[Top of the Progs - 100 Meisterwerke] - Die Liste von SMM

SMM

Redakteur
Roadcrew
Ab 2024 wird es hier meine Top 100-Liste der besten Prog-Alben geben.

Ich habe bekanntermaßen ein paar Lieblingsgenres (US-Metal, Doom, Thrash), aber am und im Prog, egal ob Retro-Prog oder Progressive-Power-Metal, liegt mein Herz - und zwar schon ziemlich lange. Die Regeln, die einige hier gesetzt haben, übernehme ich einfach mal. Es wird also nur drei Alben pro Band geben, was mir schon ein paar körperliche Schmerzen bereitet hat. Was die Reihenfolge der Scheiben angeht bin ich noch recht unsicher - die Frage, ob Platz 87 jetzt besser ist als Platz 85 kann jeden Tag anders beantwortet werden.
Dennoch: Hier wird es 100 tolle Alben geben, die mir alle etwas bedeuten.
Und darum soll es doch gehen in der Musik: Um Bedeutung.


100 - Life Artist - Diary Of Inner Visions
99 - Synaptik - Justify & Reasons
98 - Greyhaven - Greyhaven
97 - Xerxes - Beyond My Imagination
96 - Linear Sphere - Manvantara
95 - Without Warning - Making Time
94 - Reading Zero - The Actual
93 - Obscura - Akróasis
92 - Payne's Gray - Kadath Decoded
91 - Crippled Black Phoenix - I, Vigilante
90 - False Witness - False Witness (Demo)
89 - Seventh Wonder - The Great Escape
88 - Pendragon - The Masquerade Overture
87 - Ayreon - The Human Equation
86 - Ion Vein - Beyond Tomorrow
85 - Terra Odium - Ne Plus Ultra
84 - Twisted Into Form - Then Comes Affliction To Awaken The Dreamer
83 - Divine Regale - Horizons
82 - Heaven‘s Cry - Food For Thought Substitute
81 - The Neal Morse Band - The Similitude Of A Dream
80 - In The Name - In The Name
79 - Trivial Act - Mindscape
78 - Omega Point - Infinite Rhyme
77 - Haken - The Mountain
76 - Ark - Burn The Sun
75 - Dreamstate - Beyond The Mirrors
74 - Lord Bane: Age Of Elegance
73 - Disillusion - The Liberation
72 - Pain Of Salvation - The Perfect Element I
71 -
 
Zuletzt bearbeitet:
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Platz 100 - LIFE ARTIST - Diary Of Inner Visions (1992)

Die 1990er, das wird man innerhalb dieser Liste noch deutlich spüren, waren vielleicht DAS Jahrzehnt für großartige progressive Musik. Am Anfang dieser Liste bleiben wir direkt mal in Deutschland - Life Artist, die 1991 mit dem Demo "Faith" aufhorchen ließen, zeigten nur ein Jahr später, dass man auch "bei uns" mit komplexer Musik zu rechnen hat. Erfolgreich, wie es schien, denn dank ihres Labels, aber natürlich auch aufgrund der fantastischen Songs, die ich mir damals erst erarbeiten musste, tourte man im VÖ-Jahr mit Sieges Even und den mächtigen Psychotic Waltz. Was in etwa auch alles zur Qualität dieser Scheibe sagt. Die Band ist im übrigen wieder aktiv und ihr "Lifelines"-Album von 2021 ist auch dringend empfehlenswert.
 
Ewig nicht mehr gehört, auch das Comeback-Album ist lange an mir vorbei gezogen, habe ich aber neulich eingetütet. Muss ich mal auflegen. Beide.
 
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Platz 99 - SYNAPTIK - Justify & Reason (2017)

2017 - das war doch gerade erst! Und in der Tat ist das immer noch aktuelle Album der britischen Progressive-Metaller eines der jüngsten Alben, die in dieser Liste auftauchen werden. Gesagt bzw geschrieben habe ich in Heft 18 schon etwas dazu - und zwar folgendes:

