RageXX
Till Deaf Do Us Part
Gut Ding will Weile haben:
Eine neue Maiden, so ein wenig aus dem Nichts. Viel ist hier und auch andernorts geschrieben worden, das Maiden-Forum habe ich als Dauergast immer und immer wieder besucht - einfach, um zu genießen, wie es dort abgeht. Allein das "Vorspiel", noch vor der Veröffentlichung des Albums, hat mich derart angefixt, dass ich mir auch dieses Maiden-Werk schlicht und ergreifend zum Erscheinungsdatum ins Regal stellen musste.
Wie die meisten Maiden-Alben des neuen Jahrtausends ist auch "Senjutsu" mit einer Komplexität gesegnet, die sich definitiv nicht nach 2, 3maligem Hören erschließen kann. Somit bin ich spät dran mit meiner Sichtweise zum wohl wichtigsten Metal-Album dieses Jahres.
"Senjutsu": Ich mag dieses Drumming....großartig. In Summe löst dieser Song in mir eine seltsame Mischung aus "genial" und "zu verschachtelt" aus. Wie auch schon auf "BoS" hat man das Album nicht mit einem schnellen Song eröffnet, sondern mit einem getragenen Monster. Anders als so ab und an in der Vergangenheit verdudelt man den Titeltrack nicht, Bruce' Gesang ist nicht über die komplette Dauer zu angestrengt, der Chorus hat etwas regelrecht Erhabenes, das Riffing ist an einigen Stellen regelrecht böse, schlicht, aber absolut effektiv, die Wendung zum Ende des Songs (so ab 6:40) finde ich phantastisch und eben Maiden-typisch: wie auch schon "If Eternity should fail" ist "Senjutsu" weder ein typischer Opener, noch ein "klassicher" Maiden-Song - und genau das macht ihn aus und zeigt, dass in dieser Band noch eine Menge Kreativität steckt. Man mag darüber streiten, ob man das Grundkonzept noch düsterer, noch schwerer, noch tiefgründiger hätte umsetzen können - who cares? Eine solide Eröffnung, für sich an manchen Tagen für mich großartig, an anderen durchaus ein wenig anstrengend.
Bei "Stratego" haben wir den maiden-typischen Galopper - und nicht selten habe ich da so meine gedankliche Parallele zu "Run to the Hills" - nur langsamer. Ich denke, in den 80ern hätte die Band (oder Martin Birch) hier einen Tritt in den (eigenen) Allerwertesten verpasst, um das Teil noch mal ein wenig zu beschleunigen. Auch hier ist auffällig, dass die Drums im aktuellen Maiden-Sound ganz augenscheinlich eine neue Rolle übernommen haben: Nicko baut hier gerade um den Chorus herum so einige Finessen ein, die schlicht effektiv an den richtigen Stellen platziert sind und dem eher so vor sich hin galoppierenden, rhytmischen Grundgerüst noch eine ordentliche Portion Würze verpassen, die Soli zum Ende des 5minüters sind wundervoll, das eher so an die 80er gemahnende Keyboard passt an dieser Stelle sehr gut. Tatsächlich ist "Stratego" am Ehesten "klassischer" Maiden-Stoff, wie man ihn vielleicht erwartet hätte. Solides Stück Musik.
Die erste Single haut mich immer noch vom Hocker: unglaublich toller Songaufbau, hardrockig statt metallisch (was so in Summe überhaupt auf die "modernen" Maiden zutrifft und mich keinen Deut stört), dieser Refrain, dieses regelrecht staubige Feeling - ich liebe das Ding, definitiv einer der Songs des Jahres für mich. Bruce Vocals sind hier nie am Limit, die Gitarrensoli ganz genau an der richtigen Stelle, das ganze Stück hat etwas wunderbar Getragenes, Leichtes und gleichermaßen unterschwellig "Bedrohliches", bockstark. Der Chorus ist ein Ohrwurm alleroberster Kajüte und entlehnt sich so recht nicht wirklich dem üblichen Maiden-Universum.
