Reviewzeit:
4 lange Jahre musste ich warten. Darauf, dass mein Lieblingssänger, dessen Lyriken ich zu 90% im Schlaf mitsingen kann, endlich was neues aufnimmt. Mir wars ja egal mit welcher Band. Ob Solo, mit Nevermore oder mit Sanctuary. Wer 11 Alben aufgenommen hat von denen 10 bei mir im Schrank stehen (sollen), der ist einfach nur ein Gott. So. Wir haben 2014 und Gottalbum Nummer 11 (von 12) steht auf der Einkaufsliste. Die Band dahinter: Sanctuary. Irgendeine uralt-80er-Jahre Kapelle, die sich 91 aufgelöst hat und seitdem Kultstatus angesichts zweier unsterblicher Klassiker genießt. 2011, nach dem vorläufigen Ende von Nevermore kam immer mehr das Gerücht Reunion ins Gespräch und eines führt zum anderen. 3 Jahre später also jetzt das Resultat. (Ich entschuldige bereits jetzt die Länge, aber Warrel Dane ist halt was anderes als Bands wie Solstafir oder Grand Magus, das kann ich nicht in 3 Sätzen abkanzeln)
Um die Scheibe ganz kurz zu umreißen: Ein modernes Power Metal Album made in USA, ein Konzeptalbum um genau zu sein. Grobe Handlung ist das Jahr in dem die Sonne kollabiert und Leonore soll alle retten. Tja, am Ende sterben halt alle (inklusive Familienhund R.I.Peace). Der Weg dahin führt durch 10 Songs mit einem Interlude/Intro zum Titeltrack. Und die Songs sind (fast) durchgehend dunkel, fast schon negativ gehalten. Das liegt nicht nur an Warrel Danes Gesang, der im Gegensatz zu den beiden anderen Sanctuary-Scheiben eher in den mittleren Höhen stattfindet, sondern auch an den apokalpytisch angehauchten Gitarrenleads und den sehr harten Rythmus-Riffs. Hier ist nichts so richtig Sonnenschein, ganz im Gegenteil. Hier herrscht oftmals Melancholie, Lamentierungen sowie Anprangerungen und existienzielles Fragen. Einzig das kurz vor Ende platzierte "The Dying Age" sticht hervor durch einen sehr sphärisch eingesetzten verzerrten Gitarrensound und keinerlei Rythmusgeriffe auf der tiefsten Saite. Lustigerweise hat dieser auch im Text viel Licht drin - bevor dann halt alles im Finale kaputt geht.
Rein songtechnisch wechseln sich hier Hits mit eher schwerer zu greifenden Songs sprichtwörtlich ab. Ist der Opener "Arise And Purify", den es auch vorab im Netz zu begutachten gab, eine schwere Heavy Nummer mit einem ultra-eingängigen Refrain, ist das folgende "Let The Serpent Follow Me" bis auf den Refrain eher schwerer zu greifen. Mit "Exitium (Anthem Of The Living)" folgte der zweite Vorabsong (sogar mit Lyrik-Video) der mit einem rückwärts-abgespielten Intro beginnt, welches mich mit einem Augenzwinkern an irgendwelche 80er Jahre Satan-Heavy Metal-Bands erinnert, die das jedoch ernst meinten. Hier ist es als Stilmittel (und Reminszenz an Enemies Of Reality von Nevermore) eingesetzt. Das folgenden "Question Existence Fading" fällt auch wieder durch ultra-cheesy Refrains auf und ist ansonsten eher sperrig und vom Riffing her brutal-düster ausgefallen. Danach folgt die erste Halbballade mit "I am Low" in der die wohl ehrlichste Zeile aller Zeiten vorkommt, die Warrel Dane je eingesungen hat: "I am high Today". "Frozen" ist die dritte und letzte auskopplung aus dem Album, sogar mit Video in der Essener Fabrik. Video ist hübsch, aber irre Gitrren-Asynchron. "One final Day (Sworn To Believe)" kann man als Schwanengesangs-Ballade bezeichnen, die vor allem auf eine starke Vocalline in den Strophen setzt. Mit "World Is Weird" folgt der für mich schwerverdaulichsten Sanctuary-Track nach "Long Since Dark" da ich ihn auch im dreizehnten Durchlauf nicht so richtig packen kann. "The Dying Age" und das Interlude "Ad Vitam Aeternam" (französisch für "bis in alle Ewigkeit") bereiten dann mit sehr melancholisch-aber-dennoch-positiver Stimmung auf den Abschluss- und Titeltrack vor, der das zweite Soundexperiment (neben Dying Age) der Platte darstellt. Denn einen Song mit einem Gitarrensolo ausklingen zu lassen und das über rund einer von fünfeinhalb Minuten hat es bei irgendwas was Warrel Dane aufgenommen hat, so noch nicht gegeben. Warrel Dane-typisch gibt es den geilsten Chorus, als wäre es selbstverständlich, im Titeltrack einer Scheibe, der dreister Weise, was ich aber angesichts der Dramaturgie des Albums sehr gut finde, nicht noch ein zweites Mal wiederholt wird.
Bis auf "World Is Weird" sind ALLE Songs 10/10 Punkte-Kandidaten und gehören für mich zum besten, was ich in den letzten 4 Jahren (seit dem ich die Warrel Dane-Soloscheibe "Praises To The Warmachine gehört habe) überhaupt gehört habe. Und ich habe eine ganze Menge an Scheiben gehört. Natürlich, hier ist ganz viel Rosa-Rote-Brille-Fanboy-Tum im Spiel aber das ist mir egal. Für mich ist die neue Sanctuary ganz klar Album des Jahres, ein unsterblicher Meilenstein in der Diskographie von Warrel Dane und ein supermegahyperduper-würdiger Nachfolger zu "Into The Mirror Black" was getreu der Bandphilosophie nicht kopiert wird, sondern der Grundsound bestehen bleibt und darauf viele Weiterentwicklungen folgen.
Und jetzt bitte viel Zeit lassen für ein zweites Album und noch mal so einen Knaller veröffentlichen. Und bei mir im Wohnzimmer an 3 Abenden einfach alle 3 Alben am Stück spielen. Danke.