Damit es abwechslungsreich bleibt, mache ich jetzt einen kleinen Ausreißer – geographisch, aber vor allem musikalisch – und gehe in die georgische Hauptstadt
Tiflis. Was Metal angeht, ist Georgien wohl eher noch Entwicklungsland, aber hinsichtlich elektronischer Musik spielen sie schon in der Champions League. Mindestens zwei der Elektronik-Clubs dort zählen anscheinend zu den besten weltweit. Keine Frage daher, dass ich als musikinteressierter Mensch mir das mal anschauen musste (also: da ich eh schon vor Ort war, ich war nicht alleine deshalb dort).
Am bekanntesten ist das
Bassiani, gelegen in den Katakomben des Stadions. Der Hauptsaal des Clubs war früher ein Swimmingpool.
Eine freie Gesellschaft, in der man nachts einfach eine Runde im Club abfeiert, ist in Mitteleuropa für viele eine Selbstverständlichkeit und über Musik als Zeichen der Rebellion wird hier oft auch nur noch müde gelächelt, aber in einem Land wie Georgien sieht die Sache schon noch etwas anders aus. Zum einen darf man nicht vergessen, dass dort erst 2008 noch Krieg war und alles noch viel dynamischer und neuer ist. Und auch die Gesellschaft ist ingesamt noch deutlich konservativer und Clubs wie eben z. B. das Bassiani ist vielen ein Dorn im Auge (siehe auch verlinkter Clip). Auch bei jüngeren Leuten hatte ich bei Erwähnung der hier vorgestellten Clubs das Gefühl, dass manche dem eher reserviert gegenüberstanden, auch wenn sie das höflicherweise nicht explizit gesagt haben.
Ich empfehle den knapp 10-minütigen Clip von Arte Tracks, um das Bassiani von innen und außen zu sehen und ein paar Hintergrundinfos zu bekommen.
Der Besuch des Bassiani stand bei mir gleich am Abend (eigentlich Nacht, denn die Clubs dort öffneten alle erst gegen Mitternacht) des Anreisetags auf dem Plan. Die Nacht vorher gehörte ganz der Anreise und ich stand schon gegen sechs Uhr morgens beim Hostel auf der Matte. Bett war natürlich noch nicht frei, daher zunächst Schlaf auf der Bank vorm Hostel, dann Schlaf auf einem Sessel im Hostel-Flur und dann endlich im Lauf des Vormittags Schlaf im Hostel-Bett. Nachmittags bisschen Tiflis erkunden und abends dann taktisches Vorschlafen für den Bassiani-Besuch. Bin dann gegen 23 Uhr aufgestanden und der zu Rate gezogene Hostel-Mitarbeiter schrieb mir für den Fall, dass die Taxifahrer kein Englisch sprechen, Namen und Adresse von Bassiani sowie Namen und Adresse des Hostels in georgischen Hieroglyphen auf (sowohl Georgien als auch Armenien sind kleine Länder, haben aber beide jeweils ihr eigenes Alphabet). Als ich schließlich aufbrechen wollte, hieß es plötzlich „Halt, wir haben eine Mitfahrgelegenheit für dich“, da war dann irgendein Typ (keine Ahnung, welchen Bezug der zum Hostel hatte, denn er sprach kein Wort Englisch), der sowieso in die Richtung musste und mich vor dem Club absetzen konnte. Die Fahrt war dann schon ein kleiner Vorgeschmack auf die kaukasische Fahrweise. Zwar erreicht man in der Innenstadt zum Glück keine besonders hohen Geschwindigkeiten, aber der Zustand des Autos war lustig: Als ich mal rüber auf die Anzeigen schaute, zeigten Tacho und Drehzahlmesser gar nichts an, dafür leuchteten sämtliche Warnlämpchen. (Die kaukasische Straßen-Feuertaufe folgte dann am nächsten Tag, gleichzeitig der Grund, weshalb ich leider nicht ausschlafen konnte: Im Sammeltaxi in die armenische Hauptstadt – Landstraße, rasen, drängeln, absurd überholen in Kolonnen und Kurven, ungebremster Slalom durch Viehherden… Sitzt man im Kaukasus auf einem Beifahrersitz oder generell in einer der berüchtigten Marschrutkas, kann man sich das ungefähr so vorstellen wie James Bond in der Moonraker-Zentrifuge:
https://www.youtube.com/watch?v=v5N1Aukm4Bo
Das nur als kleiner Exkurs.)
Zurück zum Bassiani. War richtig gut, mein bester Besuch in der Tiflisser Club-Landschaft. Ich war durchs Vorschlafen einigermaßen fit und die von den DJs aufgelegte Musik gefiel mir auch. War gut besucht, aber trotzdem von Gedränge noch weit entfernt. Angenehm war auch, dass man auf der seitlich zu sehenden Galerie einen guten Überblick über das ganze Geschehen hatte.
Ein weiterer sehr bekannter Club ist das
Khidi. Der Name bedeutet Brücke, denn der Club befindet sich in einem Brückenpfeiler. Als Location daher auf jeden Fall ungewöhnlich, leider konnte ich diesmal mit der aufgelegten Musik nur wenig anfangen und war zusätzlich ziemlich müde. Keine gute Idee, etwas erhöht auf einem Geländer sitzend dem Treiben zuschauen zu wollen, wenn man stark einschlafgefährdet ist. Ein Beinahe-Sturz markierte dann den Zeitpunkt, so langsam aufzubrechen…
Ich empfehle auch hier, sich den YT-Clip anzusehen, in dem der spanische DJ Regal kurz das Khidi vorstellt, man sieht den Club von innen und außen.
https://www.youtube.com/watch?v=_COGQj63JcQ
Während man in die meisten Metal-/Punk-Clubs wohl auch noch auf allen Vieren kriechend hereingelassen würde, ist mir bei meinen eher spärlichen Besuchen von Elektronik-Clubs aufgefallen, dass man dort oft eine etwas härtere Tür vorfindet. Und gerade vor der oben beschriebenen Situation in Georgien, wo viele konservative Kräfte so richtig etwas gegen die liberale Club-Kultur haben, passt man besonders auf, dass sich dort keine stadtbekannten Hools oder gar Nazis einschleichen. Da muss man dann schon mal beim Einlass zum „Facecheck“ in eine Kamera schauen, um erst anschließend eingelassen zu werden. Nun, ich sah offenbar immer friedlich genug aus.