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Das wird aber ein geselliger Abend mit Wohnzimmer-Atmosphäre", dachte ich mir, als
@Tombstone und ich am "Juz Live Club" ankamen, vor dem uns 10 Minuten vor Einlass ganze fünf Leute erwarteten. ^^ Mit der Zeit wurden es mehr, doch ausverkauft war das Jugendzentrum nicht. Ich bin schlecht im Schätzen, doch nach Absprache mit dem Herrn Tombstone, würde ich die Leute auf 200, maximal 300 schätzen. Es war also noch recht luftig, als Victory auftraten.
Zuvor jedoch gab es noch zwei Vorbands.
Eröffnet wurde der Abend von
Ra's Dawn, die mit ihrem Progressive Metal allgemein gut ankamen, sogar bei mir, der ich ja eigentlich nicht so auf Prog stehe. Das ist mit Sicherheit auch den Ausflügen in den Power Metal zu verdanken, was das ganze Gefrickel immer wieder angenehm auflockerte. Ich finde es für eine Progband immer recht schwierig so richtig beim Publikum zu zünden, wenn man die Songs nicht kennt, doch diese Hürde haben die Jungs mit Bravour gemeistert! Werde ich auf alle Fälle im Auge behalten und mir sicherlich eines ihrer Alben zulegen!
Support Nummer zwei hießen
Iron Fate, und wie der innovative Bandname schon vermuten lässt, frönen diese Jungs dem Power Metal. Deutlich amerikanischen Sounds, was ich sehr begrüßte, gab es ordentlich Doublebass und Screams, die ich nicht mal in meiner engsten Eierkneiferhose auf die Reihe bekäme. Durchaus nicht schlecht und als Anheizer recht unterhaltsam, klang das in meinen Ohren jedoch wie alles schon einmal gehört. Ein wenig Eigennote würde den Herren ganz gut tun. Trotzdem alles in allem ein netter Auftritt und Appetitanreger, welcher mit einer, vor allem auf gesanglicher Ebene, hervorragend dargebotenen Priest-Huldigung in Form von "Victims Of Changes" beendet wurde!
Worunter alle Bands zu leiden hatten, was ich jedoch der Hausanlage zuschreibe, war der bescheidene Sound, wenn man mittig vor der Bühne stand. Besonders der Gesang hatte darunter zu leiden, da dieser scheinbar nur aus zwei, ganz oben links und rechts angebrachten Boxen kam, welche auf Höhe des Bühnenrands installiert waren, was unmittelbar vor der Bühne natürlich fatal ist.
Als sich die Herren um das letzte, verbliebene, aus den glorreichen Zeiten stammende Mitglied Hermann Frank seitlich der Bühne bereit machten, registrierte ich zwar, dass Sänger Jioti Parcharidis sich kurz Richtung Publikum aufmachte, verfolgte das ganze aber nicht weiter. Hätte ja auch sein können, dass er sich noch eben 'ne Bratwurst gönnt. Jedenfalls tippte mich dann jemand aus dem blinden Winkel an und als ich mich umdrehte, stand Parcharidis vor mir, der offenbar schnurstraks zu mir marschiert ist, da das alles sehr schnell ging. Er stellte sich mir als der neue Sänger vor, bedankte sich dafür, dass wir zu dem Konzert gekommen sind und erzählte noch ein wenig von den vorangegangenen Auftritten, dass die richtig stark waren und er total Bock auf heute Abend hat. Dann sagte er, dass er aber seit gestern an einer Mandelentzündung leide und es mit der Stimme aufgrund dessen aktuell leider nicht so gut bestellt sei und er sich dafür schonmal im Voraus entschuldigen möchte. Ich stand erstmal verduzt da und sagte ihm, dass es keinen Grund zur Sorge gibt und dass ich total glücklich darüber bin, die Klassiker nach 1992 endlich wieder live hören zu können.
Eine Minute später ging es dann auch schon los. "Take The Pace" eröffnete erwartungsgemäß das Konzert und die Stimmung steigerte sich von Song zu Song. Traurig war allerdings, dass sich viel zu wenig Leute bis ganz nach vorne begaben. Dort standen dann aber auch die wahren Victory-Maniacs.
