Orthodox Death/ Black Metal

Das ist ein ganz wichtiger Punkt, den man aber erstmal begreifen muss.
NICHTS, was im Black Metal unter "Satanismus" oder "Okkultismus" läuft, ist irgendwie "authentisch" oder "echt" im Sinne einer historischen satanistischen Tradition. ALLES ist von den Musikern selbst ausgedacht oder (in den meisten Fällen) neu aus unterschiedlichen historischen, literarischen, medialen, esoterischen Töpfchen zusammengeklaubt und neu kombiniert. Patchwork eben. Egal ob Watain oder Dimmu Borgir. The Devil's Blood sind unter diesem Blickwinkel genauso echt oder unecht wie Mystic Circle. Es gibt keinen historisch nachweisbaren Satanismus im Sinne einer religiösen Glaubenslehre oder praktizierenden Gemeinschaft, der älter wäre als 100 Jahre, und auf den man sich berufen könnte. Von Mittelalter etc. ganz zu schweigen. Satanismus ist prinzipiell eine literarische Fiktion des 19. Jahrhunderts. Satanistische Praxis ist eine Erfindung des 20. Jahrhunderts auf der Grundlage älterer Versatzstücke unterschiedlicher Herkunft.

Das gleiche gilt übrigens auch in weiten Teilen für das Pagan- und Asatrugedöns. Älter als das 19. Jahrhundert wird's auch hier nicht.


Aber spannender als einfach nur zu dekonstruieren, ist eh die Frage, welche Bedeutung die Bilder und Ideologien für die Musiker im täglichen Leben tatsächlich haben. Das wird man aus der Musik allein nie herausfinden können. Da hilft es nur, mit den Musikern persönlich zu sprechen.

Faszinierendes Thema! Genau hier spielt, denke ich, teilweise auch die Rolle des Rezipienten mit rein, die ich weiter oben angesprochen habe. Überspitzt formuliert: Es ist völlig egal, ob die betreffenden Künstler authentisch sind oder ihren DIY-Glauben einzig als Marketinginstrument und Image pflegen, wenn es beim Publikum einen spirituellen Impuls auslöst. Das ist fast wie eine Art Missionierung by accident. Und wer seine Konzerte als Rituale zelebriert, die Bühne weiht und symbolische Opferhandlungen durchführt, der hat entweder ein merkantiles Gespür für genau die Art von Theatralik und Image, die sein Publikum bindet und mehrt oder er verfolgt tatsächlich einen missionarischen Ansatz. Eric von Watain sagt ja sinngemäß, dass es eines seiner Ziele sei, mittels Musik Seelen zu verderben.

Was diese beiden Ansätze klammert ist wohl eine Art diffuse, atavistische Sehnsucht, die dem Black Metal, so finde ich, ästhetisch ja sozusagen von Natur aus entspricht. Rein klanglich hat diese Musik ja schon etwas durchaus Transzendentes, weswegen eine wie auch immer geartete spirituelle Thematik sich in diesem Genre ja förmlich anbietet.
 
Faszinierendes Thema! Genau hier spielt, denke ich, teilweise auch die Rolle des Rezipienten mit rein, die ich weiter oben angesprochen habe. Überspitzt formuliert: Es ist völlig egal, ob die betreffenden Künstler authentisch sind oder ihren DIY-Glauben einzig als Marketinginstrument und Image pflegen, wenn es beim Publikum einen spirituellen Impuls auslöst.

Genau das ist der Punkt. Wir können den ganzen Mummenschanz natürlich hübsch dekonstruieren und entzaubern. Aber sobald es für jemanden Bedeutung im täglichen Leben hat, ist es in dem Moment auch "echt" – völlig egal, ob es nur ein Musiker erfunden hat. Das sollte man dann auch irgendwo als "echt" respektieren.

