ROADBURN 2023 (Tilburg NL / 20.-23.04.2023)

Der Freitag startete deftig mit Ad Nauseam im Engine Room. Mit technischem Death Metal tue ich mich generell schwierig und da wo ich stand war der Sound auch nicht so optimal, von daher ging ich rüber ins Terminal da ich weit vorne seine wollte bei Trounce dem zweiten von vier commisioned Projekten dieses Jahr. Es gab im vornherein keinen Ton zu hören, nur die Beschreibung auf der Webseite und ein insta Live Interview mit dem hauptverantwortlichen Jona Nido (u.a. von Coilguns, ex-The Ocean) der mit diesem Projekt aus Schweizer Musiker rund um sein Label Humms Records viel versprochen hat. Der Show hat man angemerkt, dass sich die Beteiligten, u.a. von Yrre, Coilguns, Kruger, wirklich intensiv vorbereitet hatten. Es war alles musikalisch sehr tight und auch die Show war mit passendem Licht sehr stimmig. Das ganze bewegte sich weitesgehend im Post Metal Bereich und war ein richtig starker Auftritt. Im Roadburners Discord konnte Becky mittlerweile schon bestätigen, dass es veröffentlicht wird, was mich sehr freut.
Ich war dann doch etwas überrascht wie voll es bei der Mainstage war wo Bell Witch ihr wenige Tage zuvor angekündigtes und an diesem Tag veröffentlichtes neues Album zum ersten Mal präsentierten. Das ist jetzt für mich auch keine Musik zum groß stehen, also nahm ich wieder auf den Stufen Platz und ließ mich auf die 80 Minuten Funeral Doom ein. Eigentlich ist das weniger mein Genre und selbst die Mirror Reaper Tour konnte mich nicht fesseln. Aber dieses Mal hat einiges gepasst, die dazu stimmigen Visuals trugen auch dazu bei. Werde dem Album definitiv eine Chance geben.
Wolves in the Throne Room hatte ich zwar noch eine Woche zuvor gesehen, aber hatte doch nochmal Bock. Das Set war fast das gleiche wie auf der Tour (Vastness and Sorrow wurde ich meine durch ein paar Ambientstücke ersetzt) das ganze mit Visuals untermalt war auch ganz cool. Die kleinere Clubshow war fetter. Dann bin ich noch zum Teil bei Teeth of the Sea rein, was sich auch in den wenigen Minuten gelohnt hat. Die Band war mir völlig fremd, aber ihr sehr nach vorne gehende synthlastige Psychsound der teilweise mit Trompete unterstützt wurde, aber auch Platz bot für absolute Gitarrenshreddersolos muss von mir nochmal zu Hause angecheckt werden.
War ich bei Bell Witch schon überrascht, wie voll es in der Mainstage für so einen Spartensound doch war. So war ich bei Brutus dann überrascht wie voll es doch noch werden konnte. Vorne wo ich stand war es richtig kuschelig eng geworden. Dies alles aber völlig zurecht. Brutus habe ich seit 2016 immer wieder gesehen und von Platte zu Platte haben die sich gesteigert und stehen meiner Ansicht nach mit Unison Life kurz vor dem völlig verdienten Durchbruch. Dass sie dazu mit ihrer stimmigen Lichtshow und dem Bühnenaufbau als Trio mit doch teils luftigem Sound den Raum unter Kontrolle zu haben, bestärkt mich nur in meinem Einruck, dass für die noch einiges geht. Das kurze energetische Set war top. Viele der neuen Songs die ich hören wollte wurden präsentiert. Bei den wenigen Ansagen (eine nur durch eine gerissene Basssaite) konnte man der Band anmerken, dass es ihr auch viel bedeutete beim Roadburn auf dieser Bühne spielen zu dürfen. Schön.
Nachdem ich sie am Vorabend ja ausfallen ließ bin ich doch zur zweiten Deafheaven Show wo sie Infinite Granite in kompletter Länge spielten. Da ich das Album während der Pandemie sehr viel gehört habe, hat das einen besonderen Stellenwert bei mir. Ich war auch auf der Tour letzten Jahr und da waren leider gerade die Songs von diesem Album stimmlich die schwächsten. Umso mehr war ich dann erfreut, dass für diese Show wohl viel geprobt wurde und die stimmliche Leistung deutlich besser war. Zwar noch nicht perfekt, aber alles in allem gefiel mir das Set mit den passenden Visuals zum ALbum sehr gut. Das phänomenale Drumming kann ich auch nochmal hervorheben.
Und wenn man schon den Luxus hat auf dem Roadburn in seinen Geburtstag reinzufeiern dann sucht man sich doch etwas aus das gute Laune macht dachte ich mir. Und da die Band hier einen anderen Stellenwert hat als in den Niederlanden wo sie deutlich größer sind, entschied ich mich dafür mit DeWolff eine gute Party mit ordentlichen Retrosounds zu gönnen. Als Kerntrio fand ich die Band schon ganz cool, aber der soulige Sound der letzten Alben gefällt mir besser. Ein Glück wurde hier ein Set mit zusätzlichen Percussionisten, Bassisten, Backgroundsängerinnen und Bläsern geboten, sodass man statt 3 ganze 10 Leute auf der Bühne hatte. Viel vom letzten Album wurde gespielt. Ich glaube zwar, dass es gar nicht mal so gefüllt war, aber ganz vorne hatte ich richtig viel Spaß.
Danach hat man halt noch angestoßen und gequatscht und bisschen gefeiert und dann ist der Abend ausgeklungen, vielleicht hätte man zu Sierra gehen sollen, aber man kann auch nich alles sehen.
 
