Habe mal etwas ausführlicher meine Eindrücke zum diesjährigen Roadburn niedergeschrieben:
Donnerstag:
Der Start in das diesjährige RB erfolgte mit Big Brave am frühen Donnerstagnachmittag. Einfach eine coole Band, auch wenn mir das neue Album (von dem sie wohl das meiste gespielt haben) deutlich weniger zusagt als das Überalbum von 2019 "A Gaze Among Them". Trotzdem ein toller Auftakt, waren auch schon viele Leute vor Ort.
Danach kurz rüber zu Bruit, die mir schon beim Soundcheck unsympathisch rüberkamen. Die Band war sicher nervös, was das Rumgemeckere wohl teils erklärt, aber mehr als einen Song wollte ich mir dann nicht antun. Ich glaube mit Post-Rock habe ich einfach abgeschlossen (mit Ausnahme von GY!BE).
Dann rüber zur Main Stage, wo Vile Creature & Bismuth aufspielten. Das Ganze vom Balkon aus geschaut, klang schon ganz nett, auch wenn die drei Musiker auf der riesigen Bühne etwas verloren wirkten.
Im Anschluss gab es das erste von zwei Cloud-Rat-Sets, und zwar das elektronische. Erwartet hatte ich dementsprechend so etwas wie Electronic Grindcore, war dann überrascht, dass es eher in Richtung Dreampop ging. Musikalisch fand ich das sehr ansprechend, der Gesang der Sängerin war aber öfter etwas gar schief. Dennoch ein cooler Auftritt.
Direkt im Anschluss die erste Secret Show mitgenommen, und zwar Maggot Heart auf der Skatepark-Bühne nebenan. Ging gut ab und es ist einfach eine coole Location. Daumen rauf. Danach kurz den Schluss von Spiritual Poison mitgenommen. Der Primitive-Man-Frontmann huldigte im Zelt seinem Ein-Mann-Noise. Pluspunkte gibt’s von mir fürs Sade-Shirt. Ebenfalls im Zelt spielte anschliessend Lili Refrain ein hypnotisches Dronefolk-Set mit Gothic-Schlagseite. Leider nicht bis zum Schluss geschaut, da inzwischen eine Secret Show von Thou im Skatepark angekündigt wurde. Also versucht, dort reinzukommen, aber die Schlange war schon unendlich lang. Daher das Unterfangen nach 15 Minuten anstehen aufgegeben. Hätte ich mal lieber noch Lili Refrain zu Ende geschaut …
Danach war erstmal Verpflegung angesagt, bevor es dann schon zum letzten Konzert des Tages ging, und zwar zu ZAÄAR in der neuen Venue Paradox. Das Paradox ist ein Jazzklub etwa 10 Minuten vom Festivalgelände stadteinwärts entfernt. Gut, dass wir etwas früher dort waren, denn es waren schon relativ viele Leute am Anstehen. Konnten uns dann sogar Sitzplätze in der ersten Reihe ergattern. ZAÄAR sind ein Nebenprojekt der Belgier Neptunian Maximalism, die am letztjährigen Roadburn Redux für Furore sorgten. Geboten wurde eine Mischung aus Drone, Free Jazz, Tribalmusik und verzerrten Vocals. Stilistisch konnte ich keine grossen Unterschiede zur Hauptband ausmachen, war auf alle Fälle sehr abgefahren und trippy. Für mich das klare Tageshighlight am Donnerstag. Danach ging es völlig geschafft zurück nach Eindhoven in die Unterkunft.
Freitag:
Der Start in den Freitag erfolgte erst etwas später nach gemütlichem Frühstücken mit dem Projekt Atonia, einer Kollaboration zwischen Wyatt E., Five The Hierophant und einer Sängerin namens MC Slice. Geboten wurde orientalisch angehauchter Doom-/Psychedelic-Rock inklusive Saxophon und Texten auf Hebräisch (?). Mein Fall war es weniger, aber den Leuten schien es gefallen zu haben.
Danach ohne Erwartungen in den Jazzklub, wo wir regelrecht weggeblasen wurden von der dänischen Band Narcosatanicos, die kurzfristig für Poil Ueda eingesprungen waren. Sieben junge Dänen boten eine Mischung aus Noise Rock und Jazz, die sich gewaschen hatte und vom ersten Moment an für Gänsehaut sorgte. Also ob sich frühe Iceage mit dem Saxofonisten aus Lost Highway zu einer unheilvollen Jamsession verabredet hätten. War wirklich ein irrer Trip, am Ende gab es beim Publikum kein Halten mehr. Für mich eine der grössten Entdeckungen der diesjährigen Ausgabe, und dies als Last-Minute-Ersatz – Respekt.
Danach gab es im Zelt Kollaps mit einer geballten Ladung Industrial à la frühe Neubauten. Da war nichts mit Melodie, nur Geschepper und Getrümmer mit einem manischen Frontmann, der u.a. durchs Publikum tigerte. Es war eine wahre Freude.
Im Anschluss ging es sehr spontan zur kurzfristig angekündigten Secret Show von Lamp of Murmuur im Little Devil. Viele andere hatten dieselbe Idee, was 30 Minuten Schlange stehen bedeutete. Der Laden fasst aber auch nur um die 150 Leute, entsprechend voll war es dann. Das sorgte aber für eine richtig geile Stimmung, im Publikum gab es kein Halten mehr. Die Band hat ja – soviel ich weiss – noch nicht oft live gespielt und dies war wohl ihre erste Europa-Show überhaupt. Dafür wirkte sie sehr routiniert und hat definitiv abgeliefert. Nach ca. 30 Minuten tropfte dann Flüssigkeit (?) aus der Klimaanlage direkt auf einen Amp, worauf dieser kurzerhand ausstieg. War aber auch alles gesagt zu dem Zeitpunkt, sodass wir an die frische Luft flüchteten. LoM konnte auf alle Fälle einen starken Eindruck hinterlassen.
Zurück zu Cloud Rat und ihrem zweiten Set, das wir uns von etwas weiter hinten anschauten. Dieses Mal war Grind Core angesagt, hat ziemlich Laune gemacht, auch wenn die Bühne für diese Art von Musik etwas überdimensioniert war.
30 Minuten später waren Amnesia Scanner im Terminal an der Reihe und sorgten kurzerhand für ein absolutes Highlight dieser Ausgabe. AS nennen das, was sie machen, selber anscheinend «deconstructed club music», was es sehr gut trifft. Geboten wurde ein absolut tanzbares, verschrobenes Electronic Set, das bei mir für einen wahren musikalischen Mindfuck sorgte. Dass solche Sachen am Roadburn stattfinden können, kann man meiner Meinung nach nicht genug würdigen. Grossartig!
Danach war eine schwierige Wahl zu treffen: entweder weitere Electronica in Form von HEALTH oder aber BM von Faceless Entity. Die Wahl fiel schliesslich auf erstgenannte, was sicher kein Fehler war. HEALTH hatte ich zwar schon einmal live gesehen und es war auch nicht viel anders als damals, aber sie machen einfach Laune mit ihrer Mischung aus Rock, Electro und Noise. Gehofft hatte ich noch auf eine Collab (z.B. mit Full of Hell), was aber leider nicht der Fall war. Dennoch starker Auftritt. So endete ein bärenstarker Festivaltag mit einer stilistischen Vielfalt (Noise Rock, Jazz, Industrial, Black Metal, Electronica, Grind Core) die man wohl nur selten an Festivals kriegt.