"Lost in a lost World" - Mann oh Mann! Maiden mit regelrecht floydeskem Einschlag, kleine Brücken Richtung Canterbury-Sound, ein wenig Heep-Feeling, sowas von geil und absolut unerwartet. Das Abbiegen in diesen dann Maiden-typischen Part (ich fühle mich immer ein wenig an "Afraid to shoot Strangers" erinnert so ab Minute 2) ist mehr als gelungen, ich liebe dieses abgehackte Riffing und den dieses Mal nicht ganz so in den Vordergrund gemischten Klackerbass von Harris. Bruce bekommt genug Raum für die Entfaltung seiner Gesangslinien, der Chorus ist dann tatächlich "No more Lies" in ruhigerer Form - und es hat ein klein wenig gedauert, bis ich mich daran gewöhnt hatte, ebenso wie an den typischen Dudelpart im direkten Anschluss des Refrains. Die wahre Überraschung ist dann der regelrecht klassisch-progressive Part, den Maiden mit ihrem ureigenen Gitarrensound vermischen: in den Ohren eines Progfans ist das genau das, was ich gerne hören mag. Ob das nun "Prog" ist oder nicht: im Sinne der Musikrichtung durchaus. Der Song endet, wie er begonnen hat: ruhig. Ich gebe zu, gerade hier hätte so ein Abgehpart à la "Hallowed be thy Name - Finale" noch mal einen draufgesetzt, aber auch so kann man schlicht festhalten: ein ebenso schöner wie auch homogen aufbereiteter Song mit vielen Maiden-Zutaten, aber auch vielen Überraschungen.
Ich liebe diese kurzen Maiden-Rocker - und dieses mehr simpel-rockige Riff nach dem Mini-Intro von "Days of Future Past": zigfach in leicht abgewandelter Form auch von zig anderen Bands schon verarbeitet behält es für mich wohl für die Ewigkeit einen ganz speziellen Reiz, der meinen Fuß wippen lässt. Rund 4 Minuten edelster Hardrock im Maiden Gewand, man kann mäkeln, dass man so in Sachen Chorus mittlerweile eine Art Rezept auf "Senjutsu" finden kann: Tempo raus vorher, dann den Chorus möglichst prägnant und deutlich halten. Bruce ist hier so knapp an seiner derzeiten Höhengrenze, aber trotzdem wirkt es nicht so angestrengt wie auf einigen Tracks er Vorgängeralben. Auch bei "Days..." schleicht sich bei mir immer wieder so der Gedankengang ein, dass man dieses Ding garantiert in "alten Zeiten" auch gern noch mit ein wenig mehr Geschwindigkeit ausgestattet hätte.
"The Time Machine" war eine echte Herausforderung: eingangs habe ich mich ein klein wenig schwer getan mit diesem Song, es gab sogar die Zeit des Skippens - allerdings war diese nicht von langer Dauer. Bruce' nahezu beschwörender Gesang zu Beginn, der hat mir schon einiges abverlangt und wirkte tatsächlich ein wenig bemüht auf mich. Der Dreh, den das Ganze dann aber nimmt, hin zu einer fast folkigen Melodieführung, gepaart mit diesem wunderbaren Chorus....eine Wohltat. Das ganze Stück. Wie konnte ich das skippen? Allein diese permanent marginal variierenden Gitarren, die sich so zunächst gar nicht in den Vordergrund drängen, aber den Anstrich des ganzen Songs ausmachen, brillant dabei, die Akustische sogar in den Vorderrgund zu stellen - einfach schön. So ab 3:15 dann der Maidengalopper, ein wenig "zahm", aber im Grunde ist das ein Trademark der Band, das ich nicht und niemals missen möchte - zumal es bislang auf "Senjtusu" in Summe nicht überpräsent war und es viel "Neue Maiden" zu entdecken gab. Des Weiteren verzichtet man auch darauf, innerhalb eines Songs zu sehr auf das "Galopper"-Motiv zu setzen, ab 4:40 linsen die Kollegen von Dream Theater sehr (!) offensichtlich um die Ecke, vom Break bis hin zum hochmelodisch-verfrickelten Solo, das dann wieder in den Galopp wechselt. "Time Machine" ist ein echter "Grower", der Chorus ist ein ganz besonderer Leckerbissen.
