Wy†ch Hazel - "And we'll take a cup o' kindness yet..." / VÖ: 07.12.2023

Sie haben‘s schon wieder getan! Dass die Band es schafft, so lange interessant und relevant zu bleiben, darauf hätte ich beim Erscheinen des Debuts wirklich nicht gewettet. Und dann haben die vier Alben alle ganz eigene Stärken, ohne dass sie sich - finde ich - qualitativ viel nehmen.

Bei Prelude besticht vor allem die zeitlos-mittelalterliche Gesamtpräsentation, die das ganze zu einem eigentlich unersetzbaren Proto-Epic Juwel macht, was Manuel Trummer damals ja schön in seinem Review herausgearbeitet hat. Wenn man Stand heute aufs Songwriting zurückblickt, ist es so schlicht, dass man im Bandkontext vom „Schlechtesten“ sprechen könnte, was natürlich niemand machen würde.

Sojourn ist dann das introvertierteste, aber auch irgendwie homogenste Album der Band. Nicht nur das Cover betreffend scheinen die großen Vorbilder von Wishbone Ash hier besonders präsent gewesen zu sein. Der rockigere Gesamtklang hat dann schon die ersten Metalfans wieder verschreckt, die Kompositionen versinnbildlichen für mich allerdings die Unerschütterlichkeit der Überzeugung: „The Lord is my rock, my fortress …“.

Pentecost ist ja im christlichen Lager ein wichtiges Fest, was die Intensität und den schon fast modernen Rocksound auf dem Drittwerk vielleicht erklärt. Nie waren Wytch Hazel drängender, und ich habe mich anfangs gefragt, ob mir das jetzt nicht endgültig zuviel Jungscharlager ist. Dann beinhaltet das Album aber die zwingendsten und effizientesten Songs der Band, und es war endgültig klar, dass die Grenze nach „oben“ und auch in Richtung szenenübergreifender Erfolg offen ist.

Bei Sacrament bin ich noch im Entdeckungsmodus, aber ich bin hellauf begeistert, wie das Album alle Stärken der Band wieder in ein metallischeres Setting überträgt, das aber im Gegensatz zum Debut nicht nach Mittelalter, sondern nach dem Besten der 80er klingt. So gut klang (!) die Band meiner Meinung nach seit Prelude nicht mehr.

Zwar wünsche ich Colin und den Jungs natürlich menschlich alles Gute, aus einer künstlerischen Sicht - auch angesichts dessen, dass ‚Time and Doubt‘ momentan mein Favorit von der neuen Scheibe ist - wäre eine Glaubenskrise auch mal was Spannendes, wenn man bedenkt, was das Thema hergibt, im Doom Metal und so. Also bei aller Dankbarkeit, wenn ich mir was wünschen darf, dann einen düsteren Fünftling „V: Theodicy“!
 
Jetzt hast Du mich kurz an meinen Religionsunterricht erinnert

Wer von ‚Religionsunterricht’ auf ‚Theologiestudium’ hochschalten will, kann im Inferno-Unterforum mit mir diskutieren, ob die Tatsache, dass Reverorum Ib Malacht drei unterschiedliche Alben mit demselben Titel - De Mysteriis Dom Christi - auf drei unterschiedlichen Formaten - CD, Kassette und Platte - veröffentlicht haben, für das Glaubensgeheimnis, die Einheit der Dreifaltigkeit, den Vater, den Sohn und den Geist steht? Und: ist dann Jesus das Tape?
 
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Danke, hab das Thema nach 15 Punkten in der mündlichen Abiprüfung in Bayern (katholische Religionslehre) als ausgereizt für beendet erklärt. Theodizee war da auch Thema. Und ich hab ein Immortal Shirt mit altem Logo dabei getragen.
 
Hm, bis jetzt gefällt mir "IV" von allen Wytch Hazel Alben am wenigsten. Es ist mir zu sauber produziert und wirkt auf mich insgesamt doch sehr seicht. Mir fehlen die Ecken und Kanten, die ich brauche, damit diese doch recht entspannte Musik für mich tauben Krachfetischisten doch noch interessant bleibt.

