Sentinels Classic Reviews - Neuauflage

@Sentinel
(Ist der Name eigentlich eine Priest-Reminiszenz?)

Ja. Judas Priest sind eine meiner Lieblingsbands und haben im traditionellen Metal-Bereich sogar den Platz an der Sonne inne. Eines der schönsten Konzerterlebnisse meines Lebens war, als Glenn Tipton 2022 in Frankfurt überraschend während der Zugabe auf der Bühne erschien - ich konnte für den Rest des Konzerts ganz und gar nicht mehr auf Rob Halford oder den Rest der Band achten, was Glenn auch auffiel - zumindest war das mein Eindruck, denn wir hatten viel Blickkontakt. Am Ende des Konzerts kam er direkt zu mir, grinste mich an und gab mir ein Plektrum - ich bin aus der Jahrhunderthalle herausgeschwebt, denn Glenn ist für mich einer der Allergrößten - ich hatte einen totalen Euphorie-Overkill. :verehr:

Freue mich auf weitere Rezi's von dir, bin für (für mich zumindest) Neuentdeckungen immer offen und harre deiner weiteren Ergüsse!
:top: :jubel:

Danke! Ich hoffe sehr, dass dir „October Rust“ gefallen wird. :)
 
Durch den Thread ist mir gerade mal bewusst geworden, dass ich meine zweitliebste TON schon Jahre nicht mehr gehört habe. Bei Erscheinen lief die Platte bei mir rauf und runter, vor allem bei nächtlichen Autofahrten auf dem Rückweg von Clubs oder Parties. Eine Platte, die zu meiner damaligen, sehr düsteren Stimmungslage passte wie der Arsch auf den Eimer.
 
@gnomos
Hey - cool, dich hier zu lesen. Als wir zuletzt im Forum aufeinander getroffen sind, habe ich deutlich drüber reagiert; wahrscheinlich hatte ich meine Tage. :hmmja: Deinen neuen Avatar finde ich super!
 
@gnomos
Hey - cool, dich hier zu lesen. Als wir zuletzt im Forum aufeinander getroffen sind, habe ich deutlich drüber reagiert; wahrscheinlich hatte ich meine Tage. :hmmja: Deinen neuen Avatar finde ich super!
Freut mich auch. :) Und bei mir kann man auch schon mal etwas überreagieren, bin ja schließlich nicht gerade der einfachste Mensch. Zumindest ist es schwer, mich hier genau einzuschätzen, dafür muss man mich im „real life“ kennen! :D
 
Type O’Negative - October Rust
VÖ: 20.08.1996

Keinen Deut abgewichen von ihrem bisherigen Erfolgsrezept sind Type O‘Negative auf ihrem neuen Album, womit ich auch meinen Kritikpunkt an dieser Platte schon genannt hätte. Und, ganz ehrlich: zu Beginn war ich derartig von dieser Platte enttäuscht wie bisher von selten einem Album, habe gar über „October Rust“ geschimpft wie ein Rohrspatz. Soviel dazu.

Mittlerweile finde ich „October Rust“ nun doch noch klasse, zwar nicht so giganto-fantasmo-genial wie den herzerwärmenden Vorgänger „Bloddy Kisses“, aber auch nicht brutal viel schlechter, wie könnte ich auch, denn auch Songs wie „In Praise Of Bacchus“, „Love You To Death“ und ganz besonders das wahrhaft orgiastische „Red Water“ vermögen es, dein Herz zerschmelzen zu lassen. Das eine oder andere Experiment hätte Type O‘ aber dennoch sicherlich nicht geschadet.

Aber Schwamm drüber, auf ihre Art sind TON trotzdem unschlagbar und jede ihrer Platten ist ein musikalisches Fest für die Ohren. Trotz meiner kleinen Kritik also eine richtig tolle CD!