Mit „The Mechanisms Of Consequence“ setzten die Briten von SYNAPTIK bereits ein großes Ausrufezeichen, „Justify & Reason“ dürfte, wenn alles richtig läuft, den Namen endgültig in den Gehirnen der Progressive-Metal-Gemeinde etablieren. Der Opener 'The Incredible Machine' verortet den Fünfer bereits irgendwo zwischen Psychotic Waltz, Communic, Marillion und Mekong Delta. Die technischen Fähigkeiten der Musiker sind überragend, genau wie der sich immer mehr steigernde Refrain und die ganze Produktion genügt locker internationalen Ansprüchen. Das Melodienverständnis der Combo ist selbst in diesem Genre ziemlich einzigartig. Während die fünf allesamt fantastischen neuen Tracks („aufgefüllt“ wurde die Scheibe mit drei remixten Songs des Debüts) sich also von Höhepunkt zu Höhepunkt schwingen, fragt man sich nicht zum ersten Mal, wieso immer mehr belanglose Hintergrundbeschallungsmusik verkauft wird, während tiefgründige, fordernde, die Zeit überdauernde Musik wie die von SYNAPTIK oder der durchaus vergleichbaren Memento Waltz weiter ein Nischendasein fristen muss. Eigentlich eine Schande, denn „Justify & Reason“ ist ein kommender Genreklassiker!

Und Recht hatte ich.

Übrigens: Es wird jetzt keinesfalls jeden Tag hier ein Update geben, aber ich habe mich gerade weg von der Familie geschlichen, weil ich "dringend was erledigen muss". And here I am. :)
 
Ich glaube, ich finde das Debüt einen My stärker, weshalb das auf meiner erweiterten Liste stand, aber ja, tolle Band und tolles Album.
 
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100. Finde ich ganz ok ohne bisher große Begeisterung zu entfachen. Sollte ich nochmal reinhören.
99. Bislang unbekannt, wird aber in Bälde angecheckt.
 
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98 - GREYHAVEN - Greyhaven (2000)

Ausnahmsweise möchte ich zu diesem tollen Album nicht viel selbst schreiben - ich zitiere einfach das komplette Review, das vor 23 Jahren, zur VÖ, auf meiner Sacred-Metal-Page erschienen ist. Für mich immer noch eines der besten Reviews, die ich je gelesen habe - und wunderbar passend zu Greyhaven, diesem Kleinod.

Rest in peace, K.


Irma: Mustafa, was würdest du machen, wenn du dir auf
einmal alle Träume erfüllen könntest?
Strassenverkäufer: Och, nicht mehr träumen.
Irma: Siehst du; das ist die Falle im Leben.

Dialog aus dem Film DIE PUTZFRAUENINSEL (Peter Timm)

