Intensität pur:
Crippled Black Phoenix werden oftmals auf ihre in der Tat oftmals kaum überhörbaren Pink-Floyd-Einflüsse reduziert. Dass Justin Greaves und seine stetig wechselnden Mitstreiter allerdings daraus etwas völlig Eigenständiges kreiert haben und die verwendeten "floydschen" Stilelemente leidlich nur
ein Bestandteil eines Sounds sind, den man schlicht als "mächtig" titulieren muss, wird hierbei permanent übersehen.
Kaum eine Band der "Neuzeit" transportiert Schwermut in Verbindung mit Melodie und Heavyness (wird immer sehr gerne übersehen - m.E. nach ist die Härte in der Musik von CBP um
Längen packender und intensiver als bei so manchen Stilrichtungen, die sich schlicht auf Drescherei reduzieren) auf eine derart bewegende Art und Weise wie eben genau CBP. Das ist Emotion pur, teils minimalistisch, teils bombastisch, im Regelfall durchaus traurig - "Endzeit Balladen", wie es so oft heißt, wenn es um CBP geht.
Man hätte speziell aus den Frühwerken
alles hier nennen können, was die Band veröffentlicht hat, doch nimmt "I, Vigilante" (im offiziellen Sprachgebrauch eine EP) einen besonderen Platz in meinem musikalischen Herzen ein: neben Greaves ist es für mich die Achse Demata - Volk - Chapman, die hier überirdisches Songmaterial
noch ein wenig überirdischer macht. Das Erstaunliche insbesondere an der Personalie Joe Volk: der Mann "singt" im Grunde unglaublich emotionslos, manch einer würde es gar "gelangweilt" nennen - doch genau an den richtigen Stellen kommen Akzentuierungen im Rahmen dieses eher eindimensionalen Singes, die dem Ganzen einen ganz besonderen, gar
noch traurigeren Touch verleihen, es ist gleichermaßen Kälte und Gleichgültigkeit, die seine Vocals bei CBP vermitteln - und das passt derart wie Faust aufs Auge zur Musik, dass es schlicht ein in Gänze eigenes Stilmittel ist.
"Troublemaker" eröffnet in üblich schwerer Manier und mit ebenso quietschend-knarzenden wie singenden Gitarren einen "klassischen" CBP-Epik: knapp achteinhalb Minuten geballte Traurigkeit und Schwermut in seiner schönsten Form, im Mittelteil aufgelockert durch einen flotten und recht "improvisiert" wirkenden Classic-Rock-artigen Part, der genau seinen Zweck erfüllt und den Song zum Ende hin noch einmal im Rahmen seines Grundthemas eskalieren lässt, auffällig hier das ebenso gefühlvolle wie virtuose Spiel des Gitarristen Karl Demata. Auch, wenn Greaves selbst den Namen hier nicht gern lesen wird: in Sachen Gitarrenarbeit ist auch dieser Mann schwerlich zu ersetzen bei CBP.
"We forgotten who we are" setzt auf einen langen Songaufbau (im Übrigen ohnehin ein Trademark von CBP), Klavier, klassische Instrumente in eher minimalistischem Einsatz, ehe man - basierend auf dem bereits im Intro intonierten Grundthema - Gitarre & Co. "zur Hilfe" nimmt, um dem Ganzen mehr Fahrt und Tiefe zu verleihen - und das steigert sich von Strophe zu Strophe, mal hinterlegt mit leichten Akzentuierungen im Pianospiel, mal in lauterem wie leiserem, härterem wie gedämpfterem Riffing, wobei das Piano den Song durchaus "trägt". Wie schon eingangs erwähnt ist Volks Gesang hier ein ganz eigenes Stilmittel, eindimensional, emotionslos - und das in Verbindung mit einer hochkomplexen, technischen Thematik, bei der gemeinhin eigentlich der Gesang emotional ohne Ende sein sollte. Die Tatsache, dass genau dies ausbleibt lässt "We forgotten..." um so bedrohlicher wirken, gipfelt im späteren Verlauf in einem "plätschernden" Pianoteil, einem variablen, tribal-artigen Drumming, "kreisenden" Gitarren, ehe sich die Wogen glätten und der Song zum Ende hin in bewährter Form einfach ausgleitet, untermalt von wunderschönen Soli. Ein Meisterwerk, dass vor allem in der Livepräsentation eine ganz, ganz eigene Tiefe entwickelt, sich aber auch auf "Konserve" hier schon mehr als mächtig ausnimmt.
