Slipknot - The End, So Far
Ich muss jetzt einfach mal was hierzu loswerden
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Das Album macht mir grade Freude hoch zehn!
Seit IOWA war ich nicht mehr direkt nach Erscheinen eines Slipknot Albums so begeistert und erfreut.
Klar, auch bei Slipknot gilt was bei allen gilt: Die Zeit wird zeigen wo es sich bei mir einsortieren wird, aber aktuell bin ich absolut hingerissen vom Gebotenen.
Vorweg eine Kuriosität: Für die Druckerei, die für die Vinyl Cover verantwortlich war, kam die Namensänderung des Titels seitens der Band wohl (zumindest für manche Auflagen) zu spät. Ich habe das neon gelbe Vinyl und da wurde auf der Folie ein Sticker angebracht, den man verdächtig leicht abziehen kann, der den Schriftzug "The End, So Far" enthält und damit den schon gedruckten "The End, For Now" überdeckt. Ob der Unterschied im individuellen Sprachverständnis so gewaltig ist, muss jeder selbst entscheiden, ich denke, man hatte die Befürchtung, dass der Terminus "...For Now" einen zu großen Spielraum für Mutmaßungen über eine vorübergehende Auflösung, bzw. Pause der Band, bietet.
"...,So Far" impliziert ehr ein einschneidendes Ereignis, neues Kapitel und wirkt deutlich zukunftsorientierter.
Kann die Musik das ausdrücken?
Für mich funktioniert das ganz hervorragend! So experimentierfreudig, retrospektiv und zusammenfassend klang die Band noch nie. Die Band, der wir hier lauschen, hat niemandem mehr was zu beweisen. Wohl zum ersten Mal in Ihrer Karriere. Anfängliche Alben waren geprägt von Druck. Ob "Iowa" (Härtegrad), "Vol. 3" (Erfolgreicher), "All Hope Is Gone" (Erfolg halten), "The Gray Chapter" (nicht zerbrechen) oder zuletzt "We Are Not..." (wir sind noch da), immer sahen wir eine Band, die auf kreative Weise mit den Erwartungshaltungen umging. In meinen Ohren zwar stets bravourös, aber man fragte sich immer, was wenn es nur noch an letzter Stelle um das Image, die Erwartungen und das Bestreben halt Slipknot zu bleiben ginge? Wen ein selbstbetiteltes Album eben nicht als Debut erschienen wäre, sondern eine Wende wie bei "Metallica", "The Beatles" (oder zuletzt vielleicht sogar "Helloween" ???) bedeuten würde? Tja, die Antwort kommt hier - in Form eines Endes.
Auf gewisse Art und Weise vereinen sie hier alles, was sie jemals ausgemacht hat, bieten es aber in einer neuen Form da. Sei es die Produktion, der Klang des Masters, das Cover, alles wirkt so herrlich frisch und furchtlos und überzeugt mich in seiner Qualität total:
- "Adderall" - Slipknot im Opener mit einer balladesken 60er Jahre Lounge Pop Nummer??? - Wäre Correys Stimme nicht so unverkennbar, ich würde denken ich hätte 'ne falsche Platte aufgelegt. Unterstützt von Craigs und Sids analogen Korg und Moog Klängen (die dieses ganze Album zu Psycho-ZUCKER machen) schwebt man in die Geschichte der Platte hinein wie in einen Traum. Fast noch mutiger als "Nothing Else Matters", da man es an den Anfang gestellt hat. "Reschpekt" , würde Herr Gottschalk sagen. Großartig!
- "The Dying Song" - Der erste Hit, dem man die neue Produktion aber sofort anmerkt. Alle Instrumente haben sooo viel mehr Luft als bisher. Die Gitarren nehmen Druck raus, spielen mittiger und wenn sie dann mal nach vorne kommen erzielen sie deutlich mehr Wirkung. Das ganze Album ist fast wie ein Orchesterwerk abgemischt. Auch merkt man hier Roots neuen Gitarrenstil, der deutlich mehr Clapton und (in Nuancen) Gilmore spüren lässt als früher, aber dass bauen Sie später noch aus. Klasse Hit Single!
- "The Chapeltown Rag" - Tja, den hab selbst ich schon im Vorfeld gehört, so lange wie er schon raus ist. Was soll ich sagen, einer der besten Slipknot Songs aller Zeiten! Bedrohlich, aggressiv, melodiös und einfach toll arrangiert. Der Blastbeat Part ist mit das härteste was die Band je gemacht hat. Lyrisch nimmt man sich hier eine tragische Killer Story und dreht den Spiegel Richtung Manipulation, Religion und Bigotterie. Ich kann den Song immer wieder hören und sollte ich jemandem zeigen, was genau Slipknot so machen ("...So Far"), würde ich ihm immer "Chapeltown Rag" vorspielen.