Dann berichte ich auch mal:

Mittwoch (The Spark)
Mai Mai Mai - Dunkler Ambient, untermalt mit passenden Landschaftsaufnahmen im Hintergrund. Vielleicht nicht ganz so intensiv wie beispielsweise Treha Sektori, aber für sowas bin ich immer zu haben!
The Shits - Dann Kontrastprogramm: Völlig asozialer Hardcore Punk mit einem richtig unsympathischen Frontmann. Herrlich!
Poison Ruïn - Waren das erwartete Highlight am Warmup-Abend, entsprechend ausgelassene Partystimmung vor und auf der Next Stage. Nachdem ich am Vorabend bei WITTR in Winterthur war und darum vor der Reise nach Tilburg gerade mal 4 Stunden geschlafen hatte, war ich dann doch froh, mal ins Hotelbett fallen zu können.

Donnerstag
Yrre - Ihre Mischung aus Post Hardcore und Black Metal funktioniert auch live super, sehr guter Start in den ersten "richtigen" Festivaltag.
John Cxnnor - Mit den ständigen Wechseln am Mikrofon ganz unterhaltsam. Für meinen Geschmack aber zu Industrial-lastig, daher wanderte ich dann etwa nach der Hälfte zur Next Stage rüber, um mir einen Platz bei Osi & The Jupiter zu sichern.
Osi & The Jupiter - Grossartiger Folk aus den Appalachen, dargeboten nur mit Akkustikgitarre und Cello. Hier konnte man zwischen dem ganzen "Krach" mal richtig runterkommen.
Burst - Hier habe ich mir auch nur die erste Hälfte des Auftritts angeschaut. Nicht, dass ihr Post Hardcore nicht überzeugen konnte, ganz im Gegenteil, aber für Esben & The Witch einen guten Platz vor der Bühne zu reservieren, hatte dann doch Vorrang.
Esben & The Witch - Haben ihr neues Album "Hold Sacred" in voller Länge dargeboten. In manchen Reviews wird kritisiert, dass die Platte durch die reduzierte Herangehensweise etwas langweilig geraten ist. Mich als Fanboy haben sie trotzdem abgeholt und erfreulicherweise wurden die ruhigen Passagen nicht durch Gelaber gestört.
Julie Christmas - Ich muss leider gestehen, dass ich bisher nur mit ihrem gemeinsamen Album mit Cult Of Luna vertraut bin, Made Out Of Babies und Battle Of Mice sind mir nur vom Namen her bekannt. Das müsste ich wohl mal ändern, denn der Auftritt war eine einzige Machtdemonstration. Ich habe mich im seitlichen Eingangsbereich reingezwängt, denn vor der Hauptbühne wurde es richtig voll.
Bo Ningen - Was war das denn bitte...?! Einer der besten Auftritte, den ich jemals beim Roadburn erleben durfte: Komplett freidrehender Heavy Psych-Wahnsinn aus Japan! Immer wenn man dachte, mehr geht nicht, haben sie nochmal einen draufgesetzt...
The Soft Moon - Der Plan, "Exister" in voller Länge zu spielen, wurde über den Haufen geworfen und stattdessen ein Best Of-Set geboten. Düsterer, tanzbarer Post Punk genau nach meinem Geschmack. Wobei das Konzert im kleinen zürcher Club Mascotte noch einen Tick intensiver war.