Knall auf Fall: "Darkest Hour" ist die beste (!) Maiden-Ballade ever! Dagegen nimmt sich ein eher peinliches "Blood Brothers" oder ein schon ambitionierteres "Wasting Love" wie Ausschussware aus. Das Stück wirkt auf mich eher wie ein Überbleibsel aus den Chemical-Wedding/Tyranny-Sessions von Mr. Dickinson, was primär an den Verses liegt. Der Chorus weckt im Ansatz schon Assoziationen an das bereits erwähnte "Wasting Love" ist aber "mehr zu Ende gedacht", gleiches gilt für den Übergang in Hauptthema. Die Keys "streicheln" ein wenig, der Gesang von Bruce...der ist hier derart großartig, dass es einem eine Gänsehaut verpasst.
Tja, das vielgescholtene "Death of the Celts" - ich denke, es sollte eigentlich die Erwartungshaltung eines jeden Bandjüngers erfüllen und ist doch der scheinbar am kontroversesten diskutierte Song des Albums. Mit einer Länge von über 10 Minuten ist es mir ein wenig zu ausufernd geraten, Harris versucht, alle seine Lieblingselemente des Songwritings zu verarbeiten. Ab von der Länge allerdings finde ich keinen Grund, mit dem Song wirklich zu hadern. Man kann gern argumentieren, dass es in dieser Bauart mit "Where the Wild Wind Blows" oder dem grandiosen "Paschendale" größere Werke gibt - und doch sehe ich weit und breit keine Band in klassisch-metallischer Ausrichtung, die überhaupt derartig detaillierte Epen raushaut - von daher ist das völlig in Ordnung so. Das Keyboard allerdings so ab 6:30...das tut mir ein klein wenig weh und bringt einen in meiner Welt überflüssigen "Billigepiktouch" ein.
Ich hatte mich eigentlich auf den nächsten "Death of the Celts" eingestellt - aber "The Parchment" ist irgendwie anders: die Openingsequenz hat irgendwie eher was von Dio als von Maiden, obgleich mir auch "Alexander..." und der Mariner in den Kopf kommen - und doch wird das Bild nicht rund. Maiden arbeiten hier ganz offensichtlich mit eher ungewöhnlichen Instrumentarien, auch, wenn der Grundaufbau bis zum Abgehpart (mit Golden-Earring-Gedächtnispart!) durchaus keine andere Band vermuten lässt als die Irons. "The Parchment" setzt einen tollen Spannungsbogen, "leider" habe ich ohnehin ein Faible für diese "orientalischen" Sounds, das Verfrickelte (Zerfahrene) in der Gitarrenarbeit läuft mir super rein und ist - ja, tatsächlich mutig, denn im Grunde hätte Mr. Harris seinen Baukasten ja auch ohne Wenn- und Aber komplett ausräumen können. Ein spannendes Stück, ein großartiges Stück. Und: für mich trotz der Länge nicht überzogen.
Die Hölle auf Erden beginnt eben so, wie gefühlt 200 Maiden aus der Harris-Feder beginnen und setzt sich auch in ähnlicher Form fort: da ist er wieder, der Galopper, die Gitarren, die sich zwischen harmonisch und leicht widerborstig präsentieren, der Gesang von Bruce...."Hell on Earth" aber brettert derart charmant-klassisch um die Ecke, dass man es locker in meine (persönliche) Lieblingsecke neuerer Harris-Großtaten einsortieren kann. Erneut fällt auf, dass Maiden dem Drum(sound) einen neuen Stellenwert verpassen, irgendwie fällt es mir gerade hier noch einmal in ganz besonderem Maße auf. Den Chorus kann man sich im Übrigen sofort aus tausenden von Kehlen gegrölt live vorstellen....Womöglich wird das nun kein zweites "Fear of the Dark" oder "Hallowed be thy Name" (dafür fehlt ein wenig der Biss), aber mal im Ernst: kann man solch ein Stück überhaupt noch besser in Szene setzen....? Ein Melodiefeuerwerk par Excellence.
