Thalon seziert...

Moin,

da ich das Format des Seziertisches sehr schätze und ich es liebe mich mit einer guten Band intensiver zu beschäftigen, habe ich mir überlegt, dass ich hier in loser Reihenfolge für mich wichtige Bands im Rahmen eines kleinen Seziertisches vorstellen möchte.

Es sollen vornehmlich Bands sein, die im Heft wahrscheinlich nicht vorkommen. Ich möchte nicht in Konkurrenz zum Heft treten, sondern nur Bands ergänzen, von denen ich ein klein wenig Ahnung habe und die mir Spaß machen.

Wer möchte ist herzlich eingeladen als Hobbychirurg mit zu sezieren. Aber wählt bitte nur Bands aus, die eher nicht ins Heft passen. Danke!


Losgehen soll es mit den von mir sehr verehrten Hanoi Rocks. Eine Band die ich leider erst während ihrer Reunion zweimal live sehen durfte. Für die erste Phase war ich ein paar Jahre zu jung, was ich extrem bedaure.

Die Fotos zu den Covern und ein paar weitere Bilder füge ich später noch ein, da ich den Text der Sicherheit halber per Word erstellt und nicht direkt hier reingeschrieben habe, damit mir nichts verloren geht.
Gute Idee :top:. Vielleicht fällt mir ja auch eine Band ein, die hier mit rein passt:).
 
Oha, das war mal sehr interessant.
Von den Hanoi Rocks nenne ich nur "Two Steps from the Move" und
Monroes Soloalbum "Not Fakin` it" mein Eigen.
Beide großartig.
Tolle Inspiration mich mal mit den übrigen Werken zu beschäftigen
 
Mir gehts ähnlich wie einigen hier. Mir war der Name natürlich geläufig, aber bis letzte Woche habe ich persönlich so gar nichts mit der Band verbunden. Wusste, dass Sie aus Finnland und eher aus der Dauerwellenecke kommen, aber hatte keine Vorstellung davon, wie sie tatsächlich klingen und wie lange es sie schon gibt. Das hat sich allein durch das Lesen deiner Beiträge schon geändert, jetzt habe ich einige Anknüpfungspunkte, gemischt mit Detail-/Hintergrundwissen, auf das ich beim Hören unbewusst Bezug nehmen kann. Mir hilft das, mir ein Bild von einer bis dahin unbekannten Band zu verschaffen, ansonsten steh ich da ganz gern wie der Ochs vorm Berg und weiß nicht so recht, wie ich anfangen soll. Danke also @Thalon, dass du die Zeit investiert hast, deine Gedanken zu sortieren und in der Ausführlichkeit und Qualität zu verschriftlichen. Auch wenn mich die bewusst nicht-chronologische Struktur im Bezug auf die Bandgeschichte teilweise etwas verwirrt hat und ich mich mit Glam erfahrungsgemäß schwer tue, fand ich es doch interessant und bin natürlich auch neugierig geworden. So gesehen - ein schöner Einstand und hoffentlich der Beginn von vielen weiteren Beiträgen.
 
Das wäre eine ganz einfache Übung. Unverzichtbar: sämtliche Alben. :D
Da hast Du natürlich völlig recht. Das würde ich nur gerne gut begründen und auch ordentlich Hintergrundinfos dazu liefern wollen. Erfreulicherweise bin ich bei der Band bereits zur No rest for the wicked eingestiegen, so dass ich auch ein wenig vom dazu gehörigen Zeitgeist mit einfließen lassen könnte. Und der erscheint mir bei New Model Army wichtig, da die Band damals (wie auch heute) Fans verschiedenster Richtungen vereinte.
 