Zudem nimmt der religiöse Aspekt sowohl in den Texten als auch in der Außendarstellung der Band nach meinem Empfinden einen immer größeren Raum ein. Das war auf den ersten beiden Alben noch nicht so massiv und offensichtlich. Ehrlich gesagt, ich weiß nicht was ich davon halten soll. Es fällt mir schwer, darin nicht doch einen zunehmenden missionarischen Eifer zu erkennen - entgegen aller Beteuerungen im wirklich sympathischen Interview.
 
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Hm, bis jetzt gefällt mir "IV" von allen Wytch Hazel Alben am wenigsten. Es ist mir zu sauber produziert und wirkt auf mich insgesamt doch sehr seicht. Mir fehlen die Ecken und Kanten, die ich brauche, damit diese doch recht entspannte Musik für mich tauben Krachfetischisten doch noch interessant bleibt.

Zudem nimmt der religiöse Aspekt sowohl in den Texten als auch in der Außendarstellung der Band nach meinem Empfinden einen immer größeren Raum ein. Das war auf den ersten beiden Alben noch nicht so massiv und offensichtlich. Ehrlich gesagt, ich weiß nicht was ich davon halten soll. Es fällt mir schwer, darin nicht doch einen zunehmenden missionarischen Eifer zu erkennen - entgegen aller Beteuerungen im wirklich sympathischen Interview.

Das ist auch der Grund, warum ich beim neuen Album etwas zurückhaltender bin. Die Musik ist etwas zu glatt geworden und irgendwie kommt da ein missionarischer Eifer durch, der mich zum ersten Mal stört.
 
Das ist auch der Grund, warum ich beim neuen Album etwas zurückhaltender bin. Die Musik ist etwas zu glatt geworden und irgendwie kommt da ein missionarischer Eifer durch, der mich zum ersten Mal stört.
So geht's mir auch. Kamen die ersten drei Alben noch zeitnah zum VÖ-Termin hier an, ist es bei der neuen Platte derzeit noch der 'Vielleicht-Modus' beim digitalen Testhören. Das aber gar nicht so sehr wegen der Texte, sondern mehr wegen der Glätte und der für mich etwas verloren gegangenen Magie der Musik.
 
Aufgrund des Interviews im Heft habe ich der Band nochmal anderthalb Ohren geschenkt und mir die Alben III und IV genauer angehört. Wie schon einige geschrieben haben, ist dabei Pentecost musikalisch packender als die recht glatte Sacrament. Würde ich im Rahmen eines Festivals oder im Hintergrund aber beide auf alle Fälle gut hören können.

Aber auf beiden Platten stören mich die Texte doch massiv, obwohl sie nicht auffordernd missionarisch und schon gar nicht aggressiv sind, aber diese permanente „hab ich Euch schon erzählt, wie großartig Gott ist?“-Attitüde ist mir deutlich zu viel. Leider verstehe ich die zu gut, als dass ich sie ausblenden könnte. In dem Sinne sind Wytch Hazel schon mehr Prediger als einfach nur Musiker mit christlichem Glauben und für mich genau den Schritt über der Grenze, den z.B. ein Neal Morse noch knapp davor ist.
 
Wer von ‚Religionsunterricht’ auf ‚Theologiestudium’ hochschalten will, kann im Inferno-Unterforum mit mir diskutieren, ob die Tatsache, dass Reverorum Ib Malacht drei unterschiedliche Alben mit demselben Titel - De Mysteriis Dom Christi - auf drei unterschiedlichen Formaten - CD, Kassette und Platte - veröffentlicht haben, für das Glaubensgeheimnis, die Einheit der Dreifaltigkeit, den Vater, den Sohn und den Geist steht? Und: ist dann Jesus das Tape?
Ok cool, aber hatte der Web-DL nicht ein anderes Mastering?
 
Aufgrund des Interviews im Heft habe ich der Band nochmal anderthalb Ohren geschenkt und mir die Alben III und IV genauer angehört. Wie schon einige geschrieben haben, ist dabei Pentecost musikalisch packender als die recht glatte Sacrament. Würde ich im Rahmen eines Festivals oder im Hintergrund aber beide auf alle Fälle gut hören können.

