Wer schönen Fußball liebt, darf sich freuen. Wer Fan von Bayer Leverkusen ist – und die gibt es – sowieso. Wer Xabi Alonso sympathisch findet – und wer tut das nicht – ebenso. Die Bayern verlieren zu sehen, ist für viele eine Freude, und BVB-Fans können erleben, dass sich die Zuschreibung des ewig Zweiten auch ablegen lässt, indem man einfach Erster wird. Und aus dem Sortiment der Konzernklubs ist Leverkusen ohnehin das kleinste Übel. Glückwunsch also zum Meistertitel!
Dieser Titel ist allerdings nicht zu verwechseln mit Zuschreibungen, die nun auf das „Vizekusen“ von 2002 folgten: Von einem Fußballmärchen und einer Zeitenwende ist in manchen Medien die Rede, und das könnte falscher nicht sein. Nicht einmal das Ende der Bayern-Dominanz lässt sich ausrufen, denn sollten die Münchner die kommenden fünf Jahre wieder Meister werden, bleibt 2024 ein Ausrutscher. Eine Zeitenwende wäre es, wenn jedes Jahr im Mai drei, vier Teams um den Titel kämpfen würden. Und märchenhaft wäre es gewesen, wenn Christian Streich mit dem SC Freiburg in seiner letzten Saison Meister geworden wäre.
Der SC Freiburg hätte das nämlich nicht nur unter sportlich, sondern auch unter wirtschaftlich fairen Wettbewerbsbedingungen erreicht. Vom Klub, der zu 100 Prozent im Besitz des Pharmakonzerns Bayer ist, lässt sich das nicht sagen. Die fehlende demokratische Mitbestimmung durch die Ausnahme von der 50+1-Regel ist dabei das eine, das finanzielle Sicherheitsnetz das andere. Der SC Freiburg wirtschaftet umsichtig, weil er muss und will. Andere Klubs zocken. Viele standen in der Coronakrise vor dem Ruin, manche werden nie wieder oben mitspielen, andere wursteln sich durch, zur Besinnung gekommen ist kaum einer. Bei Bayer Leverkusen ist das anders. In der Bilanz der Fußball GmbH demonstriert das eine Zahl: 200.476. Das ist das Eigenkapital, angegeben in Tausend Euro. Es ist seit Jahren konstant. Das heißt: Durch die Coronakrise hindurch hat der Konzern alle Verluste des Klubs ausgeglichen. Er war nie in Gefahr.
Alonso ist der beste Trainer der Liga, Granit Xhaka der beste Sechser, Victor Boniface ein Transfercoup und ein unverletzter Florian Wirtz ein Traum. Aber das Märchenhafte an Bayers Titel? Das liegt in der Zahl 200.476.