Mir gehts ähnlich wie einigen hier. Mir war der Name natürlich geläufig, aber bis letzte Woche habe ich persönlich so gar nichts mit der Band verbunden. Wusste, dass Sie aus Finnland und eher aus der Dauerwellenecke kommen, aber hatte keine Vorstellung davon, wie sie tatsächlich klingen und wie lange es sie schon gibt. Das hat sich allein durch das Lesen deiner Beiträge schon geändert, jetzt habe ich einige Anknüpfungspunkte, gemischt mit Detail-/Hintergrundwissen, auf das ich beim Hören unbewusst Bezug nehmen kann. Mir hilft das, mir ein Bild von einer bis dahin unbekannten Band zu verschaffen, ansonsten steh ich da ganz gern wie der Ochs vorm Berg und weiß nicht so recht, wie ich anfangen soll. Danke also @Thalon, dass du die Zeit investiert hast, deine Gedanken zu sortieren und in der Ausführlichkeit und Qualität zu verschriftlichen. Auch wenn mich die bewusst nicht-chronologische Struktur im Bezug auf die Bandgeschichte teilweise etwas verwirrt hat und ich mich mit Glam erfahrungsgemäß schwer tue, fand ich es doch interessant und bin natürlich auch neugierig geworden. So gesehen - ein schöner Einstand und hoffentlich der Beginn von vielen weiteren Beiträgen.
Bezüglich der zeitlichen Abfolge habe ich auch ein wenig mit mir gerungen. Einerseits wollte ich gerne das Schema der Seziertische aus dem Heft beibehalten (Unverzichtbar - empfehlenswert - zwiespältig - Extratipps usw.), andererseits habe ich hier - je nach Lust und Laune - die Möglichkeit eine komplette Diskografie vorzustellen und so auch den damaligen Zeitfluss zu berücksichtigen.

Vielleicht probiere ich es beim nächsten Mal mit einer echten Chronologie und schreibe im Titel einfach dabei, wie ich die jeweilige Scheibe einstufe. Das stört dann den Lesefluss möglicherweise weniger.

Danke für den Hinweis!
 
Vielleicht probiere ich es beim nächsten Mal mit einer echten Chronologie und schreibe im Titel einfach dabei, wie ich die jeweilige Scheibe einstufe. Das stört dann den Lesefluss möglicherweise weniger.
Ach - ich finde schon, dass das funktioniert, daher gerne die Struktur beibehalten. Man muss eben genau lesen, was wer wann gemacht hat ;)
 
Mist, hab vergessen, dass nicht mehr als drei Bilder in einen Post passen. Ich lass mir was einfallen.
 
Bangkok Shocks Saigon Shakes Hanoi Rocks (1981)

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Self Destruction Blues (1982)

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Another Hostile Takeover (2005)

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All Those Waisted Years (1984)

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Fallen Angels (1984)

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Rock N Roll Divorce – Live In Poland (1985)

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Tracks From A Broken Dream (1990)


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Grabe die Tage mal die "The Albums 1981-1984" ausw. Lange nicht mehr gehört.

Habe die einmal zu Reunion Zeiten gesehen. War gut.
 
Weezer - Eulogy for a Rock Band

Adios rock band that we loved the most
This is a toast to what you did
And all that you were fighting for
Who could do more when time marches on?
Words come and go
We will sing the melodies that you did long ago


So besingt Rivers Cuomo, Bandkopf von Weezer in Eulogy for a Rock Band seine alten Helden. Der schmächtige, zu Neurosen neigende Zwerg hat sich mit Haut und Haaren der Musik verschrieben. Er verehrt die Beach Boys, Kiss und feiert Bands und Künstler ab, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Oder wer ist sonst gleichzeitig Fan von Slayer und Kayne West?
Dabei hat er mit Weezer selbst mittlerweile ein kleines Stück Rockgeschichte geschrieben, auch wenn er das bis heute selbst nicht ganz begreifen kann oder will. Analog zu seinen musikalischen Vorlieben zeigte sich die Band in ihrer Karriere wandlungsfähig und kreativ. Man wollte eben nicht ewig auf das beschränkt bleiben, was man gemeinhin als Pop Punk oder College Rock bezeichnet. Ohnehin nichtssagende Stilbeschreibungen, die der Band nicht gerecht werden. Der ständige Wandel führte oft zu Missverständnissen, enttäuschten Fanerwartungen und Querelen mit den Plattenfirmen. Und Rivers zeigte mit merkwürdigen Auftritten und Äußerungen, dass er alles andere als einfach ist. Aber gerade deshalb gibt es im Weezer Universum einiges zu entdecken. Eines muss man aber voraus schicken: Cuomo betrachtet sich in erster Linie als Pop Künstler. Die verzerrten Gitarren stecken fast immer unter einer meterdicken Zuckerkruste. Wer damit klar kommt, findet Im Oeuvre genug Hymen um diesen und den nächsten Sommer zu beschallen. Und die darauf folgenden.



