Reinhören über Vorabtracks, wenn es welche gibt, steht bei mir immer auf dem Programm. Sehe keinen Grund, mich selbst auf die Folter zu spannen, und versaut hat es mir ein Album bisher nicht. Allerdings ist das Reinhören tatsächlich nur ein Reinhören, die vertiefte Auseinandersetzung findet dann i.d.R. erst im Albumkontext statt. Ich bin wie Andere hier auch völlig auf Alben fixiert, habe für meinen Eigengebrauch, soweit ich mich erinnern kann, noch nie in meinem Leben eine einzige Metal-Playlist erstellt.
Zu Beginn unserer Beziehung habe ich meiner Frau manchmal, wenn ich merkte, dass ihr irgendein Radiosong gefiel, das Album dazu geschenkt, oder, schlimmer noch, ein anderes Album desselben Künstlers. Das passierte zwei- oder dreimal, bis ich schnallte, dass ich hier meine Hörgewohnheiten auf sie projizierte. Sie hörte sich die Alben nie an. Weder denkt sie in Alben noch überhaupt in Künstlern, sondern nur in Songs.
Die "The Divine Wings ..." von SymphonyX ist das erste Album, an das ich mich erinnere wie an eine Sucht. Habe beim Fernsehgucken nur auf die Werbepause gewartet, um dann zur Anlage zu hechten und unter dem Kopfhörer in diesem Album zu versinken - keine Ahnung, warum ich damals den Film überhaupt noch geguckt habe, ist ja auch ein paar Jährchen her. Die "A Pleasant Shade ..." von Fates Warning war lange ein Album, das ich abends vor dem Einschlafen noch komplett durchhören musste, prinzipiell, jeden Abend. Als die "Marbles" von Marillion rauskam, konnte ich über Monate nichts anderes hören, bin morgens extra eine Stunde früher aufgestanden, um dieses Album hören zu können. Das sind die intensivsten Musikperioden, wenn ein Album alles andere an Musik (und ggf. drüber hinaus) komplett verdrängt und trivial erscheinen lässt. Das wird auch nicht langweilig und ich vermisse in diesen Phasen keine andere Musik, da sind alle Türen zu außer die zu diesem speziellen Album.
Und das Phänomen kenne ich trotz Albenfixierung auch von einzelnen Songs, insbesondere aus Nachtschichten am PC, wo ich irgendwann in eine Stimmung komme, bei der ein bestimmtes Stück durch mich durchfließt, als ob da eine Straße ist, die nur darauf gewartet hat, dass Verkehr aufkommt, und dann darf es für den Rest der Nacht nur dieses Stück in Dauerschleife sein. Das klingt jetzt etwas sexuell aufgeladen, hat ja auch was Intimes, so ein enges Beieinander von Musik und Seele.
Für das Zelebrieren von Musik ohne Nebenbeschäftigung, am besten unter Kopfhörer, ist mein Alltag zu schnellebig geworden, irgendwas passiert heutzutage meistens nebenbei, i.d.R. Autofahren, kochen oder arbeiten am Rechner. In meiner persönlichen Wahrnehmung ist das Musikhören das vordergründige im Vergleich mit den anderen Tätigkeiten (weshalb Kochen z.B. auch ewig dauert), aber am Ende ist und bleibt es natürlich Wahrnehmung von Musik im Multitaskingmodus und damit ein Qualitätsverlust, den ich bedaure.
Was geblieben ist und sich sogar verstärkt hat in den Jahren, ist der Entdeckungsdrang. Ich bin total beschränkt auf einige wenige Genres (und auch ansonsten), habe auch null Interesse, da mehr in die Breite zu gehen, aber innerhalb meiner Genres treibt mich die Angst, etwas Wichtiges zu verpassen, ständig auf insbes. Bandcamp, und natürlich ins DF-Forum (mit Abstrichen ins Heft - da zählen für mich primär aber andere Dinge als die Entdeckung neuer Alben).