Die genauen Umstände kann ich nicht mehr rekonstruieren, aber ich war im Hamburger Umland, als Rückfahrgelegenheit bot sich eine Gruppe junger polnischer Männer an, die gerade ein Auto in Deutschland gekauft hatten und dieses nun nach Polen überführen wollten. Ich fuhr mit, die jungen Männer sprachen kein Wort Deutsch, nicht mal Hallo, Bier, Tschüss, und mein Polnisch war recht broken, die Fahrt folglich eher schweigsam. Und die Musik, die die gehört haben!
In Altona stieg ich aus, dort sollten im verlassenen Karstadt-Gebäude, zwei Stockwerke unter der Erde, die Texaner "Fuckemos" spielen. Ein irres Konzert, mitten in der Nacht, mitten in der Woche, die Musiker hatten teilweise Kleinkinder dabei, sieht man auch nicht oft bei solchen Gelegenheiten. Auf dem Konzert lernte ich einen jungen Mann aus Ungarn kennen, wie der nun ausgerechnet da gelandet war: alles völlig unwahrscheinlich.
Er bat mich im Anschluss um eine Empfehlung für einen geilen Schuppen, was mit Girls, Hamburger Nachtleben, naja, Girls waren ihm wichtig, er wollte was "aufreißen".
Nicht mein Fachgebiet, aber kurze Zeit vorher wurde mir ein Buch quasi aufgezwungen, wo es um das Aufreißen ging, ein Wunderbuch, so sagte man mir, Erfolgsgarantie, auch für ein bisschen hässliche Typen. Voll die Beleidigung eigentlich, fällt mir jetzt erst auf.
Auf dem Weg in das Nachtleben erzählte ich dem Ungarn davon, er zeigte sich sehr interessiert, in einer stark verrauchten und verruchten Bar bot sich dann eine Situation wie aus dem Lehrbuch, er bat mich um ein Praxisbeispiel, ich ging hin zu einer Gruppe junger Mädchen, dann verlor ich den Ungarn; irgendwann saß ich zusammen mit den jungen Mädchen, die fast alle Dreadlocks hatten, und ein paar jungen Amerikanern am Elbufer, es dämmerte schon, alles voll harmonisch, knutschen und so, plötzlich hielt ein dunkler Mercedes mit quietschenden Reifen vor uns, ein aufgebrachter Kieztürke suchte seine junge Schwester, alle waren ein bisschen eingeschüchtert, ich nicht, ich begrüßte den Türken mit Handschlag, er mich mit Namen, das ist nun auch schon wieder so eine Geschichte, das sprengt aber den Rahmen, jedenfalls suchte er woanders weiter, nach dieser kurzen Episode lag Argwohn in den Blicken der Mädchen, ob meiner Bekanntschaften, aber auch ein Funken Geilheit, weil Mädchen immer auch ein bisschen die Gefahr suchen, und die Möglichkeiten sich diesbezüglich gerade erweitert hatten.
Dann fuhren wir noch mit einer Fähre über die Elbe, auf einmal waren fast alle nackt, manche im Wasser, dann wieder knutschen, zurück über die Elbe, es verschwimmt ein wenig, ein Mädchen wollte dann unbedingt über vegane Ernährung sprechen, gut, sie war echt süß, also gingen wir zu mir, dann musste ich zur Arbeit, das ging noch, als man jung war, am nächsten Tag bin ich glaube ich auf ein Festival gefahren, heute wäre ich wohl nach einem Tag Krankenhaus.
Und die Sonne! Damals schien immer die Sonne! Dabei ist das so lange gar nicht her, zehn Jahre vielleicht.