Blue Album
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Unverzichtbar

Mai 1994. Cobains Selbstmord war gerade mal vier Wochen her. Rockpresse, Fans und Mitmusiker zeigten sich bestürzt und viele fragten sich wie es weitergehen sollte. Hatte man doch Nirvana als Posterboys und Heilsbringer einer neuen Musikbewegung vermarktet. Die ja eigentlich gar nicht so neu war. Aber insbesondere den Plattenfirmen war das angesichts der Verkaufszahlen scheißegal. Mitfühlend, wie es die großen Labels damals waren, sah man sich schnell nach den nächsten Bands um, die fleißig Dollars abwerfen sollten. Und Weezer schienen gut zu passen. Mit dem Demo „The Kitchen Tape“ konnte man die Aufmerksamkeit von DGC Records, einem Unterlabel von Geffen auf sich ziehen, welche schließlich die Aufnahmen finanzierten. In vier Wochen schrubbte die junge Band ihr Debüt ein und verlor dabei gleich ein Bandmitglied. Gitarrist Jason Cropper, dessen Freundin ein Kind erwartet, wollte sich lieber komplett der Familie widmen. Sein Ersatz wurde Brian Bell, der seitdem als Cuomos musikalischer Partner sehr wichtig ist. Auf dem Debüt ist er aber noch nicht zu hören. Was macht „das Blaue“ nun so stark? Es ist die überraschende Abgeklärtheit im Songwriting. Cuomo war hier auch kein totaler Anfänger mehr. Er zählte 24 Jahre und hatte schon diverse Banderfahrungen hinter sich. Dazu kam sein nerdiges, enzyklopädisches Musikwissen. Er wusste genau, was er wollte, und wie er es am besten erreichen kann. Mit den schon erwähnten Fixpunkten Kiss und Beach Boys gelang es ihm, Songs zu schreiben, die sich tatsächlich in der Mitte von beiden treffen. Großartige Melodien, Hardrock Gitarren und eine Konzentration aufs Wesentliche - Das ergab das Besondere. Das hatte natürlich gar nichts mit Grunge zu tun, auch wenn die Texte mitunter auch sehr persönlich gefärbt waren. Aber hier ging es nicht um depressiven Nihilismus, sondern darum, die Welt mit Hilfe von Musik ein Stück besser zu machen. Schön zu hören im bekanntesten Stück des Albums: Buddy Holly. Obwohl der Text eigentlich zwischenmenschliche Spannungen (laut Cuomo damals auch bandintern) thematisiert, wird in Verbindung mit der 50er Jahre Nostalgie und quietschenden Keyboard Sounds die Stimmung fast ins lächerliche gezogen. Diese augenzwinkernde Ironie durchzieht das Album wie auch Weezers gesamte Karriere: „Egal wie schlimm es kommt, es wird schon irgendwie weitergehen. Das ist das genaue Gegenteil zum heroinverseuchten Rock aus Seattle. Und dennoch passten sie gut in die damalige Alternative Rock Landschaft, weil die Gitarren dreckig und nicht nach Hochglanz klangen, Rivers ein schräger aber ehrlicher Sänger war und alles eben nicht ganz perfekt war. Schwachpunkte gibt es hier keine, aber Songs, die nochmal über den anderen thronen. Neben dem erwähnten Buddy Holly ist es vor allem das verzweifelte „Say it ain´t so“, eine Abrechnung mit Rivers Vater und Stiefvater, denen er beiden Alkoholmissbrauch vorwarf. Außerdem das fast psychedelische Undone (The Sweater Song) und der überlange Album Closer Only in Dreams. In beiden Songs lässt sich ein leichter Folk Einfluss heraushören, der auf den folgenden Alben immer wieder mal rudimentär vorkommen sollte. Und beim Hören von „In the Garage“ dürfte auch der letzte überzeugt sein: Eine Hymne über den Proberaum, in dem man Dungeons and Dragons spielt, wenn man nicht gerade den Amp aufdreht. Kann man peinlich finden. Oder total sympathisch.