Strich drunter: "Senjutsu" macht mir unglaublich viel Spaß - Spaß, der in Teilen ein wenig von den doch sehr sterilen und vor allem eintönig gesetzten Keys ein klein wenig getrübt wird, zumal sie in jedem (!) Song in mehr als ähnlicher Form verwendet, gottlob allerdings nicht überstrapaziert, werden - freundlich ausgedrückt. Da wäre mehr drin gewesen - oder man hätte sie einfach weggelassen. Ein Keyboard erlaubt weit mehr als nur atmosphärische Tupfer aus dem Baukasten, das wirkt bisweilen gar ein wenig uninspiriert.
Maiden sind zahmer geworden, nicht selten wünscht man sich ein wenig mehr Tempo, ein wenig mehr Treibendes - aber, hey, wir sind im Jahr 2021 und haben es mit "alten Männern" zu tun, deren Anspruch offenbar primär darin zu bestehen scheint, großartige Songs zu schreiben, die einem gewissen Anspruch aus eigener Sicht zu genügen. Unter diesem Gesichtspunkt unterstreicht "Senjutsu" mehr als eindrucksvoll, welch großartige Songschreiber und Musiker in dieser Band stecken. Man mag die Rezpetur seit spätestens "AMOLAD" gerne bemängeln, mal besser, mal schlechter finden, was man den Jungs aber nie wird absprechen können ist schlicht ein Händchen für großartige Songaufbauten und Melodien.
Harris & Co. haben sich niemals verbogen, man erkennt diese Band sofort - und trotzdem gelingen Wundertüten wie "The Parchment", "The Time Machine", "Darkest Hour" oder "Lost in a Lost World". Keine Ahnung, wie sich das Album für mich als nicht absolutem Maiden-Die-Hard-Maniac entwicklen wird, derzeit ist es die Momentaufnahme einer Band, die sich im Hier und Jetzt verortet - und ein in sich absolut homogenes Werk erschaffen hat, das eine Ausnahmestellung einnimmt - zu zwingend ist das Songmaterial auf Album Nr. 17.
Eine neue Maiden, so ein wenig aus dem Nichts. Viel ist hier und auch andernorts geschrieben worden, das Maiden-Forum habe ich als Dauergast immer und immer wieder besucht - einfach, um zu genießen, wie es dort abgeht. Allein das "Vorspiel", noch vor der Veröffentlichung des Albums, hat mich derart angefixt, dass ich mir auch dieses Maiden-Werk schlicht und ergreifend zum Erscheinungsdatum ins Regal stellen musste.
Wie die meisten Maiden-Alben des neuen Jahrtausends ist auch "Senjutsu" mit einer Komplexität gesegnet, die sich definitiv nicht nach 2, 3maligem Hören erschließen kann. Somit bin ich spät dran mit meiner Sichtweise zum wohl wichtigsten Metal-Album dieses Jahres.
"Senjutsu": Ich mag dieses Drumming....großartig. In Summe löst dieser Song in mir eine seltsame Mischung aus "genial" und "zu verschachtelt" aus. Wie auch schon auf "BoS" hat man das Album nicht mit einem schnellen Song eröffnet, sondern mit einem getragenen Monster. Anders als so ab und an in der Vergangenheit verdudelt man den Titeltrack nicht, Bruce' Gesang ist nicht über die komplette Dauer zu angestrengt, der Chorus hat etwas regelrecht Erhabenes, das Riffing ist an einigen Stellen regelrecht böse, schlicht, aber absolut effektiv, die Wendung zum Ende des Songs (so ab 6:40) finde ich phantastisch und eben Maiden-typisch: wie auch schon "If Eternity should fail" ist "Senjutsu" weder ein typischer Opener, noch ein "klassicher" Maiden-Song - und genau das macht ihn aus und zeigt, dass in dieser Band noch eine Menge Kreativität steckt. Man mag darüber streiten, ob man das Grundkonzept noch düsterer, noch schwerer, noch tiefgründiger hätte umsetzen können - who cares? Eine solide Eröffnung, für sich an manchen Tagen für mich großartig, an anderen durchaus ein wenig anstrengend.
