Der große Death und Funeral Doom Thread, 2. Versuch

Danke für den Überblick, sowohl den des Jahres und des "Untergrunds". Paar interessante Sachen dabei. Jahresüberblick hab ich keinen zu bieten, ich müsste das alles zusammensuchen, aber in Erinnerung geblieben (Reihenfolge ungleich Wertung ;) ): Sinister Downfall, Frowning, Arche, Gravkväde, Demon Goat, +diverse.

Eremit (Doom/Sludge aus DE) haben eine Compilation ihres bisherigen Schaffens (2 Alben, 1 EP) gemacht, mit den Songs in richtiger Reihenfolge (weil Konzept und so).
https://www.metal-archives.com/bands/Eremit/3540447856
https://allswordsburn.bandcamp.com/album/blade-of-the-underground

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Burial Choir (Fin) bieten Funeral/Death Doom.
https://www.metal-archives.com/bands/Burial_Choir/3540415916
https://fallentemple.bandcamp.com/album/descension-of-firmament

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Auch von The Howling Void gibts was Neues.
https://www.metal-archives.com/bands/The_Howling_Void/3540272526
https://thehowlingvoid.bandcamp.com/album/into-darkness-ever-more-profound

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2022 war mein Highlight im Funeral Doom Shape Of Despair. Allerdings kaufe ich in dem Genre auch nur sehr wenig. Ansonsten toll fand ich Konvent, Dream Unending, Tzompantli und Mother Of Graves. Aber die zählen wohl alle eher zu Death Doom, mit Ausnahme Dream Unending, die einfach ihr eigenes Ding durchziehen.

Freue mich sehr auf Ahab am Freitag, allein das Cover ist den Kauf schon wieder wert. Hoffentlich gibts nicht zu viel Klargesang.
 
SHAMAEL: Il Suono di Mille Orchestre-Parte I
“Melancholie der Engel”, das Debüt von Shamael, hat sich von einem durch mich zunächst falsch verstandenen zu einem meiner Lieblingsalben 2021 entwickelt und rutscht mit jedem Durchlauf höher in meiner Favoritenliste. Dass nur anderthalb Jahre später der Nachfolger erscheint, ist in Doom-Verhältnissen gedacht Lichtgeschwindigkeit, und dass er gut werden würde, haben die kleinen Teaser auf Facebook schon angekündigt. Wie gut er ist, macht mich nochmal platt. Nach dem sechsten Durchlauf noch am Erscheinungstag daher mein eiliges Gekleister, von dem ich mir aber sicher bin, dass ich auch in Monaten kein Wort davon zurücknehmen muss.
Raffaele Galasso, der Mann hinter Shamael, hat einen eigenen Zugang zum Genre, den er selbst so umschreibt: “One of the main sound characteristics that I've tried to develop for the new album was the elimination of the classic riff by adopting a more "impressionistic" approach while composing. In this way I can focus more on the feeling that every track should give.” Das Album entzieht sich sowohl in seinen Einzelteilen durch die gewundenen Akkordverläufe als auch in ihrer Zusammensetzung durch den Mangel an Wiederholungen den Reinheitsgeboten des Metal-Songwritings – jedes Stück ist ein assoziatives Fließen von Tönen, bei dem sich eine Passage aus der vorhergehenden entwickelt ohne dass dabei so etwas wie eine Struktur entsteht. Die Instrumentierung, das Tempo, das Gebrüll, die Stimmung lassen aber keine Luft an die Genre-Verortung des Albums: Wir stecken knietief im Funeral/Death Doom.
Und diese Kombination, einerseits in der Genrezuordnung unmissverständlich zu sein, dann aber im Songwriting so die Standards zu transzendieren, ist eine Kunst, die sonst Gottbands wie Esoteric vorbehalten ist. Wer eine Bewegung wie „Ricordo-I prize the memory“ wirklich mitgegangen ist, dieses Flüchtige der Momente, die Klassik-beeinflusste Mitte, das gemäldehafte Aufreihen von Tönen, der hat eine Reise hinter sich. Übrigens gibt es einige Klassik-Momente auf dem Album, und zwar hochwertige, komplexe Klassik-Momente, keinen Sinfonikkitsch.
Ganz, ganz groß. Mir ist völlig unverständlich, warum Galasso kein Label für dieses Album aufgetrieben hat (daher auch bisher kein physisches Format), keinen Vertrieb, einfach nix, und man beim Googeln des Albumtitels genau ein Ergebnis erhält, nämlich die Facebookseite des Projekts mit keinen 300 Abonnenten.
„Il Suono di Mille Orchestre-Parte I“ setzt die Messlatte, die 2023 erstmal übersprungen werden muss, schon kurz nach Jahresbeginn hoch.
https://shamael1.bandcamp.com/album/il-suono-di-mille-orchestre-parte-i
 