Pinkerton

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Empfehlenswert


Das Debüt ging durch die Decke, die Tournee wurde länger und länger, es gab Interviews, Fotoshootings, Titelstorys - Das volle Programm. Die Band, und ganz besonders ihr Kopf waren von diesem Quasi Übernacht Erfolg überrumpelt und verunsichert. Seit jeher zwischen Selbstzweifeln und Selbstüberschätzung pendelnd, entschied sich Rivers, dem Musikbusiness erst einmal den Rücken zu kehren und schrieb sich für ein Studium an der Harvard University ein. Seine Bandkollegen starteten derweil Nebenprojekte und bei Geffen knirschten sie mit den Zähnen. Es konnte doch nicht sein, dass die Band nach diesem erfolgreichen Debüt quasi implodierte. Man begann also Druck auszuüben: Ein Nachfolger sollte her! Und so begann man in der knappen Zeit zwischen Studium und Nebenprojekten mit dem Songwriting. Cuomo zweifelte, ob der Erfolg des blauen Albums an den Songs oder dem medialen Overkill mit den witzigen Videos und der (halb-)ironischen Vermarktung als Nerd Rock lag. Und legte damit auch gleich die Marschrichtung für den Nachfolger fest: Keine Ironie, keine Videos, kein Mitspielen bei Vermarktungsstrategien. Ähnlich wie Pearl Jam, von deren Strategie man sich bewusst oder unbewusst inspirieren ließ sollte nur noch eins zählen: Die Songs und die Konzerte. Und auch musikalisch wollte man dabei andere Wege gehen. Brian Bell war nun voll integriert und brachte eine rauere, punkige Ausrichtung mit. Und Rivers, der sich zudem noch mit den Folgen einer Beinoperation herumschlagen musste, komponierte die wohl düstersten Songs der Bandkarriere. Die Platte wird von vielen geliebt und besonders in der Indie Szene als Meisterwerk verehrt. Ich will da nicht ganz mitgehen. Es ist zweifellos ein sehr gutes Album, und definitiv das „böseste“ von Weezer. „Tired of Sex“, „Across the Sea“, „The Good Life“ oder „El Scorcho“ sind geniale Stücke, in denen der liebliche Pop unter allerhand Krach und Kauzigkeit begraben wird. Allerdings hört man dem Album auch an, wie kaputt das Bandgefüge und die Psyche von Cuomo war. Das ist oft nicht leicht zu ertragen, vor allem, wenn man die ganz schön kranken Texte mitliest. Außerdem gibt es auch etwas schwächere Nummern. „Falling for You“ oder „No Other One“ klingen für mich etwas ziellos. Deshalb kein Unverzichtbar, sondern nur empfehlenswert. Aber mit Ausrufezeichen.

Green Album

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Zwiespältig


Nachdem man mit Pinkerton vorsätzlich kommerziellen Selbstmord betrieben hatte, lag die Band erst mal auf Eis. Alle Mitglieder arbeiteten an Nebenprojekten. Matt Sharps wurden seine „Rentales“ sogar so wichtig, dass er Weezer verließ. Die verblieben drei trafen sich mehrmals zum proben, konnten aber die zwischenmenschlichen Spannungen nicht ignorieren. Es war schließlich Cuomo selbst, der zu einer Wiedervereinigung drängte. Mikey Welsh, mit dem er bei seinen Nebenprojekten gearbeitet hatte, wurde als neuer Bassist integriert. Anschließend versuchte man Geffen/Interscope vom Wert eines neuen Weezer Albums zu überzeugen. Das Label hatte nach dem Pinkerton Debakel allerdings kein wirkliches Vertrauen mehr. Aus ihrer Sicht war nur ein komprimiertes poppiges Album akzeptabel. Eines, dass ein riesiger Erfolg wird. Und genau das passierte. Die grüne gab Weezer noch mal einen richtigen Schub und sorgte dafür, dass die Band heute noch existiert. Allerdings ist sie in meinen Augen nicht wirklich gut. Es bleibt Spekulation, ob die Plattenfirma, Rivers oder der Produzent diese fast krampfhaft auf Airplay getrimmte Richtung verfolgte. Wahrscheinlich waren es alle ein bisschen. Großmäulig behauptete Rivers über 120 Songs geschrieben zu haben, von denen die besten auf dem Album gelandet wären. Hört man das Album, klingt das haarsträubend. Zuerst mal das positive: Es gibt „Hash Pipe“, bei dem man frech das Riff von „For whom the bell tolls“ klaut. Es gibt „Island in the Sun“, definitiv einen der schönsten Sommersongs von Weezer. Und dann mit „Photograph“, „Don´t let go“ und „Knockdown Dragout“ schöne „Beach Boys mit Verzerrer“ Songs. Der Rest klingt für mich leider wie Füllmaterial, bei dem man zwanghaft versuchte, Sound und Stimmung des blauen Albums zu kopieren. Eine karrieretechnisch wichtige Platte war das hier zweifellos. Eine gute aber nicht.
 
