L7 - Scatter The Rats

Restless_Breed

Till Deaf Do Us Part
Erstes Album seit der Re-Union erscheint am 03.05.

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Hmm... viel Gegenliebe hat der Thread nicht generiert, und das Album wohl auch nicht, denn so besonders gut erhältlich ist es kaum fünf Jahre nach VÖ auch nicht. Im Marketplace 1x für 87,- Euro zu haben, bei Ebay nur als LP und auch so irgendwo zwischen 36,- und 72,- Euro. Bei Discogs gibt es immerhin eine CD für 21,- Euro. Allgemein sind aktuell nur die ersten vier Scheiben ordentlich erhältlich, und auch die meist nicht wirklich preiswert.

Bin bei L7 irgendwie spät berufen. Kenne die Band zwar seit "Shove" und "Pretend We're Dead", und fand das Zeug auch immer cool, aber ich habe - wie so oft, wenn es nicht M.E.T.A.L. im engeren Sinne war - nie damit angefangen, die CDs zu kaufen. Kürzlich habe ich dann mal beschlossen, nach dem im Judas-Priest-Tour-Thread beschriebenen Erkenntnisgewinn, doch die Scheiben zu komplettieren. Die ersten vier sind bestellt, die zweite und die vierte inzwischen hier angekommen. Der Rest soll folgen. Seither läuft hier regelmäßig L7, und macht mir viel Freude. Schön roh, ungehobelt und fetzig... passt... so mag ich punkigen Stoff!
 
Ich zitiere mich einfach mal selbst aus meinem Hausforum, weil ich es einfach gerade wichtig finde, über L7 zu reden... Ist mir ein Anliegen...

Nun, wer meine Posts der letzten zwei Wochen ein bisschen verfolgt hat, wird nicht überrascht sein, dass dieser Thread jetzt und hier kommt, einfach, weil mich diese räudige Truppe aus Los Angeles, California, die letzten Tage über maximal begeistert hat und nicht mehr aus dem Player will.

Ein wenig bizarr ist es, dass es genau jetzt passiert, und ich will ganz offen sein: Der Fehler, dass es erst jetzt passiert liegt allein bei mir, beziehungsweise bei dem doch recht engen Mindset meines früheren Ichs. So sehr habe ich mich an sich nicht verändert. Im Zweifel weniger als manch andere, aber irgendwie habe ich früher doch ein bescheuklappteres Selbst demonstriert, als es nötig gewesen wäre.

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Denn wenn ich fundamental ehrlich zu mir selbst bin, hatte ich L7 schon ganz zu Beginn meines Metallerdaseins irgendwo auf dem Schirm, und die Band auch immer irgendwo cool gefunden. Jedenfalls seit 1990 war die Band im Bewusstsein, denn ich kann mich gut an die bei MTV laufenden Clips zu 'Fast & Frightening' und später natürlich 'Pretend We're Dead' erinnern, die ich immer stark gefunden habe. Dass es doch nie etwas wurde, mit L7 und mir, lag vielleicht daran, dass ich mehr - im Bandsinne - "square" war, als ich mir eingestehen wollte. Ein konservativer Metalhead im manowarschen erzachtziger Sinne mit Special Interest für Conan, Drachen und Satan, interessierte sich natürlich nicht für eine sozialkritische, feministische, alternative Riot Girl Punkband, die zudem auch noch mit der bösen, bösen, bösen, metaltötenden Grunge-Szene assoziiert wurde. Selbst dann nicht, wenn die ziemlich cool war. Eigentlich. Aus ähnlichen Gründen fanden hier auch Prong, Suicidal Tendencies, Green River, Alice In Chains und viele mehr kaum statt. Die sind nun nicht feministisch, aber die anderen Attribute passen auch dort.

Inzwischen sind die meisten Hürden gefallen. Ein konservativer Metalhead bin ich an sich immer noch, aber in Zeiten, in denen sich zahllose selbsternannte Metalbands selbst freiwillig in Triggern, Elektronika und Keyboards ersäufen, die Gitarre nicht mehr als melodieführendes Instrument begreifen wollen sondern nur noch Alibi-Heaviness kredenzen lassen, sich für ihre Hooks im Schlagerbusiness inspirieren lassen, und auch sonst jede Ecke, Kante, Rebellion, Schmutzigkeit und Räudigkeit abgeschliffen haben, bevor der Lack aufgetragen und auf Hochglanz poliert wird, tut es immer öfters immer besser, sich von ein bisschen dreckigerer Mucke wieder des Rock'n'Rolls erinnern zu lassen. Und da leisteten und leisten diverse Punk-, Hardcore- und Alternative-Bands seit Jahrzehnten ganze Arbeit, wenn der Hardrock und Heavy Metal Gefahr lief, zu pittoresk und glamourös zu werden.