Freitag
Trounce - Wenn Leute von u.A. Kruger und Coilguns gemeinsam auf der Bühne stehen, kann eigentlich nicht viel schiefgehen. Und so war es dann auch, das eigens für das Roadburn gegründete Kollektiv bot mitreissenden Post Hardcore. Sehr schön, dass es hier eine Tonträger-Veröffentlichung geben wird.
Bell Witch - Dasselbe wie bei Julie Christmas am Vortag: Volles Haus und ich war vorher nicht wirklich mit der Musik der Band vertraut. Wie sich die überlangen Songs episch aufgebaut haben, war dann aber auch ohne Vorkenntnisse absolut faszinierend. Und auch die tollen Visuals in schwarz-weiss auf der grossen Leinwand haben dazu beigetragen, dass die 80 min. wie im Flug vergangen sind.
Wolves In The Throne Room - Auch hier wurde optisch einiges aufgefahren: Neben der grandiosen Untermalung mit Naturaufnahmen wurde die Bühne mit allerlei Dekokram ausgestattet. Musikalisch konnte die Band ebenso überzeugen, auch wenn ich (wie @Edgehead1910) die Clubshow kurz davor noch packender fand. Einziger Kritikpunkt ist, dass der völlig unverzichtbare Übersong "Vastness and Sorrow" von der Setlist gestrichen wurde.
Brutus - Tageshighlight! Habe die Band jetzt zum 6. mal geshen und sie werden einfach immer (noch) besser! Nur Hits, top Sound und ein Publikum, das sie verdientermassen abgefeiert hat. Man kauft Brutus bei jedem Konzert die Dankbarkeit dafür ab, dass die Leute ihre Musik wertschätzen, aber das hier war nochmal eine Stufe drüber. Man merkte allen Bandmitgliedern an, wie sich mit einem Auftritt beim Roadburn gerade ein absoluter Lebenstraum erfüllt.
Vulva - Mein erstes Konzert in der frisch renovierten "Hall Of Fame". Die beiden Musikerinnen haben sich mit ordentlich Wut auf Abtreibungsgegner (Kill The Baby!) und ähnliche Unsympathen durch ein heftiges Garage Punk-Set gespielt. Das hat, natürlich nicht zuletzt aufgrund der Bandkonstellation, an Beehoover oder Dÿse erinnert.
Backxwash - Leider konnte ich nur dieses erste Set mitnehmen, aber das war schon eine spektakuläre Vorstellung! Mit dieser Mischung aus Noise, Industrial und Hip Hop hat sich das Roadburn weiter weg vom klassischen Stoner/Doom/Psych gewagt als je zuvor. Nicht wenige Leute sprechen vom Festival-Highlight, das Experiment ist also durchaus gelungen.
Elisabeth Colour Wheel - Schwer einzuordnen: Hier wird Post Rock, Noise und Hardcore zu einer wilden Mischung vermengt. Die äusserst charismatische Sängerin Lane Shi hat während des Auftritts immer mal wieder Ausflüge ins Publikum gemacht und auch sonst fragte man sich nach dem Auftritt verwundert, was man da gerade erlebt hatte. Sehr speziell!
Sierra - Eigentlich wäre als Tagesabschluss ein DJ-Set von Boy Harsher geplant gewesen, da es aber Verzögerungen bei der Einreise gab, sprang kurzfristig Sierra ein, um die tanzwütige Meute durch die Nacht zu begleiten. Ein absoluter Glücksfall! Fand ihren düsteren, harten Synthwave schon im Vorprogramm von Carpenter Brut ziemlich cool, aber hier hat sie richtig abgeräumt!