(27.10.1996)

Anmerkungen: Hier also - wie auf der vergangenen Seite bereits angekündigt - mein Originalreview. Ich habe es trotz seiner Wortwiederholungen („aber auch nicht brutal viel schlechter, wie könnte ich auch, denn auch Songs wie…“) und seiner wie ein Mischmasch aus den Stilen von Frank Albrecht und Andrea Nieradzik anmutenden Note nicht geändert - irgendwie ist es ja drollig, giganto-fantasmo-rohrspatzig halt. Aber abgesehen von diesem hier mag ich fast alle meine Reviews aus dem Jahr 1996 recht gerne, „October Rust“ ist eben der Ausreißer. :)

Zurück zum aktuellen Review: https://forum.deaf-forever.de/index...classic-reviews-neuauflage.15502/post-3184325
 
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Carcass - Symphonies Of Sickness
VÖ: 04.11.1989

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1 Reek Of Putrefaction 4:01
2 Exhume To Consume 3:50
3 Excoriating Abdominal Emanation 4:30
4 Ruptured In Purulence 4:11
5 Empathological Necroticism 5:47
6 Embryonic Necropsy And Devourment 5:13
7 Swarming Vulgar Mass Of Infected Virulency 3:10
8 Cadaveric Incubator Of Endoparasites 3:22
9 Slash Dementia 3:21
10 Crepitating Bowel Erosion 5:28

Ich erinnere mich noch immer wohlig an dieses unfassbare Mysterium, den regelrecht sagenumwoben anmutenden Nimbus der Andersartigkeit, welchen die drei ersten Carcass-Alben auf mich zu ihrer Zeit ausübten, zurück. Die großartigen (und zensierten) Cover, die zum damaligen Zeitpunkt für mich noch vollkommen unverständlichen Lyrics, welche wie aus einer bizarren, anderen Dimension empfangen anmuteten; dann noch die Bandpícs - auf welchen zumindest für mein Empfinden die hübscheste, dazu auch noch sympathisch sowie absolut intelligent wirkende Death-Metal-/Grindcore-Band aller Zeiten zu sehen war, also der totale Gegensatz und Bruch zu allem oben Genannten. Und dieses Geraune: (fast) alle beriefen sich andauernd auf sie - weit über die Metal-Szene hinaus; selbst Björk war Fan. Doch Carcass waren so extrem, wie es überspitzter (damals) kaum vorstellbar war - und trotzdem waren sie viel mehr als nur „Krach“. „Symphonies Of Sickness“, ihr sagenhaftes Manifest, bis heute für 99,99 % der Menschheit gewiss komplett unhörbar, hebt mich nach wie vor in einen Zustand, welcher kaum konform mit einer irgendwie „normal“ gearteten Welt geht. Es ist ein Meisterstück.

Natürlich muss man es mit seinem Original-Cover haben (die zensierte Auflage ist vom künstlerischen Aspekt wie auch vom Herzen her nicht weniger als ein Verbrechen). Ich gehe vollständig konform mit allen Pro-Stimmen, welche ich im Laufe der Jahrzehnte dazu vernommen habe: es ist künstlerisch wertvoll und - aller darauf dargestellten Grauen zum Trotz - so ausgewogen und raffiniert gestaltet, dass ich es mir immer wieder gerne und dann auch ausgesprochen lange anschaue. Etliche Bands haben sich seither an dieser Vorlage versucht - niemand kam je an den künstlerischen Wert von Carcass heran.

Doch natürlich soll es hier nicht vorrangig um die Verpackung, sondern um deren Inhalt gehen: vollkommen offensichtlich ist „Symphonies Of Sickness“ einfach nur unfassbar roh, chaotisch und extrem. Für mich hat es nie seine Aura des allumfassenden Wahnsinns verloren. Noch heute, als Mittvierziger, kann ich es mit dem Erstaunen von vor über 30 Jahren hören, und im Gegensatz zu etlichen anderen Death-Metal-/Grindcore-Werken der damaligen Zeit landet es spätestens alle zwei bis drei Jahre erneut in der Anlage.