SHAMAEL: Il Suono di Mille Orchestre-Parte I
“Melancholie der Engel”, das Debüt von Shamael, hat sich von einem durch mich zunächst falsch verstandenen zu einem meiner Lieblingsalben 2021 entwickelt und rutscht mit jedem Durchlauf höher in meiner Favoritenliste. Dass nur anderthalb Jahre später der Nachfolger erscheint, ist in Doom-Verhältnissen gedacht Lichtgeschwindigkeit, und dass er gut werden würde, haben die kleinen Teaser auf Facebook schon angekündigt. Wie gut er ist, macht mich nochmal platt. Nach dem sechsten Durchlauf noch am Erscheinungstag daher mein eiliges Gekleister, von dem ich mir aber sicher bin, dass ich auch in Monaten kein Wort davon zurücknehmen muss.
Raffaele Galasso, der Mann hinter Shamael, hat einen eigenen Zugang zum Genre, den er selbst so umschreibt: “One of the main sound characteristics that I've tried to develop for the new album was the elimination of the classic riff by adopting a more "impressionistic" approach while composing. In this way I can focus more on the feeling that every track should give.” Das Album entzieht sich sowohl in seinen Einzelteilen durch die gewundenen Akkordverläufe als auch in ihrer Zusammensetzung durch den Mangel an Wiederholungen den Reinheitsgeboten des Metal-Songwritings – jedes Stück ist ein assoziatives Fließen von Tönen, bei dem sich eine Passage aus der vorhergehenden entwickelt ohne dass dabei so etwas wie eine Struktur entsteht. Die Instrumentierung, das Tempo, das Gebrüll, die Stimmung lassen aber keine Luft an die Genre-Verortung des Albums: Wir stecken knietief im Funeral/Death Doom.
Und diese Kombination, einerseits in der Genrezuordnung unmissverständlich zu sein, dann aber im Songwriting so die Standards zu transzendieren, ist eine Kunst, die sonst Gottbands wie Esoteric vorbehalten ist. Wer eine Bewegung wie „Ricordo-I prize the memory“ wirklich mitgegangen ist, dieses Flüchtige der Momente, die Klassik-beeinflusste Mitte, das gemäldehafte Aufreihen von Tönen, der hat eine Reise hinter sich. Übrigens gibt es einige Klassik-Momente auf dem Album, und zwar hochwertige, komplexe Klassik-Momente, keinen Sinfonikkitsch.
Ganz, ganz groß. Mir ist völlig unverständlich, warum Galasso kein Label für dieses Album aufgetrieben hat (daher auch bisher kein physisches Format), keinen Vertrieb, einfach nix, und man beim Googeln des Albumtitels genau ein Ergebnis erhält, nämlich die Facebookseite des Projekts mit keinen 300 Abonnenten.
„Il Suono di Mille Orchestre-Parte I“ setzt die Messlatte, die 2023 erstmal übersprungen werden muss, schon kurz nach Jahresbeginn hoch.
https://shamael1.bandcamp.com/album/il-suono-di-mille-orchestre-parte-i

Ich dachte ja, dass die neue AHAB mich richtig umhauen wird. Was sie getan hat. Aber dann kam Shamael…
 
Allein im Januar sind auch ein paar sehr hörenswerte Underground-Schönheiten ins Leben gebracht worden, die jetzt nicht so wegweisend daherkommen wie Shamael, aber dafür die atmosphärischen Möglichkeiten des Genres mit jeweils unterschiedlichem Schwerpunkt zwischen dunkel, stockdunkel und kohlrabenschwarz konsequent ausloten.
Wenn 2023 so weitergeht, wird es ein Top-Doom-Jahr.

Torture Wheel ist/war ein Projekt von E. M. Hearst (The NULLL Collective), das einige Demos veröffentlicht hat, darunter 2005 “Crushed Under ...” auf CD, welches damals von @Stappi im Rockhard zu Unrecht verrissen wurde, nun auch digital verfügbar ist und entrückten, psychedelisch angehauchten Funeral mit Krümelmonsterbrummen und herrlich verwaschener Produktion bietet.
https://torturewheel.bandcamp.com/album/crushed-under

Desperation Eclipse ist ein neues Projekt, “Heights Of Negation” die Debüt-EP (zwei Songs, 32 Minuten) mit einem erzkonservativen Schleifsound, der in Richtung Hierophant/Catacombs geht. Bösartig.
https://desperationeclipse.bandcamp.com/album/heights-of-negation

Bei Gloombound und deren Debüt-EP „Astral Exhalation“ (zwei Songs, 17 Minuten) geht es auch konservativ zu, aber zugänglicher, strukturierter, dynamischer und romantischer, Orgel inklusive.
https://gloomboundband.bandcamp.com/album/astral-exhalation

Und nochmal konservativ. Horre vermengt auf „Kuumet“ Gitarre und Keyboard zu einem schwer zu dechiffrierenden gemeinsamen Instrument – nennen wir es Keytarre – und lockert seine schwerfälligen und -mütigen Zehnminüter immer genau im richtigen Moment mit elegischen Leads auf, in „Eternal Gloom“ sogar mit Folk-Einflüssen. Dennoch emotional beinharte Kost, die ein stabiles seelisches Korsett voraussetzt.
https://horre.bandcamp.com/album/kuumet

Right, nochmal konservativ. Ornamentos del Miedo haben neben klarer Produktion auch ein Label – also nix Underground, voll Mainstream, CD in 66-Stück-Auflage, was soll das nur! Die EP (Warum kommen im Januar denn soviele EPs raus?) „Frío“ bietet zwei melodiöse, strukturierte Funeral-Vielschichter mit sehr guten Leads, Keyboards und Arrangements.
https://ornamentosdelmiedo.bandcamp.com/album/fr-o

Nicht-konservativ: Auf der Debüt-EP „Gestalt“ von Neka finden sich zwar Einflüsse aus dem Funeral Doom (insbes. in „Mortido“), diese werden aber eingebettet in ein Korsett an Stimme, Rhythmen und Riffs, das eher aus dem Doomgaze und DSBM kommt. (Bis vor wenigen Wochen wusste ich nicht, dass es ein Genre namens „Doomgaze“ überhaupt gibt.)
https://neka.bandcamp.com/album/gestalt-2