Maladroit

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Unverzichtbar

2000 brachte die bisher letzte Veränderung der Bandbesetzung. Mikey Welsh, der unter gehörigen psychischen Problemen litt, wurde wegen Suizidgefahr in die Klinik eingeliefert. Da die Tour bereits lief, wurde Scott Shriner zunächst als Interims Bassist verpflichtet. Als sich der Zustand von Welsh aber nicht besserte, wurde er vollwertiges Bandmitglied. Möglicherweise führte diese Situation zu einer wesentlich härteren Ausrichtung im Sound. Schon früh gab Cuomo bekannt, mit Maladroit eine Hard Rock Platte machen zu wollen. In der Indie/Alternative Szene sorgte das damals für beträchtliches Stirnrunzeln. Man ahnte eben noch nicht, das Rivers den 80er Jahre Stadionrock quasi inhaliert hatte. Und der wird auf Maladroit von der Leine gelassen, dass es eine wahre Freude ist. Nicht falsch verstehen, das hier ist keine Scorpions, Kiss oder Van Halen Platte. Aber es ist ein Album, welches diesen Sound, diese Stimmung ins Weezer Korsett zwängt. Hier haben sie genau das gebracht, was sie auf „In the Garage“ so sympathisch besungen hatten: Man steht im kleinen, stickigen Proberaum mit billigen Gitarren und schlechtem Equipment und rockt trotzdem los, als wäre man Schenker oder Frehley. Die Limitierung besteht aber nur im Klangbild, nicht in den technischen Möglichkeiten. Denn wenn sie wollen, können Weezer sehr wohl Gitarren Kunststücke vollbringen. Aber die sollen halt dann dreckig und punkig und nicht aalglatt klingen. Da passt es auch ins Bild, dass hier genau wie bei Pinkerton selbst produziert wurde. Für mich ist es auch das bessere Pinkerton. Ein Krachalbum, aber ohne die völlig kaputte Aura des 96er Werks. „Take Control“ ist die Überhymne, in etwa so, als würden die 80er Scorpions Punk mit einem leichten Beach Boys Einfluss spielen. „Dope Nose“ ist genauso überdreht, wie es der Titel suggeriert. „Death and Destruction“ eine langsam kriechende Trauerballade, mit einem an Rhoads erinnerden, kurzem Anti-Gitarren-Solo (Muss man hören!!!). „Slob“ ist genau das, was auf dem grünen Album gefehlt hat, in „Slave“ und „December“ werden die Noise Gitarren genauso genial wie auf einem Neil Young Album aufgetürmt usw. Man merkt schon, ich bin absoluter Fan von Maladroit. Durch die leicht härtere Gangart ist es vielleicht auch das perfekte Einstiegsalbum für die Forumsmitglieder hier! Also wie heißt es in „American Gigolo“: I told you once before, that you better not stop the show!