Aber auf beiden Platten stören mich die Texte doch massiv, obwohl sie nicht auffordernd missionarisch und schon gar nicht aggressiv sind, aber diese permanente „hab ich Euch schon erzählt, wie großartig Gott ist?“-Attitüde ist mir deutlich zu viel. Leider verstehe ich die zu gut, als dass ich sie ausblenden könnte. In dem Sinne sind Wytch Hazel schon mehr Prediger als einfach nur Musiker mit christlichem Glauben und für mich genau den Schritt über der Grenze, den z.B. ein Neal Morse noch knapp davor ist.

Zu deinem letzten Absatz: Ich habe die ersten beiden Alben der Band und kenne auch die III: Pentecost recht gut. Da haben mich die Texte nicht gestört. Bei der neuen Platte empfinde ich für mich subjektiv diese auch ne Spur drüber. Nach dem Lesen des Interviews im aktuellen Deaf Forever kann ich mit diesen allerdings gut leben. Das zeigt, wie unterschiedlich Wahrnehmungen sind.
 
Mal unabhängig von den Texten muss ich auch feststellen, die Sacrament hat sich doch recht schnell totgelaufen bei mir, ich mag die natürlich immer noch, aber sie ist doch recht "einfach" gehalten. Die Vorgänger hatten da mehr zu bieten, mehr Ecken und Kanten, insofern stimme ich weitestgehend zu.
 
Nach dem Lesen des Interviews im aktuellen Deaf Forever kann ich mit diesen allerdings gut leben. Das zeigt, wie unterschiedlich Wahrnehmungen sind.

Bei mir ist es interessanterweise genau umgekehrt: die Texte auf der neuen Platte gehen für mich weiterhin in Ordnung, aber gerade das Interview fand ich zu viel. Quasi jede einzelne Antwort lief auf die religöse Dimension hinaus - auch ohne, dass die Frage dahin geschielt hätte. Was ich in einem Kunstwerk als konsequent respektieren kann, finde ich dann beim Künstler meistens... nun ja: eindimensional.

Schade fand ich das vorallem deshalb, weil @wrm im Heftthread sinngemäß gesagt hatte, dass die religiöse Seite ja schon zur Genüge durchgekaut worden wäre, und deshalb in dem Interview nicht im Vordergrund stehen würde. Wobei das in dem Fall eben wirklich nicht am DF lag.

Das Mixing finde ich mit ein bisschen Abstand übrigens auch etwas zu soft geraten, aber als Sommerplatte gehts noch :D
 
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Man muss aber auch sehen, dass die Welt, im Vergleich zu den Jahren davor, schlechter, noch ungerechter und unberechenbarer geworden ist. Die Zukunfsängste scheinen sich potenziert zu haben. Ich kann gut nachvollziehen, dass ein religiöser Mensch dadurch stärker zu seinem Glauben hält und die Klammerung an den Heilsbringer dadurch automatisch fester wird. Das ist vielleicht bei Wytch Hazel unterbewusst passiert und spiegelt sich dann eben auch in der Musik und in den Interviews wieder.

Mir persönlich ist das momentan aber eine Spur zu viel des Guten. Bei den älteren Platten konnte ich mit "King und Conqueror" einen historischen Bezug herstellen. Mit dem neuen Album ist der "Lord" aber eindeutig religiös zu deuten und da fühle ich mich etwas unwohl, weil ich den Interpretationsspielraum nicht mehr habe.
 
Kanten vielleicht nicht aber etwas mehr Kauzigkeit oder weniger Zugänglichkeit

Also mit etwas Fantasie kann ich mir vorstellen, dass man die störrische Rückwärtsgewandtheit und Simplizität von „Prelude“ als kauzig empfindet. Aber sonst … in Summe dürften WH die eingängigste Band sein, die ich mir in den letzten 10 Jahren ins Regal gestellt hab, deswegen lässt mich diese Einschätzung etwas ratlos zurück.
 
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