Samstag
Sowulo - Nach dem intensiven Freitag und da ich es erst um 4:00 ins Bett geschafft hatte, zwang mich die Vernunft, die ersten paar Bands auszulassen. Los ging es mit Sowulo, die stark an (die völlig überbewerteten) Heilung erinnert haben. Nicht wirklich meins, daher gab es erstmal ein entspanntes Bier auf den Stufen in der Mainstage-Halle.
Chat Pile - Bei Chat Pile stand die Frage im Raum, ob die Band dem Hype auch live gerecht wird. Mit einer ebenso souveränen wie brachial-kaputten Show haben sie aber schnell alle Zweifel weggeblasen. Zudem hat der Sänger mit humorvollen Ansagen für gute Stimmung gesorgt. Dass die Halle bis auf den letzten Platz gefüllt war, versteht sich von selbst.
High Vis - Für mich ein weiteres Festival-Highlight. Während der Sound im "Engine Room" nicht immer optimal ist (bzw. manchmal sogar katastrophal), war hier in dieser Hinsicht nichts zu bemängeln. Die Band war topmotiviert und das Publikum genauso, manche Leute im Moshpit vielleicht sogar ein bisschen ZU motiviert... Textsicher wurden High Vis durch das Set begleitet, bei den heftigeren Hardcore-Songs genauso wie bei den emotionalen Sachen ("Trauma Bonds", Alter....). Ganz, ganz gross!
Otay:onii - Elisabeth Colour Wheel waren ja schon strange - aber Lane Shi hat bei ihrem Soloauftritt nochmal eine Schippe draufgelegt. Schwer zu beschreiben, was da abging, diese Kombination aus Bühnenoutfit, Visuals und experimenteller Musik war ebenso faszinierend wie unheimlich.
Cave In - Eine weitere Band, die ich vorher nur vom Namen her kannte... Daher kann ich auch nicht beurteilen, ob die Auswahl an rarem Material und Coversongs für das als “Interstellar Mixtape” betitelte Set gelungen war. Unterhalten hat mich die Mischung aus Hardcore und Alternative Rock allerdings sehr gut.
Boy Harsher - Wie der Freitag endete auch der Samstag für mich mit düsterem, tanzbaren Darkwave. Der Auftritt von Boy Harsher in Basel war für mich eines der besten Konzerte letztes Jahr, entsprechend gross war die Vorfreude. Die Erwatungen wurden dann auch vollends erfüllt und soweit man blicken konnte, sah man Leute, die der Aufforderung zum Tanzen nur allzu gerne gefolgt sind. Mit dem Hit "Pain" wurde man schliesslich glücklich in die Nacht entlassen.

Sonntag
The Sonic Dawn - Nach so viel düsterer, harter und experimenteller Musik war es Zeit für ein bisschen Kontrastprogramm. Die Band war daher genau das richtige, um in den letzten Tag zu starten: Unendlich lässig groovernder, psychedelischer Hard Rock, Räucherstäbchen inklusive.
Ossaert - Danach war aber auch schon wieder Schluss mit lustig, denn Ossaert aus dem niederländischen Untergrund boten melodischen Black Metal.
Big|Brave - Spielten schon letztes Jahr beim Roadburn und hatten mir damals sehr gut gefallen. Dieses mal stand das neue Album “Nature Morte” auf dem Programm, statt auf der Terminal-Bühne (verdientermassen) auf der Mainstage. Die Mischung aus Doom, Post Metal, Drone und Noise war nochmal ein Tick beindruckender als 2022 und die Band extrem dankbar, auf diesem Festival spielen zu können.
Zola Jesus - Eine weitere Künstlerin, mit der ich nicht wirklich vertraut war. Ich fand den Auftritt ziemlich gut, aber manche Fans waren masslos enttäuscht: Der Versuch, auf Gitarren statt elektronische Musik zu setzen, sei komplett misslungen und die technischen Probleme hätten dem ganzen schliesslich den Rest gegeben...
Filmmaker - Da ich den fleissigen, kolumbianischen Synthwave-Künster unbedingt sehen wollte, machte ich mich früh auf den Weg zur Hall Of Fame - um festzustellen, dass sich bereits eine lange Schlange gebildet hatte. Schlussendlich bin ich aber problemlos reingekommen und so endete auch der letzte Tag mit düsterer, elektronischer Musik....
Duma - ....wenn da nicht noch der Überraschungsauftritt von Duma gewesen wäre. Hier gab es zum Abschluss Industrial Grindcore aus Afrika in die Fresse und das Publikum ging ein letztes mal komplett steil.


