Stephen King's "ES" (Tommy Lee Wallace, 1990)
"Das Buch ist viel besser", "Das ist ne billige TV Verfilmung", "Da fehlt ja alles"...
Was hört man nicht alles seit 34 Jahren über diesen Streifen und seit 34 Jahren ist mir das völlig egal. Hier kann und will ich die Nostalgiebrille niemals absetzen.
Ein prägender Film meiner Jugend und mit Sicherheit der am meist gesehene Film überhaut in meiner langen Liste an oft gesehenen Klassikern.
Erst der Film hat mich dazu bewogen, das Buch zu lesen und damit das für mich beste Buch aller Zeiten zu entdecken. Ebenfalls unzählige male gelesen.
Ganz klar eine 80er Nachgeburt, denn Inszenierung, Atmosphäre, Frisuren und Look sind eher den ausgehenden 80er Jahren zuzuordnen, denn den bunten 90er Jahren.
Und gerade deswegen wurden der Ton und die Atmosphäre des Romans perfekt getroffen. Ich rede natürlich von den erwachsenen Verlierern, denn das 30 Jahre früher
angesiedelte erste Treffen mit dem Clown spielt im Jahre 1960, also nicht wie im Roman 27 Jahre früher, sondern 30. Macht keinen großen Unterschied.
Aus heutiger Sicht haben wir also einen doppelten Nostalgieflash. Die naiven frühen 60er und die ausgehenden 80er.
Etwas, das ich der Neuverfilmung niemals verzeihen werden, ist die Tatsache, dass die Kinderstory in den 80er Jahren angesiedelt ist und die 2. Hälfte in der heutigen Zeit.
Das ändert den kompletten Ton der Vorlage, auch wenn es vermutlich zum Erfolg massiv beigetragen hat.
Doch bleiben wir im Jahre 1990. Wallace war sich natürlich bewusst, dass er die Vorlage niemals 1:1 umsetzen kann, trotz eines recht beachtlichen Budgets für damalige
TV-Verhältnisse. Also macht er genau das einzig Richtige, er konzentriert sich auf die Charaktere und besetzt diese mit einem dermaßen sympathischen Cast, dass bereits
hier Kings Vorlage perfekt getroffen wird. Denn wie wir alles wissen, ist King ein Meister der Charaktere, der den Horror, obwohl immens wichtig, oft nur als Beiwerk nutzt
um seine Figuren besser zu zeichnen. Das gelingt Wallace hier perfekt. Sowohl der junge-, als auch der ältere Cast harmoniert perfekt zusammen und die super Chemie ist
jederzeit zu spüren. Da hat die Neuverfilmung bei den Erwachsenen etwas geschwächelt, meiner Meinung nach.
Dreh- und Angelpunkt ist natürlich Pennywise, der Clown. Das personifizierte Böse, das jede nur erdenklich Gestalt annehmen kann. Ein Outsider. Wesen in Kings Welt,
die nicht von der Erde stammen, sondern von ganz woanders. Darauf wird hier leider nicht eingegangen. Punkt für die Neuverfilmung.
Dargestellt wird der kinderfressende Alptraum von Tim Curry, dessen Darstellung, und da sind sich alle einig, man schlicht als perfekt bezeichnen kann.
Er schafft den Spagat zwischen lustigem Clown und Monster spielend, während Skarsgards Darstellung zwar gut war, jedes Kind bei seinem Anblick aber die Flucht
ergriffen hätte.
Das Pacing ist auch eher an das Buch angelehnt. Das Vermischen der beiden Zeitlinien empfand ich stimmiger als das strikte Unterteilen in zwei Hälften.
Natürlich ist das alles im etwas biederen TV-Korsett der damaligen Zeit gefangen. Man sollte also keine blutigen Szenen oder sonstige, grafischen Kapriolen erwarten.
Vieles geschieht im Off, was ja aber oftmals gruseliger als das Gezeigte ist. Die meterdicke Atmosphäre macht das alles wieder wett. Das gilt auch für den stimmigen Soundtrack.
Kommen wir zu den Effekten und als großer Fan von Stop-Motion ist es für mich ein Fest, dass Vieles mit eben jener Technik umgesetzt wurde. Für jüngere Zuschauer mag das etwas
befremdlich wirken aber das sieht für mich einfach so viel besser als aktuelle CGI Orgien aus. Man merkt einfach, dass hier real existierende Objekte gefilmt wurden. Der viel kritisierte
Schluss geht für mich völlig klar, ist er doch recht nahe am Buch und die Stop-Motion Spinne rockt. Natürlich sieht man hier das recht begrenzte Budget aber egal. Auch im Buch ist der
Endkampf gegen eine riesige Spinne, die Gestalt, die seiner ursprünglichen am nächsten kommt. Jaja, okay... das Design ist etwas gewöhnungsbedürftig aber im Gegensatz zu dem völlig
misslungenen Ende der Neuverfilmung ein Traum. Das Unwetter und die anschließende Zerstörung der Kanalisation wurde aus Budget Gründen natürlich weg gelassen.
Der Roman geht allerdings noch wesentlich weiter, in dem er in Sphären vordringt, die schwer visuell zu fassen sind. Alle die ins Todeslicht sehen gehen nämlich auf eine Trip, den man
getrost mit dem Wort "unverfilmbar" definieren kann. Ich würde mir trotzdem wünschen, dass sich da mal jemand ran trauen würde, denn an Beschreibungen mangelt es nicht.
Stichwort: Schildkröte!
Manch ein Darsteller kennt man aus Funk und Fernsehen zum Beispiel John Ritter (R.I.P.), Jonathan Brandis (R.I.P.), Richard Thomas aus "Die Waltons", Richard Masur aus "The Thing" und wer
Annette O'Toole nicht kennt hat wohl die kompletten 80er verpennt.
Erwähnenswert wäre noch die deutsche Synchro, die einem Europa-Hörspiel der 80er entsprungen sein könnte. Gernot Endemann, Andreas von der Meden, Jens Wawrczeck, Rainer Schmitt, Douglas Welbat...
hach, wie schön.
"ES" ist für mich die ultimative COA Geschichte. Ein atmosphärisches Monster, das freilich nie an den Roman heran reicht, das aber auch nicht muss.
Eine Parabel an die Monster unter dem Bett, die Kindheit, das Erwachsenwerden und das verlieren der Unschuld (im Buch im wahrsten Sinne des Wortes, da ist
King im Kokskopp etwas zu weit gegangen. Unfassbar, dass das damals so durchgewunken wurde)
Bleibt der Wunsch, dass sich jemand mal die Mühe macht das ganze in einer Miniserie zu adaptieren. Mit der originalen Timeline und allen Highlights des Romans incl. völlig kranker Charaktere wie Patrick Hockstetter
der auch in der Neuverfilmung völlig verschenkt wurde.
5/5