In einem spezialisierten Film- und Musikbuchladen in
der Amsterdamer Altstadt arbeitet Katinka. Nicht
selten vergehen zwei Monate bis wir uns mal wieder
guten Tag sagen zwischen den vollgestopften Regalen
und dem teueren Altpapier. Draussen gehen die
Touristen vorbei, halten manchmal ein Augenblick vor
dem fast immer mit ungewöhnlichen Sachen ausgelegten
Schaufenster. Zwei Tassen Kaffee dampfen auf dem mit
allerhand Kleinstkram übersähten alten Bürotisch. Wir
reden über Gott und die Welt.
Katinka hat Whisky und Wodka gern, kann die Nouveau
Riche (im letzten Jahrhundert auch Yuppies genannt)
partout nicht ausstehen, raucht eine seltsame Marke
filterlose Zigaretten und ist mal nachdenklicher, mal
lockerer drauf. Und sie mag undergroundige Musik aller
Stilarten, von Trance bis Gitarrenrock - je
schrammeliger lo-fi es klingt, desto besser. Den Metal
hat sie nie so richtig kapiert. Es ist ihr meistens
zuviel Melodie, zuviel Symphonisches drin, sagt sie.
Umso mehr schade finde ich es, dass sie Metal Church,
Helstar und Leatherwolf nicht mag (wenn sie diese
Truppen kennen würde); mit ihrer zierlichen Figur,
gebleichten Jeans, schulterlangen braunen Haaren und
angenehmen Lässigkeit wäre sie ein erstklassiger
Metalhead.
Was denn diese Geschichte in einem Greyhaven-Review zu
suchen hat? Well, brothers and sisters of the metal
underground, es gibt wohl kaum eine Musik die weiter
von Katinkas Geschmack entfernt ist als die dieses
amerikanischen Quartetts. Denn hier lebt die breite
progressive Geste, hier ist kaum die letzte
Traummelodie verklungen, da kündigt sich schon die
nächste an. Fliegende Synth- und Keyboard-Teppiche
entführen den Hörer ins Land der
Tausend-und-eine-Nacht, hochmelodischer und bisweilen
theatralischer Gesang der Marillion-/Vaudeville-Schule
ist Programm, filigranste Gitarren, dem Märchenbuch
des Progressive Metals entsprungen, markieren jede
Ecke. Und oh Schreck: beschauliche, mystisch
angehauchte Texte über den innerlichen Horizont geben,
ganz wie in den späten Sechzigern und frühen
Siebzigern, den lyrischen Ton an. Nein; wenn
"Greyhaven" die letzte CD auf Erden wäre,
Musikliebhaberin Katinka würde sie sich nicht anhören.
Das Greyhaven-Debüt hält in seinen acht, meist
überlangen Songs plus epischem Intro eine tiefe Welt
von Musikmärchen bereit, in die man hineintaucht und
aus der man fürs erste nicht wiederkehrt. Ein
Vergleich zu anderen Bands/Platten ist schwierig; mich
traf die Mischung aus Genres als eklektisch und
homogen zugleich. Vaudevilles "To dimension logic",
"Parallels" von Fates Warning, "Eyes of the oracle"
von Power of Omens, spätere Marillion-Scheiben mit
Steve Hogarth - es finden sich jede Menge
Anhaltspunkte für den Feinschmecker, aber bei jedem
fehlt mir dann in Punkto Vergleich letztendlich doch
die volle Überzeugung. Kurioserweise wurde ich beim
ersten durchhören dieser wundervollen Platte auch
erinnert an "Pawn", eine obskure Prog-Scheibe aus 1993
(leider mit textlichem "Konzept") des Holländers
Brassé. Beide Werke atmen eine ähnlich melancholische
wie tranzparente Atmosphäre, leben vom Einklang der
Gitarren mit den dunklen, überdimensionalen Synths und
emotionalen Vocals.
Man wird durch die aufwendigen, nie in
langweilig-trendige Hammond-Retro-Sphären abdriftende
Synth-Arrangements Greyhavens auch an die Arbeiten
diverser Filmsoundtracktüftler wie Eric Serra
(ATLANTIS, THE FIFTH ELEMENT, LE GRAND BLEU) erinnert.
Wie gesagt, Greyhaven sorgen für eine
aussergewöhnliche Mélange von Stilen und Klangfarben,
die es in dieser Form eigentlich noch nicht gab. Schon
beim zweiminutigen, spacigen Intro "Ride the horizon"
ist klar dass diese Scheibe nicht spurenlos an einem
vorbeisäuseln wird. Dieses Versprechen wird in den
nachfolgenden sechzig Minuten eingehalten. Die warme,
gefühlvolle Stimme von Brian Francis passt zu den
wehmütigen Klängen wie die Delphine zur Südsee und
faszinieren in jedem Song aufs neue. Auch wenn es die
beiden Gitarristen Ethan Matthews und Nate Howard
(mittlerweile nicht mehr in der Band) ordentlich
krachen lassen, verliert Francis nie die klare Linie
und den Übersicht. Das variable Drumming von Nick
Cipriano wird zu keiner Zeit unkontrolliert hektisch
oder künstlich-technisch. Ordentlich von Ethan
Matthews und der Band selbst produziert, ist hier für
Kopfhörerabhängige so etwas wie eine musikalische
Pflichtlektüre erschaffen worden. Das nächste Mal
könnte man die Gitarren im Mix noch etwas mehr
Prominenz und Biss verleihen, aber das ist
Erbsenzählerei.
Obwohl sämtliche Nummern sich mit Hooklines eher
schwertun, kann man das nicht als Kritik anführen,
eher ist die Platte als Gesamtkunstwerk ohne
aufgesetztes Konzept zu verstehen und zu savourieren.
Da ich demzufolge auch keinen einzigen Song als
Highlight hervorheben kann/möchte (oder vielleicht
dann heimlich doch das intensiv melancholische
"Solitude surrounding"...?), bleibt beim ausklingen
des finalen Hammertracks "Cold night by the fortress"
(was für ein Songtitel!) nur die Repeattaste.
Greyhaven; gewiss keine Truppe für diese
schnellebenden, ach so trendverseuchten Zeiten und gar
der Audio-Horror für jemand wie Katinka, den noisigen
Alternativ-Sounds verfallen. Als ich, vom
Wacken-Kreuzzug 2000 heimgekehrt, vor kurzem wieder
einen Mittag plaudernd in der alten Buchhandlung
verbrachte, fragte sie mich wie es denn so gewesen sei
im Heavy Metal Heaven. Zündete sich 'ne Kippe an,
grinste als ich, breit gestikulierend, einige
Eindrücke des metallischen Weltenbummlers mit ihr
teilte. Im Hintergrund lief irgendeine Promo-CD eines
mir namlos gebliebenen Schrammeltrios. Die Tür zur
Strasse stand offen, draussen schien die Augustsonne.
Der Kaffee duftete, Katinka lachte. All was well, that
day, at the Grey Havens.​

(c)2000, Oliver K.​
 
Respekt! Das fängt richtig gut an.