Bei "Stratego" haben wir den maiden-typischen Galopper - und nicht selten habe ich da so meine gedankliche Parallele zu "Run to the Hills" - nur langsamer. Ich denke, in den 80ern hätte die Band (oder Martin Birch) hier einen Tritt in den (eigenen) Allerwertesten verpasst, um das Teil noch mal ein wenig zu beschleunigen. Auch hier ist auffällig, dass die Drums im aktuellen Maiden-Sound ganz augenscheinlich eine neue Rolle übernommen haben: Nicko baut hier gerade um den Chorus herum so einige Finessen ein, die schlicht effektiv an den richtigen Stellen platziert sind und dem eher so vor sich hin galoppierenden, rhytmischen Grundgerüst noch eine ordentliche Portion Würze verpassen, die Soli zum Ende des 5minüters sind wundervoll, das eher so an die 80er gemahnende Keyboard passt an dieser Stelle sehr gut. Tatsächlich ist "Stratego" am Ehesten "klassischer" Maiden-Stoff, wie man ihn vielleicht erwartet hätte. Solides Stück Musik.
Die erste Single haut mich immer noch vom Hocker: unglaublich toller Songaufbau, hardrockig statt metallisch (was so in Summe überhaupt auf die "modernen" Maiden zutrifft und mich keinen Deut stört), dieser Refrain, dieses regelrecht staubige Feeling - ich liebe das Ding, definitiv einer der Songs des Jahres für mich. Bruce Vocals sind hier nie am Limit, die Gitarrensoli ganz genau an der richtigen Stelle, das ganze Stück hat etwas wunderbar Getragenes, Leichtes und gleichermaßen unterschwellig "Bedrohliches", bockstark. Der Chorus ist ein Ohrwurm alleroberster Kajüte und entlehnt sich so recht nicht wirklich dem üblichen Maiden-Universum.
"Lost in a lost World" - Mann oh Mann! Maiden mit regelrecht floydeskem Einschlag, kleine Brücken Richtung Canterbury-Sound, ein wenig Heep-Feeling, sowas von geil und absolut unerwartet. Das Abbiegen in diesen dann Maiden-typischen Part (ich fühle mich immer ein wenig an "Afraid to shoot Strangers" erinnert so ab Minute 2) ist mehr als gelungen, ich liebe dieses abgehackte Riffing und den dieses Mal nicht ganz so in den Vordergrund gemischten Klackerbass von Harris. Bruce bekommt genug Raum für die Entfaltung seiner Gesangslinien, der Chorus ist dann tatächlich "No more Lies" in ruhigerer Form - und es hat ein klein wenig gedauert, bis ich mich daran gewöhnt hatte, ebenso wie an den typischen Dudelpart im direkten Anschluss des Refrains. Die wahre Überraschung ist dann der regelrecht klassisch-progressive Part, den Maiden mit ihrem ureigenen Gitarrensound vermischen: in den Ohren eines Progfans ist das genau das, was ich gerne hören mag. Ob das nun "Prog" ist oder nicht: im Sinne der Musikrichtung durchaus. Der Song endet, wie er begonnen hat: ruhig. Ich gebe zu, gerade hier hätte so ein Abgehpart à la "Hallowed be thy Name - Finale" noch mal einen draufgesetzt, aber auch so kann man schlicht festhalten: ein ebenso schöner wie auch homogen aufbereiteter Song mit vielen Maiden-Zutaten, aber auch vielen Überraschungen.
Ich liebe diese kurzen Maiden-Rocker - und dieses mehr simpel-rockige Riff nach dem Mini-Intro von "Days of Future Past": zigfach in leicht abgewandelter Form auch von zig anderen Bands schon verarbeitet behält es für mich wohl für die Ewigkeit einen ganz speziellen Reiz, der meinen Fuß wippen lässt. Rund 4 Minuten edelster Hardrock im Maiden Gewand, man kann mäkeln, dass man so in Sachen Chorus mittlerweile eine Art Rezept auf "Senjutsu" finden kann: Tempo raus vorher, dann den Chorus möglichst prägnant und deutlich halten. Bruce ist hier so knapp an seiner derzeiten Höhengrenze, aber trotzdem wirkt es nicht so angestrengt wie auf einigen Tracks er Vorgängeralben. Auch bei "Days..." schleicht sich bei mir immer wieder so der Gedankengang ein, dass man dieses Ding garantiert in "alten Zeiten" auch gern noch mit ein wenig mehr Geschwindigkeit ausgestattet hätte.