Und irgendwo dazwischen: "Ellipses II: Astronomicon Collapse", das Debüt von Messial, durchkreuzt den kellertiefen Grunzdoom mit psychedelischen Synthie-, Fiep- und Akustik-Sounds, welche die einigermaßen biedere Basis auf ein völlig neues Level transferieren. Falls hier jemand Last Chapter noch im Gedächtnis hat, deren Debüt "The Living Waters" damals Rob Lowe gesanglich veredelt hat: Solche Sounds meine ich.
https://messial.bandcamp.com/album/ellipses-ii-astronomicon-collapse

Den abgefahrenen Kram ganz zuletzt. Ilia Gharibashvili aus Georgien beschreibt seine Zweisong-Mischpoke so: “Genres: Post-Black Metal, Depressive Suicidal Black Metal, Post-Punk, Funeral Doom Metal, New Wave, Blackwave, Doomwave, Trip-hop, House” Stimmt alles. Dungeon Synth könnte man noch dazufügen. Sieht grenzwertig aus, fängt grenzwertig an, entwickelt aber – insbesondere Stück zwei, „განთიადი“, der Gesang, Alter … – eine verführerische Sogkraft, wenn man sich darauf einlassen kann. Gelingt mir aber auch nicht immer.
https://iliagharibashvili.bandcamp.com/album/-
 
Torture Wheel ist/war ein Projekt von E. M. Hearst (The NULLL Collective), das einige Demos veröffentlicht hat, darunter 2005 “Crushed Under ...” auf CD, welches damals von @Stappi im Rockhard zu Unrecht verrissen wurde, nun auch digital verfügbar ist und entrückten, psychedelisch angehauchten Funeral mit Krümelmonsterbrummen und herrlich verwaschener Produktion bietet.
https://torturewheel.bandcamp.com/album/crushed-under

Nope, dieser Verriss hat auch 18 Jahre später noch seine Berechtigung. Habe mir das Album jetzt extra noch mal angehört und mir damit selbst eine Dreiviertelstunde kostbarer Lebenszeit gestohlen. Das Ding ist nach wie vor völlig lahm, ereignisarm und schlicht langweilig. Zudem nervt der billige Drumcomputer-Sound. :thumbsdown:
Aber wie immer gilt hier: Geschmäcker sind verschieden. Und wenn du es magst...
 
völlig lahm, ereignisarm und schlicht langweilig. Zudem nervt der billige Drumcomputer-Sound.
Einspruch!;) Ereignisarmut kann in dieser Art von Doom ein Qualitätsmerkmal sein. Es ist sicher nicht der Typ von Album, bei dem ein Zerlegen in seine Einzelteile ergiebig ist, weil es eben wenig Struktur und Spannung enthält. Es ist eher sowas wie ein Klangbild, ein Kontinuum, eine Bewegung, die an einem vorüberzieht und die man ein paar Schritte mitgehen kann – oder eben nicht. Ich habe mir angewöhnt, diese Art von simplem, Synthie-geführten, verwaschenem LoFi-Funeral-Doom, die mir sehr zusagt, eher mit einem Ambient- als einem Metal-Ohr zu hören.
Aber ja, der Drumcomputer macht mitunter zuviel für diese Art von Musik und würde die Bewegung mehr unterstützen, wenn er hintergründiger bliebe.
 
Noch nicht in alles reingehört, aber: Desperation Eclipse ist super, Gloombound haben Potenzial, Horre ist mir ein bißchen zu schnarchnasig, Neka ist gut. Ornamentos del Miedo sind auch gut, kenn ich noch "von früher", da hab ich aber wohl ein bißchen was dazwischen verpasst :D
 
EHRERBIETUNG, TEIL I

OK, Kinners. Doomtime. Meine letzte Ehrerbietung in diesem Thread, gewidmet den Chromatikkönigen Comatose Vigil, ist nun ca. drei Jahre her, was in der Zeitrechnung des Stils, dem dieser Thread sich widmet, so etwa gestern ist. Insofern heute sehr zügigen Schrittes Teil zwei. Themenwahl willkürlich, interessiert mich einfach gerade, und ich nutze das Zeitfenster einer schlaflosen Nacht für ein Foren-Themenspecial.
Denn: Ich finde ja Doom nicht ganz schlecht. Klassik mag ich auch, zumindest wenn sie nach Doom klingt. Angeblich haben ja Metal- und Klassikfans ohnehin ähnliche psychologische Profile.
Daher widmen sich die nächsten Zeilen dem Death/Funeral Doom mit Einflüssen aus der Klassik. Logisch, nech?

Ouvertüre

Worum es geht: Bands, die Grunzdoom mit einer Schnittstelle in Richtung Klassik versehen. Also das, was Rhapsody, Nightwish, Malmsteen, Dimmu Borgir, TSO, Fleshgod Apocalypse und wie sie nicht alle heißen, auch machen, nur halt mit vernünftiger Musik.
Diese Bands werden zumeist von Keyboards angeführt, wie es sich im Grunzdoom ohnehin gehört, in der Sparte halt noch etwas ausgeprägter.

