Diesem Kult um Authentizität, der vor allem in subkulturellen Jugendszenen um sich greift, den man zuvor aber schon in romantischen Strömungen, in Eigentlichkeitsphilosophien oder eben auch in Sartres Existenzialismus antrifft, mag ich nicht viel abgewinnen, was vor allem daran liegt, dass Authentizität in einer dialektischen Volte gerade vorgibt, nicht das zu sein, was sie ist: Schein. Diese eigentümliche Dialektik der Authentizität in spätmodernen ästhetischen Ausdrucksformen verleiht gerade der Diskurs um die Inszenierung oder Aufführung von Authentizität beredten Ausdruck.
Authentizität in der Kunst (und damit natürlich auch im Metal) ist vor allem auch eine eindeutige Korrespondenz des Ausdrucks mit dem Ich; sie ist damit wohl auch eine Reaktion auf spätmoderne Anforderungen an das soziale Selbst, das mit Phänomenen der Vagheit, der Ambiguität, der undifferenzierten Künstlichkeit (im Sinne von undendlichen Signifikanten-Ketten ohne Referent, im Sinne von einer unfauflösbaren Hybridisierung von Natur und Kultur) konfrontiert ist, das in unterschiedlichen sozialen Situationen unterschiedliche soziale Rollen spielen soll (und damit überhaupt erst die Frage einer authentischen Ich-Identität generiert, die historisch gesehen - wie gesagt - eher ein neueres Produkt ist, weil gerade zu Zeiten des Ständesystems, in dem jedem auf Lebenszeit das zukam, was ihm qua sozialer Ordnung (und nicht aufgrund seiner Individualität, seiner Meriten etc.) zustand, sie sich noch gar nicht stellen konnte). Wir haben es hier also mit einer Gegenreaktion auf gesellschaftliche Phänomene zu tun, die aber die Totalität und Unhintergehbarkeit dieser Phänomene verkennt; sie ist also in ihrer NIcht-Scheinhaftigkeit vor allem falscher Schein; echte Kunst allerdings ist sich ihrer Scheinhaftigkeit bewust, ja es ist überhaupt ein Wesenskern der Kunst, sich mit ihrer Scheinhaftigkeit auseinanderzusetzen, sie zu reflektieren, mit ihr zu spielen. Das bekommt der Pop besser hin als der Metal.
Wenn Authentizität eine Korrespondenz von Ausdruck und Ich ist, wenn Authentizität mithin für Echtheit, Unverfälschtheit, Treue mit sich selbst steht, dann ist sie weiters auch immer mit der Notwendigkeit verbunden, festzustellen, was dieses Ich eigentlich ist. Sie ist Selbstforschung, Selbstbefragung, sie ist die vergebliche Suche nach einem Wesenskern der Identität, den es so nicht gibt. Wenn das Ich ein sich in steter Entwicklung befindliches Artefakt sozialer und kultureller Einflussgrößen ist (die wiederum soziale Prozesse und eben nicht petrifizierte Hypostasierungen darstellen), dann ist diese Suche um die wahre Natur des Ichs eine vergebliche; sie ist wieder ein undurchschauter, falscher Schein, der auch deshalb und vor allem deshalb ein falscher ist, weil er die gesellschaftlichen Zusammenhänge nicht durchschaut, weil er etwas will, was es nicht geben kann, weil er Natur will und Kultur meint.
Wenn man Metal einen Moment als Kunst begreifen will, dann sollte man mit ihm hart ins Gericht gehen, wenn er Authentizität zu einem obersten künsterlisch-normativen Imperativ erhebt: Will er Kunst sein, sollte er sich weniger um Fragen der exponierten Echtheift als um Fragen der Wahrheit (im Gegensatz zur Wahrhaftigkeit, die wiederum mit Echtheit, Authentizität assoziiert ist) kümmern. Und Wahrheit ist heutzutage vor allem ein Simulakrum, ein non-hierarchisches Rhizom, eine non-symmetrische Pluralität, ein ewiges Spiel der Widersprüche, ein gesellschaftlicher Antagonismus; Kunst muss daher schillern, tentativ und probierend und ambivalent sein, sie muss sich aber auch mehr den Fragen der Form (Gewalt) als des Inhalts stellen, sie darf - und das ist meine Conclusio - schlicht nicht dem Schein des Unwahren zuspielen. Denn dann würde Kunst das verraten, was sie für mich auch immer ist: Kritik am Bestehenden.