Make Believe

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Empfehlenswert

Die raue, unkommerzielle Richtung beim Vorgänger schlug sich in den Verkaufszahlen nieder. Zudem schien sich ein Wandel beim Publikum abzuzeichnen, das langsam älter wurden. Weezer galten nicht mehr als Hip. Das hätte der Band eigentlich egal sein können. Der Plattenfirma allerdings nicht, die ohnehin langsam die veränderten Gegebenheiten spürte. Filesharing hatte die damals goldenen Gewinne gehörig ins Trudeln gebracht. Auch bei Geffen begriff man, dass man nicht unsterblich war. In dieser Zeit hatte man kein Verständnis für einen Rivers Cuomo, der Hard Rock Platten im Punk Gewand produzieren will. Er hatte doch schließlich auf dem blauen und grünen Album auch überaus erfolgreich Hits komponiert. Dann sollte es doch lieber sowas sein, damit die Verkäufe wenigstens ein bisschen in diese Richtung gehen. Auftritt Rick Rubin! Angeblich hat ihn die Band „ganz zufällig“ in L.A. getroffen, aber man muss kein Hellseher sein, dass ihnen der ein wenig aufs Auge gedrückt wurde. Rivers war zu dieser Zeit gesundheitlich angeschlagen, rauchte und trank viel. Aber das größere Problem war sein Ego, was zu fast diktatorischem Gebaren in der Band führte. Wer auch immer Rubin kontaktierte, traf damit also eine goldrichtige Entscheidung. Denn der Guru mit dem langen Bart ist ja spezialisiert auf komplizierte Bandsituationen. Er schaffte es dann auch, Rivers wieder zu erden und die ganze Chemie zwischen den Musikern auf ein neues Level zu heben. Make Believe ist das erste Album, auf dem gleichberechtigt gearbeitet wurde, auch wenn das Songwriting nach wie vor von Cuomo beansprucht wurde. Man zeigt sich trotzdem so vielseitig wie noch nie. „Beverly Hills“, dass zur kommerziell erfolgreichsten Weezer Single avancierte, überführt die Stimmung des blauen Albums in ein modernes Soundgewand. „This is such a Pity“ channelt The Cure, während „Perfect Situation“ einen leichten BritPop Touch und eines der schönsten Gitarrensoli von Rivers aufweist. „The Damage in your Heart“ und „Haunt you every day“ sind zwei der gelungensten Weezer Balladen und mit „Freak Me Out“ treten auch die Folkeinflüsse wieder offener zutage. Make Believe ist größtenteils eine ruhige, introvertierte Platte, für die man in der Stimmung sein muss. Aber dann zieht sie ordentlich.

Red Album

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Zwiespältig

2008 begann die musikalisch schwächste Phase von Weezer. Das lag wohl hauptsächlich daran, dass Cuomo seinen Fokus auf andere, privatere Dinge verlagerte. Er wollte sein Studium in Harvard beenden und heiratete seine japanische Freundin. Das Pendeln zwischen U.S.A. und Japan ließ ihm wenig Zeit für Musik, weshalb seine Bandkollegen kurzerhand wieder Nebenprojekte starteten. Erneut lagen Trennungsgerüchte in der Luft, die aber haltlos waren. Die Band verstand sich so gut wie nie und genoss die neu etablierte Demokratie. Diese ging nämlich so weit, dass Rivers Bandkollegen nicht nur eigene Songs einbringen, sondern bei diesen auch den Gesang übernehmen durften. Brian Bell liefert dabei mit dem folkigen, an Eagle-Eye Cherry erinnernden „Thought I Knew“ gleich mal ein Highlight. Auch Patrick Wilson kann mit der Grunge Nummer „Automatic“ punkten (Pearl Jam winken hier herüber). Und Rivers selbst? Schrieb mit „Heartsongs“ eine schöne Liebeserklärung an seine Lieblingsbands und mit dem wirklich brüllend komischen „Pork and Beans“ einen der besten Weezer Songs überhaupt (Den bekommt man wirklich nie wieder aus dem Ohr). Diese vier Songs würden eine absolut geniale EP abgeben. Ansonsten bietet das Album nämlich wenig überzeugendes. Den Opener „Troublemaker“ und „The Greatest Man That Ever Lived“, bei dem sich Rivers im Falsett und alle Bandmitglieder im GospelChor üben, kann man noch als Ok abhaken. Der Rest ist allerdings erschreckend belanglos. Keine Katastrophe, aber bei langweiligen Nummern wie „Dreamin“ oder „Cold Dark World“ fragt man sich schon, ob das hier noch dieselbe Band ist. Aber die wirklichen musikalischen Katastrophen sollten ja erst noch kommen.
 
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