Platz 100: tolle Nennung, muss dringend mal wieder gehört werden. Der letzte Output der Band ist nicht so meins.
Platz 99: eher ne härtere Sparte, aber geil.
Platz 98: wird gecheckt!
 
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98 - GREYHAVEN - Greyhaven (2000)

Ausnahmsweise möchte ich zu diesem tollen Album nicht viel selbst schreiben - ich zitiere einfach das komplette Review, das vor 23 Jahren, zur VÖ, auf meiner Sacred-Metal-Page erschienen ist. Für mich immer noch eines der besten Reviews, die ich je gelesen habe - und wunderbar passend zu Greyhaven, diesem Kleinod.

Rest in peace, K.


Irma: Mustafa, was würdest du machen, wenn du dir auf
einmal alle Träume erfüllen könntest?
Strassenverkäufer: Och, nicht mehr träumen.
Irma: Siehst du; das ist die Falle im Leben.

Dialog aus dem Film DIE PUTZFRAUENINSEL (Peter Timm)

In einem spezialisierten Film- und Musikbuchladen in
der Amsterdamer Altstadt arbeitet Katinka. Nicht
selten vergehen zwei Monate bis wir uns mal wieder
guten Tag sagen zwischen den vollgestopften Regalen
und dem teueren Altpapier. Draussen gehen die
Touristen vorbei, halten manchmal ein Augenblick vor
dem fast immer mit ungewöhnlichen Sachen ausgelegten
Schaufenster. Zwei Tassen Kaffee dampfen auf dem mit
allerhand Kleinstkram übersähten alten Bürotisch. Wir
reden über Gott und die Welt.
Katinka hat Whisky und Wodka gern, kann die Nouveau
Riche (im letzten Jahrhundert auch Yuppies genannt)
partout nicht ausstehen, raucht eine seltsame Marke
filterlose Zigaretten und ist mal nachdenklicher, mal
lockerer drauf. Und sie mag undergroundige Musik aller
Stilarten, von Trance bis Gitarrenrock - je
schrammeliger lo-fi es klingt, desto besser. Den Metal
hat sie nie so richtig kapiert. Es ist ihr meistens
zuviel Melodie, zuviel Symphonisches drin, sagt sie.
Umso mehr schade finde ich es, dass sie Metal Church,
Helstar und Leatherwolf nicht mag (wenn sie diese
Truppen kennen würde); mit ihrer zierlichen Figur,
gebleichten Jeans, schulterlangen braunen Haaren und
angenehmen Lässigkeit wäre sie ein erstklassiger
Metalhead.
Was denn diese Geschichte in einem Greyhaven-Review zu
suchen hat? Well, brothers and sisters of the metal
underground, es gibt wohl kaum eine Musik die weiter
von Katinkas Geschmack entfernt ist als die dieses
amerikanischen Quartetts. Denn hier lebt die breite
progressive Geste, hier ist kaum die letzte
Traummelodie verklungen, da kündigt sich schon die
nächste an. Fliegende Synth- und Keyboard-Teppiche
entführen den Hörer ins Land der
Tausend-und-eine-Nacht, hochmelodischer und bisweilen
theatralischer Gesang der Marillion-/Vaudeville-Schule
ist Programm, filigranste Gitarren, dem Märchenbuch
des Progressive Metals entsprungen, markieren jede
Ecke. Und oh Schreck: beschauliche, mystisch
angehauchte Texte über den innerlichen Horizont geben,
ganz wie in den späten Sechzigern und frühen
Siebzigern, den lyrischen Ton an. Nein; wenn
"Greyhaven" die letzte CD auf Erden wäre,
Musikliebhaberin Katinka würde sie sich nicht anhören.
Das Greyhaven-Debüt hält in seinen acht, meist
überlangen Songs plus epischem Intro eine tiefe Welt
von Musikmärchen bereit, in die man hineintaucht und
aus der man fürs erste nicht wiederkehrt. Ein
Vergleich zu anderen Bands/Platten ist schwierig; mich
traf die Mischung aus Genres als eklektisch und
homogen zugleich. Vaudevilles "To dimension logic",