Worum es nicht geht:
- Doom mit einer gelegentlichen Sologeige drin. Die ist seit den Mitteneunzigern ins Genre integriert und nicht mehr spannend.
- Doom mit weiblichem Operettengesang. Draconian, Estatic Fear oder Chalice sind meinen Ohrmuscheln zufolge eher langsam gespielter Gothic, so wie vieles, was unter dem Banner „Atmospheric Doom“ gehändelt wird, welches kein für mich greifbares eigenes Genre bezeichnet.
- Doom mit Streicherflächen vom Keyboard. Diese Spielart wird von Bands wie Remembrance, Aeternum Sacris, The Howling Void und hastenichjesehn ausgiebig und z.T. hörenswert zelebriert, ist aber allein auch noch nicht interessant genug und viel zu verbreitet. Faustregel: Wenn Bläsersounds auftauchen, wird es originell und gehört hier hin.

Die Auswahl der Bands erhebt natürlich keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit, aber auf Repräsentativität.

Akt 1, die Orgel

Der Orgeldoom ist so eine Selbstverständlichkeit geworden, dass er fast keine besondere Erwähnung verdient. Aber nur fast, denn Orgel kannste nicht ignorieren. Ist ja schweinelaut. Die Orgel ist ein unfassbar faszinierendes Instrument, das mit den x-fachen Registern und Manualen und der Spielweise mit Händen und Füßen nicht nur sehr komplex in Aufbau und Bedienung ist, sondern auch in Sachen Sounds alles vom gewaltigsten Höllensturm bis zum zarten Hauch eines letzten Kusses auszudrücken vermag. Zur Bebilderung die B.A.C.H.-Fantasie von Bjarne Sløgedal, auch wenn es nahezu unmöglich ist, die Kraft und Wirkung einer Orgel auf Tonträger zu bannen, man muss es eigentlich live hören.

Die Vorreiter in der Integration dieses Instruments in einen Doom-Kontext sind natürlich Skepticism, die einige Fähigkeiten der Orgel nutzen und mit ihr daher gleich auch den Bass ersetzen. In Kombination mit der Tatsache, dass Lasse Pelkonen sein Schlagzeug ausschließlich mit Paukenschlägern bedient, und dem zum Teil extravaganten Songwriting, das auf ritualistische Rhythmen und ungewöhnliche Arrangements setzt, entsteht so ein massiges, etwas dumpfes, etwas obskures Klangerlebnis, das Doomgeschichte wurde und daher hier nicht weiter vorgestellt werden muss. Mein Referenzwerk ist das Album „Lead and Aether“, das von zwei Signatursongs eingekesselt wird, dem gewaltigen "THE ORGANIUM", das den Majuskeln und dem Titel entsprechend von brachialen Mollakkorden dominiert wird und einfach die pure Macht ausstrahlt, und dem traurigschönen, beinahe zerbrechlichen und tatsächlich ätherisch fließenden "Aether".
https://skepticism.bandcamp.com/album/lead-and-aether

Im Gefolge von Skepticism haben diverse Doombands die Orgel für sich entdeckt. Zu den guten Epigonen gehören Profetus, die ihren Sound in traditionellere Doom-Arrangements a la Mournful Congregation gießen, etwa die Begleitung der Orgel durch eine klagende Leadgitarre. “The Sadness of Time Passing“ bietet konservative Funeralkost mit einer romantischen Note, verteilt auf fünf Stücke zwischen neun und fünfzehn Minuten. Anspieler: "Tiarnia".
https://profetus.bandcamp.com/album/the-sadness-of-time-passing-2

Bei Burial In The Woods wird es wieder obskur. Stilistisch im Black Doom beheimatet, wird auf „Church of Dagon“ die Orgel mit einer wildgewordenen Leadgitarre kombiniert. Das surreale Flair passt super zur Lovecraft-Themenwelt der Texte, behaupte ich mal, habe Lovecraft nie gelesen und kenne den nur, weil er im Doom hinter jeder zweiten Ecke vorlugt.
https://naturmachtproductions.bandcamp.com/album/church-of-dagon

Krief de Soli trägt das Thema richtig dick auf. Der Titel des verlinkten Albums sagt schon alles Wichtige: Ein Requiem soll dit sein, liturgisch korrekt als „Messe für die Verstorbenen“ gekennzeichnet und komplett in einer Tonart – F-Moll – gehalten. Die Orgel ist gleich von der Kathedrale aufs Cover gezogen und donnert kompromisslos mit allen Registern durch jedes der stilecht lateinisch betitelten Stücke. Selbst ein „Lacrimosa“ wird so zum Funeral-Kraftpaket. In den sporadischen Ruhemomenten ist ein entferntes Klavier zu hören, die im Promotext gepriesene Laute habe ich dagegen nicht gefunden. Subtil geht anders. Schlecht aber auch.
https://krief-de-soli.bandcamp.com/album/requiem-missa-pro-defunctis-in-f-moll

Subtil sind dagegen Quercus. Ich kenne keine andere Band im Genre, die die Orgel derart könnerhaft einsetzt. Von der komplexen Akkordführung über die Spielweise mit den verschiedenen Stimmen bis hin zum überzeugend realistischen Sound sind die Alben der drei Tschechen Schöngeister-Gourmetkost, vom Feeling her etwas proggy, auch durch die verschiedenen Gesangsstile, die dynamischen Aufs und Abs, die wenigen Wiederholungen. Mir gefällt „Heart with Bread“ am besten, die Orgel kommt aber auf „Verferum“ noch besser zur Geltung.
https://quercusdoom.bandcamp.com/album/verferum

Amen.