Edit: Gilt übrigens für jede Religion. :)
 
Zuletzt bearbeitet:
Faszinierendes Thema! Genau hier spielt, denke ich, teilweise auch die Rolle des Rezipienten mit rein, die ich weiter oben angesprochen habe. Überspitzt formuliert: Es ist völlig egal, ob die betreffenden Künstler authentisch sind oder ihren DIY-Glauben einzig als Marketinginstrument und Image pflegen, wenn es beim Publikum einen spirituellen Impuls auslöst. Das ist fast wie eine Art Missionierung by accident. Und wer seine Konzerte als Rituale zelebriert, die Bühne weiht und symbolische Opferhandlungen durchführt, der hat entweder ein merkantiles Gespür für genau die Art von Theatralik und Image, die sein Publikum bindet und mehrt oder er verfolgt tatsächlich einen missionarischen Ansatz. Eric von Watain sagt ja sinngemäß, dass es eines seiner Ziele sei, mittels Musik Seelen zu verderben.

Was diese beiden Ansätze klammert ist wohl eine Art diffuse, atavistische Sehnsucht, die dem Black Metal, so finde ich, ästhetisch ja sozusagen von Natur aus entspricht. Rein klanglich hat diese Musik ja schon etwas durchaus Transzendentes, weswegen eine wie auch immer geartete spirituelle Thematik sich in diesem Genre ja förmlich anbietet.
Schöner letzter Satz. Was Eric angeht, muss kannich nur sagen, dass das einzige, was ich von ihm dazu im Kopf habe, die Aussage ist, dass er sich nicht als Prediger sieht. Seelen zu verderben scheint also nicht unbedingt das primäre Ziel zu sein und das glaube ich auch nicht.

Aber zum eigentlichen Thema:
Genau das ist der Punkt. Wir können den ganzen Mummenschanz natürlich hübsch dekonstruieren und entzaubern. Aber sobald es für jemanden Bedeutung im täglichen Leben hat, ist es in dem Moment auch "echt" – völlig egal, ob es nur ein Musiker erfunden hat.
Meinst Du in diesem Fall Dekonstruktion von Religion und ihrer Inhalte an sich, was hier auf die entsprechende Szene/ die Bands angewandt würde, oder Dekonstruktion eines Konstruktes seitens der Musiker (welches sie selber auch nur als reines Konstrukt betrachten)? Und wie würdest Du hier den Begriff "echt" fassen? ich meine, den kann man ja vielfältig auslegen. In jedem Fall wird da eine Realität konstruiert, aber welche "Effektivität" würdest du ihr zuschreiben als "echte"?
 
Aber zum eigentlichen Thema:

Meinst Du in diesem Fall Dekonstruktion von Religion und ihrer Inhalte an sich, was hier auf die entsprechende Szene/ die Bands angewandt würde, oder Dekonstruktion eines Konstruktes seitens der Musiker (welches sie selber auch nur als reines Konstrukt betrachten)? Und wie würdest Du hier den Begriff "echt" fassen? ich meine, den kann man ja vielfältig auslegen. In jedem Fall wird da eine Realität konstruiert, aber welche "Effektivität" würdest du ihr zuschreiben als "echte"?

Ich meinte, dass man die meisten Ideologien, die uns Bands wie Watain vorsetzen, recht einfach in ihre einzelnen Bestandteile auseinandernehmen und als Konstrukt entlarven kann. Völlig wertfrei. Also Zweiteres.

"Echt" im Sinne von bedeutungs- und wirkungsvoll im Leben einer oder mehrerer Personen. Ja, schwammig, aber was ich meine ist, dass man nicht einfach sagen kann, "Hey, das ist erfunden und falsch, woran Du glaubst!". Sobald er daran glaubt, bewirkt es ja etwas für ihn und hat so in realiter Bedeutung gewonnen und wirkt so auf das Leben wahrnehmbar ein.
 
Ich meinte, dass man die meisten Ideologien, die uns Bands wie Watain vorsetzen, recht einfach in ihre einzelnen Bestandteile auseinandernehmen und als Konstrukt entlarven kann. Völlig wertfrei. Also Zweiteres.
Ich glaube du meinst eher Ersteres. Die Alternative meinte ich so, dass die Bands sich des "Fakes" selber bewusst sind, so wie genug Bands der Metal-Geschichte, die zwar ein Mysterium aufgebaut haben, das aber dahinter keinen Einfluss auf ihr Leben hat. Bei Watain nehme ich ihnen schon ab, dass das auf künstlerische Weise die Überzeugungen der Mitglieder widerspiegelt, auch wenn man natürlich den Spaß dekonstruieren kann. Aber das kann man ja wiederum mit jeder Religion etc., unabhängig von der Intention ihrer Anhänger.

