Musik und Authentizität

Levekühn

Deaf Leppard
Hey Ho,

Ich bin hier, obwohl schon eine ganze Weile angemeldet, ein recht unbeschriebenes Blatt im Forum, was zum Einen daran liegt, dass ich weiß Gott kein großer Experte bin und mir somit lieber als passiver Leser Tipps geholt habe, ich mich zum Anderen musikalisch immer weiter geöffnet habe und kaummehr ein aktives Mitglied der Szene bin.

Seit einiger Zeit denke ich aber über ein Thema nach und denke, dass ich hier vielleicht interessante Antworten und Anregungen bekommen kann. Ich hoffe also ein solcher Thread ist in Ordung , vielleicht ergibt sich ja eine spannende Diskussion.

Also:
Immer wieder liest oder hört man, wenn es um "Metal" geht, dass eine Band besonders "authentisch" sei. Diese Authentizität wird dann als Qualitätsmerkmal genommen oder mangelnde Authentizität wird als Kritikpunkt genommen. Ich habe ehrlich gesagt nie so richtig verstanden, was das bedeuten soll. Wenn wir "authetisch" als "echt" verstehen, was bedeutet dass dann fü die Musik? Dass die Instrumente selber gespielt werden? Dann wären ja die allermeisten Bands "Authentisch" und ich denke es würde doch den mesiten hier schwerfallen Sabaton als authentisch zu bezeichnen.

Ich muss sogar sagen ich empfinde, vor allem die extremeren/harten/okkulten Genres als NICHT authentisch, nicht als "wahr". Das wird doch sohar durch Strategien wie Künstlernamen/Kostüme/Corpsepaint unterstützt. Heißt: Der Musiker der einen Song einsingt oder auf der Bühne steht oder ein Interview gibt ist nicht unbedingt "echt", sondern eine Kunstfigur. Das empfinde ich auch überhaupt nicht als schlimm, im Gegenteil.
Wenn ich einen Auftritt als "gespielt" aufnehme, also bewusste Aufführung, wie im Theater, kann ich die Musik besser genießen. Dann kann ich aiuch satanische Rituale, geschminkte Gesichter, blutrünstige Texte etc annehmen. Wennd as alles aber ernst gemeint ist, dann habe ich damit meine Probleme. Nicht weil ich finde, dass sich sowas nicht gehört oder dass das unmoralisch ist und man das Christntum nicht verhöhnen soll, sondern weil ich einfach so lächerlich finde, dass ich die Band (und die Musik) nicht ernstnehmen kann.
So finde ich die Musik von Watain super , aber dennoch tue ich mich schwer mit der Band, eben weil ich den EIndruck habe, dass das alles ernst gemeint ist und das wirkt auf mich nicht bedrohlich, sondern eben lächerlich. Noch extremer war es im Fall von The Devils Blood, deren Musik ich super finde, die aber Aufgrund des Antikosmischen Drumherum nie so ganz ernst nehmen konnte.

Wenn eine BAnd dagegen so etwas vorspielt, also in eine Rolle schlüpft und unauthentisch ist, dann kann ich das annehmen, so wie mir ein Horrorfilm Spaß macht...

So mal sehen ob das hier jemand liest und wie andere die Sache sehen. Findet ihr eine Band glaubhafter, wenn sie das was sie tut ernst meint? Oder trennt ihr das sowieso und was dieMusiker tatsächlich tun und denken ist egal? Aber ist diese Band dann noch authetisch?

Grüße,

Levekühn
 
Schwieriger Begriff. Ständig genutzt, aber eigentlich gar nicht brauchbar. Ich glaube, wer Wert auf Authentizität legt, muss sich bei seinem Urteil rein auf seine Gefühle verlassen.

Ein häufig geäußerter Vorwurf in dem Kontext ist, dass Authentizität ein Relikt aus der Zeit großer Rockdinosaurier ist, in der man zeigen wolle, was man alles kann. Dann kam irgendwann Punk mit dem Gegenentwurf. Heute kann sowieso jeder alles am Computer machen. Keine Ahnung, was man damit noch soll. Mir ist wichtig, ob ein Kunstprodukt überzeugt. Wenn mir der Künstler dahinter auch noch sympathisch ist: super. Aber ich erwarte von niemandem, dass er hinter der Bühne so rumläuft wie darauf. Wenn jemand antikosmischen Stuss redet und dabei der Eindruck entsteht, er würde sich damit zu ernst nehmen, muss ich auch eher lachen als dass ich mich einscheiße. Das Interview werte ich dann als misslungenen Teil der Performance, kann naürlich aber auch die Musik verhageln.

