Leipzig ist auch eine schöne Stadt. Abgesehen von einem Besuch als Schüler führten mich die 2016er- und 2017er-Ausgaben des
Doom Over Leipzig in die Stadt. Hauptlocation war das
UT Connewitz, ältestes Lichtspieltheater Leipzigs und eines der ältesten Deutschlands. Und eben regelmäßiger Schauplatz hochkarätiger Konzerte.
In Connewitz gibt es viele gute Imbisse, aber wer sich vor einem Konzert im UT Connewitz etwas stilvoller stärken möchte, dem empfehle ich ausnahmsweise noch ein Restaurant, das nur wenige Gehminuten entfernt ist und zwar das
Zest. Sehr klein und sehr fein (spontaner Besuch daher vielleicht etwas riskant, im Zweifel lieber reservieren).
http://www.zest-leipzig.de/
Bei der 2016er-Ausgabe war neben einer Kirche noch eine weitere sehr interessante Location Teil des Festivals, nämlich der Elektronik-Club
Institut für Zukunft. Liegt in den Katakomben des sogenannten Kohlrabizirkus (ehemalige, inzwischen unter Denkmalschutz stehende Großmarkthalle). Damals fanden dort nach dem regulären Programm des Doom Over Leipzig in der zweiten Nachthälfte noch einige Sets in Richtung Dark Ambient, Drone und Industrial statt und das hat in dem sehr düsteren, industriellen Ambiente der labyrinthartigen Kellergewölbe astrein funktioniert.
Vom Inneren habe ich online kein stimmiges Bild gefunden, aber so sieht der Kohlrabizirkus von außen aus:
Wer Interesse hat, kann noch meinen damals verfassten Konzertbericht zum Doom Over Leipzig 2016 lesen, das ist eine ganz gute Ergänzung:
Das
DOOM OVER LEIPZIG war mir schon letztes Jahr durch sein exzellentes Lineup aufgefallen, daher war es jetzt an der Zeit, sich das mal vor Ort anzusehen. Abgesehen von den Bands sind beim DOL auch die Locations an sich erwähnenswert, denn auch diese sind erste Wahl. Hauptauftrittsort war das UT Connewitz, eines der ältesten Kinos Deutschlands, das in meinem Dumont-Reiseführer „Leipzig“ unter „altehrwürdig“ lief. Das DOL hingegen wurde dort gar nicht erst erwähnt. Skandal!
An Tag1 kam nach einem ruhigen Beginn der
Fvnerals gleich das erste Ausrufezeichen:
Abstracter hatten beim – offenbar zu flüchtigen – Reinhören noch keinen großen Eindruck hinterlassen, aber live beim DOL haben sie ein beeindruckendes schwarz-crustig-sludgiges Gewitter auf die Bühne gebracht – vor allem die Vocals waren richtig schön fieses Geröchel. Danach gleich die nächste positive Überraschung. Hört man sich bei
Jucifer die Studioversionen an, so ist das durchaus ganz gefällig, aber live sind sie von der Intensität her nochmal eine ganz andere Hausnummer. Der Gitarrensound bewegt sich im Drone-Bereich – das Gespielte ist aber eher selten in Zeitlupe; dazu kommt dann noch ein wildgewordener Schlagzeuger. Das Ergebnis ist laut, verzerrt, unterhaltsam (wobei sich da die Geister wohl scheiden) und eigenständig – eine Art Drum&Drone. Hätte man das UT Connewitz anschließend mal eben ins MRT geschoben, wären da sicher ein paar frische Risse im alten Mauerwerk zu erkennen gewesen.
Auch wenn ich
The Black Heart Rebellion inzwischen wirklich schätze, war hier die Spannung und Vorfreude nicht so groß, denn ich hatte sie erst vor einem Monat live gesehen. Aber sie lieferten erwartungsgemäß wieder einen guten Auftritt ab und sorgten für etwas stilistische Abwechslung. Zuletzt
Mantar – habe ich inzwischen auch schon mehr als einmal gesehen. Solide, ohne mich jetzt richtig umzuhauen, aber ich war auch schon müde.