"Echt" im Sinne von bedeutungs- und wirkungsvoll im Leben einer oder mehrerer Personen. Ja, schwammig, aber was ich meine ist, dass man nicht einfach sagen kann, "Hey, das ist erfunden und falsch, woran Du glaubst!". Sobald er daran glaubt, bewirkt es ja etwas für ihn und hat so in realiter Bedeutung gewonnen und wirkt so auf das Leben wahrnehmbar ein.
Alles klar. Die Frage, die sich daran anschließt, dabei aber wohl zu weit führen würde, wäre dann: Welche Rolle haben Konstrukte an sich in unserem Leben? Ist ein "entlarvtes" Konstrukt nicht (mehr) brauchbar? Gibt es eine Realität jenseits von Konstrukten? Was ist das ideale Konstrukt?

Ein netter Fun-Fact ist ja, dass die Ideologien dieser Bands im Prinzip Konstrukte zwecks Dekonstruierung anderer Konstrukte sind - zumindest wird das immer mal wieder so proklamiert. Bin mir nur nicht so sicher, ob ein paar der Protagonisten das so vollständig verstehen...
 
Alles klar. Die Frage, die sich daran anschließt, dabei aber wohl zu weit führen würde, wäre dann: Welche Rolle haben Konstrukte an sich in unserem Leben? Ist ein "entlarvtes" Konstrukt nicht (mehr) brauchbar? Gibt es eine Realität jenseits von Konstrukten? Was ist das ideale Konstrukt?

Dazu empfehle ich Berger/Luckmann: Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit.
Aber jetzt wird's ein wenig zu nerdig.
 
Schade, dabei finde ich gerade die Tetragrammatical Astygmata und eben Advent Parallax richtig gut!
Ich geb ihr die Tag nochmal ne Chance. ;)

*nerd-modus on*
Dazu empfehle ich Berger/Luckmann: Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit.
Aber jetzt wird's ein wenig zu nerdig.
Aha, kenne ich noch gar nicht. Auf den ersten Blick würde ich sagen, dass man da in jedem Fall noch weiter gehen kann (s. z.B. Watzlawick und der radikale Konstruktivismus), ich freu mich aber über den Tipp und werd's mir mal auf die Leseliste setzen.
*nerd-modus off*
 
Mit der meisten Musik hier kann ich wenig anfangen, aber die Diskussion finde ich super spannend. Da kann es auch ruhig noch nerdiger werden. :)
 
Jeff ist super, ich unterschreibe fast jeden Post von ihm blind. Jetzt macht er halt so Hardcore mäßgen early-/mid-90s Thrash, kurz, knackig, Gangshouts, Groove, Slayer, Slayer und Slayer, immer voll auf die Glocke. Bisschen S.O.D. & co. evtl. noch.
 
Wenn man sich denn aber diese ganze "Chaos-Spinnerei" anschaut, dann sind doch da eigentlich ziemlich interessante Gedanken dahinter:
1.) Das in einem eine dunkle Kraft ruht, die einen reifen lässt, ist jetzt ja gar nicht so abwegig. Mit dem Begriff "Schwarze Flamme" wird dem ganzen ein "weltliches Konzept" gegeben.
2.) Die gegebene Ordnung durch einen Schöpfer / Demiurgen / Gott oder auch die Natur ist nun auch ein weitestgehend akzeptiertes Konzept. Und immer wenn von der "Ordnung der Dinge" gesprochen wird, dann steht ja die Frage im Raum, was zuvor an der Stelle war. Da ist "Chaos" gar nicht so weit hergeholt.
3.) Mit der "Ordnung der Dinge" erhalten Naturgesetze und das Konzept der Zeit Einzug. Es gibt bei vielen Dingen immer zwei Möglichkeiten: hell oder dunkel, endend oder ewig, alt oder jung, chaotisch oder geordnet etc. - in einem Chaos ohne Naturgesetze gibt es dieses "entweder oder" nicht mehr. Und gerade bei TDB ist mir das sehr klar geworden, das Konzept wurde immer weiter vertieft, bis zum letzten Album (letzte Strophe von "White Storm of Teeth" bspw.). Die Freiheit wird hier als eine Befreiung der Materie und Naturgesetze verstanden

