Als "braver" Muse-Jünger habe ich mir den "Willen des Volkes" Teil natürlich umgehend in Gänze angehört.
Kollege
@Vauxdvihl hat da ja im "Gerade-im-Player"-Faden schon eine verkürzte, aber nette Lauschgegnüberstellung mit "Black Holes..." gemacht - im Grunde kann ich mich seinem dort geäußerten Konsens anschließen, wobei das hier natürlich aktuell ein Ersteindruck ist.
Meine Highlights in Form von "Won't stand down" und "Kill or be killed" waren ja hinlänglich bekannt und gehören zum ganz, ganz großen Songkino dieses Jahres. Der Titeltrack und "Compliance" sind hörbar, freundlich ausgedrückt. Zu schnell nutzen sich diese beiden Songs einfach ab und sind ein eher schwacher Part des Albums.
"Liberation" ist eine schöne Queen-Verbeugung (mir fällt direkt das "Sheer Heart Attack"-Album ein, warum auch immer), an dazu passenden Tagen sicherlich auch als Tränentreiber geeignet, live garantiert eine Bank. Ist auch mit etwas über 3 Minuten lang genug um nicht in überflüssige Längen auszuufern. Well done.
Was ich so von "Ghosts" halten soll, da bin ich mir noch nicht so ganz sicher: schon ein feiner, dramaturgischer Spannungsaufbau, am Ende aber irgendwie zu viel Pathos, da ist "Liberation" schon ein anderes Kaliber. Ist aber nicht auszuschließen, dass das einer dieser Titel ist, die mit der Zeit ein gewisses Wachstum entwickeln.
"You make me feel like it's Halloween" klingt ein wenig, als wären Michael Jackson und eine Spätachtziger Dance-Combo eine Kollaboration eingegangen. Das ist schon catchy, aber eigenlich nicht das, was ich von Muse hören möchte, obwohl das Gitarrensolo schon positiv schräg ist - und die Keys wirklich eine echte Verbeugung von Jackson sind. Mal schauen, wie sich das auf Dauer ausnehmen wird.
Die Reise nach Verona ist arg wavelastig geraten und strahlt ebenfalls so ein typisches 80er Flair aus, obwohl um Spannungsbögen bemüht plätschert das momentan noch so an mir vorbei, was sicherlich auch am eher "nervigen" Keyboardthema liegt, das den kompletten Song durchzieht.
"Euphoria" geht schon noch mal als etwas bessere "Compliance"-Version durch, wobei man sich meinem Gehör nach allerdings im wirklich tollen Pre-Chorus irgendwie äußerst offensichtlich selbst zitiert. Disco-Rock mit der typischen Muse-Note, aber nix, was mich so vom Hocker hauen würde.
Nun, wir sind gefickt: dieser Rausschmeißer hat so ein latentes 90er Industrial-Pop-Flair, das mir so in Summe gar nicht munden mag, da helfen auch die ein wenig an "...Cydonia" erinnernde Finale (etwas zu spacig überdies), sowie die fein arrangierten Chöre wenig.
Erstes Fazit: hätten Muse nie ihre Refrenzwerke rausgehauen, "Will..." hätte schon das Potential in Sachen Vielseitigkeit ähnliche Maßstäbe zu setzen wie z.B. frühe Queen-Alben. Es ist erstaunlich, mit welch traumwandlerischer Sicherheit sich diese Band in zahlreichen Genres bewegt und jedes mit Eingängigkeit zu segnen vermag. Der Haken: zu Abgeklärt wirkt Vieles, die poppigen Anleihen wirken bei aller Melodie oft platt und nutzen sich schnell ab, das diesbezüglich etwas weitergehende "Halloween..."-Experiment indes wirkt (zumindest im Moment) noch zu zerfahren, um wirklich zu punkten.
Natürlich kann eine Band nicht mehr den kreativen Hunger ihrer Anfangstage in die Wagschale werfen und es ist nur natürlich, dass man in vielen Passagen einfach auf bekannte Trademarks setzt. Mit "Kill or be Killed", "Won't stand down" und auch dem tollen "Liberation" sind 3 große Songs vertreten, die aber den Rest des eher durschnittlichen Materials nicht auffangen können.
Momentan wären das unter dem Strich ernüchternde 7 Punkte - in dem Wissen, das man sich dank der benannten 3 Titel durchaus auf dem Wege der Besserung befindet. Und natürlich entsprechen Titel wie halt "Compliance" oder "Will of the People" eben rein musikalisch betrachtet sicherlich exakt dem "Willen des Volkes", wenn man Singles für die breite Masse machen möchte.
Der geneigte Alt-Muse-Hörer indes sucht - und der 3 starken Songs zum Trotz - auch weiterhin die Muse, die Extreme ausloten und mit ihren unschlagbaren Melodien garnieren. Bellamy und Co. machen es diesen Altfans mit ihrer nach wie vor vorhandenen Pop-Affinität in einigen Bereichen nicht einfach. Man erwischt sich vielmehr bei dem Gedanken, was man aus dem Rausschmeißer hätte machen
können, wenn man ihn statt des (überwiegend) plätschernden Keysounds mit Gitarrenbrettern à la "Won't stand down" versehen hätte.