Tag2 war dann der Marathontag. Schon nachmittags ging es los mit Aufwärmprogramm (wobei der Begriff wohl irreführend ist – das Niveau war von Beginn an hoch) der gemäßigteren Art in der direkt ums Eck vom UT Connewitz gelegenen, schönen Paul-Gerhardt-Kirche (in der Kirch sah es
so aus). Den Anfang machten
Sangre de Muerdago: ruhiger Folk mit Gitarre, Geige, Harfe und Querflöte. Ungewöhnlichere Musik für eine Kirche war dann schon
The Eye of Time, der strumpfbemaskt einen ziemlich düsteren Set Richtung Dark Ambient hinlegte. Gefiel mir besser als der letzte Auftritt, den ich von ihm vor zwei Jahren beim Essener Swingfest gesehen hatte, welcher damals für meinen Geschmack zwar nicht schlecht, aber schon etwas zu ruhig war und zu wenig Biss hatte.
Und dann der „Kirchenheadliner“:
Esben and the Witch. Hatte ich früher schon hier und da reingehört und war eher unentschlossen, „hmja, nicht schlecht, müsste man sich mal ausgiebiger mit beschäftigen...“ - Alles Quatsch, Fakt war: Hier in der Kirche hat das von der ersten Sekunde an super funktioniert. Die Band hat mit ihrer Musik zwischen zerbrechlich-melancholischen Klängen und kleineren Ausflügen in etwas krachigere Gefilde einen sehr überzeugenden Auftritt hingezaubert, der in der Kirche perfekt aufgehoben war. Sound und Stimme waren 1A, definitiv ein Highlight, auch aufs ganze DOL bezogen.
Danach ging es zurück ins UT Connewitz, wo mit
Addaura das erste (USBM-)Geballer des Tages wartete. Umgekehrte Situation wie bei Abstracter am Vortag: beim Reinhören für gut befunden, aber live mit etwas matschigem Sound und leisen Vocals. Anschließend dann
Thaw mit einem (mir zu) anstrengenden Mix aus Black Metal und Noise. Zu
Buried At Sea hatte ich dann eine Phase, in der meine Aufmerksamkeit etwas in den Seilen hing und ich mich mehrfach dabei ertappte, nur zombiehaft dazustehen und mit den Gedanken sonstwo zu sein. Schienen aber ganz guten Sludge zu fabrizieren. Dann hieß es, sich wieder zusammenzuraufen für
Dead To A Dying World mit ihrem Black-/Doom-Mix plus Geige. Guter, engagierter Auftritt, leider mit suboptimalem Sound, bei dem man gerne mehr Einzelheiten hätte raushören können. Etwas kurz fiel der Auftritt aus (war nur eine gute halbe Stunde, glaube ich), aber dafür haben Sänger und Sängerin sich auch gut die Lunge aus dem Leib gebrüllt. Als die Sängerin einmal mit aufgeblasenen Backen dastand, habe ich mich naiverweise kurz gefragt „Was ist da los? Ist sie wegen irgendwas genervt?“, um dann einen Augenblick später zu realisieren, dass sie nur tief Luft geholt hat vor einer neuerlichen Schreiattacke.
Cult of Luna sind eine Bank und haben eine ganz schöne Entwicklung durchgemacht, seit ich sie vor über 10 Jahren zum ersten Mal live gesehen hatte – damals noch völlig im Dunkeln (d.h. völliger Verzicht auf Lightshow) und als Support der Metalcore-Band Bleeding Through (schräge Bandkombination). Aber das macht auch 2016 mindestens genauso viel Spaß als Headliner des Abends vor ausverkauftem Haus und mit dicker, teils sogar exakt auf Songpassagen abgestimmter Lightshow. Gespielt wurde das Album „Somewhere Along the Highway“ in voller Länge. Was soll man sagen: war super.