Nach Duma habe ich mich zurück auf den Weg ins Ibis Hotel gemacht, das am Stadtrand liegt. Die 4 km bin ich jeden Tag hin- und zurückgelaufen, was einerseits Geld für's Taxi eingespart und andererseits für ein wenig Bewegung an der frischen Luft gesorgt hat. Für mich ist das Roadburn nach wie vor das beste Festival der Welt, auch wenn man sich dieses Jahr mehr auf unbekanntes und Experimente einlassen musste als je zuvor. Solange die Qualität stimmt, habe ich kein Problem damit - trotzdem wäre es schön, wenn nächstes Jahr auch wieder ein paar "altbewährte" Bands gebucht würden. So oder so freue ich mich schon auf's Roadburn 2024. :)
 
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Der Samstag ging für mich dann wieder mit der ersten Band des Tages los. Pupil Slicer im Engine Room. Ich konnte mich bisher noch nicht an Metal-/Mathcore auf dem Roadburn erinnern und selbst habe ich in den letzten Jahren weniger aus dem Genre gehört. Hier werde ich mir das kommende Album auf jeden Fall zu Gemüte führen, denn gerade alle als neu angekündigten Songs trafen meinen Geschmack in dem Genre sehr gut.
Direkt danach stand nebenan im Terminal das nächste harte Brett an. KEN Mode die den Raum gnadenlos mit ihren hochkarätigen Noise Rock in Schutt und Asche legten. Das war definitv einer der stärksten Auftritte diesen Jahres. Unglaublich intensiv und danach war ich dann auch schon etwas geplättet.
Da sich dann bei mir die Entscheidung verfestigte alle commisioned pieces zu schauen stand als Duma & Deafkids auf meinem Programm. Eine der wenigen Shows die für mich nicht gezündet hat. Duma kenne ich praktisch nicht, aber Leute meinten das ging letztes Jahr schwer ab. Deafkids kenne ich etwas mehr und finde gerade die wilden Sachen gut. Die Kollaboration war dann aber eher atmosphärisch, hypnotisch im Ansatz. Hat mich aber nicht gepackt, also habe ich mir eine Pause genehmigt.
Danach war es auf der vollen Bühne Zeit für eine der Buzzbands der Stunde Chat Pile. War es dank einer Secret Show am Vorabend nun zwar "nur der zweite" Gig auf europäischen Boden, so war es doch wirklich gut gefüllt auf der Main Stage und die Anspannung ob die Band dem Hype gerecht wird. Dann als Band das erste Mal auf einer solchen Bühne direkt mit dem für viele Leute doch stärksten Song "Why" loszulegen machte sofort klar, dass die Erwartungen erfüllt werden können. Ich fand die Sache gut und souverän.
Nach so viel noisigem Material brauchte ich wieder etwas Ausgleich und den gab ich mir mit David Eugene Edwards. Bisher hatte ich ausschließlich Wovenhand in den letzten Jahren in der durchaus stärker rockenden Version gesehen und gerade weniger aus der Frühphase gehört von daher war das für mich eine gute Gelegenheit auch davon den ein oder anderen Song zu hören. Der Herr hat ja eine wirklich starke Aura und konnte mit seinem Solo Setup den Raum in seinen Bann ziehen.
Freunde von mir die dieses Jahr nur für einen Tag da waren wollten Cave In sehen und da ich auch großer Fan der Band bin hatten wir uns dafür verabredet. Das war das Interstellar Mixtape Set wo die Band sich mit Covern von The Cure, Fleetwood Mac, Codeine (den Namen gebenden Song Cave-In) Into Another und Bad Brains etwas ausleben durfte und auch eigene Raritäten präsentierte. Besonders das Ende mit Songs von Jupiter und Stained Silver (vom Antenna Album) gefiel mir sehr gut.
Zum Tagesabschluss sowohl des Festivals als auch meine Geburtstags wollte ich dann doch noch etwas Tanzen. Wie gut, dass als ich das nächste Mal zur Mainstage kam der Raum schwer mit Nebel gefüllt war und sich in einen großen Club verwandelt hatte in dem Boy Harsher wie sie ja sagten ihre Tanzmusik präsentierten und Leute in Bewegung versetzten denen man es mit ihren Sunn O))), Bell Witch, Blood Incantantion, etc. Shirts nicht unbedingt zutrauen würde. Die Hitdichte war gut und ich glaube auch das beim Cover von "Wicked Game" praktisch jeder mitgesungen hat. Und nach Pain hatte man wirklich ein perfektes Ende für diesen Tag.
 