Langer Rede kurzer Sinn: Den Begriff der Authentizität im Kunstuniversum halte ich für unangemessen.
 
Ich hab kein Problem damit, dass das rein subjektiv ist und halte das auch nicht für unangemessen. Wenn sich etwas für mich authentisch anfühlt, ist das meist gut. Wenn nicht, ist das meist schlecht. Auf der Ebene finde ich das sinnvoll, auch wenn es kein hartes Kriterium ist. Aber das gibt es ja bei Musik eh so gut wie nie.
 
Da im Eingangspost mal wieder auf Sabaton verweisen wurde: In diesem Sinne ist "Authentizität" wohl vor allem in der Motivation zu suchen, mit der die Musik gespielt wird, und weniger im öffentlichen Auftreten (auf der Bühne oder in Interviews). Es geht offenbar darum, ob die Musik an sich im Vordergrund steht oder aber der Erfolg bzw. die Breitenwirkung und wieviele Kompromisse die fragliche Band dafür einzugehen bereit ist. Kapuzen- und Maskenkapellen, die nur für "die Szene" musizieren, können demnach trotz überkandidelten Auftretens und allerlei hochgestochenem Unsinn in Äußerungen sehr viel "authentischer" sein als Mainstream-Musiker.

Im Großen und Ganzen ist "Authentizität" aber offenbar auch ein Begriff, der bereits in Kultur- und Medienwissenschaften diskutiert wird. Exemplarisch bin ich da mal auf einen Beitrag eines gewissen Alexander Forstner mit dem Titel "(Quasi-) Postmoderne Authentizität. Imagekonstruktionen im Genre „Rock“ am Beispiel der Band Pearl Jam." gestoßen. Unter Bezug auf Lee Marshall ("Bootlegging, Romanticism and Copyright in the Music Industry") wurden da folgende Aspekte als Merkmale von "Authentizität" genannt:

1. Die Wichtigkeit der Live-Performance
2. Antipathie gegen die kommerziellen Aspekte der Musikindustrie
3. Aufwertung der irrationalen Aspekte der Musik
4. Argwohn gegenüber Technologie
5. Bezüge zu den Wurzeln der Rockmusik
6. Kontakt zu einer Szene/Community
7. Sich selbst treu bleiben

Im gleichen Aufwasch wird allerdings auch noch erwähnt, dass sich Authentizität ebenso auch konstruieren lässt bzw. es sogar eine Strategie darstellen kann, ausgerechnet dieses Aspekte allesamt zu bedienen. Ob Jarvis Leatherby & Co. sowas schon mal gelesen haben? ;)
 
Vielen Dank! Die verlinkten Artikel werde ich sobald wie möglich lesen. Der Verweis auf Sabaton ist natürlich ein extrem Beispiel gewesen, ich bin mir der Diskussion, die hier stattgefunden hat bewusst und wollte niemanden provozieren.
 
Mir ist wichtig, ob ein Kunstprodukt überzeugt.

Das. Authenzität lässt sich formidabel darunter subsumieren. Ist aber nur ein Kriterium. Auch würde ich Authenzität nicht explizit oder exklusiv als die oben genannten sieben Punkte verstehen wollen (ist Punkt 3 bspw. übertrieben, wende ich mich ab). Eher als ein einigermaßen in sich stimmiges Gesamtauftreten, das mich ggfls. auch auf einer Werteebene anspricht. Bolt Thrower. Das funzt dann allerdings auch bei Hallenfüllern wie Clutch ebensogut wie bei Live-Verweigerern wie DSO oder Katharsis.
 
Authentizität hat für mich absolut gar nichts mit kommerziellen Erfolg, eigentlich auch noch nicht mal mit der Qualität der Musik zu tun. Für mich hat Authentizität vor allem damit zu tun, wie wichtig einer Band ihre „Botschaft“ ist. Wenn es da nur um so Dinge wie Spaß oder Unterhaltung geht, kann die Musik noch so gut sein, aber authentisch ist sie nicht, weil in meinen Augen ein Künstler immer auch etwas auszudrücken haben sollte (ist jetzt natürlich stark aus der BM-Perspektive argumentiert, wo alle für MICH relevanten Fragen verhandelt werden). Aber selbst wenn es um ernste Dinge geht, heißt das noch lange nicht, dass es auch authentisch ist, weil man dafür oft genug nicht nah genug am Künstler dran ist. Von wohlfeilen Interviews oder hochgestochenen Texten kann man sich auch allzu leicht täuschen lassen. Ergo kann Authentizität in den allermeisten Fällen nur subjektiv wahrgenommen werden, womit es dann auch nicht allgemeingültig definiert werden kann.
 