Akt 2, die Sinfoniker

Wem eine Orgel schon zu dick aufgetragen ist, der kann den Akt gleich überspringen. Hier tummeln sich diejenigen, die bei Pomp, Bombast und sinfonischem Überschwang in Entzückung verfallen.

Wer bei Colosseum nicht in Entzückung verfällt, dem ist freilich auch nicht zu helfen. Die Band hat unfassbaren, gleichermaßen sehnsuchtsvollen wie tieftraurigen Doom-Schönheiten das Leben gegeben, etwa „Narcosis“ und „Prosperity“ auf dem zweiten Album. Die sinfonische Klangwelt mit ihren wundervollen Melodien kam im Studio zum Teil von Orchester-Musikern, live dann aus der Konserve. Mit dem zu frühen Tod von Juhani Palomäki im Jahr 2010 endete die Geschichte dieser eindrucksvollen Band, deren drei Alben ausnahmslos die Vermächtnisse eines Doom-Genies sind.
https://metalhit.bandcamp.com/album/chapter-ii-numquam

Das oberflächlichere Geschwisterkind von Colosseum sind Abyssic. Besetzt mit Leuten, die bei Bands wie Dimmu Borgir, Old Man´s Child oder Susperia spielen oder spielten, und stilistisch dann auch eine Doom-Variante der Genannten. Also es wird jeder Zentimeter zugekleistert mit Tonnen an Synthie-Orchestrierung. Violinenbrigaden und Blechblaskollektive lauern allerorten. Man wandert von Höhepunkt zu Höhepunkt. Das reicht nicht unbedingt tief, aber unterhalten tut es allemal. Bestes Album bis dato ist „High the Memory“.

Luna sind Abyssic ohne Gesang und mit Drumcomputer. Thy Dark Serenity sind Nightwish auf Death/Doom. Rise of Avernus sind Septic Flesh auf Death/Doom. Und Tempestuous Fall sind Midnight Odyssee auf Funeral Doom. Alles, was @subcomandante im OP des MO-Threads herrlich sezierte, könnte man hier 1:1 wiederholen. Kein Wunder, dieselbe Nase hinter diesem Projekt, das bei I, Voidhanger ganz richtig aufgehoben ist.

Desire aus Lissabon sind leider, obgleich mit einer bis in die Mittneunziger zurückreichenden Historie gesegnet, Geheimtipp geblieben. Könnte natürlich damit zusammenhängen, dass sie es in der Zeit auf ganze zwei Alben gebracht haben. Sie gehören eigentlich in das weiter oben beiseite geschobene Rudel an Bands, die einfach breite Streicherteppiche über ihre Riffs legen, erreichen aber durch die eingestreuten Passagen, in denen ein Klavier, eine singende Frauenstimme oder rezitative Passagen beider Geschlechter zu hören sind, einen knappen Klassikbonus, der sie für diese Enzyklopädie qualifiziert – und eine unverwechselbare, einlullende Atmosphäre. Sehr empfehlenswert: “Locus Horrendus – The Night Cries Of A Sullen Soul”, das zweite und bis dato letzte Album, heute über zwanzig Jahre alt. Die Band ist aber laut MA noch existent.
https://www.youtube.com/watch?v=IUcyU_8ZMDo

Depressed Mode sind den o.g. Abyssic im Ansatz ähnlich, aber etwas sparsamer in den aufeinandergetürmten Schichten, dafür stilistisch weitschweifiger. „Decade of Silence“ verarbeitet auch Einflüsse aus u.a. Gothic und Epic Doom und es geht bisweilen etwas rockig zu. Ich komme leider auf die Stimmfarbe des Clean-Gesangs gar nicht klar und mir ist es häufig zu schnell – Midtempo, wer braucht so einen Scheiß? Der zwölfminütige Closer „Aeternus“, der in dunkle Abgründe abtaucht, um sie mit Fanfarenklängen und aufsteigenden Leads wieder zu verlassen, versöhnt aber mit allem, was vorher zu leichtfüßig daherkam.
https://depressedmodedoom.bandcamp.com/album/decade-of-silence

Das Einmann-Projekt Sadael, ursprünglich aus Armenien, inzwischen in Russland beheimatet, hat viele Gesichter, die von Dark Ambient bis zu flotterem Death/Doom reichen. Es gab aber auch eine Phase, die einer romantischen Form des Funeral Doom gewidmet war, die mit ordentlich Neoklassik-Einflüssen bei den Gitarrensoli, Synthieteppichen und Klavierintermezzi spielt, namentlich auf „Dreams“ und insbesondere „Diary of Loss“. Ich vernehme neben üblichen Doom-Verdächtigen Einflüsse der ersten Elend-Scheibe. Wenn man die Hürde der etwas gewöhnungsbedürftig in den Vordergrund gemischten Growls überwunden hat, nimmt einen die entrückte Atmosphäre völlig ein. Ebenfalls empfehlenswert, aber nicht mehr ganz so neoklassisch geprägt, ist das jüngste Album „Weirdest Projections“.
https://sadaelofficial.bandcamp.com/album/diary-of-loss

Den Abschluss dieses Aktes bildet Sunyata, ein Doom-Feelgood-Projekt von John D. Reedy aus London, das zwar grunzfreie Zone, in Sachen Gitarre und Schlagzeug aber aber im Funeral Doom angesiedelt ist und diesen mit absolut überbordenen, Soundtrack-artigen Klängen ins Hintertreffen geraten lässt. In jedem der vier Zehnminüter stecken ausufernde Laut-leise-Variationen und der Pomp eines ganzen Orchesters. Wenn es Gesang gibt, dann gleich den eines Chores. Hier ist die Sinfonie nicht die Zutat zum Doom, sondern andersherum. Klassik:Metal 1:0. Ich kenne nichts Vergleichbares und finde es hervorragend.
https://sunyatauk.bandcamp.com/album/the-great-beyond