Nach dem Ende des Hauptprogramms kam dann die dritte interessante Location des Festivals ins Spiel: das Institut für Zukunft, ein Techno-/Elektronik-Club, ca. 30 Minuten Fußweg (uff, nach dem Tagesprogramm) vom UT Connewitz entfernt. Der Club, gelegen im labyrinthartigen Kellerareal zweier riesiger ehemaliger Markthallen, war mit seinem industriellen Ambiente ein sehr passendes Setting für düstere Elektronik. Der erste Künstler dort war schon so gut wie durch, dann kamen erneut die polnischen Blackmetaller
Thaw, die sich einen speziellen Noise-Set vorgenommen hatten... der aber aus meiner Sicht eher in die Hose ging. Hauptsächlich war davon nämlich ein äußerst penetranter pausenloser Bass (ut-uuuut) zu hören, der sämtlichen anderen Effekten das Leben schwer machte und laut genug war, um einem durch die Vibrationen eine solide Magenmassage zu verpassen. Hätte ich an dem Abend mehr Alkohol getrunken gehabt, dann wäre mir wohl ziemlich bald ziemlich schlecht geworden. Darauf folgte der Schweizer
SSSS, war ganz OK.
Der für mich letzte Auftritt der Nacht war dann nochmal wirklich gut, das Duo
Oake, an diesem Abend noch durch einen Gitarristen verstärkt, bot interessanten Dark Ambient. Erwähnenswert an der Performance war wohl vor allem die Sängerin, die zum einen für geisterhafte Vocals sorgte und zum anderen ebenso geisterhaft durchs Publikum schlich. Ständig unterwegs, auch teilweise kriechend und mit seltsamen Verrenkungen – das alles mit verkabeltem Mikro, erstaunlich, dass es da nicht zu gröberen Verstrickungen kam. Insgesamt ein gelungenes, stimmiges Set, das einen guten Abschluss bildete, denn hier kam die Redewendung ins Spiel „der Geist ist noch willig, aber das Fleisch ist schwach“, daher habe ich dann schweren Herzens das Handtuch in den Nebel des Clubs geworfen.
Ich versuche, mich bei Tag3 jetzt etwas kürzer zu fassen.
Behold! The Monolith spielten ganz guten Sludge und gefielen mir am besten, wenn sie mal etwas aufs Gaspedal traten. Muss ich nochmal reinhören.
CHRCH kamen mit ihrem Doom dann eher unspannend daher und gaben daher Gelegenheit, mal kurz einen kleinen Imbiss einzunehmen. Auf
Hell war ich dann wieder gespannt: Slo-Mo-Sludge mit schwarzmetallischen Vocals, Violine und ungewöhnlich laut abgemischtem Bass. Gefiel.
Downfall of Gaia auf Tonträger hatte ich zuletzt nur noch selten Lust zu hören, aber live hat mir das Geballer schon wieder Spaß gemacht, muss ich sagen (auch wenn ich inzwischen kaum noch stehen konnte). Für einen ungewöhnlichen Ausklang des DOL sorgten dann zu fortgeschrittener Stunde und nach zähem Aufbau und Soundcheck die Russen
Phurpa: meditatives, tiefbassiges Mönchsgebrumme mit gelegentlichem Tröten- und Gongeinsatz. Nicht schlecht, mal was anderes.
Ein sehr gutes Festival, auch wenn ich nach den drei Tagen körperlich fix und alle war: tagsüber Stadt anschauen (sowas alleine ist schon schlauchig) und abends bis spät beim Festival stehen ist schon sehr, sehr ermüdend. Von daher (Achtung: Jammern auf hohem Niveau) wären im UT Connewitz ein paar mehr Sitzgelegenheiten ganz angenehm gewesen. Garderobe wäre auch kein Fehler, so musste ich halt meinen Rucksack samt gekaufter Tonträger mit einer gehörigen Portion Glauben an das Gute im Menschen an einen offen zugänglichen Garderobenhaken an der Wand hängen. Ging aber dann schon gut – der Assi-Faktor ist bei solchen musikalisch spezielleren Veranstaltungen ja auch erfahrungsgemäß sehr niedrig.