Julie Christmas - Ich muss leider gestehen, dass ich bisher nur mit ihrem gemeinsamen Album mit Cult Of Luna vertraut bin, Made Out Of Babies und Battle Of Mice sind mir nur vom Namen her bekannt. Das müsste ich wohl mal ändern, denn der Auftritt war eine einzige Machtdemonstration.
Ja, schließe diese Bildungslücke am besten mal. Die können schon was. Ist zwar länger her, dass ich die Sachen gehört habe (müsste die Alben echt mal wieder rauskramen), aber ich kann mir nicht vorstellen, dass sich meine Einschätzung da im Laufe der Zeit geändert haben könnte.

Otay:onii - Elisabeth Colour Wheel waren ja schon strange - aber Lane Shi hat bei ihrem Soloauftritt nochmal eine Schippe draufgelegt. Schwer zu beschreiben, was da abging, diese Kombination aus Bühnenoutfit, Visuals und experimenteller Musik war ebenso faszinierend wie unheimlich.
Otay:onii habe ich erst vor einer guten Woche im Vorprogramm vom Hypnodrone Ensemble (Aidan Baker und Konsorten) gesehen. Kannte ich vorher gar nicht, hatte daher auch keine besonderen Erwartungen und fand es dann überraschend gut. Eben auch visuell gut rübergebracht. Trug ja so eine Art Strumpfmaske mit geknotetem "Rüssel" vorne, war beim Roadburn vermutlich auch so.

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Direkt danach stand nebenan im Terminal das nächste harte Brett an. KEN Mode die den Raum gnadenlos mit ihren hochkarätigen Noise Rock in Schutt und Asche legten. Das war definitv einer der stärksten Auftritte diesen Jahres. Unglaublich intensiv und danach war ich dann auch schon etwas geplättet.
KEN mode sind vor allem live wirklich stark, habe von denen auch schon beeindruckende Auftritte gesehen.
 
