Wollte noch ein paar Dinge zu den vorgangegangenen Beiträgen in dem Bereich äußern.
Vorab: Mir geht es primär um Pagan Metal, wie auch immer jeder von uns das definiert. Es gibt in der deutschen Musiklandschaft noch viele großartige Bands, die im weiteren Sinne etwas mit Folk zu tun haben (z.B. Morrigan, Heimdalls Wacht, Helrunar, Horn, Wandar, Aethernaeum, Waldgeflüster, Dauþuz / Wintarnaht), die ich aber eher dem Black Metal zuordnen würde. Letztenendes egal, ich versuch mich nur an einer für mich funktionierenden stilistischen Kategorisierung. Wo Falkenbach beispielsweise hier reinpassen, kann ich bis heute nicht beantworten.
@Gleipnir:
Mourning Ends liegen stilistisch in der Schnittmenge zwischen Menhir zu Thuringia-Zeiten und frühen Riger (insbesondere was Growls und Keyboard angeht). Natürlich kommen sie nicht an die Qualität der beiden ran, aber gerade die ersten beiden Alben
Schlachtenkönig und
Kriegerseele versprühen für mich sehr viel des Charmes von deutschem Pagan Metal um die 2000er-Wende. Tolle Herbstmusik auch. Das dritte und letzte Album schlägt leider in ne ganz andere Kerbe, eher melodischer DM mit hohem Anteil an Klargesang - nicht mehr meins. Wie schon erwähnt ist das
Helritt-Album
Trotzend dem Niedergang für mich die perfekte Blaupause für deutschen Pagan Metal.
Wie ihr selbst sagt, im deutschen Folk / Pagan Metal gibts wenig wirklich Herausragendes (
Menhir,
XIV Dark Centuries,
Surturs Lohe,
Fimbulvet,
Odroerir,
Gernhotshagen), einiges Gutes und sehr viel Mittelmäßiges. Und stilistisch verliert es sich auch mit der Zeit in den unzähligen Viking Metal-Bands und Amon Amarth-Klonen, die aus meiner Sicht nicht wirklich etwas beisteuern konnten. Generell wollen mir Grows in Kombination mit Akustik-Elementen und Folk-Instrumenten meist nicht so wirklich schmecken. Eine Ausnahme machen hier
Elivagar, die mich ebenfalls stark an Menhir erinnern, hauptsächlich wegen des Klargesangs der dem von Heiko Gerull recht nahe kommt (zum Beispiel im Lied
Wan). Deren einziges Album
Heirs Of The Ancient Tales ist für mich auch noch so ein Kleinod, ein Geheimtipp sozusagen, wenn auch ungeschliffen und stilistisch stark gemixt.
Zu den Bands, die für mich weit oben mitspielen und die ich regelmäßig gerne hören, zählen:
- Adorned Brood: Die ersten Alben sind fürmich Klassiker des deutschen Pagan Metal, danach haben sie sich stilistisch etwas verloren. Wenige Bands schaffen es aus meiner Sicht so gut, Flöten mit harter Musik zu kombinieren. Unangefochten sind für mich hier Waylander, aber darum soll es hier nicht gehen.
- Goat Of Mendes: Während viele Bands in dem Bereich schnell schmalzig klingen, sind Goat Of Mendes einfach herrlich wild, rustikal und dadurch echt. Gleichzeitig schaffen sie es, durch Texte und gezielten Einsatz von Folk-Elementen trotzdem heidnischer zu klingen als die meisten anderen. Ganz besondere und eigenständige Band, die die Metal-Komponente über die gesamte Zeit hoch gehalten hat, mittlerweile auch schon über 25 Jahre.
- Riger: Joa, definitiv eine prägende Band, die es zu größerer Bekanntheit gebracht hat als die anderen. Woran das genau liegt, hab ich nie so wirklich verstanden. Erst Keyboard-geschwängert, dann ker konsequenter Fokus auf Gitarrenarbeit und Riffs (ab der Blutes Stimme, die ich gleichzeitig auch am stärksten finde. Aber Hymnen wie Othala oder Autodafé sind für mich trotz penentrantem Keyboard (oder deswegen) auch absolute Klassiker.
- Andras: Angefangen als schräge Melodic Black Metal-Band haben sie für mich seit der Of Old Wisdom (2005) die Kurve bekommen. Ihr Black Metal ist zwar stark symphonisch ausgerichtetet, bewegt sich aber stilistisch trotzdem im Fahrwasser der oben genannten Genre-Größen. Und ich hab das Gefühl, dass die Band noch einiges zu sagen hat - würde mich zumindest freuen.