"Symphonie heißt mir eben: mit allen Mitteln der vorhandenen Technik eine Welt aufbauen." (Gustav Mahler)
 
EHRERBIETUNG, TEIL II

Akt drei, die Kammermusik


Mit einem Synthieorchester kannst du schlechte Riffs einfach zukleistern – wenn ein Layer das Riff noch nicht ausreichend bedeckt, packst du eben noch einen drauf, und noch einen, und noch einen. Wer mit den sparsamen Mitteln der Kammermusik, also kleinen Besetzungen, hantieren will, hat es da schwerer.

Probiert haben es Intaglio. Während ihr erstes Album extrem schwerfälligen, lebensverneinenden, Bass-geführten Funeral Doom bot, luden sie sich für ihre 16 Jahre darauf erschienene Nummer zwei – OK, das ist selbst für Doom kacklang – eine Armada an Klassikmusiker:innen ins Studio ein. Zwar führt der Bass weiter durch die meist sehr langsamen Lieder, das Nebenbei und Mittendrin aus Geigen, Celli, Kontrabass, Flöte und Rezitativen lockert aber den Doom-Teig immer dann auf, wenn er zu schwergängig zu werden droht. Das Ergebnis ist deutlich komplexer und positiver als die Nummer eins, was es für Genre-Hardliner freilich wieder schwerer konsumierbar macht. Tja, wie man´s macht, irgendwas ist immer falsch.
https://intaglio.bandcamp.com/album/ii

Einfacher konsumierbar ist Talsur, obwohl Vitaly Surkov stilistisch im Prinzip genau dasselbe tut. Aber das Beieinander von Doom und Kammermusik, außerdem einem kleinen Chor, ist auf „Dark“ derart verwoben und selbstverständlich, dass man gar nicht auf die Idee kommt, hier würden zwei Welten aufeinanderprallen. Einfach saustarkes Songwriting. „Dark“ ist ein kongeniales, in der Stimmung sehr wehmütiges Stück Musik, das nebenbei auch voller toller Riffs und Themen steckt, und viel mehr Aufmerksamkeit verdient als es bis dato erhält.
https://talsur.bandcamp.com/album/dark

Ivan klingen zwar auf den ersten Hör des Namens, als ob sie auch aus Russland stammen, sind aber Australier. Australische Bands wie Mournful Congregation, Estrangement, Disembowelment oder Moon haben in meiner Wahrnehmung eine gewisse Verkopftheit; ich meine zumindest bei vielen Bands eine erhöhte musiktheoretische Vorbildung wahrzunehmen. Dieses persönliche Klischee treffen Ivan auch zu 100%. „Memory“ ergeht sich in minutenlangen pure-Klassik-Passagen und die melodieführende Geige dominiert das musikalische Geschehen trotz fett produziertem Riffbrett und z.t. Sludge-artigen Growls allein deshalb weil sie nahezu ununterbrochen spielt, und das bei Songlängen von 25 Minuten! Gelegentlich traut sich eine Lead-Gitarre hinzu und wir hören sowas wie Double-Leads, bei denen aber die Violine doppelt so laut wie ihr sechsaitiger Partner abgemischt ist. Das muss man abkönnen, Klassik-untrainierte Ohrenzeugen werden hier nach fünf Minuten das Kotzen kriegen und auch mich, in Ansätzen durchaus Klassik-trainiert, nervt und langweilt diese Konzentration auf ein Instrument an den falschen Tagen.
https://ivanbandau.bandcamp.com/album/memory

Wie man die Gesamtmische abwechslungsreicher gestaltet, hat Matteo Gruppi mit Il Vuoto auf „Weakness“ und insbesondere dem Zweitling „Vastness“ gezeigt. Er versteift sich auf keine seiner vielfältigen Ingredenzien, sondern gruppiert sie alle um den Funeral Doom: Hier eine Konzertgitarre, da ein Chor, dort (aber eben nur dort) eine Geige, und obendrein ein wenig verspielte Pink-Floyd-Gitarren und Postrock-Ausflüge. „Vastness“ ist ein an manchen Stellen niederschmetterndes, an manchen gelöstes, in jedem Fall komplexes und entdeckungswürdiges Album.
https://hypnoticdirgerecords.bandcamp.com/album/vastness

Euronyme weichen vom Pfad der Klassik-Doom-Tugend vollends ab: Sie schieben nicht nur das Keyboard in die zweite Reihe, sondern haben gleich gar keine Gitarren in petto. Jedes Riff und jede Melodie kommt hier vom Bass, und gestimmt sind die Instrumente auf die Schwingungsfrequenz von 432 Hertz, eine in vielerlei Hinsicht sagenumwobene Frequenz.
Das Klassik-Feeling entsteht aber weniger oder zumindest nicht für mich bewusst fassbar durch die Frequenz, sondern durch das stets thematisch aufeinander bezogene Auf- und Absteigen der Töne, das nicht in wirklichen Wiederholungen, sondern eher in Variationen mündet. Das Kompositionsprinzip erinnert an barocke Fugen und greift Metal-Hörgewohnheiten stark an. Ich bin noch zwei Jahre später eher fasziniert als begeistert.
https://eurynome.bandcamp.com/album/obsequies

S.D.G.

