Im Moment ist bei mir die Hölle los. Beruflich als auch privat. Daher entschuldigt bitte, dass ich diesen Thread so sträflich vernachlässige. Ich tu' das sehr ungern und möchte eine kleine Wiedergutmachung anbieten… Und nu' los.
Windmühlen…
Zerstörte Gitarren…
Ein tauber, stummer und blinder Junge
3 verlorene Freunde…
Depressionen…
Und eine Weltkarriere…
Wenn man mit wenigen Worten einen Menschen erklären soll, so ist das manchmal möglich. Dieser Fall ist so einer. Die Biographie, die ich euch heute vorstellen möchte, handelt von diesem Menschen.
Am Tag, an dem Albert Speer (Hilters Reichsarchitekt) von den Alliierten festgenommen wurde (19. Mai 1945) erblickte im Londoner Stadteil Chiswick ein Kind das Licht der Erde, welches sich anschicken sollte, zu einem der bekanntesten Songschreiber der Musikgeschichte zu werden. Peter Dennis Blandford Townshend (später nur noch „Pete“) wuchs in den Nachwirren des zweiten Weltkrieges in (teils) chaotischen Verhältnissen einer sehr musikalischen Familie auf. Sein Vater Cliff war als Saxophonist in einer Big Band angestellt, seine Mutter Betty eine ehemalige Sängerin. Aufgrund der Tatsache, dass Cliff sich als Hallodri entpuppte übernahm Pete's Großmutter von Betty die Rolle der Erzieherin des Kindes. Jahre später beschrieb Pete seine Großmutter als "klinisch wahnsinnig". Jedoch brachte der Umzug zur Großmutter den jungen Pete Townshend in Kontakt mit einem coolen Jungen namens John Entwistle. Man lernte sich an einer Bushaltestelle kennen und beschloss, gemeinsam Musik zu machen. Wie auf viele junge Menschen hatte der gerade geborene Rock 'n Roll einen großen Einfluss auf die beiden. Jedoch bot die Plattensammlung eines Klassenkameraden, der aus den USA Blues-Singles und -alben importiert bekam, ein deutlich spannenderes Spektrum als die damals so angesagten Shadows. Robert Johnson, Muddy Waters und Konsorten ließen in den beiden den Gedanken wachsen, eine Band zu gründen, die Rock 'n Roll und Rhythm 'n Blues miteinander verbinden sollte. Jedoch kam es, wie es kommen musste. Irgendwie stand der jugendliche Drang den Möglichkeiten im Weg und erst 1961 fanden die beiden jungen Herren sich im Rahmen einer Einladung in einer Band wieder. Diese nannten sich "The Detours" und wurden mit eiserner Hand von einem gewissen Roger Daltrey geführt. Die Band spielte bereits mit einem breiten Spektrum an Ideen herum und machte sich in ihrem Stadtteil schnell einen Namen. Einerseist durch gute musikalische Darbietungen, andererseits daduch, dass Daltrey jedem, der etwas gegen SEINE Band zu sagen hatte, ordentlich die Kauleiste neu arrangierte.
Mit weiteren Musikern, die jedoch meist nicht lang neben Townshend und Entwistle bestehen konnten, zogen die Detours durch die Clubs und kleinen Hallen von London. Man machte sich schnell einen Namen und zog durch die Hilfe von Pete's Vater sogar ein paar kleinere Aufnahmen von Singles an Land. Als die Detours 1963 von zwei Filmemachern (Kit Lambert und Chris Stamp) für eine Dokumentation über die damalige Jugendkultur auserkoren wurden, entschloss sich die Band, den beiden Filmemachern gleich das gesamte Management der Band zu überlassen. Lambert und Stamp krempelten den gesamten Auftritt der Band um. Man kaufte neue Anzüge, stilisierte die Musiker zu Idolen der damals hoch hergehenden Mod-Bewegung (heute so etwas wie Rocker, nur schick gekleidet und auf Motorrollern unterwegs) hoch und ließen nebenher die Kamera laufen. Eines Abends, in einem Club in London, kam ein reichlich dämlich aussehender Typ mit gelben Haaren zu Daltrey, der behauptete, dass der Drummer der Detours Scheiße sei und dass er das ja sowieso viel besser könne. Anstatt den kleinen Kerl zu vermöbeln, ließ ihn die Band gewähren und diese Entscheidung sollte sich als meisterhafter Schachzug entpuppen. Wie Daltrey Jahrzehnte später erklärte "setzte sich dieser Zwerg hinter das Schlagzeug. Ich sah zu den Gästen und nachdem der erste Einsatz der Band erfolgte, war es so als würden hinter mir Düsenjets starten".