"The Time Machine" war eine echte Herausforderung: eingangs habe ich mich ein klein wenig schwer getan mit diesem Song, es gab sogar die Zeit des Skippens - allerdings war diese nicht von langer Dauer. Bruce' nahezu beschwörender Gesang zu Beginn, der hat mir schon einiges abverlangt und wirkte tatsächlich ein wenig bemüht auf mich. Der Dreh, den das Ganze dann aber nimmt, hin zu einer fast folkigen Melodieführung, gepaart mit diesem wunderbaren Chorus....eine Wohltat. Das ganze Stück. Wie konnte ich das skippen? Allein diese permanent marginal variierenden Gitarren, die sich so zunächst gar nicht in den Vordergrund drängen, aber den Anstrich des ganzen Songs ausmachen, brillant dabei, die Akustische sogar in den Vorderrgund zu stellen - einfach schön. So ab 3:15 dann der Maidengalopper, ein wenig "zahm", aber im Grunde ist das ein Trademark der Band, das ich nicht und niemals missen möchte - zumal es bislang auf "Senjtusu" in Summe nicht überpräsent war und es viel "Neue Maiden" zu entdecken gab. Des Weiteren verzichtet man auch darauf, innerhalb eines Songs zu sehr auf das "Galopper"-Motiv zu setzen, ab 4:40 linsen die Kollegen von Dream Theater sehr (!) offensichtlich um die Ecke, vom Break bis hin zum hochmelodisch-verfrickelten Solo, das dann wieder in den Galopp wechselt. "Time Machine" ist ein echter "Grower", der Chorus ist ein ganz besonderer Leckerbissen.
Knall auf Fall: "Darkest Hour" ist die beste (!) Maiden-Ballade ever! Dagegen nimmt sich ein eher peinliches "Blood Brothers" oder ein schon ambitionierteres "Wasting Love" wie Ausschussware aus. Das Stück wirkt auf mich eher wie ein Überbleibsel aus den Chemical-Wedding/Tyranny-Sessions von Mr. Dickinson, was primär an den Verses liegt. Der Chorus weckt im Ansatz schon Assoziationen an das bereits erwähnte "Wasting Love" ist aber "mehr zu Ende gedacht", gleiches gilt für den Übergang in Hauptthema. Die Keys "streicheln" ein wenig, der Gesang von Bruce...der ist hier derart großartig, dass es einem eine Gänsehaut verpasst.
Tja, das vielgescholtene "Death of the Celts" - ich denke, es sollte eigentlich die Erwartungshaltung eines jeden Bandjüngers erfüllen und ist doch der scheinbar am kontroversesten diskutierte Song des Albums. Mit einer Länge von über 10 Minuten ist es mir ein wenig zu ausufernd geraten, Harris versucht, alle seine Lieblingselemente des Songwritings zu verarbeiten. Ab von der Länge allerdings finde ich keinen Grund, mit dem Song wirklich zu hadern. Man kann gern argumentieren, dass es in dieser Bauart mit "Where the Wild Wind Blows" oder dem grandiosen "Paschendale" größere Werke gibt - und doch sehe ich weit und breit keine Band in klassisch-metallischer Ausrichtung, die überhaupt derartig detaillierte Epen raushaut - von daher ist das völlig in Ordnung so. Das Keyboard allerdings so ab 6:30...das tut mir ein klein wenig weh und bringt einen in meiner Welt überflüssigen "Billigepiktouch" ein.
