KoblenzCalling
Dawn Of The Deaf
ich zitiere mal einen Bekannten. Diesen Eintrag machte er auf seiner Facebook seite 10 Jahre nachdem ein örtlicher Liveclub schloss:
"Heute vor zehn Jahren mussten wir die Türen der Tenne in Höhr-Grenzhausen zum letzten Male und endgültig schließen.
Die Tenne war zum einen eine selbstverwaltete „Musikkneipe“ - Thekenbetrieb wie Veranstaltungsorga liefen auf ehrenamtlicher Basis.
Darüber hinaus aber war die Tenne vor allem eines: Ein Rückzugsort, an dem sich junge Erwachsene - wie ich damals einer war - frei entfalten konnten, fernab von wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Zwängen.
Es war egal wer man war und wo man her kam, in der Tenne fanden über Jahrzehnte Leute völlig unterschiedlicher Altersklassen und ökonomischer Backgrounds zusammen, um an einem Strang zu ziehen.
Um einen gemeinsamen Ort aufrecht zu erhalten - und um in der Vorstadthölle ein kulturelles Gegenprogramm zu bieten, das hinaus ging über Kirmes, Karneval und Schützenfeste.
Die Tenne war überregional bekannt, kulturelles Faustpfand der ortsansässigen Fachhochschule und setzte damit eben auch ein verschlafenes bürgerliches Kaff auf die (teils internationale) Landkarte, welches für junge Menschen generell wenig zu bieten hat, schon gar nicht aber wenn es um alternative Strukturen geht.
Die Geschichte von vor zehn Jahren ähnelt dann derer vieler selbstverwalteter Rückzugsräume im späten Kapitalismus: Der benachbarte Banker kaufte kurzerhand den gesamten Gebäudekomplex, nur um die ungeliebten Punker vor die Tür zu setzen, wenige Monate später der Stadt aber selbst den Rücken zu kehren. Ein Akt der Macht. Solidaritätsbekundungen gab es privat wie politisch von allen Seiten, wirklich in den Weg gestellt hat sich dem schnöden Mammon aber niemand. Demonstrationen und Unterschriftensammlungen verpufften. Für einen neuen Laden fehlten finanzielle Ressourcen wie auch passende Örtlichkeiten - dasselbe wäre es eh nie geworden. Und nach kurzer Empörung war schnell vergessen.
Am Ende hat eine reiche Familie aufgrund persönlicher Eitelkeiten nicht nur damals vielen Menschen einen Rückzugsort genommen, sondern auch vielen aus den bis heute folgenden Generationen die Möglichkeit, mit alternativen Strukturen in Kontakt zu kommen, Musiker*innen vor der Haustür zu erleben, die beispielsweise in Südamerika ganze Stadien füllen sowie in einer Vereinsstruktur selbst erste Schritte im kulturellen Bereich machen zu können.
Für mich persönlich spielt die Tenne in meiner Sozialisation retrospektiv dazu eine gewaltige Rolle. Ich bin vor allem dort erwachsen geworden, habe geliebt und mich gestritten, gelacht und geweint, erlebt welche Kraft das Kollektiv haben, aber auch wie fragil es sein kann. Ich habe einige der besten Nächte meines Lebens dort verbracht und Freundschaften geknüpft, die mich bis heute begleiten. Nicht zuletzt habe ich aber vor allem früh lernen können, dass es keine hierarchischen Strukturen braucht, wenn sich Menschen mit Sinn und Verstand zusammentun, Herzblut bündeln und sich nicht von außen reinreden lassen. Landesweit werden immer mehr solcher Orte aufgrund von Kapitalinteressen oder politischer Erbärmlichkeit verdrängt. Und hier liegt mein Appell: Lasst das nicht zu. Auch wenn ihr selbst keine Berührungspunkte habt, seid euch bewusst dass diese Orte für viele Menschen die einzigen Rückzugsorte, Treffpunkte und Möglichkeiten der Partizipation sind.
Heute ist die Tenne seit zehn Jahren geschlossen, sie wird aber für immer ein Teil von mir und vielen anderen bleiben. Auch wenn viele Kontakte über die Jahre eingerostet sind: Ohne diesen Ort wäre ich definitiv nicht der Mensch, der ich heute bin und dafür bin ich auch allen Beteiligten unglaublich dankbar. Die Tenne war viel mehr als ihre baufälligen Wände, heruntergekommenen Sofas, die rekordverdächtige Theke, die vielen Kratzer, Brandlöcher und Flecken, hinter denen sich teils großartige Geschichten verbargen. Sie war ein eigener, aufregender, kultureller und menschlicher Mikrokosmos mitten in der schnöden Banalität der Vorstadtgärten, Eigenheime und zur Schau gestellten Spießigkeit. Für mich war sie aber vor allem auch in den schwierigen Phasen der Adoleszenz nicht weniger als ein zweites zuhause."
