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Guest
Heute mal ein paar persönliche Highlights aus der Sparte „Kinderbücher, von denen Erwachsene manchmal deutlich mehr haben als der Nachwuchs“:
Das große Giggler-Geheimnis (mit zwei nachfolgenden Bänden)
Vom irischen Autor Roddy Doyle (Ihr wisst schon: The Commitments) in der Übersetzung von Andreas Steinhöfel.
Der Plot ist völlig Gaga: Giggler sind kleine Zauberwesen, die Erwachsene für Gemeinheiten gegenüber Kindern bestrafen. Das tun sie, indem sie Hunden ihre Köddel abkaufen und strategisch auf Gehwegen platzieren. 90% des Buches spielen sich in jenem Sekundenbruchteil ab, in dem ein Unschuldiger ahnungslos seinen Fuß in Richtung des Haufens herabsenkt. Um diesen kurzen Augenblick gruppieren sich Exkurse, Erklärungen, Rückblenden, Nebenhandlungen und innere Zwiegespräche des Erzählers über jede Menge skurrilen Unsinn.
Der ekelerregende Herr Urxl und das Glitzerdingens (und eine Handvoll nachfolgende Bände)
Wer braucht schon das englische Original von Philip „Rauschebart“ Ardagh, wenn die deutsche Übersetzung vom seligen Harry Rowohlt besorgt wurde? Und wer will schon das Buch lesen, wenn ebenjener Übersetzer die Hörbuchversion eingebrummelt und –geknarzt hat? Auch hier ist der Plot äußerst kurz und simpel gehalten und bietet vor allem Anlass für allerlei wertvolle Abschweifungen und Vertiefungen. Leseprobe gefällig?
„Manuell Urxls Haar war so fettig, dass er mehr Fett als Haare auf dem Kopf hatte, so dass man eher von haarigem Fett als von fettigem Haar sprechen konnte. [...] Schwer vorstellbar, wie jemand so haariges Fett auf dem Kopf haben kann.
Und erst der Kopf! Hast Du je eine richtig vergammelte Kartoffel gesehen? Eine, die vergessen und sich selbst überlassen wurde, damit sie mal so richtig aus sich herausgehen kann? [...] Manuell Urxls Kopf war wie eine vergammelte Kartoffel. Er war klumpig, er war bräunlich-gelb oder gelblich-braun (je nachdem, von wo man sich ihm näherte), und er hatte Hubbel. Wenn es längere Zeit geregnet hatte, wuchsen Manuell Urxl oft kleine Triebe aus den Ohren. Wenn das Wetter richtig heiß war, lief ihm das Fett den Kopf hinunter in das geschmolzene Ohrenschmalz und die Mischung sah aus, wie der böse Halbbruder des schmackhaften Zuckerrübensirups [...] Das ist der klebrige Saft, aus dem die Albträume sind.“
Hinter solchen Absurditäten kann man auch manches satirische Element finden. Denn die Umgebung reagiert auf den oben beschriebenen Herrn Urxl bisweilen allzu menschlich.
Sie sind ein schlechter Mensch, Mister Gum! (mit so manchem Nachfolgerband)
von Andy Stanton; auch hier übersetzt und auf als Hörbuch vertont durch Harry Rowohlt. Im Örtchen Bad Lamonisch an der Bibber wimmelt es von liebenswerten Personen mit jeweils einem ordentlichen Hau. Moralisch aus dem Rahmen fällt dagegen Mister Gum, der Antiheld dieser Geschichten.
„Mr Gum stand vor dem kaputten Spiegel im einsamen Schlafzimmer seines trost-lo-sen alten Hauses. Erschlag mich mit einem Öltanker, er war der reine Horror. Er hasste Kinder, Tiere, Spaß und jeden Comic, der je gezeichnet worden war. Sehr gern dagegen verdöste er den ganzen Tag im Bett. Obwohl es nämlich bereits acht Uhr abends war, war Mr Gum gerade erst aufgestanden. Er war nämlich nicht nur ein Horror, er war auch ein oller Faulenzer.
Jedenfalls. Da stand er also vor dem Spiegel und machte sich ausgehfertig.
»So früh schon auf, du hübsches Teufelchen«, sagte er zu seinem Spiegelbild. »Wonach steht dir denn heute der Sinn?«
»Ich möchte noch böser sein als gewöhnlich«, erwiderte sein Spiegelbild mit abscheulichem Lachen.
»Gute Idee, Dummerle«, sagte Mr Gum. »In dem Fall muss ich so furchtbar wie möglich aussehen.«
Er holte einen Filzstift und zeichnete sich noch etwas zusätzliches Stirnrunzeln auf die Stirn.
Dann struppelte er seinen großen roten Bart, um ihn so wild und furchterregend wie möglich aussehen zu lassen. Er war immer noch nicht entsetzlich genug, und da steckte er sich noch ein paar Käfer und das Foto eines Hais hinein.
»Das müsste genügen«, grummelte er. Dann jabadammjabadammjabadammte er treppab, sprang auf ein Skateboard, das er einem Sechsjährigen geklaut hatte, und fuhr in die Stadt.“
Seine sinisteren Pläne werden über kurz oder lang immer von vier ebenso sympathischen wie intellektuell beschränkten Freunden durchkreuzt.
3 großartige Reihen. Wir haben in meiner Ausbildung mal eine “Mister Gum“-Ferienveranstaltung in der Bibliothek organisiert. Seitdem hab ich jeden neuen Band bei Erscheinen gekauft. Schon allein der krakelige, tintenklecksende Zeichenstil. <3