Akt vier, die Moderne

Jetzt die schiefen Sachen.

Bei der Ankündigung, dass Estrangement „baroque funeral doom“ spielen würden, und als dann noch die seriös aussehenden Musiker:innen ins Bild gebracht wurden, habe ich etwas Leichtgängiges erwartet. Aber Estrangement machen es einem lieber schwer. Es gibt fantastische Funeral-Momente auf „Disfigurementality“, es gibt ein beseeltes, verspieltes Instrumental wie „Asleep in the Vineyard“. Es gibt aber auch rapide Brüche, Kehlkopfgesangsexzesse, dissonante Cluster und die Zerstörung schöner Flötenmelodien und wasserfallartiger Flamenco-Gitarren durch manisches Geschrei. Mein Australienklischee, s.o., greift wieder, aber man kann „Disfigurementality“ bestimmt auch vom Bauch her verstehen, nicht nur vom Kopf. Mir ist das nur noch nicht gelungen.
https://estrangement.bandcamp.com/album/disfigurementality

Ganz anders bei Abstract Spirit. Der böse Zirkus dieser Doom-Gottband, die mit „Horror Vacui“ einen meiner Doom-Thronanwärter schlechthin vorgelegt hat, ergreift mich von Kopf bis Fuß. Monolithisch, schwerfällig, ein Koloss mit einer absolut überzeugenden, bedrohlichen Atmosphäre, ein Album voller Bosheit, zutiefst negativ, die Beschwörung einer Welt voller Angst. Hinter einem milchigen Schleier wittert der Wahnsinn und "Horror Vacui" vertont ihn nicht direkt. Aber "Horror Vacui" ist die schönheitlose Klangwerdung des ständigen Bewusstseins, dass es nur dieser milchige Schleier ist, der den Reisenden vom Wahnsinn trennt.
Disharmonische Einwürfe, dunkle Chöre, Glocken, ein leiernder Synthesizer gehören ebenso zur Grundausstattung wie die zermalmende Funeral-Doom-Basis aus schweren Drums, dunklen Gitarrenakkorden, Leads, die das Kommen des Todesengels ankündigen, und den immer und überall zerstörerischen Growls von A.K. iEzor.
"Theomorphic Defectiveness", der Nachfolger und Schwanengesang, ist für die Zwecke dieses Textes aber noch ergiebiger, genauso wahnsinnig, genauso boshaft, genauso majestätisch, reißt einen tiefen Graben in das Herz des Hörers, fordert aber auch noch ein Stück mehr das Hirn heraus. Einige Konfigurationen sind durchaus mutig zu nennen, etwa wenn im Mittelteil des Openers und Titeltracks plötzlich zwei verschiedene Stücke parallel zu laufen scheinen oder wenn im Instrumental "Leaden Dysthymia" tonnenschweres Riffing auf zarte Synthie-Spielereien trifft. Die Band legt Wert darauf, dass alle parallel laufenden Elemente keine bruchlose Einheit ergeben. Spielt das Keyboard weiche, lange Töne, spielt die Gitarre schnelle Stakkati. Spielt die Gitarre auf der linken Box eine tonale Abfolge, legt sich die Gitarre auf der rechten Box mit einer atonalen Abfolge darunter. Hat man sich als Hörer auf ein brutales Riff gerade eingepegelt, lachen einen plötzlich die für die Band charakteristischen Bläser aus. Durch diesen Willen zum Antithetischen drohen die Stücke geradezu auseinanderzubrechen wie eine klaffende Wunde, die einfach nicht heilen kann und will.
Überhaupt ist "Theomorphic Defectiveness" ein konsequent atonales Album, das mit verminderten Quinten en masse jongliert. Und wenn einen wie in "Prism Of Muteness" dann nach fünf Minuten quälender Bosheit endlich ein sanftes Keyboard und ein Chor erlösen, ist das auch nur oberflächlich ein Lichtblick, denn irgendeine unpassende Note wird auch dann noch immer eingeflochten, irgendeine Auflösung weggelassen - Abstract Spirit sind wirklich Meister des Bösen.
Bei aller harmonischen Komplexität wirkt "Theomorphic Defectiveness" aber keineswegs erzwungen oder ziellos, die Marschroute in Angst und Wahnsinn bleibt stets sicht- und fühlbar. Zwei bösartige Höhepunkte der Reise: Wenn "Under Narcoleptic Delusions" nach fünf Minuten zielloser Introspektion in das feindliche Dunkel der Welt tritt. Und das streckenweise geradezu schwermütige "Sa Sonmom Zwetnych Snowedenii".
https://abstractspirit.bandcamp.com/album/theomorphic-defectiveness

Die neue Shamael habe ich ja erst kürzlich kommentiert.
Raffaele Galasso, der Mann hinter Shamael, hat einen eigenen Zugang zum Genre, den er selbst so umschreibt: “One of the main sound characteristics that I've tried to develop for the new album was the elimination of the classic riff by adopting a more "impressionistic" approach while composing. In this way I can focus more on the feeling that every track should give.”
https://shamael1.bandcamp.com/album/il-suono-di-mille-orchestre-parte-i

Avanti!
 
Zuletzt bearbeitet:
EHRERBIETUNG, TEIL III

Finale, klassischer Gesang

Bei der Schnittstelle Gesang bewegen wir uns natürlich schnell in Richtung Gothic. Vibeke Stene hat bei Tristania ein paar tolle, anspruchsvolle Gesangs-Arrangements gezaubert – sowas wie „Evenfall“ muss man erstmal schreiben. Aber hey, Gothic wollten wir hier nicht drinhaben, right?