Die Erkenntnis kommt spät, aber dafür umso heftiger, und ja, seit dem Judas-Priest-Gig vergangene Woche feiere ich halt L7 ohne Ende, und deshalb habe ich unmittelbar nach der ersten Verkostung des damals frisch aufgeschlagenen Zweitwerks "Smell The Magic" (1990) auch direkt die anderen drei klassischen Alben der Band geordert, auch alle schon mehrfach angehört, und an allen vieren sehr viel Freude. Am besten gefallen mir die im Zweifel auch erfolgreichsten Scheiben - eben "Smell The Magic" und zudem dessen Nachfolger "Bricks Are Heavy" (1992) - von denen auch die oben bereits erwähnten Singlehits stammen. Hier treffen die Ladies einfach die perfekte Mischung aus schnörkelloser, bratender und bratzender Gitarrenpower, ungehobeltem Sound und einem doch ordentlichen Gespür für eingängige Hooks. Die sind beim noch wilderen und reduzierteren Debüt "L7" (1988) zwar auch schon vorhanden, aber unscheinbarer und nicht ganz so prägnant, und der Viertling "Hungry For Stink" (1994) ist ein wenig verschrobener und entrückter, nimmer ganz so punkig. Der braucht noch ein bisschen, um vollends zu zünden, hat aber auch tolle Songs wie etwa den Opener 'Andres'.

Stark ist stets und immer Donita Sparks herrlicher Gesang, der von abgefuckt-angepisst bis verdrogt-lakonisch eine stets sehr emotionale Bandbreite abdeckt, aber trotzdem gute Hooks aufweist, und von den Co-Sängerinnen Suzi Gardner und Jennifer Finch, toll zur so genannten Riot-Grrl-Gang ergänzt wird. Was sie bei 'Fast & Frightening' an Johnny-Rotten-Impersonation abliefert ist grandios. Die Gesangsrollen können auch mal wechseln. Gang-Shouts sind im punkigen Rock und Metal halt immer ein Selling Point. Aber auch an der Gitarrenfront ist etwas geboten, denn es ist eben nicht nur Punk, was L7 hier abliefert, sondern es gibt auch doomige, schleppende Riffs und dissonantes Wabern in der besten Black-Sabbath-Tradition (man höre hierzu den Einstieg zu 'Shove'), so dass sich zum Punk-Fundament auch alternative, stonerrockige, doomige Noten gesellen; die eben auch den Einfluss der Band auf die Seattle-Grunge-Szene erklären.

Jo. Viele Worte eines Gar-nicht-mal-Experten für eine Band. Dennoch bereits in diesem Stadium eine Liebeserklärung. Wenn nagelneue und zudem bärenstarke Alben von Dickinson, Priest und Sentry daliegen, und dieser Rabenvogel hier doch vornehmlich alte L7-Schoten in den Player fahren lässt, dann hat die Band was ausgelöst.

Hörproben für Neulinge und sonstige Interessenten:

L7 (1988)
-> Bite The Wax Tadpole: https://www.youtube.com/watch?v=ECEK8xv2xUk
-> Metal Stampede: https://www.youtube.com/watch?v=wE7GC2uIEPM

Smell The Magic (1990)
-> Fast And Frightening: https://www.youtube.com/watch?v=e3PJkciaQAU
-> Shove: https://www.youtube.com/watch?v=vSYHZbSBP7Q
-> Deathwish: https://www.youtube.com/watch?v=cPLOls-71xw

Bricks Are Heavy (1992)
-> Pretend We're Dead: https://www.youtube.com/watch?v=NAdlZ2F-fs8
-> Wargasm (Live feat. Courtney Love and Kurt Cobain): https://www.youtube.com/watch?v=D20S86c7g3s
-> Everglade: https://www.youtube.com/watch?v=eNOivC5Ak10
-> Shitlist: https://www.youtube.com/watch?v=7b00jXAscEI

Hungry For Stink (1994)
-> Andres: https://www.youtube.com/watch?v=5COHP3KZuq4
-> Questioning My Sanity: https://www.youtube.com/watch?v=SGVb9KgLllA

Wenn ich die restlichen drei Alben in physischer Form habe, dann gibt es ggf. auch mal einen Artikel zu L7 drüben bei uns.

Oder jedenfalls weitere Beiträge hier.
 
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Die ersten drei Alben hab ich auch. Die sind wirklich prima. Bricks are heavy kannte ich damals schon, als sie aktuell war und die anderen beiden hab ich später irgendwann nachgekauft. Über Hungry for Stink hab ich damals gemischte Meinungen gehört, zudem lag mein musikalischer Fokus zu der Zeit sowieso woanders, so dass L7 dann einfach von meinem Radar verschwunden sind. Das sollte ich mal aufarbeiten!
 
Ich finde die Vierte jetzt auch nicht so stark wie die ersten Drei, und Hörproben, die ich von den Spätwerken kenne, sind nochmal ein wenig anders, aber ich finde die Entwicklung zumindest mal spannend, denn so ein "no holds barred" und "into your face" Ansatz wie bei den frühen Alben bleibt auch nicht dauerhaft authentisch. Habe daher trotz der gewissen Veränderungen sehr viel Lust, da auch ins Spätwerk noch tiefer einzusteigen.
 
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