Wer bei
Colosseum nicht in Entzückung verfällt, dem ist freilich auch nicht zu helfen. Die Band hat unfassbaren, gleichermaßen sehnsuchtsvollen wie tieftraurigen Doom-Schönheiten das Leben gegeben, etwa „Narcosis“ und „Prosperity“ auf dem zweiten Album. Die sinfonische Klangwelt mit ihren wundervollen Melodien kam im Studio zum Teil von Orchester-Musikern, live dann aus der Konserve. Mit dem zu frühen Tod von Juhani Palomäki im Jahr 2010 endete die Geschichte dieser eindrucksvollen Band, deren drei Alben ausnahmslos die Vermächtnisse eines Doom-Genies sind.
https://metalhit.bandcamp.com/album/chapter-ii-numquam
Das oberflächlichere Geschwisterkind von Colosseum sind
Abyssic. Besetzt mit Leuten, die bei Bands wie Dimmu Borgir, Old Man´s Child oder Susperia spielen oder spielten, und stilistisch dann auch eine Doom-Variante der Genannten. Also es wird jeder Zentimeter zugekleistert mit Tonnen an Synthie-Orchestrierung. Violinenbrigaden und Blechblaskollektive lauern allerorten. Man wandert von Höhepunkt zu Höhepunkt. Das reicht nicht unbedingt tief, aber unterhalten tut es allemal. Bestes Album bis dato ist „High the Memory“.
Luna sind Abyssic ohne Gesang und mit Drumcomputer.
Thy Dark Serenity sind Nightwish auf Death/Doom.
Rise of Avernus sind Septic Flesh auf Death/Doom. Und
Tempestuous Fall sind Midnight Odyssee auf Funeral Doom. Alles, was
@subcomandante im OP des
MO-Threads herrlich sezierte, könnte man hier 1:1 wiederholen. Kein Wunder, dieselbe Nase hinter diesem Projekt, das bei I, Voidhanger ganz richtig aufgehoben ist.
Desire aus Lissabon sind leider, obgleich mit einer bis in die Mittneunziger zurückreichenden Historie gesegnet, Geheimtipp geblieben. Könnte natürlich damit zusammenhängen, dass sie es in der Zeit auf ganze zwei Alben gebracht haben. Sie gehören eigentlich in das weiter oben beiseite geschobene Rudel an Bands, die einfach breite Streicherteppiche über ihre Riffs legen, erreichen aber durch die eingestreuten Passagen, in denen ein Klavier, eine singende Frauenstimme oder rezitative Passagen beider Geschlechter zu hören sind, einen knappen Klassikbonus, der sie für diese Enzyklopädie qualifiziert – und eine unverwechselbare, einlullende Atmosphäre. Sehr empfehlenswert: “Locus Horrendus – The Night Cries Of A Sullen Soul”, das zweite und bis dato letzte Album, heute über zwanzig Jahre alt. Die Band ist aber laut MA noch existent.
https://www.youtube.com/watch?v=IUcyU_8ZMDo
Depressed Mode sind den o.g. Abyssic im Ansatz ähnlich, aber etwas sparsamer in den aufeinandergetürmten Schichten, dafür stilistisch weitschweifiger. „Decade of Silence“ verarbeitet auch Einflüsse aus u.a. Gothic und Epic Doom und es geht bisweilen etwas rockig zu. Ich komme leider auf die Stimmfarbe des Clean-Gesangs gar nicht klar und mir ist es häufig zu schnell – Midtempo, wer braucht so einen Scheiß? Der zwölfminütige Closer „Aeternus“, der in dunkle Abgründe abtaucht, um sie mit Fanfarenklängen und aufsteigenden Leads wieder zu verlassen, versöhnt aber mit allem, was vorher zu leichtfüßig daherkam.
https://depressedmodedoom.bandcamp.com/album/decade-of-silence
Das Einmann-Projekt
Sadael, ursprünglich aus Armenien, inzwischen in Russland beheimatet, hat viele Gesichter, die von Dark Ambient bis zu flotterem Death/Doom reichen. Es gab aber auch eine Phase, die einer romantischen Form des Funeral Doom gewidmet war, die mit ordentlich Neoklassik-Einflüssen bei den Gitarrensoli, Synthieteppichen und Klavierintermezzi spielt, namentlich auf „Dreams“ und insbesondere „Diary of Loss“. Ich vernehme neben üblichen Doom-Verdächtigen Einflüsse der ersten Elend-Scheibe. Wenn man die Hürde der etwas gewöhnungsbedürftig in den Vordergrund gemischten Growls überwunden hat, nimmt einen die entrückte Atmosphäre völlig ein. Ebenfalls empfehlenswert, aber nicht mehr ganz so neoklassisch geprägt, ist das jüngste Album „Weirdest Projections“.
https://sadaelofficial.bandcamp.com/album/diary-of-loss
Den Abschluss dieses Aktes bildet
Sunyata, ein Doom-Feelgood-Projekt von John D. Reedy aus London, das zwar grunzfreie Zone, in Sachen Gitarre und Schlagzeug aber aber im Funeral Doom angesiedelt ist und diesen mit absolut überbordenen, Soundtrack-artigen Klängen ins Hintertreffen geraten lässt. In jedem der vier Zehnminüter stecken ausufernde Laut-leise-Variationen und der Pomp eines ganzen Orchesters. Wenn es Gesang gibt, dann gleich den eines Chores. Hier ist die Sinfonie nicht die Zutat zum Doom, sondern andersherum. Klassik:Metal 1:0. Ich kenne nichts Vergleichbares und finde es hervorragend.
https://sunyatauk.bandcamp.com/album/the-great-beyond
"Symphonie heißt mir eben: mit allen Mitteln der vorhandenen Technik eine Welt aufbauen." (Gustav Mahler)