"Fantastic Justice" klimpert zunächst mal "einfach so" vor sich hin, "bewährtes" Einlullen des Hörers, das auch durch Volks Vocals nur marginal "unterbrochen" wird, auch hier setzt Greaves auf Minimalismus, den man sich schlicht "erarbeiten" muss - nur, um im weiteren Verlauf eine Art Leonard-Cohen-Atmosphäre zu erschaffen, untermalt mit Bläsern, was das Ganze regelrecht zu einer Art bizarren Jazzversion führt, wobei das Klavierthema weiterhin als eine Konstante erhalten bleibt. "Fantastic Justice" ist ein Ohrwurm - allerdings keiner, der offensichtlich wäre, zu sehr "muss" man sich damit auseinandersetzen, ehe sich der Song in seiner ganzen Eleganz entfaltet, immer in Nuancen auf ein höheres Level getragen, auch hier gilt: live eine Macht.
"Bastogne Blues" thematisiert die Ardennenschlacht aus dem Jahr 1944. Instrumentale Ausbrüche sucht man in den über 12 Minuten vergebens, hier wird aus Sicht eines jungen Soldaten geschildert, wie und in welchem Maße dieses Ereignis sein Leben schlicht zerstört hat. Das Stück ist beklemmend, dunkel, depressiv, eher ein Songwriter-, denn ein Rockstück, tiefgründig, packend - und lässt einen am Ende schlicht "platt" zurück, regelrecht ausgelaugt. CBP setzen hier auch vermehrt auf den Einsatz klassischer Instrumente (Bläser, Cello), wobei die Stromgitarre sich eher als akzentuierendes Mittel einbringt. Gerade dieser Song macht deutlich, wie wichtig "in die Tiefe gezogener Gesang" sein kann, Volk führt den Hörer in eine Hoffnungslosigkeit, lässt ihn teilhaben am Leiden und der Perspektivlosigkeit des Protagonisten. Ein "völlig anderes" Stück Musik, weit weg von jeder Rock- und Metal-Attitüde und doch so, so wertvoll.
Wie um ein wenig die Sonne aufgehen zu lassen nach so viel Traurigkeit folgt eines der - wie ich finde - geilsten Cover aller Zeiten: war mir "Of a Lifetime" von Journey sicher irgendwann im Laufe meines Lebens mal zu Ohren gekommen (natürlich habe ich das Orignal mehr als zeitnah noch einmal in Ohrenschein genommen), so wirkt die CBP-Version direkt, als sei sie nicht adaptiert, sondern ein "Eigengewächs": diese unglaublich intensive Gitarre, der Gesang einer Daisy Chapman, die mit ihrer Mischung aus Zerbrechlichkeit und Power alles aus diesem Stück herausholt - ein Ohrenschmaus, ein echter Wahnsinn - und vor allem bestens platziert, strahlt doch dieser Song tatsächlich so etwas wie "Hoffnung" aus - eher eine Seltenheit im CBP-Kosmos.
Noch ungewöhnlicher und daher ein "Hidden Track" (der so recht keiner sein mag) ist "Burning Bridges", der mir zwar stets irgendwie bekannt vor kam - und doch hätte ich nie gewußt, dass er von der "Mike Curb Congregation" stammt. Gebe zu: da bin ich auch nie weiter in die Tiefe gegangen, ein nettes "Nice-to-Have" zum Abschluss einer tollen EP (die locker die Länge eines "70er-Jahre-Albums" erreicht), aber vielleicht auch ein Augenzwinkern von der Band selbst.
"I, Vigilante" bündelt alle Stärken von CBP auf eher "kurzer" Distanz und fährt mit "Troublemaker", "Fantastic Justice" und "Of a Lifetime" drei (Band-)Klassiker auf einmal auf, haut mit "We forgotten who we are" einen Überhammer aufs Parkett (im Grunde also NOCH ein Bandklassiker) und bietet mit "Bastogne Blues" wohl eines der besten Statements
gegen jegliche Schlachten- und Kriegsromantik - so es hiervon überhaupt noch Verfechter geben sollte.
CBP sind keine Band für jede Stimmungslage, speziell die Alben ihrer Frühphase jedoch sind Meisterwerke - Meisterwerke, die man schlicht und ergreifend nicht versäumen darf. Vielfach wurde die Band auch ins "Progressive"-Lager sortiert, wo ich sie aber kaum sehen würde, auch, wenn vereinzelt durchaus progressive Zutaten mit eingerührt werden. CBP haben ihre ganz eigene Nische, irgendwo zwischen psychedelischem Rock, Classic-Rock, einem gewissen Songwriter-Status und oftmals Gitarrenwände die gar in Richtung Doom gehen - und auch schon mal darüber hinaus. Doch gleich, wie ein Jeder sie nun wahrnimmt: schön, dass es sie gibt.