Hugin
Till Deaf Do Us Part
Guter Post und ich will sicher keine neue Diskussion starten, aber mich interessiert genauer, was du damit meinst (ich finde die Worte pauschal und kategorisch verschleiern hier ein wenig mehr als sie enthhüllen). Daher die einfache Frage (deren Antwort ich nicht beurteile und auf die ich auch nicht antworten werde; und, du bist ja Jurist - ich nicht; Gesinnungstaten sind ja rechtsphilosophisch tricky): Auf was basierend soll man denn Menschen sonst verurteilen, wenn nicht auf ihrer Gesinnung, die ja (auch hier) in Taten resuliert?
Gerne. Du darfst aber auch gerne antworten und hinterfragen. Mein Beruf befähigt mich nicht dazu, unfehlbare Antworten zu geben. Zwei Juristen - drei Meinungen, das weißt du doch... ;-)
Für mich ist eine Gesinnung etwas sehr diffuses, schwer Fassbares und zudem auch selten etwas, was einen Menschen insgesamt ausmacht. Wie schon viele hier geschrieben haben: Kann man aus Phils Äußerung wirklich sicher darauf schließen, dass er ein Rassist ist? Und selbst wenn man das könnte: Lässt eine rassistische Gesinnung zwingend darauf schließen, dass er insgesamt ein schlechter, abzulehnender, verdammenswerter Mensch ist? Mir ist das einfach zu wenig, um einen Menschen komplett abzulehnen, den ich nicht persönlich kenne. Klar, bei Phil spricht viel dafür, dass er nicht gerade der Obersympath schlechthin ist. Mir ist er auch nicht sympathisch, war er auch nie; bzw. einmal war er mir sympathisch, nämlich beim DOWN-Auftritt beim RHF; da fand ich ihn trotz aller offensichtlichen Benebeltheit echt lässig, aber ansonsten fällt er bei mir oberflächlich betrachtet nicht in die Kategorie der Sympathen.
Aber selbst Leute, die mir persönlich schon Böses getan haben, lehne ich in der Regel nicht komplett ab. Vielleicht mag ich mit manchen wegen ihres Verhaltens nichts mehr zu tun haben, aber das ist dann sehr subjektiv und persönlich und würde mich nicht dazu veranlassen, den Menschen zu verdammen.
Im Endeffekt ist für mich jeder Mensch mit positiven und mit negativen Eigenschaften ausgestattet, und selbst die Eigenschaften an sich sind oft nicht per se positiv oder negativ, sondern das kommt immer auch auf die Perspektive an. Nimm einen Abtreibungsgegner: Für den einen ein Held, weil er ungeborenes Leben schützt, für den anderen ein Verbrecher, weil er das Selbstbestimmungsrecht der Frau missachtet. Für mich ist die Gesinnung gegen Abtreibung zu sein, zunächst einmal wertneutral; es ist immer die Frage, was man daraus macht. Respektiert der Mensch im Einzelfall auch eine Entscheidung pro Abtreibung, versucht aber trotzdem für das ungeborene Leben zu werben, ist das für mich in Ordnung. Bedroht er Ärzte, greift er Kliniken an, drangsaliert er betroffene Frauen und diffamiert sie öffentlich als Mörderinnen, dann ist das für mich nicht in Ordnung. Das bedeutet aber auch nur, dass für mich diese Facette seiner Persönlichkeit nicht in Ordnung ist und dass ich es okay finde, wenn er hier bestraft wird, wenn er die Rechte anderer verletzt hat, weil er z.B. einem Frauenarzt die Hauswand mit "Mörder" beschmiert hat. Dafür ist er zu bestrafen, diese Tat lehne ich ab, dafür darf er kritisiert werden. Wenn aber der gleiche Mensch, am nächsten Tag für ein Waisenhaus spendet, wenn er eine Babyklappe sponsert, wenn er Geld sammelt, um Frauen in Krisenschwangerschaften finanziell zu unterstützen, dass sie eben nicht abtreiben müssen, dann offenbart er hier eine positive Facette seiner Persönlichkeit, die bizarrerweise der selben "Gesinnung" entspringt.
Wenn man Rassismus so eng definiert, wie Matty das getan hat, dann ist es natürlich sicherlich schwer, daran irgendwelche positiven Aspekte zu finden. Da gibt's nichts dran zu diskutieren. Trotzdem muss ein Rassist nicht ein per se schlechter Mensch sein. Viele Leute sind Rassisten, sind sich aber darüber im klaren, dass der Zug dieser Ideologie zu recht abgefahren ist, und sie lassen diese Einstellung nur ihr persönliches Leben leiten, indem sie z.B. nicht beim Asiaten essen, keinen Kontakt zu Türken suchen und keine "N****musik" hören. Das ist eine dumme Einstellung, klar. Würde ich nie im Leben bestreiten! Sind die Leute deshalb schlechte Menschen? Nein. Für mich nicht. Für mich sind sie Menschen, die in einem Punkt ein dumme Einstellung haben. Ob sie schlechte Menschen sind, das ergibt sich nicht aus ihrer Gesinnung, sondern aus dem, wie sie damit umgehen und was sie insgesamt daraus machen. Davon gehe ich auch nicht ab. Eine dumme Gesinnung allein macht den Menschen nicht zum verdammenswerten Ungeheuer. Auch eine verdammenswerte Tat an sich macht den Menschen nicht zum Teufel. Alles hat Licht und Schatten, und welche Facette einer Person im subjektiven Eindruck von ihr überwiegt, kann letztlich nur jeder mit sich selbst ausmachen.
Ich für meinen Teil habe da seit jeher die Strategie, dass ich Menschen für das schätze und lobe, was sie gut machen, und für das kritisiere, was ich schlecht, dumm oder schlimm finde. Phil Anselmo hat sich mit seinem Auftritt zu Recht völlig blamiert, er kriegt zu Recht von allerlei Seiten die Leviten gelesen. Vielleicht lernt er daraus, vielleicht lernt er nicht daraus. Vielleicht lässt er sich von Freunden und Kollegen aus seinem Sumpf herausziehen, vielleicht gelingt das nicht. Ob er ein schlechter Mensch ist, hängt für mich aber nicht davon ab, sondern auch davon, wie er sich nun in der Folge verhält, wie er sich generell seinen Sozialkontakten gegenüber verhält usw... Menschen sind komplex und vielschichtig. Hier hat er eine dumme, ablehnungswürdige Tat begangen. Nicht mehr, nicht weniger. Wenn davon einer den Spaß an Pantera und Down verliert, dann respektiere ich das, auch wenn ich es nicht wirklich verstehen kann. Aber da steckt man nicht drin. Was ich indes nur schwer respektieren kann, das ist es, anderen einen moralischen Vorhalt daraus zu machen, wenn sie mit derlei Dingen anders umgehen.
Am Rande nochmal zur Klarstellung: Ich mochte Pantera nie. In den Neunzigern habe ich die Band regelrecht verabscheut. Aus rein musikalischen Gründen. Inzwischen habe ich die Alben ab "Power Metal" aus primär historischem Interesse, aber ich habe sicher keinen Grund, den Vogel aus der Fanboy-Perspektive zu verteidigen. Ein emotionaler Bezug besteht da in keiner Weise.