- "Yen" - Jetzt verlassen wir "For Now". Was für eine gefühlvolle, intensive Bombe! Ich meine hier eine deutliche Signatur von "codependend love" zu erkennen, kann mich aber auch irren. Aber Corey ist zum Fürchten gut hier. Eine Nummer die einen schweißnass zurücklässt und grooved wie Hölle! (Hab übrigens anfangs verzweifelt gegrübelt, warum man den Song nach der japanischer Währung benannt hat, bis ich herausfand, dass es auch ein umgangssprachlicher Begriff für Sehnsucht ist )
- "Hive Mind" - Ne pure, abgefahrene Neo Thrash Nummer, die fast schon Exodus Vibes versprüht. Jay trommelt sich hier die Seele aus dem Leib und wieder einmal beeindruckt Mr. Taylor mit tongewordener Wut. Der Headbanger auf dem Album!
- "Warranty" - Straight Forward Rocker mit persönlichen Bezügen zum Fandom und eine Art Unabhängigkeitserklärung. Der Song endet mit einem verschmitzen Lächeln Taylors, eventuell auch eine kleiner Wink mit dem Zaunpfahl an Käufer des Albums. Hat Stil und fast schon ein bisschen Humor. Coole Nummer, die schnell im Ohr bleibt.
- "Medicine For The Dead" - Spukende Töne eröffnen dieses finstere Werk. Ein Höhepunkt des Albums. Klassische Metal Riffs, Perkussion Instruments und Coreys Erzählstimme entführen uns in den verstörenden Alltag psychisch erkrankter Menschen. Groß und gefühlvoll ohne hier irgendwas zu simplifizieren oder dramaturgisch auszunutzen.
- "Acidic" - Einer der geilsten Slipknot Songs ever! Das Teil baut sich auf aus einigen wenigen elektronischen Klängen, wie Störgeräuschen, dann kommt eine langsame, aber gewaltige Gitarrenwand, mit Stakkato Perkussion, die an eine Gewehrsalve erinnern. Gesangslinien, die soulig und verzweifelt klingen, lassen das Ganze in "Alice In Chains" Vibes verglühen. Die Gitarren drehen völlig frei in diesem Meisterwerk!
- "Heirloom" - Weinberg bloody Weinberg! Wie kann man in einer Band, die einen sooo prägenden Drummer hatte, so eigenständig einen Stil weiterbringen und dabei so sehr man selbst bleiben? Perkussive Double Bass und Tom Einleitung unterlegt mit Gitarren Feedback und ab geht der Song! Wirkt wie ein Roadmovie, hat aber auch Anleihen von Metallica zu ReLoad Zeiten (Was in meiner Welt nichts schlechtes ist). Das Schlagzeug hebt ihn auf eine andere Ebene. Mein liebster Autofahrsong ab heute!
- "H377" - Der zweite Totalabriss auf diesem Album. Der Song versprüht fast schon den Vibe des Debuts, ist allerdings um Welten harmonsicher auskomponiert. Thematisch scheint man hier auf den Fakt anzuspielen, dass man für die selbe Entscheidung, Handlung, Aussage, von den einen gehasst und von anderen geliebt werden kann. Wirkt wie ein sehr persönlicher Befreiungsschlag. Old School Slipknot. Ab ca. 2:35 donnern Schlagzeug und Rhythm Guitar ein Riff raus, dass an "Rusty Cage" erinnert, werden dann begleitet von einem der geilsten Slipknot Gitarrensolos!
- "De Sade" - Bisher mein absolutes Highlight auf der Platte! Alte und neue Slipknot vereint. Ein kleiner Psychothriller in Songform und Coreys, Micks und Jims beste Leistung jemals. Dass die Irren Wutbolzen des Debuts mal zu dieser kompositorische Katharsis kommen! Umwerfend schön und heavy gleichzeitig! Ein kleiner, verträumter Trip in die dunklen Gegenden der menschlichen Seele.
- "Finale" - Es wirkt, als wolle man die gesamte Historie der Band hier thematisieren. Traurigkeit (sicher auch über die menschlichen Verluste) macht sich ebenso breit, wie die Schlussfolgerung, froh zu sein, den eigenen Weg gegangen zu sein ("... but I like it here"). Chöre und Orchester hebt man sich für diesen epischen Abschluss auf. Damit schließt sich das "Roadrunner" Kapitel der Band.
Ich kann nur sagen, ich war nie gespannter darauf, was als nächstes kommt!
Ein bockstarkes Album mit den besten Voraussetzungen, dass ich es irgendwann vielleicht sogar als ihr bestes Album bezeichnen werde.
Mir fällt da ein altes Interview mit James Hetfield ein, in dem man ihn auf Corey Taylor als Frontman anspricht. Er sagt darin in etwa, dass er ihn für einen begnadeten Frontman hält, jedoch immer ein mieses Gefühl dabei hat, wenn ein Leader sich mit Nebenprojekten umgibt, anstatt sich voll und ganz auf eine band zu konzentrieren. Vielleicht ist das Album ja irgendwann einmal, rückblickend betrachtet, der Punkt an dem alle Beteiligten jede ihrer künstlerischen Ideen und Facetten in Slipknot unterbringen konnten und Stone Sour und Co. sind überflüssig geworden.
Let's see.
Als Slipknot Album muss ich hier 10 von 10 Punkten raushauen!