"Parallels" von Fates Warning, "Eyes of the oracle"
von Power of Omens, spätere Marillion-Scheiben mit
Steve Hogarth - es finden sich jede Menge
Anhaltspunkte für den Feinschmecker, aber bei jedem
fehlt mir dann in Punkto Vergleich letztendlich doch
die volle Überzeugung. Kurioserweise wurde ich beim
ersten durchhören dieser wundervollen Platte auch
erinnert an "Pawn", eine obskure Prog-Scheibe aus 1993
(leider mit textlichem "Konzept") des Holländers
Brassé. Beide Werke atmen eine ähnlich melancholische
wie tranzparente Atmosphäre, leben vom Einklang der
Gitarren mit den dunklen, überdimensionalen Synths und
emotionalen Vocals.
Man wird durch die aufwendigen, nie in
langweilig-trendige Hammond-Retro-Sphären abdriftende
Synth-Arrangements Greyhavens auch an die Arbeiten
diverser Filmsoundtracktüftler wie Eric Serra
(ATLANTIS, THE FIFTH ELEMENT, LE GRAND BLEU) erinnert.
Wie gesagt, Greyhaven sorgen für eine
aussergewöhnliche Mélange von Stilen und Klangfarben,
die es in dieser Form eigentlich noch nicht gab. Schon
beim zweiminutigen, spacigen Intro "Ride the horizon"
ist klar dass diese Scheibe nicht spurenlos an einem
vorbeisäuseln wird. Dieses Versprechen wird in den
nachfolgenden sechzig Minuten eingehalten. Die warme,
gefühlvolle Stimme von Brian Francis passt zu den
wehmütigen Klängen wie die Delphine zur Südsee und
faszinieren in jedem Song aufs neue. Auch wenn es die
beiden Gitarristen Ethan Matthews und Nate Howard
(mittlerweile nicht mehr in der Band) ordentlich
krachen lassen, verliert Francis nie die klare Linie
und den Übersicht. Das variable Drumming von Nick
Cipriano wird zu keiner Zeit unkontrolliert hektisch
oder künstlich-technisch. Ordentlich von Ethan
Matthews und der Band selbst produziert, ist hier für
Kopfhörerabhängige so etwas wie eine musikalische
Pflichtlektüre erschaffen worden. Das nächste Mal
könnte man die Gitarren im Mix noch etwas mehr
Prominenz und Biss verleihen, aber das ist
Erbsenzählerei.
Obwohl sämtliche Nummern sich mit Hooklines eher
schwertun, kann man das nicht als Kritik anführen,
eher ist die Platte als Gesamtkunstwerk ohne
aufgesetztes Konzept zu verstehen und zu savourieren.
Da ich demzufolge auch keinen einzigen Song als
Highlight hervorheben kann/möchte (oder vielleicht
dann heimlich doch das intensiv melancholische
"Solitude surrounding"...?), bleibt beim ausklingen
des finalen Hammertracks "Cold night by the fortress"
(was für ein Songtitel!) nur die Repeattaste.
Greyhaven; gewiss keine Truppe für diese
schnellebenden, ach so trendverseuchten Zeiten und gar
der Audio-Horror für jemand wie Katinka, den noisigen
Alternativ-Sounds verfallen. Als ich, vom
Wacken-Kreuzzug 2000 heimgekehrt, vor kurzem wieder
einen Mittag plaudernd in der alten Buchhandlung
verbrachte, fragte sie mich wie es denn so gewesen sei
im Heavy Metal Heaven. Zündete sich 'ne Kippe an,
grinste als ich, breit gestikulierend, einige
Eindrücke des metallischen Weltenbummlers mit ihr
teilte. Im Hintergrund lief irgendeine Promo-CD eines
mir namlos gebliebenen Schrammeltrios. Die Tür zur
Strasse stand offen, draussen schien die Augustsonne.
Der Kaffee duftete, Katinka lachte. All was well, that
day, at the Grey Havens.​

(c)2000, Oliver K.​

Ja, schreiben kann der Prof. Was der wohl macht? Da werde ich das Album gleich mal wieder auflegen. Das RIP galt Katinka, oder? ODER?
 
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