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@Sentinel
(Ist der Name eigentlich eine Priest-Reminiszenz?)
Freue mich auf weitere Rezi's von dir, bin für (für mich zumindest) Neuentdeckungen immer offen und harre deiner weiteren Ergüsse!
Einer der wertigsten Threads im ganzen Forum. Freue mich auf jeden Beitrag von dir hier
Freut mich auch. Und bei mir kann man auch schon mal etwas überreagieren, bin ja schließlich nicht gerade der einfachste Mensch. Zumindest ist es schwer, mich hier genau einzuschätzen, dafür muss man mich im „real life“ kennen!@gnomos
Hey - cool, dich hier zu lesen. Als wir zuletzt im Forum aufeinander getroffen sind, habe ich deutlich drüber reagiert; wahrscheinlich hatte ich meine Tage. Deinen neuen Avatar finde ich super!
bin ja schließlich nicht gerade der einfachste Mensch.
Carcass - Symphonies Of Sickness
VÖ: 04.11.1989
Ich erinnere mich noch immer wohlig an dieses unfassbare Mysterium, den regelrecht sagenumwoben anmutenden Nimbus der Andersartigkeit, welchen die drei ersten Carcass-Alben auf mich zu ihrer Zeit ausübten, zurück. Die großartigen (und zensierten) Cover, die zum damaligen Zeitpunkt für mich noch vollkommen unverständlichen Lyrics, welche wie aus einer bizarren, anderen Dimension empfangen anmuteten; dann noch die Bandpícs - auf welchen zumindest für mein Empfinden die hübscheste, dazu auch noch sympathisch sowie absolut intelligent wirkende Death-Metal-/Grindcore-Band aller Zeiten zu sehen war, also der totale Gegensatz und Bruch zu allem oben Genannten. Und dieses Geraune: (fast) alle beriefen sich andauernd auf sie - weit über die Metal-Szene hinaus; selbst Björk war Fan. Doch Carcass waren so extrem, wie es überspitzter (damals) kaum vorstellbar war - und trotzdem waren sie viel mehr als nur „Krach“. „Symphonies Of Sickness“, ihr sagenhaftes Manifest, bis heute für 99,99 % der Menschheit gewiss komplett unhörbar, hebt mich nach wie vor in einen Zustand, welcher kaum konform mit einer irgendwie „normal“ gearteten Welt geht. Es ist ein Meisterstück.
Natürlich muss man es mit seinem Original-Cover haben (die zensierte Auflage ist vom künstlerischen Aspekt wie auch vom Herzen her nicht weniger als ein Verbrechen). Ich gehe vollständig konform mit allen Pro-Stimmen, welche ich im Laufe der Jahrzehnte dazu vernommen habe: es ist künstlerisch wertvoll und - aller darauf dargestellten Grauen zum Trotz - so ausgewogen und raffiniert gestaltet, dass ich es mir immer wieder gerne und dann auch ausgesprochen lange anschaue. Etliche Bands haben sich seither an dieser Vorlage versucht - niemand kam je an den künstlerischen Wert von Carcass heran.
Doch natürlich soll es hier nicht vorrangig um die Verpackung, sondern um deren Inhalt gehen: vollkommen offensichtlich ist „Symphonies Of Sickness“ einfach nur unfassbar roh, chaotisch und extrem. Für mich hat es nie seine Aura des allumfassenden Wahnsinns verloren. Noch heute, als Mittvierziger, kann ich es mit dem Erstaunen von vor über 30 Jahren hören, und im Gegensatz zu etlichen anderen Death-Metal-/Grindcore-Werken der damaligen Zeit landet es spätestens alle zwei bis drei Jahre erneut in der Anlage.
„Exhume To Consume“ ist unter den zehn hierauf vertretenen Songs ohne Vertun der ganz große Klassiker geworden, fast noch fabelhafter finde ich allerdings das unfassbare „Swarming Vulgar Mass Of Infected Virulency“. Anderes deutet bereits den Weg in die Zeit nach „Symphonies Of Sickness“ an: man höre etwa die ersten Sekunden von „Slash Dementia“, welche später auf „Heartwork“ gewissermaßen recycelt wurden - oder „Empathological Necroticism“ (alleine schon der Titel, welcher den des folgenden Albums „Necroticism - Descanting The Insalubrious“ vorwegnimmt… aber insbesondere natürlich der musikalisch gebremste, eingängige Aspekt). Der Großteil besteht aber natürlich aus tollwütigem und rasendem Geschepper - doch wer hat dies je so gekonnt umgesetzt wie Carcass auf diesem Album? „Symphonies Of Sickness“ ist ein absoluter Albtraum, jedoch träumt man diesen bereitwillig, fassungslos und ergeben mit.
Zur besonderen Kunstfertigkeit von Carcass zählt dabei, dass sie ihre unfassbaren akustischen und lyrischen Perversionen und Abartigkeiten mit gut versteckem Humor flankieren. Die A- und die B-Seite sowie jedes vorhandene Solo erhielten einen gänzlich augenzwinkernden Titel; selbst die Lyrics sind (wenn auch eher selten) durch offensichtlich schelmische Worte ergänzt - beispielhaft sei hier aus „Exhume To Consume“ zitiert: „Bereaved relatives are not amused / As on their dear departed I feverishly consume“. Dieser Spaß wird in kleinen, geschickten Dosen gerade so platziert, dass es den gesteckten Rahmen kaum weniger abartig werden lässt - es gibt hier keinen Text, welcher nicht das nackte Grauen evoziert! - jedoch für den Hinschauenden klar erkennbar gemacht wird: „Symphonies Of Sickness“ ist eine hochkünstlerische Auseinandersetzung, ein Abarbeiten der widerlichsten Dinge, welche man sich nur vorzustellen vermag - aber einen an der Klatsche haben die Bandmitglieder deswegen noch lange nicht!
Bis heute sind Carcass mir lieb und teuer - ohne sie wäre ich womöglich auch niemals hier gelandet: wo ich ab 2000/2001 kaum noch das aktuelle Metal-Geschehen verfolgt und keine Zeitschriften mehr gelesen hatte, wurde ich 2013 aus keinem anderen Grund als jenem ihres Comebacks zurückkatapultiert. Ausschließlich deshalb, um die Reaktionen und Reviews zu „Surgical Steel“ (vor allem von Robert Müller) zu lesen, kaufte ich mir plötzlich wieder Metal-Magazine. Und ich merke gerade, zehn Jahre sind das seither - zehn Jahre und Unmengen von Metal.
(19.11.2023)
Bis heute eine meiner liebsten Platten.
Und für mich eine meiner liebsten Bands.
Für mich auch.
Warum dann der oben gewählte Smiley und nicht einer von denen hier?
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