Das kann man sicherlich beliebig weiterführen und ich stecke nicht so tief drinnen, als das alles verstanden zu haben, aber ich finde die Gedanken, die gerade TDB angeregt haben, sehr interessant und würde sogar soweit gehen, als dass sie grundlegende Ansichten von mir verändert haben und mich vielleicht zu einem spirituelleren bzw. spirituell aufmerksamen Menschen gemacht haben.
Interessant ist bei TDB hierbei auch, dass ich in der ganzen Musik und in den Inhalten nichts direkt Misanthropisches finde, es ist sicherlich nicht lebensbejahend (Zitat SL: "Das Leben muss nicht bejaht werden, weil es schon da ist, der Tod muss Bestätigung erfahren"), aber gewiss keine menschenverachtende Ideologie, als das es gern mal hingestellt wird.
 
Wenn man sich denn aber diese ganze "Chaos-Spinnerei" anschaut, dann sind doch da eigentlich ziemlich interessante Gedanken dahinter:
1.) Das in einem eine dunkle Kraft ruht, die einen reifen lässt, ist jetzt ja gar nicht so abwegig. Mit dem Begriff "Schwarze Flamme" wird dem ganzen ein "weltliches Konzept" gegeben.
2.) Die gegebene Ordnung durch einen Schöpfer / Demiurgen / Gott oder auch die Natur ist nun auch ein weitestgehend akzeptiertes Konzept. Und immer wenn von der "Ordnung der Dinge" gesprochen wird, dann steht ja die Frage im Raum, was zuvor an der Stelle war. Da ist "Chaos" gar nicht so weit hergeholt.
3.) Mit der "Ordnung der Dinge" erhalten Naturgesetze und das Konzept der Zeit Einzug. Es gibt bei vielen Dingen immer zwei Möglichkeiten: hell oder dunkel, endend oder ewig, alt oder jung, chaotisch oder geordnet etc. - in einem Chaos ohne Naturgesetze gibt es dieses "entweder oder" nicht mehr. Und gerade bei TDB ist mir das sehr klar geworden, das Konzept wurde immer weiter vertieft, bis zum letzten Album (letzte Strophe von "White Storm of Teeth" bspw.). Die Freiheit wird hier als eine Befreiung der Materie und Naturgesetze verstanden

Das kann man sicherlich beliebig weiterführen und ich stecke nicht so tief drinnen, als das alles verstanden zu haben, aber ich finde die Gedanken, die gerade TDB angeregt haben, sehr interessant und würde sogar soweit gehen, als dass sie grundlegende Ansichten von mir verändert haben und mich vielleicht zu einem spirituelleren bzw. spirituell aufmerksamen Menschen gemacht haben.
Interessant ist bei TDB hierbei auch, dass ich in der ganzen Musik und in den Inhalten nichts direkt Misanthropisches finde, es ist sicherlich nicht lebensbejahend (Zitat SL: "Das Leben muss nicht bejaht werden, weil es schon da ist, der Tod muss Bestätigung erfahren"), aber gewiss keine menschenverachtende Ideologie, als das es gern mal hingestellt wird.
Danke für diesen Post. :top: Ich habe jetzt schon eine Weile mit Gedanken rumgespielt, was ich dazu in Worte fassen will und vor allem wie. Mich haben gerade TDB und Watain auf jeden Fall auch weltanschaulich geprägt, wenn ich auch bestimmte Dinge anders differenzieren würde und diese Konzepte ausführlicher Diskussion bedürften. In diesem Sinne unterschreibe ich deinen Post, insbesondere was die Wirkung an sich angeht.
Der Selim hat schon diverse Aussagen der Marke "tendenz misanthropisch" geäußert, gleichzeitig habe ich bei ihm aber immer den (spontanen) Eindruck eines offenen und respektvollen Menschen gehabt. Ähnliches gilt übrigens auch für Jon Nödtveidt und Eric Danielson. Mit Pauschalurteilen bzw. -verurteilungen ist einem ja sowieso nie geholfen.

Meinst du so Sachen wie: "Cause problems and kill hipsters" oder seine Aussagen zur Todesstrafe?
Wobei ich mich frage, was an dem, was ich dazu gefunden habe, entlarvend im Bezug auf AS sein soll...
 
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