Schwierig zu sagen. Zuerst wollte ich euch beipflichten, aber ehrlich gesagt find' ich z.B. einen Typen wie Axel Rudi Pell, der schon seit Jahren denselben Hardrock nach Schema F abliefert und dessen Texte keinerlei Substanz aufweisen trotzdem sehr authentisch, vielleicht auch gerade deshalb weil er einfach seit Ewigkeiten sein Ding durchzieht.
 
Authentizität ist in dem Zusammenhang zunächst mal eine höchst subjektive und emotional gesteuerte Wahrnehmung. Wer wahrgenommene Authentizität objektivieren will, muss scheitern oder sich die Objektivität einreden.

Ich würde bei meiner Wahrnehmung von Menschen und Musik in puncto "Authentizität" gar nicht unterscheiden. Ich empfinde Menschen als authentisch, die auf mich "ungekünzelt", "bei sich", "geerdet", "absichtsfrei", "unverschleiert" "direkt", "kongruent", "emotionsnah", "selbstrepräsentierend" und nicht "verkappt" wirken. Dabei ensteht einfach ein tendentielles Gefühl in mir, welches ich nicht objektivieren könnte, aber auch gar nicht wollte. Selbiges würde ich auch für Musik so formulieren.
 
Hmmm, schwieriger Begriff... Abgesehen von einer unter Umständen von außen zu beobachtenden monomanischen Hingabe eines Musikers an das eigene Tun inklusive eines damit einhergehenden Aufreibens und nicht zuletzt eines Opferns sozialer, monetärer oder sonstiger Privilegien, würde ich jetzt mal aus dem Bauch heraus Authentizität im Bereich Rock und besonders Metal als ein Werturteil definieren, das der Rezipient dem Urheber immer dann zuschreibt, wenn dessen vermeintlicher Impetus beim Erschaffen seiner Musik sich mit dem persönlichen Empfinden beim Anhören und Erleben zu decken scheint.
 
Mit dem persönlichen Empfinden tue ich mich ehrlich gesagt etwas schwer. Denn wenn jeder für sich selbst definieren kann, wann und ob eine BAnd/ein Musiker authentisch ist, dann ist der Begriff ja obsolet. Und grade im Metal finde ich ihn eben problematisch, da es hier ja nur selten oder jedenfalls seltener als in anderen Genres um persönliche Erfahrungen geht, die man dan als wahr und echt oder eben als erfunden und unwahr festmachen könnte.
Im Hip Hop etwa finde ich den Begriff nachvollziehbarer, da er hier wahrscheinlich mit "street credebillity" gleichgesetzt werden kann. Ein weißer prviligierter Junge, der in einer Kleinstadt auf em Land aufgewachsen ist, aber über das harteLeben im Ghetto erzählt ist unauthentsich. Aber auch hier: Ist das problematisch? Für mich sind Künstler auch Kunstfiguren und die müssen nichts mit der "echten person" zu tun haben.
Auch komerzieller Erfolg kann kein Kriterium sein, da dieser ja von gesellschafftlichen Faktoren abhängt und somit wandelbar ist. Somit müsste die gleiche Musik ja mal als authentisch (bei mangelndem mommerziellen erfolg) und dann als nicht authentisch gesehen werden (wenn dannErfolg einsetzt)
Aufopferungsvolle Hingabe scheint mir brauchbar zu sein und ist tatsächlich auch eines Kriterien, die für mich Musik "gut"macht, wenn man diese spürt (oder glaubt zu spüren, denn wer weiß...) Aber da würde ich eher den Begriff "Leidenschafft" verwernden.
 
Denn wenn jeder für sich selbst definieren kann, wann und ob eine BAnd/ein Musiker authentisch ist, dann ist der Begriff ja obsolet.

Was mit meinem Empfinden, meiner Wahrnehmung, meinen Emotionen zu tun hat, ist keineswegs obsolet. Ich finde dahingehend auch den Begriff sehr relevant. Außerdem gibt es zur individuellen Wahrnehmung in dem Fall eh keinen alternativen Maßstab .
 
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