist die Idee hinter diesem, aus dem Industrial stammenden, Weg noch häufig in ihrem Werk spürbar. Und gerade weil die Musiker dieses Projektes nie an sportlichen Leistungen interessiert waren (tolle Soli, schnelles Spiel etc.), bleibt auch Corrections House ein Produkt, dass sich mehr dem wütend-deprimierten Emotionsausdruck widmet als dem Präsentieren des eigenen Könnens. Und genau hier schließt sich der Kreis, warum dieses Projekt stets ein wenig Neurot-Hipster-Nerd-Musik bleiben wird: Ausdruck vor Technik, Schmutz vor Schönheit, Destruktion vor Konstruktion, Individualität vor Kompatibilität.
Natürlich ist Corrections House nicht annähernd so radikal wie es die EyeHateGod oder Neurosis in ihren besten Jahren waren. Dazu sind Corrections House zu persönlich, zu überlegt, zu gesetzt, ja zu erwachsen. Allerdings glaube ich auch, dass ein derartiger Versuch hier ebenso radikal aufzutreten sich vermutlich gekünstelt anfühlen würde. Diese Männer sind halt nicht mehr wütende 20jährige auf der Suche nach einer eigenen Ausdrucksform. Was sie mit C.H. bieten ist durchaus erwachsene Musik, aber immer noch angefressen, immer noch irgendwie von der Welt angeekelt, immer noch irgendwie von der Gesellschaft enttäuscht, allerdings reflektierter, zynischer und dabei mehr mit sich selbst im Reinen.
Der ersten Hälfte des Albums gegenüber trägt das Western-Balladeske Stück Visions Divide genügend tragisch-staubige Energie um als dramatischer Gegenpol zu all dem Krachrock zu funktionieren. Danach setzt sich dieser Krachrock fort, spielt punktuell (I was never Good at Meth) jedoch etwas experimenteller auf. Wobei When Push Comes to Shank noch mal einen Rückgriff auf das Teilmelodiöse Spiel der ersten Albumhälfte bietet. Auffällig erscheint, dass spätestens mit Visions Divide Bruce Lamont etwas weiter in den Vordergrund rückt, sein Saxophon wird wahrnehmbarer und sein Gesang auf Visions Divide knüpft fast nahtlos an das von ihm stimmlich getragene Run Through The Night vom Debütalbum an. Was mir vielleicht ein wenig fehlt ist ein zweites Stück wie das ganz bedächtig dahinfließende Last City Zero vom Debüt. Um den Vergleich zu den vorherigen Veröffentlichungen zu halten spielt sich fast alles auf KhtCaW zwischen Hoax the System und Dirt Poor and Mentaly Ill ab.
Das aus vier hervorragenden Musikern bestehende Projekt scheint mir mit diesem Album zu einer sehr starken Band gereift zu sein und die scheint als solche einen eigenen Pfad gefunden zu haben, der sich auf den vorherigen Veröffentlichungen bereits abzeichnete.