- Bergthron: Großartige Band, die ersten Alben mögen aus heutiger Sicht fast schon kitschig klingen (Klang der Keyboards, Oooooh-Gesänge, manche Texte...), aber wenn ich Bock auf Nostalgie und ungeschönten, direkten Pagan Metal habe, dann sind Bergthron noch immer meine erste Wahl. Kann gar nicht zählen, wie oft ich als Jugendlicher im Bett lag und die Uralte Gedanken gehört habe... Und die Faust für Faust ist für mich die Perfektion ihrer Diskographie bis dahin, da stimmt alles. Interessanterweise haben sie mit dem Nachfolger Leben und Lebenswille aufgezeigt, in welche Richtung es gehen können hätte, wenn man, wie beispislweise Enslaved oder Kampar, den eigenen Feuer neu interpretiert. Fand ich großartig und finde heute noch Faszinierendes. Vor dem Hintergrund sei ihnen auch das letzte Album Expedition Autarktis verziehen, das ist für mich eine andere Band.
- Vike Tare: Ich muss zugeben, dass ich die Band lange nicht auf dem Schirm hatte. The Tide Of Revelation (2005) ist ein astreines Album friesischen Heidentums. Aufmerksam bin ich aber erst mit dem zweiten Album Feed The Flames auf sie geworden. Keine Band nimmt das Thema der Seefahrt so gut auf. Würd mich freuen, wenn hier weiterhin was zu erwarten wäre, vielleicht nicht wieder in Intervallen von 10 Jahren.
- Die Saat: Hier geht es mir ähnlich wie Falkenbach - für Pagan Metal fast schon zu melodisch, aber trotzdem nahe dran und auch irgendwie so ein Geheimtipp, der im Grunde komplett übersehen wurde, so zumindest mein Eindruck. Stilistisch wurde die Band ja mit Fjoergyn weiterentwickelt, da sind wir dann wirklich auf einem anderen Gebiet (ich liebe das Debut, die letzten geben mir nicht mehr viel).
- Helfahrt: Konkurrieren hinsichtlich ihres Namens leider mit größeren Bands des Genres und wurden deshalb von mir auch lange Zeit zu Unrecht als Klon belächelt. Die beiden Alben Drifa und Wiedergang (finde kein Video, aber "Nu Distel, nu Dorn" ist großartig) sind aber exzellente schwarz angehauchte Pagan Metal-Alben. Der Fakt, dass die Homepage noch existiert und auf MetalArchives der Status "on hold" eingetragen ist, lässt mich auf ein Comeback hoffen.
Stilistisch irgendwo verwandt, aber vom Gefühl her dem Pagan Metal zugehörig:
- Hel: Falland Vörandi bleibt für mich ein absoluter Genre-Klassiker und auch die Orloeg ist unglaublich intensiv. Stilistisch mit Klavier und anderen Instrumenten natürlich schon diffuser, aber allein das Logo und die Themen sprechen eine klare Sprache. Der Einsatz von Keyboards ist für mich hier nahezu vollendet. Während er mir bei frühen Riger beispielsweise öfter unangemessen vorkam, passt hier das Zusammenspiel mit Gitarren perfekt.
- Saxorior: Auch irgendwie eine Band der ersten Stunde. Alte Haudegen, die sich der Lokalgeschichte und kriegerischen Themen verschrieben haben. Stilistisch eher durch dicke Keyboards getragen, aber zweifelsfrei hier zu nennen. Anspieltipp.
- Trimonium: Der Band Trauere ich heute noch nach, hier hätte ich mir noch viel gute Musik versprochen. Kein Fell, kein Met, sondern Kutte und Bier. Aber trotzdem unglaublich griffiges Songwriting und von den Texten ebenfalls immer nahe an der Thematik.
- Festung Nebelburg: Ein-Mann-Band aus dem Bayerischen Wald. Eigenwillig, authentisch und handwerklich einwandfrei. Gibt einem Hoffnung, dass es immer wieder kreative Köpfe gibt, die dem Genre ihren eigenen Stempel aufdrücken. Anspieltipp.
- Ferndal: Verbinden auf geschickte Weise traditionelle Pagan-Elemente mit modernem Metal und auch klassischer Musik. Traue ihnen zu, im Genre noch länger mitzureden. Anspieltipp.
- Crom: Bin seit der Fallen Beauty-EP (2003) großer Anhänger und würde sie gerade wegen der ersten beiden Outputs hier anführen. Stellenweise bewegte man sich hier recht nahe an Bathorys Viking-Ära. Ähnlich wie Goat Of Mendes haben sie ihren Stil gefunden, ziehen die heidnische Thematik konsequent durch, auch wenn man mittlerweile eher im Power Metal angekommen ist.