Der Sonntag begann mit dem für mich traditionellen Besuch des Roadburn Q&A. Eine finde ich immer höchst spannende Veranstaltung in der man einen Blick hinter die Kulissen bekommt und erfährt wie schwer beispielsweise diese Ausgabe war. Es gab natürlich viele Punkte die man in den Diskussionen um Festivals und Tourneen generell hört, gestiegene Kosten (Bands die vor Pandemie vll 10.000€ gekostet haben nun 30.000€, von 50.000€ zu 75.000€), Reduzierung der Touraktivitäten (statt 2 Europatourneen im Jahr nur noch eine, Konzentration auf die Hauptfestivalsaison im Sommer), welche auch einen starken Einfluss auf dieses Jahr hatte. Es war so schwer Zusagen zu bekommen, dass man ja erst Anfang Oktober Bands angekündigt hatte und zu dem Zeitpunkt dieser Ankündigung waren dies alle Bands die sie hatten. Der Weg von diesem Jahr wird wohl weiterverfolgt werden, teilweise ist man durch die Aufnahme einiger Bands diesen Jahres darin bestätigt wurden, auch etwas mehr zu wagen. Wer also eine Rückkehr zu Stoner/Doom/Psych lastigem Roadburn erwartet, sollte vielleicht mit anderen Festivals liebäugeln. Man will/wird sich diesen Wurzeln nicht abneigen, aber es wird eher in die Zukunft geschaut als in Nostalgie verfallen. Man wird sich anpassen, neue Wege gehen und Dinge probieren (bspw. den frühen VVK mit Early Bird Preisen bis Anfang Juni für die, die sich blind darauf einlassen wollen).
Das letzte der commisioned pieces eröffnete musikalisch den finalen Tag. Elizabeth Colour Wheel & Ethan Lee McCarthy knallten einem erstmal einige Sekunden Grindgeballer vor den Latz um direkt danach ruhig verträumt zu werden, bevor es langsam und heavy weiterging und ein wilder Ritt durch Genres und Stimmungen seinen Lauf nahm. Starkes Teil.
Die darauffolgenden Imperial Triumphant auf der Mainstage konnten da für mich nicht mithalten. Es ist für mich das Tech Metal Dinge, womit ich einfach nie so warm werden will. Die 20er Jahre Ästhetik mit den Visuals sgt mir mehr zu, aber die technisch hervorragend dargebotene Mucke packt mich trotz mehrerer Anläufe von Platte auch live nicht.
Dafür umso stärker packend waren BigBrave die endlich auf der Mainstage spielten. Wie hier bereits angemerkt war die Band selbst emotional davon angetan diese Ehre zu haben. Als einer der sämtliche Auftritte der Kanadier dort gesehen hat, das erste Mal 2018 ein wahnsinnig plättender Auftritt im Patronaat und 2022 die Eröffnung des Festivals nach Pandemiepause, gehören sie zu den Bands die den Roadburn Spirit für mich spürbar in sich tragen und haben sich das mehr als verdient. Die Show mit dem kompletten neuen Album zeigte mal wieder warum diese Band im Bereich Slowcore/Drone/Post Metal zu einen der spannensten gehören und für diese Tour verstärkte sich das Trio mit Liam Andrews von My Disco am Bass um den bereits unglaublich dichten Sound noch stärker auf einen wirken zu lassen. Beeindruckend.
Ebenfalls 2018 spielte Zola Jesus einen saustarken Auftritt, welcher auch als Livealbum veröffentlich wurde. Es ist vermutlich der kontrovers aufgenommenste Gig des Festivals, was zum einen an dem veränderten Soundmit echten Drums und Bass lag, aber auch durch technische Probleme bedingt war. Klang der Soundcheck noch ganz gut, so hatte der Auftritt zu Beginn merkbares Feedback und man merkte wie immer mehr Effekte abgedreht wurden. Scheinbar war auch der Monitorsound da nicht der beste und das Zusammenspiel zwischenzeitlich auch schwierig und es etwas holprig bei der in wenigen Tagen eingeprobten Show. Mir hat's nachdem ich mich auf diese Version eingelassen habe doch ganz gut gefallen. Highlight war das trotz kleiner Verspieler am Anfang starke "Desire".
An Tag 5 merkte ich, dass viele schwere, düstere und auch emotional heavy Mucke wirklich auslaugend ist. Darum war ich dann sehr froh über den zweiten Auftritt von Cave In die hier ihr letztes Album "Heavy Pendulum" in voller Länge aufführten. Direkt nach dem Einsetzen des ersten Riffs von "New Reality" war klar, dass dies genau jetzt das richtige ist. Diese Show hat für noch einmal die Klasse dieses Album herausgehoben. Über die 70 Minuten wurde diese Mischung aus Hardcore, Alternative Rock, Sludge, klassichen Einflüssen wie Led Zep oder Pink Floyd vorzüglich präsentiert und mit dem langen "Wavering Angel" am Ende mit wunderbaren Gitarrenharmonien beendet. Es wäre ein perfektes Ende für das Festival gewesen.
Aber um 22 Uhr macht man noch nicht Schluss. Da ist man noch kurz zu Afsky. Es klang ganz gut, aber war recht wenig was ich gesehen habe und ich merkte da erstmals, dass meine Aufnahmefähgikeit an ihre Grenzen kam.
Es wurde dennoch ein letztes Mal Platz auf den Stufen des 013 genommen und Oiseaux-Tempête geschaut, die ich vorher nicht kannte und die als Artist in Residence hier zum 10 jährigen jeweils eine Phase ihrer Band präsentierten. Dieses Show konzentrierte sich auf die letzten Werke, welche sich im Bereich des experimentellen Post Rocks zu ordnen lassen. Es gab die unterschiedlichsten Einflüsse und so wurde über die 70 Minuten ein dichtes Netz aus vielen Elementen gewoben und dieses Jahr mit einer schwer zu fassenden für dieses Fest typischen Band beendet.

Bei der Rückreise merkte ich dann, dass ich mich wirklich positiv ausgebrannt gefühlt habe und mal ganz ohne Musik unterwegs war. Ich habe viele besondere Shows gesehen, aber vermutlich genauso viele gute eben nicht. Und auch wenn ich eher introvertiert bin, eine der besten Festivalcomunities, bei der so gut wie alle Leute unglaublich offen, nett, tolerant und so viel mehr gute Dinge sind, erlebt. Wo ein einzigartiges Gefühl in der Luft liegt. Mir bei Konzerten zur Zeit auffällt, dass dort ein ganz anderer Respekt herrscht. Ich freue mich schon sehr aufs nächste Jahr und habe bis auf die Zugtickets schon alles gebucht.
 
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