"Heute vor zehn Jahren mussten wir die Türen der Tenne in Höhr-Grenzhausen zum letzten Male und endgültig schließen.
Die Tenne war zum einen eine selbstverwaltete „Musikkneipe“ - Thekenbetrieb wie Veranstaltungsorga liefen auf ehrenamtlicher Basis.
Darüber hinaus aber war die Tenne vor allem eines: Ein Rückzugsort, an dem sich junge Erwachsene - wie ich damals einer war - frei entfalten konnten, fernab von wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Zwängen.
Es war egal wer man war und wo man her kam, in der Tenne fanden über Jahrzehnte Leute völlig unterschiedlicher Altersklassen und ökonomischer Backgrounds zusammen, um an einem Strang zu ziehen.
Um einen gemeinsamen Ort aufrecht zu erhalten - und um in der Vorstadthölle ein kulturelles Gegenprogramm zu bieten, das hinaus ging über Kirmes, Karneval und Schützenfeste.
Die Tenne war überregional bekannt, kulturelles Faustpfand der ortsansässigen Fachhochschule und setzte damit eben auch ein verschlafenes bürgerliches Kaff auf die (teils internationale) Landkarte, welches für junge Menschen generell wenig zu bieten hat, schon gar nicht aber wenn es um alternative Strukturen geht.
Die Geschichte von vor zehn Jahren ähnelt dann derer vieler selbstverwalteter Rückzugsräume im späten Kapitalismus: Der benachbarte Banker kaufte kurzerhand den gesamten Gebäudekomplex, nur um die ungeliebten Punker vor die Tür zu setzen, wenige Monate später der Stadt aber selbst den Rücken zu kehren. Ein Akt der Macht. Solidaritätsbekundungen gab es privat wie politisch von allen Seiten, wirklich in den Weg gestellt hat sich dem schnöden Mammon aber niemand. Demonstrationen und Unterschriftensammlungen verpufften. Für einen neuen Laden fehlten finanzielle Ressourcen wie auch passende Örtlichkeiten - dasselbe wäre es eh nie geworden. Und nach kurzer Empörung war schnell vergessen.
Am Ende hat eine reiche Familie aufgrund persönlicher Eitelkeiten nicht nur damals vielen Menschen einen Rückzugsort genommen, sondern auch vielen aus den bis heute folgenden Generationen die Möglichkeit, mit alternativen Strukturen in Kontakt zu kommen, Musiker*innen vor der Haustür zu erleben, die beispielsweise in Südamerika ganze Stadien füllen sowie in einer Vereinsstruktur selbst erste Schritte im kulturellen Bereich machen zu können.
Für mich persönlich spielt die Tenne in meiner Sozialisation retrospektiv dazu eine gewaltige Rolle. Ich bin vor allem dort erwachsen geworden, habe geliebt und mich gestritten, gelacht und geweint, erlebt welche Kraft das Kollektiv haben, aber auch wie fragil es sein kann. Ich habe einige der besten Nächte meines Lebens dort verbracht und Freundschaften geknüpft, die mich bis heute begleiten. Nicht zuletzt habe ich aber vor allem früh lernen können, dass es keine hierarchischen Strukturen braucht, wenn sich Menschen mit Sinn und Verstand zusammentun, Herzblut bündeln und sich nicht von außen reinreden lassen. Landesweit werden immer mehr solcher Orte aufgrund von Kapitalinteressen oder politischer Erbärmlichkeit verdrängt. Und hier liegt mein Appell: Lasst das nicht zu. Auch wenn ihr selbst keine Berührungspunkte habt, seid euch bewusst dass diese Orte für viele Menschen die einzigen Rückzugsorte, Treffpunkte und Möglichkeiten der Partizipation sind.
Heute ist die Tenne seit zehn Jahren geschlossen, sie wird aber für immer ein Teil von mir und vielen anderen bleiben. Auch wenn viele Kontakte über die Jahre eingerostet sind: Ohne diesen Ort wäre ich definitiv nicht der Mensch, der ich heute bin und dafür bin ich auch allen Beteiligten unglaublich dankbar. Die Tenne war viel mehr als ihre baufälligen Wände, heruntergekommenen Sofas, die rekordverdächtige Theke, die vielen Kratzer, Brandlöcher und Flecken, hinter denen sich teils großartige Geschichten verbargen. Sie war ein eigener, aufregender, kultureller und menschlicher Mikrokosmos mitten in der schnöden Banalität der Vorstadtgärten, Eigenheime und zur Schau gestellten Spießigkeit. Für mich war sie aber vor allem auch in den schwierigen Phasen der Adoleszenz nicht weniger als ein zweites zuhause."