Ich hatte mich eigentlich auf den nächsten "Death of the Celts" eingestellt - aber "The Parchment" ist irgendwie anders: die Openingsequenz hat irgendwie eher was von Dio als von Maiden, obgleich mir auch "Alexander..." und der Mariner in den Kopf kommen - und doch wird das Bild nicht rund. Maiden arbeiten hier ganz offensichtlich mit eher ungewöhnlichen Instrumentarien, auch, wenn der Grundaufbau bis zum Abgehpart (mit Golden-Earring-Gedächtnispart!) durchaus keine andere Band vermuten lässt als die Irons. "The Parchment" setzt einen tollen Spannungsbogen, "leider" habe ich ohnehin ein Faible für diese "orientalischen" Sounds, das Verfrickelte (Zerfahrene) in der Gitarrenarbeit läuft mir super rein und ist - ja, tatsächlich mutig, denn im Grunde hätte Mr. Harris seinen Baukasten ja auch ohne Wenn- und Aber komplett ausräumen können. Ein spannendes Stück, ein großartiges Stück. Und: für mich trotz der Länge nicht überzogen.
Die Hölle auf Erden beginnt eben so, wie gefühlt 200 Maiden aus der Harris-Feder beginnen und setzt sich auch in ähnlicher Form fort: da ist er wieder, der Galopper, die Gitarren, die sich zwischen harmonisch und leicht widerborstig präsentieren, der Gesang von Bruce...."Hell on Earth" aber brettert derart charmant-klassisch um die Ecke, dass man es locker in meine (persönliche) Lieblingsecke neuerer Harris-Großtaten einsortieren kann. Erneut fällt auf, dass Maiden dem Drum(sound) einen neuen Stellenwert verpassen, irgendwie fällt es mir gerade hier noch einmal in ganz besonderem Maße auf. Den Chorus kann man sich im Übrigen sofort aus tausenden von Kehlen gegrölt live vorstellen....Womöglich wird das nun kein zweites "Fear of the Dark" oder "Hallowed be thy Name" (dafür fehlt ein wenig der Biss), aber mal im Ernst: kann man solch ein Stück überhaupt noch besser in Szene setzen....? Ein Melodiefeuerwerk par Excellence.
Strich drunter: "Senjutsu" macht mir unglaublich viel Spaß - Spaß, der in Teilen ein wenig von den doch sehr sterilen und vor allem eintönig gesetzten Keys ein klein wenig getrübt wird, zumal sie in jedem (!) Song in mehr als ähnlicher Form verwendet, gottlob allerdings nicht überstrapaziert, werden - freundlich ausgedrückt. Da wäre mehr drin gewesen - oder man hätte sie einfach weggelassen. Ein Keyboard erlaubt weit mehr als nur atmosphärische Tupfer aus dem Baukasten, das wirkt bisweilen gar ein wenig uninspiriert.
Maiden sind zahmer geworden, nicht selten wünscht man sich ein wenig mehr Tempo, ein wenig mehr Treibendes - aber, hey, wir sind im Jahr 2021 und haben es mit "alten Männern" zu tun, deren Anspruch offenbar primär darin zu bestehen scheint, großartige Songs zu schreiben, die einem gewissen Anspruch aus eigener Sicht zu genügen. Unter diesem Gesichtspunkt unterstreicht "Senjutsu" mehr als eindrucksvoll, welch großartige Songschreiber und Musiker in dieser Band stecken. Man mag die Rezpetur seit spätestens "AMOLAD" gerne bemängeln, mal besser, mal schlechter finden, was man den Jungs aber nie wird absprechen können ist schlicht ein Händchen für großartige Songaufbauten und Melodien.
Harris & Co. haben sich niemals verbogen, man erkennt diese Band sofort - und trotzdem gelingen Wundertüten wie "The Parchment", "The Time Machine", "Darkest Hour" oder "Lost in a Lost World". Keine Ahnung, wie sich das Album für mich als nicht absolutem Maiden-Die-Hard-Maniac entwicklen wird, derzeit ist es die Momentaufnahme einer Band, die sich im Hier und Jetzt verortet - und ein in sich absolut homogenes Werk erschaffen hat, das eine Ausnahmestellung einnimmt - zu zwingend ist das Songmaterial auf Album Nr. 17.
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