„Exhume To Consume“ ist unter den zehn hierauf vertretenen Songs ohne Vertun der ganz große Klassiker geworden, fast noch fabelhafter finde ich allerdings das unfassbare „Swarming Vulgar Mass Of Infected Virulency“. Anderes deutet bereits den Weg in die Zeit nach „Symphonies Of Sickness“ an: man höre etwa die ersten Sekunden von „Slash Dementia“, welche später auf „Heartwork“ gewissermaßen recycelt wurden - oder „Empathological Necroticism“ (alleine schon der Titel, welcher den des folgenden Albums „Necroticism - Descanting The Insalubrious“ vorwegnimmt… aber insbesondere natürlich der musikalisch gebremste, eingängige Aspekt). Der Großteil besteht aber natürlich aus tollwütigem und rasendem Geschepper - doch wer hat dies je so gekonnt umgesetzt wie Carcass auf diesem Album? „Symphonies Of Sickness“ ist ein absoluter Albtraum, jedoch träumt man diesen bereitwillig, fassungslos und ergeben mit.

Zur besonderen Kunstfertigkeit von Carcass zählt dabei, dass sie ihre unfassbaren akustischen und lyrischen Perversionen und Abartigkeiten mit gut versteckem Humor flankieren. Die A- und die B-Seite sowie jedes vorhandene Solo erhielten einen gänzlich augenzwinkernden Titel; selbst die Lyrics sind (wenn auch eher selten) durch offensichtlich schelmische Worte ergänzt - beispielhaft sei hier aus „Exhume To Consume“ zitiert: „Bereaved relatives are not amused / As on their dear departed I feverishly consume“. Dieser Spaß wird in kleinen, geschickten Dosen gerade so platziert, dass es den gesteckten Rahmen kaum weniger abartig werden lässt - es gibt hier keinen Text, welcher nicht das nackte Grauen evoziert! - jedoch für den Hinschauenden klar erkennbar gemacht wird: „Symphonies Of Sickness“ ist eine hochkünstlerische Auseinandersetzung, ein Abarbeiten der widerlichsten Dinge, welche man sich nur vorzustellen vermag - aber einen an der Klatsche haben die Bandmitglieder deswegen noch lange nicht!

Bis heute sind Carcass mir lieb und teuer - ohne sie wäre ich womöglich auch niemals hier gelandet: wo ich ab 2000/2001 kaum noch das aktuelle Metal-Geschehen verfolgt und keine Zeitschriften mehr gelesen hatte, wurde ich 2013 aus keinem anderen Grund als jenem ihres Comebacks zurückkatapultiert. Ausschließlich deshalb, um die Reaktionen und Reviews zu „Surgical Steel“ (vor allem von Robert Müller) zu lesen, kaufte ich mir plötzlich wieder Metal-Magazine. Und ich merke gerade, zehn Jahre sind das seither - zehn Jahre und Unmengen von Metal.

(19.11.2023)
 
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Carcass - Symphonies Of Sickness
VÖ: 04.11.1989

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Ich erinnere mich noch immer wohlig an dieses unfassbare Mysterium, den regelrecht sagenumwoben anmutenden Nimbus der Andersartigkeit, welchen die drei ersten Carcass-Alben auf mich zu ihrer Zeit ausübten, zurück. Die großartigen (und zensierten) Cover, die zum damaligen Zeitpunkt für mich noch vollkommen unverständlichen Lyrics, welche wie aus einer bizarren, anderen Dimension empfangen anmuteten; dann noch die Bandpícs - auf welchen zumindest für mein Empfinden die hübscheste, dazu auch noch sympathisch sowie absolut intelligent wirkende Death-Metal-/Grindcore-Band aller Zeiten zu sehen war, also der totale Gegensatz und Bruch zu allem oben Genannten. Und dieses Geraune: (fast) alle beriefen sich andauernd auf sie - weit über die Metal-Szene hinaus; selbst Björk war Fan. Doch Carcass waren so extrem, wie es überspitzter (damals) kaum vorstellbar war - und trotzdem waren sie viel mehr als nur „Krach“. „Symphonies Of Sickness“, ihr sagenhaftes Manifest, bis heute für 99,99 % der Menschheit gewiss komplett unhörbar, hebt mich nach wie vor in einen Zustand, welcher kaum konform mit einer irgendwie „normal“ gearteten Welt geht. Es ist ein Meisterstück.