War ich bei "Take The Pace" noch überrascht, dass man mir das Mikro vor die Nase hielt (stand ganz vorne, weil ich nicht wußte, wie weit meine Schlüpper fliegen; hatte gleich mehrere im Gepäck und wollte auf Nummer sicher gehen), gewöhnte ich mich im Laufe des Konzerts daran. Offenbar war das 'ne spontane Audition für den Reservesänger-Posten.^^ Überhaupt gab sich die Band, insbesondere Frank und Parcharidis, sehr fannah: Gelegentlich durfte mancher auch mal kurz in die Saiten greifen, und mitsingen war ausdrücklich erwünscht. Zwischendurch verließ Parcharidis hin und wieder die Bühne, mischte sich unters Publikum und sang gemeinsam mit uns die Refrains so mancher Göttergabe. Stimmlich bot der Mann trotz der Mandelentzündung eine tolle Leistung, allerdings machte sie sich auch hin und wieder bemerkbar, was man daran hörte, dass halt nicht alle extrem hohen Passagen glückten, was aber eher selten der Fall war!
Was soll ich zu den Songs groß schreiben, was nicht jeder bereits weiß? Im Grunde ließ die Setlist keine Wünsche offen. Are You Ready, Let I Rock On, Feel The Fire, On The Loose, More And More, Backseat Rider, Check's In The Mail... was will man mehr? Mit "Speak Up" und "Restless" waren sogar zwei Songs des aktuellen Albums vertreten und zwar zwei bärenstarke noch dazu, wie ich hinzufügen möchte! Okay, der Schwerpunkt lag klar bei den Garcia-Alben, doch damit konnte ich als großer Garcia-Fan und scheinbar auch der Rest des Publikums bestens leben.
Zur Setlist habe ich ja weiter oben schon ein paar Worte verloren, und wie gesagt, war es mit dem Sound unmittelbar vor der Bühne nicht so gut bestellt. Parcharidis war, wenn er sprach, wirklich schlecht zu verstehen (ich war nüchtern!
), doch zum Song "Hero" und vor "Restless" erzählte er irgendwas von ganz neuen Songs und neuem Album. Fakt ist jedenfalls, dass die Nummer "Hero" ganz frisch komponiert ist. Sowohl dieses Stück als auch die beiden Don't Talk-Nummern integrieren sich hervorragend in das Live-Set! Vor dem Konzert hoffte ich insgeheim, dass man sich auf die ersten sechs Alben beschränkt (mit Stücken vom tollen Voiceprint rechnete ich nicht), doch im Nachhinein muß ich gestehen, dass die Songauswahl wirklich gut getroffen war, und "Don't Talk" ist ja auch ein starkes Album geworden.
Wie dem auch sei. Die Band überzeugte zudem mit einer ansteckenden Spielfreude, und spätestens beim grandiosen Schluß-Dreier "Check's In The Mail" (für das die Sänger der Vorbands auf die Bühne geholt wurden, und die offenbar nicht besonders textsicher waren - shame on you!), "No Way Tonight" und "Rock The Neighbours" sang dann zumindest bei den Refrains wirklich jeder mit!
Unmittelbar nach dem Konzert kam Mr. Parcharidis vor die Bühne und gab, gemeinsam mit seinem Kollegen Christos Mamalitsidis (Gitarre) brav Autogramme. Wir hielten noch 'nen kurzen Plausch und er erzählte, dass er mich zu "Check's In The Mail" am liebsten mit auf die Bühne geholt hätte, es aber, da ja die beiden Sänger auch auf der Bühne standen, dann wirklich sehr eng geworden wäre. Aber dafür sei er ja zu mir runtergekommen. Na eines steht mal fest: wenn schon nicht stimmlich, hätte ich die beiden anderen Kameraden zumindest bzgl. der Textsicherheit in die Tasche gesteckt.^^
Wenn diese Spielfreude Bestand hat, und ich muß sagen, dass es eine Wohltat war, Hermann Frank diese Freude anzusehen, was ich bei Accept zuletzt vermisste, können die Herren gerne so weiter machen. Und ob ich das nun missverstanden habe oder nicht, wäre auch ein neues Album begrüßenswert!
Ein rundum gelungener Konzertabend!
Einen Minuspunkt gibt es dann allerdings doch zu verbuchen. Ich bin ja Metal/Rock-Fan durch und durch, weshalb Konzerte für mich, vom Offensichtlichen einmal abgesehen, immer so 'n bisschen wie Weihnachten sind. Ich bin immer sehr gespannt, was es so an den Merch-Ständen zu entdecken gibt. Merch war an diesem Abend jedoch Fehlanzeige. Es wurden nicht mal CD's angeboten. Und ich hatte so darauf gehofft, einen Victory-Patch abstauben zu können...