Ein paar Gedanken dazu.
Ich bin mir dahingehend unsicher, ob hier im Fall Townes van Zandt, die Depression und Bipolarität die ja bedeutend Einfluss auf sein Leben hatte, daraus resultierend der Todeswunsch, die Alkohol- und andere Drogenabhängigkeit, nicht schon vorab vorhanden waren und eben nicht durch den Fokus auf die Kunst/Musik ausgelöst und/oder verstärkt wurden. Was ich damit sagen möchte, TvZs Leben wäre mMn vermutlich ähnlich verlaufen, auch wenn er nicht seine Liebe zur Musik entdeckt hätte.
Psychische Erkrankungen sind ja zunächst kein trennscharfes Item, da sie viel zu verbreitet innerhalb der Bevölkerung sind und dies über alle Schichten und Berufe hinweg, ob man jetzt Künstler ist oder nicht.
Was sich, denke ich, allerdings schon unterscheidet, ist zum Einen der Umgang damit und zum Anderen, inwieweit dieser zusätzlich dazu genutzt wird, zu erschaffen oder vielmehr, man so sehr brennt, dass man es trotzdem tut. Letzteres finde ich erstaunlich, da üblicherweise eine Arbeitsunfähigkeit von variabler Dauer resultiert (von Leuten, die ich sehe ca. 90%) und der Betroffene im ungünstigsten Fall für Jahre gar nicht mehr berufstätig ist, im sehr ungünstigen Fall hospitalisiert und zwischen ambulanten Behandlungen, stationären Aufhalten und Rehamaßnahmen hin und her pendelt, kurz arbeitet und wieder erkrankt, da nicht wirklich Muster geändert werden oder derjenige an den Arbeitsbedingungen zerrieben wird und nicht wechseln möchte.
Sucht ist ja, wie du schreibst, oft sekundär oder, wie ich sagen würde, einfach ein Umgang mit Emotionen (bis sie sich verselbständigt und zu einem eigenen Problem wird von Beschaffung über Entzugssymptome, soziale und gesundheitliche Folgen usw). In dem Fall definitiv maladaptiv, aber trotzdem ein Umgang. Zwar werden auch Erfahrungen positiver Art verstärkt, meist geht es aber um Betäubung und Katalyse. Hier auch schonmal der Link dazu, dass Kunst sich nicht selten, denke ich, doch eher aus einer Tiefe speist, die abgründig und schmerzhaft ist.
Kunst zu erschaffen lässt mich immer an Magie denken. An eine Art abstrakte Alchemie, da Bilder, Ideen, Inhalte aus dem Nichts heraus in die Welt gebracht werden und ihnen ein Körper oder eine Form gegeben wird, die auch andere rezipieren können.
Mit schwerer psychischer Erkrankung tätig zu sein, zu erschaffen, Dinge in die Welt zu geben, sich am besten auch noch auf die Bühne zu stellen, zu touren, - das ist imo eine immense Kraftanstrengung, die Leute machen, die es machen, weil sie müssen, weil sie brennen. Man schafft es ja kaum, aus dem Bett aufzustehen oder etwas zu essen. Daher denke ich, dass man Künstler ist, weil man es schon vorher war. Weil man es immer war.
Ich denke auch, dass gerade Künstler sich Vielem aussetzen, was die allermeisten Menschen vermeiden: ihrer eigenen Emotionalität, einer Durchlässigkeit nach Außen, einem gewissen Kontrollverlust und einem sich verletzbar machen, indem man etwas von sich zeigt. Zusätzlich einem Verlust von Sicherheit, der aus den Lebensbedingungen hervorgeht. Das muss auch irgendwo hin verarbeitet werden und manchmal geht dies mit den dazu passenden Persönlichkeitstraits vielleicht in Richtung Sucht, Exzess und Parasuizidalität.
Ich verstehe deine Gedanken dazu, empfinde das persönlich aber etwas anders. Ich sehe das eher so, dass die Künstler, die psychisch krank sind und eben durch ihre Kunst vestärkt in der Öffentlichkeit stehen, auch dementsprechend öffentlicher mit ihrer Krankheit in den Fokus gerückt werden. Über Suizid oder versuchten Suizid, über Drogenprobleme wird liebend gerne mehr in der Öffentlichkeit geredet/geschrieben, als über eher unauffällige Künstler. D.h. für mich trägt einerseits die Krankheit auch zur Bekannheitssteigerung und Reichweitensteigerung bei, andererseits stehen eben Künstler ohne "Probleme" (verharmlosend gesagt) nicht so im Fokus und der Beurteilung dessen in der Öffentlichkeit. Auf mich wirkt das eher in Teilen so wie eine etwas romantische Verklärung gepaart mit einem Helfer-/Rettersyndrom innerhalb der Kunstkonsumierenden.
Jetzt unabhängig betrachtet losgelöst von der Qualität der einzelnen Kunstschaffenden.
Fühlt sich jetzt auch irgendwie falsch an, in diesem Thread darüber zu diskutieren.
Ist es dann nicht eher ein voyeuristisches Motiv der Konsumenten, das du annimmst anstelle eines helfenden?
Ich für mich persönlich finde es oft aber sehr falsch anfühlend, wenn große, berührende Kunst nur aus Schmerz, Leid, Trauer erschaffen werden kann. Generell gehe ich eher davon aus Kunst geschieht aus etwas schönem, inspirierendem. Klar ist, durch Kunst kann auch eine Verarbeitung der Gefühlswelt stattfinden, die nicht immer hell und strahlend ist, aber eben nicht nur. Das klingt für dann eher traurig, wenn man das so betrachtet, dass eben Kunst nur ein Katalysator der negativen Erlebnisse darstellt und somit nichts grundlegend oder zu wenig Positives verarbeitet.
Daran festgeknüpft auch wieder die "Ergötzung" der Konsumierenden eher an der Leidverarbeitung als an den schönen Momenten der Kunstschaffenden.
Hier würde ich denken, dass es keine positiven oder negativen, irgendwie abgetrennten Erfahrungen gibt, sondern dass generell im Leben alles eins ist. Gerade den schönsten Momenten wohnt Vergänglichkeit inne, derer man sich bewusst wird. Man kann nichts festhalten. In der Trauer und im Leid erwächst oft Stärke und Wachstum einer Person. Gerade da. Große und berührende Kunst, wie du es benennst, würde ich als eine bezeichnen, die die Menschen erreicht und kurz die Zeit anhält. Die sie fühlen lässt. Zudem nachdenken lässt und vielleicht auch verändert.