Natürlich muss man es mit seinem Original-Cover haben (die zensierte Auflage ist vom künstlerischen Aspekt wie auch vom Herzen her nicht weniger als ein Verbrechen). Ich gehe vollständig konform mit allen Pro-Stimmen, welche ich im Laufe der Jahrzehnte dazu vernommen habe: es ist künstlerisch wertvoll und - aller darauf dargestellten Grauen zum Trotz - so ausgewogen und raffiniert gestaltet, dass ich es mir immer wieder gerne und dann auch ausgesprochen lange anschaue. Etliche Bands haben sich seither an dieser Vorlage versucht - niemand kam je an den künstlerischen Wert von Carcass heran.

Doch natürlich soll es hier nicht vorrangig um die Verpackung, sondern um deren Inhalt gehen: vollkommen offensichtlich ist „Symphonies Of Sickness“ einfach nur unfassbar roh, chaotisch und extrem. Für mich hat es nie seine Aura des allumfassenden Wahnsinns verloren. Noch heute, als Mittvierziger, kann ich es mit dem Erstaunen von vor über 30 Jahren hören, und im Gegensatz zu etlichen anderen Death-Metal-/Grindcore-Werken der damaligen Zeit landet es spätestens alle zwei bis drei Jahre erneut in der Anlage.

„Exhume To Consume“ ist unter den zehn hierauf vertretenen Songs ohne Vertun der ganz große Klassiker geworden, fast noch fabelhafter finde ich allerdings das unfassbare „Swarming Vulgar Mass Of Infected Virulency“. Anderes deutet bereits den Weg in die Zeit nach „Symphonies Of Sickness“ an: man höre etwa die ersten Sekunden von „Slash Dementia“, welche später auf „Heartwork“ gewissermaßen recycelt wurden - oder „Empathological Necroticism“ (alleine schon der Titel, welcher den des folgenden Albums „Necroticism - Descanting The Insalubrious“ vorwegnimmt… aber insbesondere natürlich der musikalisch gebremste, eingängige Aspekt). Der Großteil besteht aber natürlich aus tollwütigem und rasendem Geschepper - doch wer hat dies je so gekonnt umgesetzt wie Carcass auf diesem Album? „Symphonies Of Sickness“ ist ein absoluter Albtraum, jedoch träumt man diesen bereitwillig, fassungslos und ergeben mit.

Zur besonderen Kunstfertigkeit von Carcass zählt dabei, dass sie ihre unfassbaren akustischen und lyrischen Perversionen und Abartigkeiten mit gut versteckem Humor flankieren. Die A- und die B-Seite sowie jedes vorhandene Solo erhielten einen gänzlich augenzwinkernden Titel; selbst die Lyrics sind (wenn auch eher selten) durch offensichtlich schelmische Worte ergänzt - beispielhaft sei hier aus „Exhume To Consume“ zitiert: „Bereaved relatives are not amused / As on their dear departed I feverishly consume“. Dieser Spaß wird in kleinen, geschickten Dosen gerade so platziert, dass es den gesteckten Rahmen kaum weniger abartig werden lässt - es gibt hier keinen Text, welcher nicht das nackte Grauen evoziert! - jedoch für den Hinschauenden klar erkennbar gemacht wird: „Symphonies Of Sickness“ ist eine hochkünstlerische Auseinandersetzung, ein Abarbeiten der widerlichsten Dinge, welche man sich nur vorzustellen vermag - aber einen an der Klatsche haben die Bandmitglieder deswegen noch lange nicht!

Bis heute sind Carcass mir lieb und teuer - ohne sie wäre ich womöglich auch niemals hier gelandet: wo ich ab 2000/2001 kaum noch das aktuelle Metal-Geschehen verfolgt und keine Zeitschriften mehr gelesen hatte, wurde ich 2013 aus keinem anderen Grund als jenem ihres Comebacks zurückkatapultiert. Ausschließlich deshalb, um die Reaktionen und Reviews zu „Surgical Steel“ (vor allem von Robert Müller) zu lesen, kaufte ich mir plötzlich wieder Metal-Magazine. Und ich merke gerade, zehn Jahre sind das seither - zehn Jahre und Unmengen von Metal.

(19.11.2023)

Bis heute eine meiner liebsten Platten. :top:
 
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