- Arathorn: Zwei sehr eigenwillige, aber durchaus prägende Alben für mich. Eine Lobeshymne auf das Debut ist hier zu lesen.
- Hagal: Die Demo und das Debut Sterbender Traum gehören mit zum besten, was naturverbundener deutscher Black Metal zu bieten hat. Durch den stellenweisen Klargesang, die Gitarrenarbeit (insbesondere auf der Demo Karg) und die Texte sehe ich viele Überlappungen zu den ganz großen Bands. Leider gibts hier wohl auch keinen Nachschub mehr.
- Carthaun: Kennt die jemand? Lyrisch eher untergeordnet naturverbunden, zentrale Themen sind Krieg, musikalisch in die Richtung Trimonium, aber mit starker eigener Note, wegen der ich das Ganze im Pagan-Umfeld einsortieren würde. Anspieltipp.
- Aaskereia: Ähnlich wie bei Hagal ist es hier die Mischung aus Klargesang, Akustikgitarren und Naturthemen, die für mich den Unterschied zu einer reinen Black Metal-Band ausmachen. Eine aktive Band, die hier vom Spirit und auch Klang recht nahe rankommt und doch ihren eingenen Stil hat, sind Nornir. Auch hier erwarte ich noch viele tolle Alben in Zukunft.
Unter "in Teilen gut, aber nicht durchweg überzeugend" fallen bei mir:
- Minas Morgul: Das Debut war erstklassig und lupenreiner Pagan Metal. Danach wurde es etwas wild und zunehmend für mich belanglos.
- Thy Wicked: Die Treu dem alten Weg war klasse ("Frankonia...") , die anderen überzeugen mich nicht so sehr.
- Delirium: Im Grunde eine Mischung aus der Glaubwürdigkeit von Goat Of Mendes mit dem Schneid von Trimonium und dem heimatverbundenen Franken-Stolz von Thy Wicked. Die Urkraft mag ich wirklich, da geht vielleicht noch mehr.
- Tarabas: Haben dem Genre einen etwas modereren Anstrich verpasst und klingen trotzdem traditionell. Das Neue Land (Teil 1) ist eine starke Hymne und immer für einen Ohwurm gut, der Rest fällt dazu in meinen Ohren leider ab.
- Thrudvangar: Hier sind wir schon im Viking Metal angelangt, anfänglich einer der guten, für mich zunehmend uninteressant.
- Suidakra: Gehörten mit ihren Frühwerken ja auch zum wichtigsten Inventar von Last Episode und nahmen dort neben Eisregen, Dunkelgrafen, Mystic Circle und anderen immer die Rolle der Folk-orientierten Band ein. Alben wie Lays From Afar oder The Arcanum sind der Gitarrenarbeit von Menhir oder XIV Dark Centuries gar nicht so fremd, aber die Zeit hat gezeigt, dass die Death/Power Elemente zunehmend zentraler wurden. Geben mir heute nicht mehr viel. Die letzte, die ich wirklich mochte, war die Eternal Deffiance.
- Nastrandir: Mit dem Debut Zwischen Horizonten gehörten Sie noch zu den vergleichsweise besseren Viking Metal-Bands, deren Spur ich sicherlich verloren hätte, wenn mit dem Nachfolger Prayer To Earth nicht einiges an Substanz dazugekommen wäre. Sie klingen dort viel erwachsener, erinnern teilweise sogar an Bathory. Da das aber auch schon wieder über 10 Jahre her ist, bleibt offen, ob überhaupt noch etwas kommt und in welche Richtung das ginge.
So, das war jetzt ein wenig drauflosgeschrieben. Ob die Sortierung und Nennung jetzt für euch nachvollziehbar ist, wird sich zeigen, aber vielleicht bietet sich ja an der ein oder anderen Stelle die Chance auf weitere Diskussionen. Mir hat das Stöbern wieder gezeigt, dass das Genre so vielseitig ist und natürlich an einigen Stellen mit anderen überlappt. Wenn man dann aber gezielt in die Tiefe schaut, kommen doch einige Schätze zutage, sodass es sich hin und wieder lohnt, genauer hinzuschauen.
Das ließe sich jetzt beliebig regional wiederholen, es gibt genausoviel zu entdecken im skandinavischen Bereich, dann die ganzen keltisch-orientierten Bands zwischen Irland und Frankreich) aber auch in Südeuropa gibt es interessante Bands, die den Spirit gut aufgefangen haben, Osteuropa sowieso. Selbst in Asien, Nordamerika, Südamerika (wobei ich hier keine tiefen Einblicke habe). Alles ein eigener Kosmos - vielleicht eine Grundlage für Austausch und neue Erkundungen.