So wurde an diesem Abend das klassische Line Up von THE WHO geboren, denn der Kerl mit den gelben Haaren war Keith Moon. Seines Zeichens Oberverrückter und nebenher ein unglaublicher Drummer.
Um den Bogen zurück zum Buch "Who am I" von Pete Townshend zu schlagen fand sich in Person von Moon allerdings auch einer der ersten "Partner in Crime" mit denen Pete gern, oft und heftig über die Stränge schlagen sollte. Nach einigen Umbenennungen unter dem finalen Banner THE WHO segelnd, sah sich Townshend mit der Idee konfrontiert, Songs schreiben zu müssen, da die Band wusste, dass sie nicht mit Coverversionen überleben konnte. Tummelten sich auf dem Debut der Band neben bekannten geklauten Ideen auch noch Cover einiger Hits, so fand sich mit "My Generation" der erste Welthit aus der Feder von Pete Townshend. Weitere Klassiker aus der Feder von Pete waren gerade in den ersten Jahren zum Beispiel "I can see for Miles", "I can't explain" oder "Substitute". Nachdem auf dem zweiten Album der Band sich mit "A quick one, while he's away" bereits ein Song fand, der deutlich den Rahmen einer 2 1/2 -Minuten-Popnummer sprengte, lehnte sich die Band auf dem Drittwerk "The Who…. sell out" weiter aus dem Fenster und veröffentlichte ein halbes Konzeptalbum unter dem Banner der damaligen Radio- und Zeitungswerbung. Der Schuss ging jedoch nach hinten los und Townshend zeigte erste negative Reaktionen auf die Kritik von aussen. Er verkroch sich und erschien' beinahe ein Jahr später wieder auf der Bildfläche mit der Idee zu "Tommy". Nachdem Management und Band in mühevoller Kleinarbeit von der Idee überzeugt werden mussten, schuf Pete Townshend sein erstes Meisterwerk. Mit einer kruden aber sehr persönlichen Geschichte gesegnet stellte das Album den absoluten Durchbruch für die Band, für Roger Daltrey als Hauptfigur "Tommy" und vor allem für Townshend als ernstzunehmender Künstler dar.
"Who am I" zeigt die Lebensgeschichte, in eigenen Worten erzählt, von einem wenig selbstbewussten jungen Mann, der an seinen Selbstzweifeln fast zerbrach. Der Druck und Hetze nicht vertragen konnte und den der Verlust geliebter Menschen mehrfach aus der Bahn warf. Als THE WHO 1982 ihr (vorläufiges) Ende erreicht hatten, war Townshend nach dem Tod seines ehemaligen Mentors Kit Lambert und vor allem nach dem tragischen Ableben von Keith Moon ein Wrack. Heroin, Kokain und Alkohol standen auf der Tagesordnung. Die Ehe zu seiner ersten Ehefrau lag in Trümmern (die Scheidung fand jedoch erst 2009 statt). Townshend berief sich auf Schuldzuweisungen, dass das Business ihn kaputt gemacht habe. Ideen, wie die quadrophonische Aufführung seines Lebenswerkes "Lifehouse" konnten nie umgesetzt werden. Die letzten Alben von THE WHO waren in seinen Augen absoluter Müll und eigentlich war alles schlecht. Erst Ende der 80'er zog sich Townshend, begleitet von Entwistle und Daltrey an den eigenen Haaren wieder aus dem Dreck. Die erste Reunion von THE WHO brachte große Erfolge mit sich. Seine Soloplatten verkauften sich ebenfalls gut und der gute Name wurde wieder hergestellt.
Heute ist Pete Townshend ein Mensch, der glücklich verheiratet ist, seine drei Kinder aus erster Ehe abgöttisch liebt und mit sich im absolut Reinen steht. Hatten sich Daltrey und Townshend in den 70'er-Jahren noch einige Schlägereien auf oder abseits der Bühne geliefert, so sind die beiden heute die besten Freunde.
Was den Reiz an "Who am I" ausmacht ist die Tatsache, dass man hier die Geschichte eines geläuterten, weil gesunden Menschen liest. All die Exzesse und der Wahnsinn werden auch in diesem Buch nicht ausgespart, sondern in allen Belangen offen und ehrlich erzählt und in ein konstruktives Licht gesetzt. Selbst die Anschuldigung des Besitzes von Kinderpornographie lässt Townshend nicht außen vor und geht realistisch mit dem Erlebten um.
Rund herum ein sehr feines Buch, welches ausreichend Lesestoff für lange Abende bietet. Stellenweise sehr ruhig und nachdenklich. Stellenweise exorbitant laut und eben THE WHO gerecht. Wie sagt man so schön auf Englisch? Absolutely a worthwhile read