Deha klackert zwischen seine drölfzigtausend austauschbaren DSBM-Alben auch jedes Jahr was Gutes raus, das man freilich in der Masse erstmal finden muss. Das 42-minütige Ein-Stück-Werk „Ave Maria II“ gehört auf jeden Fall zu seinen besten Erzeugnissen. Hier wird die Basis aus DSBM-beeinflusstem Funeral mit ordentlich Orchesterpomp, Mönchschor und der Sopranstimme von Madicken De Vries stark aufgewertet. Durch die Art der Darbietung und den halligen Sound entsteht ein Kirchenflair, das die thematische Ausrichtung unterstützt.
https://deha.bandcamp.com/album/ave-maria-ii

Penuria aus Chile sind gar nicht unähnlich. Auch Funeral-Basis. Auch DSBM-Anleihen. Auch klassisch ausgerichteter Gesang. Hier ist er konsequent mehrstimmig (Mann und Frau) und pendelt wild zwischen einer eher altertümlich-romantischen und zeitgenössischeren, z.T. folkig angehauchten Melodieführung. Das eine oder andere unbeholfene Casio-Keyboard muss man wegstecken können, erhält dann aber ein überraschend leichtfüßiges, eigenwilliges Hörerlebnis.
https://gsproduction.bandcamp.com/album/vulnerant-omnes-ultima-necat

Bei Ea gehört der Chor zur Grundausstattung, auch wenn er in dem Fall künstlich erzeugt ist. Den ganzen Geheimnis-Mummenschanz, der um die Band gemacht wird (alles anonym, blabla … Konzept„based on the sacral texts of ancient civilizations”, wer´s glaubt … Band “uses a dead language which was recreated according to the results of archeological research”, is´ klar), mal beiseitegeschoben, entsteht durch die permanenten Chor-Synthies eine sakrale Atmosphäre, die durchaus einnehmend sein kann, auch wenn (oder gerade weil) die gewählten Mittel eher einfach sind. Man muss nicht alle Alben von Ea haben, sie klingen ja auch alle gleich, aber einzwei gehen schon klar, m.E. „Au Ellai“ und „A-Etilla“.
https://solitudeproductions.bandcamp.com/album/a-etilla

Bei Thaddaeus ist das Repertoire an klassischen Bezügen größer. „The first Thaddaeus album to use libretto, romantic harmony and 20th century classical composition techniques.” Siehste mal. Und natürlich ein Australier. Unter die beiden doomigen, „kurzen“ Stücke (12 und 14min) haben sich zwei längere gemogelt (25 und 28min), die mit Metal gar nichts mehr zu tun haben und zwischen Neoklassik und Dark Ambient wabern. Mir gefällt das ganze Portfolio, auch wenn der monotone Gesangsvortrag gewöhnungsbedürftig ist.
https://thaddaeusband.bandcamp.com/album/the-aeneid

Und zuletzt Fallen, deren 2004er-Album „A Tragedy's Bitter End“ ein bemerkenswertes Album ist, das nur am Rand in diese Liste gehört, aber Werbung allemal verdient. In Sachen Tempo und Riffing tief im Death/Funeral Doom beheimatet, ist es hier der Gesang, der Fallen ein Alleinstellungsmerkmal verleiht, das in vergleichbarer – und technisch besser umgesetzter – Form m.W. nur bei jüngeren Alben von Funeral aufzufinden ist: Der zwischen Bariton und Bass schwankende Kjetil Ottersen ist mit den richtig tiefen Passagen heillos überfordert und hält die Töne auch in den höheren nicht wie eine Eins. Die Melodieführung schwankt ebenfalls zwischen dem Durchsingen einer Arie und dessen Persiflage. Aber gerade durch dieses Imperfekte entsteht etwas Nahbares bei diesem schmerzvollen Album. Wenn in „Weary and Wretched“ dann noch die melancholische (Synthie-)Flöte einsetzt, „To the Fallen“ mit verträumten Klavierklängen zum Wegdriften lädt, oder in „Morphia“ genau im richtigen Moment das Keyboard im Gruselmodus den schwerfälligen Trauermarsch in einen Albtraum überführt, brechen alle Dämme.

"But tonight you will dance alone
And your sweet songs will be all for naught
The door is bolted beyond belief with worries and fears
The soul stands an all to eager guard
For thou art but distant dreams
And words that remain like traces of ancient memory"
(Fallen)

Coda

Schön war´s, diese zumeist tollen Bands alle nochmal durchzugehen. Wer sich dem Thema Metal-Klassik mal von der anderen Seite nähern will: Hier.
Bis in drei Jahren.
 
Für mich hat die neue EP von Druids Of Eld zwar eher finnischen Vibes und klingt nach einer Schnittmenge zwischen Swallow the Sun und Insomnium. Ist aber eine Soloprojekt des Australiers Matt Dodds (Arbrynth, live session for Be’lakor and Okera)
"Druids Of Eld is a Melbourne based project drawing from a range of Melodic Doom, Death,Black Metal and folk influences."

Druids Of Eld - A Day Of Sorrow
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hat jemand sowas wie FB und kann mal bei Everlasting Spew gucken obs seit November was neues wegen der Assumption gibt?

So langsam glaub ich nicht mehr an nen Release :/
 
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